S. 238 / Nr. 52 Sachenrecht (d)

BGE 55 II 238

52. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1929 i. S. Schwegler gegen
Meier und Helbling.

Regeste:
ZGB Art. 853: Begriff der Gült im Sinne dieser Vorschrift. Kantonale
Bestimmungen, die ursprünglich zwar nicht allein für Gülten aufgestellt worden
waren, jedoch auf das Inkrafttreten des ZGB hin im Sinne der Anwendung auf
(die bisher errichteten) Gülten eingeschränkt wurden, bleiben ebenfalls
vorbehalten. So (entgegen BGE 53 II S. 457) das Zedelgesetz des Kantons
Appenzell A.-Rh.

A. - Der Beklagte ersteigerte am 7. Mai 1925 aus der Erbschaft des Otto Mück
die «Liegenschaft Nr. 23 im

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Grund (Wienacht-Tobel, Gemeinde Lutzenberg, Kanton Appenzell A.-Rh.), mit
Wohnhaus, Anbau, freistehenden Stadel und zugehörigem Boden (Wieswachs)» und
übernahm dabei die Schuldpflicht für die darauf lastenden Hypotheken, lauter
altrechtliche Zedel, von denen der Kläger Meier einen liegenden Zedel von 3000
Fr. im 5. Rang mit Vorgang an Kapital von rund 8500 Fr. und der Kläger
Helbling als Rechtsnachfolger der Erbschaft Mück nachgehend ebenfalls einen
liegenden Zedel von 3000 Fr. und einen Handwechselzedel von 1000 Fr. besitzen.
Am 21. Mai 1926 verkaufte der Beklagte einen Teil der Liegenschaft an A. Zogg,
der ebenfalls die Schuldpflicht für sämtliche Hypotheken übernahm. Den übrigen
Teil, nämlich den Stadel und Wiesland in bedeutendem Umfange, behielt der
Beklagte für sich und verpfändete ihn zusammen mit einer anderen ihm
gehörenden Liegenschaft. Am 17. Juni 1926 machten die Erben Mück, als damalige
Inhaber der letztgenannten Zedel, dem Beklagten Mitteilung von folgendem
Beschluss:
«1. Es sei Ihnen der auf der Liegenschaft Nr. 23 haftende Handwechsel im
Betrage von 1000 Fr. ... auf die gesetzliche Frist zu kündigen. (Die
Einzahlungsfrist beträgt 1 Monat.)
2. Verlangen die Erben gestützt auf die Bestimmungen des Zedelgesetzes die
Auszahlung des auf der Liegenschaft Nr. 23 haftenden Zedels im Betrage von
3000 Fr., Vorgang 13026 Fr., infolge Pfandentwertung...»
Am 28. Oktober 1927 schrieb der Vertreter beider Kläger an den Beklagten, er
habe die Zedel der Kläger «gegen bar abzulösen». «Die Zahlung war fällig mit
dem Tage der Übertragung der Liegenschaft, es ist Barzahlung verstanden ohne
jede Kündigung.»
Mit der vorliegenden Klage verlangen die Kläger Zahlung der erwähnten Zedel
mit rückständigen Zinsen.
B. - Das Obergericht des Kantons Appenzell A.-Rh. hat am 27. Mai 1929 die
Klage zugesprochen.
C. - Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung

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an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.
D. - (Bezugnahme auf folgende kantonale Gesetzesbestimmungen:
a) Gesetz über das Pfandrecht an Liegenschaften (Zedel-Gesetz) von 1882, Art.
7, 9, 10, 12 Abs. 3, 16 Abs. 2 und 3;
b) Gesetz betreffend die Einführung des schweiz. ZGB von 1911, Art. 200 ff.)
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz hat BGE 53 II S. 457 ff. als Präjudiz dafür angeführt, dass die
vorliegende Klage nach neuern Recht, dem schweizerischen ZGB, zu beurteilen
sei. In der Tat hat das Bundesgericht bezüglich einer Liegenschaft, auf
welcher alte appenzellische Zedel (freilich neben neuen Grundpfandrechten nach
ZGB) lasteten, ausgesprochen, dass nicht das frühere kantonale, sondern das
neue eidgenössische Recht für die Lösung der Frage massgebend sei, ob die
Zedelgläubiger einen Anspruch auf die Entschädigung für teilweise
Expropriation der ihnen verpfändeten Liegenschaft haben. Es ist zuzugeben,
dass der von der Vorinstanz hieraus gezogene Schluss nahe liegt. Indessen hat
das Bundesgericht zur Begründung der Anwendbarkeit des neuen Rechtes damals in
erster Linie und hauptsächlich angeführt, dass «bei einem Falle wie dem
vorliegenden, wo es sich um eine Liegenschaft handelt, die nicht
ausschliesslich mit alten kantonalen Hypotheken, sondern ausserdem mit
Grundpfandrechten des neuen eidgenössischen Rechtes belastet ist», die
Anwendung des alten kantonalen Rechtes eine unlösbare Kollision zwischen den
Ansprüchen der beiden Kategorien von Grundpfandgläubigern herbeiführen würde
(vgl. a.a.O. S. 459/60). Erst in zweiter Linie wurde (zum Überfluss) noch Art.
27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
1    Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
2    Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken.
des Schlusstitels des ZGB herangezogen, wonach die Rechte des
Pfandgläubigers während des bestehenden Verhältnisses, wie namentlich die
Sicherungsrechte

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(und ebenso die Rechte des Schuldners) für alle Pfandrechte vom Zeitpunkte des
Inkrafttretens des ZGB an unter dem neuen Rechte stehen. In diesem
Zusammenhang wurde dann ausgeführt: «Für das Gegenteil ... (u.s.w.; s. a.a.O.
S. 461 Zeilen 9-30). An dieser Auffassung kann jedoch bei näherer Prüfung der
Tragweite des appenzell-ausserrhodischen Einführungsrechtes nicht festgehalten
werden. Der eben angeführte Art. 201 des EG zum ZGB läuft darauf hinaus, dass
die Geltung der Vorschriften des Zedelgesetzes auf die liegenden Zedel,
Handwechselzedel und Terminzedel eingeschränkt wurde. Freilich geschah dies
erst gerade auf das Inkrafttreten des ZGB hin, ja unter Vorbehalt einer das
Inkrafttreten des ZGB überdauernden kurzen Übergangszeit. Allein da es den
Kantonen bis zum 31. Dezember 1911 noch zustand, ihre Zivilgesetzgebung zu
ändern, und jede solche Änderung in den intertemporal oder sonstwie dem
kantonalen Rechte vorbehaltenen Fragen über das Inkrafttreten des ZGB hinaus
wirksam geblieben wäre, so darf eine derartige Änderung auch nicht unbeachtet
gelassen werden, wenn zur Vermeidung von Komplikationen vorgesehen wurde, dass
sie erst gerade gleichzeitig mit dem ZGB in Kraft treten solle (vgl. BGE 42 II
S. 200
ff.). Durch Art. 201 EG zum ZGB wurden also die Vorschriften des
kantonalen Zedelgesetzes zu besonderen gesetzlichen Bestimmungen für die
Gülten im Sinne des Art. 853
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 853 - Ist die Schuldbriefforderung getilgt, so kann der Schuldner vom Gläubiger verlangen, dass dieser:
1  der Übertragung des Register-Schuldbriefs auf den Namen des Schuldners zustimmt; oder
2  den Pfandtitel des Papier-Schuldbriefs unentkräftet herausgibt.
ZGB erhoben. Gülten im Sinne dieser Vorschrift
sind nämlich nicht etwa nur solche Grundpfandrechte des alten kantonalen
Rechtes, welche sämtliche Merkmale der Gült des ZGB aufweisen, was ja auch für
die mit persönlicher Haftung des Grundeigentümers ausgestatteten liegenden
Zedel des früheren Appenzeller Rechtes nicht zutrifft, die nichtsdestoweniger
unzweifelhaft als Gülten anzusehen sind (BGE 53 II S. 461) Entscheidend hiefür
ist vielmehr die Unkündbarkeit für den Gläubiger, die für die Handwechselzedel
und Terminzedel ebenso zutrifft, wenn sie hier zwar durch die vorgesehene
Fälligkeit infolge Handänderung oder periodische

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Abzahlungen einigermassen gemildert ist (vgl. Erläuterungen zum Vorentwurf des
ZGB, 22. Titel I, 3, c; (HOFFMANN und) HAFNER, Rechtsgutachten über die
Rechtsnatur der appenzell-ausserrhodischen Zedel usw. S. 25). Somit sind
gemäss Art. 853
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 853 - Ist die Schuldbriefforderung getilgt, so kann der Schuldner vom Gläubiger verlangen, dass dieser:
1  der Übertragung des Register-Schuldbriefs auf den Namen des Schuldners zustimmt; oder
2  den Pfandtitel des Papier-Schuldbriefs unentkräftet herausgibt.
ZGB auf alte Zedel nach wie vor ausschliesslich die
Vorschriften des früheren Zedelgesetzes anwendbar, sofern nicht wegen der
Anwendbarkeit der Vorschriften des ZGB auf die gleiche Liegenschaft belastende
Grundpfandrechte des neuen Rechtes unlösbare Kollisionen entstehen oder
zwingende Vorschriften des neuen Rechtes entgegenstehen, was beides hier nicht
zutrifft; namentlich haben ja auf der in Rede stehenden Liegenschaft im
massgebenden Zeitpunkte keinerlei Grundpfandrechte des neuen Rechtes gelastet,
die allfällig einer kollidierenden Anwendung von Vorschriften des ZGB gerufen
hätten. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Grundbuchverwalter davon
abgesehen hat, das in Art. 833
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 833 - 1 Wird ein Teil des mit einem Grundpfande belasteten Grundstückes oder eines von mehreren verpfändeten Grundstücken desselben Eigentümers veräussert, oder das Unterpfand zerstückelt, so ist die Pfandhaft mangels anderer Abrede derart zu verteilen, dass jeder der Teile nach seinem Werte verhältnismässig belastet wird.
1    Wird ein Teil des mit einem Grundpfande belasteten Grundstückes oder eines von mehreren verpfändeten Grundstücken desselben Eigentümers veräussert, oder das Unterpfand zerstückelt, so ist die Pfandhaft mangels anderer Abrede derart zu verteilen, dass jeder der Teile nach seinem Werte verhältnismässig belastet wird.
2    Will ein Gläubiger diese Verteilung nicht annehmen, so kann er binnen Monatsfrist, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, verlangen, dass seine Pfandforderung innerhalb eines Jahres getilgt werde.
3    Haben die Erwerber die Schuldpflicht für die auf ihren Grundstücken lastenden Pfandforderungen übernommen, so wird der frühere Schuldner frei, wenn der Gläubiger diesem gegenüber nicht binnen Jahresfrist schriftlich erklärt, ihn beibehalten zu wollen.
, 846
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 846 - 1 Die Schuldbriefforderung darf sich weder auf das Grundverhältnis beziehen noch Bedingungen oder Gegenleistungen enthalten.
1    Die Schuldbriefforderung darf sich weder auf das Grundverhältnis beziehen noch Bedingungen oder Gegenleistungen enthalten.
2    Der Schuldbrief kann schuldrechtliche Nebenvereinbarungen über Verzinsung, Abzahlung und Kündigung sowie andere die Schuldbriefforderung betreffende Nebenbestimmungen enthalten. Eine Verweisung auf eine separate Vereinbarung ist zulässig.
, 852
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 852 - 1 Ändert sich das Rechtsverhältnis zugunsten des Schuldners, namentlich durch Abzahlung der Schuld, so kann der Schuldner vom Gläubiger verlangen, dass dieser der Einschreibung der Änderung in das Grundbuch zustimmt.
1    Ändert sich das Rechtsverhältnis zugunsten des Schuldners, namentlich durch Abzahlung der Schuld, so kann der Schuldner vom Gläubiger verlangen, dass dieser der Einschreibung der Änderung in das Grundbuch zustimmt.
2    Beim Papier-Schuldbrief vermerkt das Grundbuchamt diese Änderung auf dem Titel.
3    Ohne diese Einschreibung oder diesen Vermerk auf dem Titel muss sich ein gutgläubiger Erwerber des Schuldbriefs die Wirkung der Änderung im Rechtsverhältnis nicht entgegenhalten lassen.
ZGB und 87 der Grundbuchverordnung
vorgeschriebene Verfahren durchzuführen. Dementsprechend hätte die Vorinstanz
einfach die zutreffenden Vorschriften des alten Zedelgesetzes zur Anwendung
bringen sollen, anstatt zu versuchen, aus dem neuen Rechte Vorschriften zu
gewinnen für den Fall, dass der Grundbuchverwalter nicht in der angegebenen
Weise vorgegangen ist... Somit muss die Sache zur Anwendung des kantonalen
Rechtes an die Vorinstanz zurückgewiesen werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin begründet erklärt, dass das angefochtene Urteil
aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 55 II 238
Date : 01. Januar 1929
Published : 18. Oktober 1929
Source : Bundesgericht
Status : 55 II 238
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : ZGB Art. 853: Begriff der Gült im Sinne dieser Vorschrift. Kantonale Bestimmungen, die ursprünglich...


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ZGB: 27  833  846  852  853
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