S. 183 / Nr. 38 Obligationenrecht (d)

BGE 55 II 183

38. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Juni 1929 i. S.
Uto-Garage-Automobil A.-G. gegen Haller.

Regeste:
Auftrag, Widerruf, Folgen. Art. 404 II OR.

Der Kläger Haller, Generalvertreter der Speditionsfirma Lloyd Royal Belge für
die Schweiz, schloss mit der Beklagten, Uto-Garage-Automobil A.-G.,
verschiedene Verträge über Automobiltransporte ab, die dann grossenteils nicht
ausgeführt werden konnten. Seine Klage auf Ersatz der unnütz gewordenen
Aufwendungen wird vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen. Aus den Gründen:
3.- Der Hauptstandpunkt der Beklagten ist der, sie sei gemäss Art. 404 OR zum
jederzeitigen Widerrufe berechtigt gewesen, und zwar ohne Schadenersatz, da
Abs. II 1. c. nicht zutreffe. Die Vorinstanz geht davon aus, dass für
Aufwendungen zum Zwecke des Mandates dem Beauftragten bei Widerruf auch dann
Ersatz gebühre, wenn ein Widerruf «zur Unzeit» nicht vorliege. Hierin liegt
der rechtliche Kernpunkt des Streites. Allein es ist auch in dieser Hinsicht
der Vorinstanz beizustimmen, jedenfalls da, wo, wie hier, der Widerruf aus
Umständen erfolgt, die einzig und allein der Widerrufende zu vertreten hat; in
derartigen Fällen gebieten die Grundsätze von Treu und Glauben und die
Billigkeit, dass der Widerrufende den Beauftragten für Auslagen und
Aufwendungen, die im Hinblick auf die Ausführung des übernommenen Auftrages
gemacht wurden, schadlos halte. Es handelt

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sich hiebei weniger um Schadenersatzpflicht wegen Nichterfüllung eines
Vertrages im Sinne von Art. 97 ff . OR, die auf das Erfüllungsinteresse ginge,
als um zum mindesten analoge Anwendung des Grundsatzes des Art. 404 Abs. II,
welch letzterer nur einen besondern Fall regelt.
Ob zu dieser Schadenersatzpflicht ein Verschulden des Widerrufenden
erforderlich ist, mag dahingestellt bleiben. Denn wenn auch die Beklagte nach
Abschluss der Verträge mit dem Kläger, insbesondere des ersten Vertrages, das
Nötige getan hat, um die Transporte durch den Lloyd Royal Belge zu erhalten,
so hatte sie sich doch jedenfalls nicht vor Erteilung der Transportaufträge
versichert, dass die den Transport ermöglichenden Bedingungen eingehalten
werden, und im Abschlusse ohne Gewissheit darüber und ohne Aufklärung der
Gegenpartei liegt eine culpa in contrahendo. Auch von diesem Gesichtspunkte
aus gelangt man zur Bejahung der Schadenersatzpflicht auf Grund des Ersatzes
der nutzlos gewordenen Aufwendungen.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 55 II 183
Date : 01 janvier 1929
Publié : 26 juin 1929
Source : Tribunal fédéral
Statut : 55 II 183
Domaine : ATF - Droit civil
Objet : Auftrag, Widerruf, Folgen. Art. 404 II OR.


Répertoire des lois
CO: 97  404
Répertoire ATF
55-II-183
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
défendeur • autorité inférieure • automobile • dommages-intérêts • dépense • mandat • tribunal fédéral • condition • temps inopportun • principe de la bonne foi • culpa in contrahendo • minorité