S. 178 / Nr. 37 Obligationenrecht (d)

BGE 55 II 178

37. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Juni 1929 i. S. Société des Eaux
d'Henniez gegen Galleja, Leutenegger & Cie .


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Regeste:
Unlauterer Wettbewerb. Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
OR. Eine
Anpreisung, die sich im Rahmen einer objektiven Vergleichung der Eigenschaften
des eigenen Produktes mit denjenigen von Erzeugnissen eines
Konkurrenzunternehmens bewegt, überschreitet die Grenzen der erlaubten
geschäftlichen Propaganda nicht, sofern der Vergleich auf richtigen Angaben
fusst.

A. - Die Klägerin ist Eigentümerin dreier, in Henniez (Kt. Waadt) gelegener
erdiger Mineralquellen, deren Wasser zu Bade- und Trinkkuren verwendet wird.
Die Beklagten besitzen die Schenkenberger Mineral- und Heilquelle in
Schinznach-Dorf, deren Wasser als Medizinal- und Tafelwasser vertrieben wird,
und sie stellen daraus durch Beigabe süsser Fruchtsäfte auch ein diätetisches
Volksgetränk (Sykosana) her.
Die Beklagten haben für jedes der beiden Wasser eine Werbeschrift in 80000
Exemplaren drucken lassen, die eine «Rangliste der hauptsächlichsten
schweizerischen Mineral- und Tafelwasser, nach ihrem Mineralstoffgehalt
geordnet» enthält. Der Gehalt an Mineralsubstanzen ist darin pro kg Wasser für
das Schenkenbergerwasser mit 2,5020 g angegeben, für das Rhäzünser mit 1,3860
g, das Eptinger mit 1,1358 g, das Kapuziner Rheinfelden mit 0,7572 g, das
Henniez mit 0,684 g und das Walzenhauser mit 0,3338 g; er ist überdies durch
eine graphische Darstellung in Form von schwarzen Säulen veranschaulicht,
deren Höhe sich nach dem Mineralstoffgehalt der verschiedenen Wasser bemisst,
wobei als Basis das Schenkenbergerwasser mit 100% angenommen ist, während der

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Prozentsatz des Henniezwassers, das im zweitletzten Range figuriert, nur 27,3
beträgt. Ueberschritten wird das Schenkenbergerwasser einzig, und nur in ganz
unbedeutendem Masse (101%), durch das Eglisauerwasser, sofern das in demselben
enthaltene «therapeutisch indifferente Kochsalz» berücksichtigt wird. Die
entsprechende Säule ist in der Tabelle - im Gegensatz zu allen übrigen - in
Schraffurdruck dargestellt, und es ist für das Eglisauerwasser eine zweite
Säule mit der Angabe 37,1% (nach Abzug des Gehalts an Kochsalz) enthalten.
Durch Brief vom 7. März 1928 hat die Klägerin den Vertretern der Beklagten,
Bünzli & Cie in Solothurn, mitgeteilt, durch diese «Rangliste» werde beim
Leser der Eindruck erweckt, von den einheimischen Mineralwassern sei das
Schenkenberger neben dem Eglisauer das beste, das Henniezwasser aber gehöre zu
den minderwertigen. Nach einem Gutachten des waadtländischen Kantonschemikers
bedeute diese «Rangliste» eine Irreführung des Publikums; sie enthalte ein
falsches Werturteil über die schweizerischen Mineralwasser, weil so nur der in
Prozenten ausgedrückte Gehalt an mineralischen Bestandteilen angeführt werde,
während doch die Güte eines Wassers nicht ausschliesslich hievon abhänge. Eine
solche Reklame sei unstatthaft und schädige die Klägerin. Darauf wurde die
Klägerin durch Bünzli & Cie an die Beklagten gewiesen. Von diesen verlangte
die Klägerin am 13. März 1928 Unterlassung der weiteren Verbreitung der
genannten Werbeschriften und Aufklärung des Publikums über die stattgefundene
Irreführung. Die Beklagten wiesen das Ansinnen unter Berufung auf ein ihnen
von Prof. Dr. Hartmann in Aarau erstattetes Gutachten zurück.
B. - Hierauf hob die Klägerin beim aargauischen Handelsgericht die vorliegende
Klage an, die sich auf Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
OR und 28 ZGB gründet, mit den Rechtsbegehren:
1. Es sei richterlich festzustellen, dass die Verwendung der «Rangliste» gegen
Treu und Glauben verstosse und eine unwahre Auskündung darstelle.

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2. Den Beklagten sei die weitere Benützung dieser «Rangliste» richterlich zu
verbieten,
3. Schadenersatzforderung von 10000 Fr.
4. Urteilspublikation.
C. - Die Beklagten beantragten Abweisung der Klage. Sie machen geltend, die
«Rangliste» entspreche mit den darin enthaltenen Angaben der Wahrheit und
stelle deshalb eine erlaubte Reklame dar; sie sei von Prof. Dr. Hartmann
selber aufgestellt worden. Es seien damit bloss die Ergebnisse
wissenschaftlicher Analysen bekanntgegeben und durch eine graphische
Darstellung anschaulich gemacht worden, nicht aber gesagt, die Qualität eines
Mineralwassers hänge ausschliesslich vom Gehalt an Mineralstoffen ab und das
Schenkenbergerwasser sei in jeder Beziehung das beste.
D. - Das Handelsgericht des Kantons Aargau hat mit Urteil vom 31. Januar 1929
die Klage als «in jeder Hinsicht unbegründet» abgewiesen.
E. - Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag auf Zusprechung sämtlicher 4 Klagebegehren.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Klägerin wirft den Beklagten vor, dass in der in ihren
Reklamebroschüren enthaltenen «Rangliste der hauptsächlichsten schweizerischen
Mineral- und Tafelwasser» das Henniezwasser im Vergleich zum
Schenkenbergerwasser als gänzlich minderwertig hingestellt und dadurch das
kaufende Publikum zum Nachteil des klägerischen Unternehmens irregeführt
werde. Demgegenüber ist zunächst festzustellen, dass die «Rangliste» sich auf
eine Bewertung der verschiedenen darin aufgeführten Wasser nach ihrem
Gesamtgehalt an Mineralstoffen beschränkt, welch letzterer für die einzelnen
Wasser gestützt auf die Ergebnisse chemischer Analysen angegeben und mit
demjenigen des Schenkenbergerwassers in Vergleich gesetzt wird. Es fragt sich,
ob die Beklagten sich dadurch

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einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht und speziell gegen Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
OR
verstossen haben.
2.- Darnach liegt unlauterer Wettbewerb vor, wenn jemand durch unwahre
Ausbündungen oder andere Treu und Glauben verletzende Veranstaltungen in
seiner Geschäftskundschaft beeinträchtigt oder in deren Besitz bedroht wird,
und es kann der durch ein solches Geschäftsgebaren Betroffene dessen
Einstellung und im Falle eines Verschuldens Ersatz des zugefügten Schadens
fordern.
a) Eine unwahre Auskündung kann in der «Rangliste» nicht erblickt werden. Die
Klägerin macht selbst nicht geltend, dass die (absoluten und relativen)
Gehaltsangaben, speziell soweit sie das Henniez- und das Schenkenbergerwasser
betreffen, der Wahrheit nicht entsprechen. Auch der Umstand, dass nicht
sämtliche schweizerischen Mineral- und Tafelwasser zum Vergleich herangezogen
werden, insbesondere nicht das Meltinger Wasser und die Passugger
Ulricusquelle, stempelt die Auskündung nicht zu einer «unwahren», und es hat
jedenfalls die Klägerin keinen Anlass, sich darüber zu beschweren; da das
Henniezwasser sonst in noch niedrigerem Range figurieren würde.
b) Die Frage spitzt sich also dahin zu, ob die Veröffentlichung der
«Rangliste» als eine «andere Treu und Glauben verletzende Veranstaltung»
betrachtet werden könne. Nach der Praxis des Bundesgerichts (vgl. BGE 21 S.
1188 f., 43 II S. 51 ff.; OSER, Komm. 2. Aufl. S. 339 ff., Anm. IV zu OR 48,
spez. Ziff. 1 a und b; BECKER, S. 212 ff., Anm. 6 ff.) überschreitet eine
Anpreisung, die sich im Rahmen einer objektiven Vergleichung der Eigenschaften
des eigenen Produktes mit denjenigen von Erzeugnissen von
Konkurrenzunternehmen bewegt, die Grenzen der erlaubten geschäftlichen
Propaganda nicht, sofern der Vergleich auf richtigen Angaben fusst, mögen auch
im übrigen die Vorzüge des eigenen Erzeugnisses in möglichst helles Licht
gerückt sein, während eine Anpreisung, die augenscheinlich auf ein
Herabsetzen, eine Anschwärzung

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der Konkurrenz hinausläuft, vor dem Gesetz nicht standhält. Dafür, dass die
Beklagten mit der Aufstellung und Veröffentlichung der «Rangliste», die
keineswegs marktschreierisch gehalten ist, einen derartigen Zweck gegenüber
der Klägerin verfolgt haben, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Die
Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, dass entgegen der Darstellung
der Klägerin beklagtischerseits nicht behauptet wird, die Qualität der Wasser
beurteile sich ausschliesslich nach ihrem Gesamtgehalt an mineralischen
Substanzen; dass eine Bewertung nach anderen Gesichtspunkten schlechthin
ausgeschlossen sei, kann der Publikation der Beklagten nicht entnommen werden:
der deutlich wahrnehmbare Zusatz «nach ihrem Mineralstoffgehalt geordnet»,
welcher der Überschrift beigefügt ist, weist auf das Gegenteil hin und auch
der Umstand, dass das im Eglisauerwasser enthaltene Kochsalz, also ein
mineralischer Bestandteil desselben, als «therapeutisch indifferent»
bezeichnet wird, spricht dafür, dass nach der eigenen Auffassung der Beklagten
der Gehalt an Mineralstoffen nicht allein massgebend ist. Dagegen lässt sich
nicht in Abrede stellen, dass derselbe doch zum mindesten einen wesentlichen
Faktor für die Beurteilung der Güte der Mineralwasser bildet, was dessen Wahl
als Vergleichsmasstab füglich rechtfertigen mochte, ohne dass die Absicht der
Beklagten notwendig auf Benachteiligung der Klägerin und gar auf systematische
Herabsetzung des Henniezwassers gerichtet zu sein brauchte.
3.- Damit wird die Frage, wie es sich mit dem weiteren Erfordernis der
Beeinträchtigung in der Geschäftskundschaft oder der Bedrohung im Besitze
derselben verhalte, hinfällig; immerhin mag bemerkt werden, dass das Publikum
bei der Wahl zwischen verschiedenen Mineralwassern doch wohl in erster Linie
auf deren Geschmack abstellen dürfte, oder sich jedenfalls dadurch
mitbestimmen lässt, und dass die Klägerin es in der Hand hatte, der Propaganda
der Beklagten durch geeignete Gegenmassnahmen entgegenzutreten.

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4.- Die Klage erweist sich mithin - ob man vom moralischen Standpunkte aus im
Verhalten der Beklagten etwas Anstössiges erblicken will oder nicht - als
unbegründet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons
Aargau vom 31. Januar 1929 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 II 178
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 11. Juni 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 II 178
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Unlauterer Wettbewerb. Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Art. 48 OR. Eine Anpreisung, die sich...


Gesetzesregister
OR: 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
BGE Register
55-II-178
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • wasser • bundesgericht • handelsgericht • aargau • stelle • treu und glauben • mineralstoff • schaden • rechtsbegehren • veranstalter • analyse • bestandteil • verhalten • unlauterer wettbewerb • eigenschaft • rang • frage • wahrheit • richtigkeit
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