S. 149 / Nr. 28 Markenschutz (d)

BGE 55 II 149

28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. April 1929 i. S.
Valvoline Oil Comp. gegen Indian Refining Comp.


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Regeste:
Markenschutz:
1. Art. 6 Abs. I und II der rev. Pariser Verbandsübereinkunft. Anwendbarkeit
des schweizerischen Rechts bei Beurteilung der Frage, ob eine markenfähige
Bezeichnung vorliege (Erw. 1).
2. Geltung des Territorialprinzips für die Frage der Freizeicheneigenschaft.
Die Wortmarke «Valvoline» ist in ihrer Verwendung für Ölprodukte weder nach
deutschem, noch französischem Sprachgebrauch deskriptiv. - Freizeichenbildung;
wann vollendet? Bedeutung der Aufnahme der Bezeichnung in Wörterbücher (Erw.
2).

A. - Die Firma Leonard & Ellis in New-York, Rechtsvorgängerin der Klägerin,
hat im Jahre 1873 die Wortmarke «Valvoline» und eine Wortbildmarke, bestehend
aus einer halbmondartigen Figur mit dem als Hauptbestandteil querdurch
geschriebenen Worte «Valvoline» im Markenregister der U. S. A. und am 2.
Januar 1884 unter Nr. 174 und 175 für «huile à graisser» auch im schweiz.
Markenregister eintragen lassen. Am 19. September 1902 wurden die beiden
Zeichen auf die Klägerin, Valvoline Oil Company in New-York, übertragen, die
sie am 1. November 1922 unter Nr. 52797 und 52798 beim Eidg. Amt für geistiges
Eigentum erneuern liess.
Die Beklagte, Indian Refining Company, mit Sitz in New-York, ist Inhaberin der
am 9. April 1907 von der Firma Havemeyer Oil Company in den U. S. A.
hinterlegten und am 18. Juni 1921 unter Nr. 49861 für «Öle und Fette für
Gasmaschinen und Automobile» auch im

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schweizerischen Markenregister eingetragenen Wortmarke «Havoline».
B. - Die Klägerin erblickte in der Verwendung der Marie der Beklagten eine
Verletzung ihrer Zeichenrechte und reichte im Juli 1927 beim Handelsgericht
des Kantons Bern Klage ein, mit den Begehren um:
1. Löschung der Marke der Beklagten im schweiz. Markenregister und Untersagung
der weitern Verwendung dieser Bezeichnung für Öle und Fette und gleichartige
Waren;
2. Verurteilung der Beklagten zu Schadenersatz auf richterliche Bestimmung
hin;
3. Anordnung der Veröffentlichung des Urteils im Dispositiv auf Kosten der
Beklagten in von der Klägerin zu bezeichnenden Zeitungen.
Den Löschungsanspruch begründete sie damit, dass sich die Marke «Havoline» von
ihrem früher eingetragenen Zeichen «Valvoline» nicht genügend unterscheide und
infolgedessen zu Verwechslungen Anlass gebe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, indem sie das Vorhandensein
einer Verwechslungsgefahr bestritt. Widerklageweise verlangte sie sodann die
Löschung der beiden Marken Nr. 52797 und 52798 der Klägerin im schweiz.
Markenregister und die Veröffentlichung des bezüglichen Urteilsdispositivs im
Schweiz. Handelsamtsblatt und in andern Handelszeitungen der Schweiz.
Zur Begründung der Widerklage machte sie geltend, dass die Wortmarke
«Valvoline» als allgemein übliche Sachbezeichnung nicht schutzfähig sei. Sie
setze sich zusammen aus dem englischen Hauptwort «valve», das «Klappe» oder
«Ventil» bedeute, und aus «oline», einer längst zum Gemeingut gewordenen
Bezeichnung für Öle, insbesondere Schmieröle. «Valvoline» besage daher nichts
anderes als «Ventil- oder Klappenöl», charakterisiere also die Ware mit Bezug
auf ihre Zweckbestimmung. Eventuell, falls angenommen werde, dieses Wort sei

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ursprünglich ein Individualzeichen gewesen, so sei es jedenfalls im Laufe der
Jahre zur Sachbezeichnung geworden, und zwar speziell in der Westschweiz.
C. - Mit Urteil vom 30. November 1928 hat das Handelsgericht des Kantons Bern
die Haupt- und Widerklage abgewiesen.
D. - Dieses von beiden Parteien mittelst Berufung angefochtene Urteil hat das
Bundesgericht dahin abgeändert, dass es die Marke «Havoline» der Beklagten als
nichtig erklärte und die einmalige Veröffentlichung des Urteilsdispositivs auf
Kosten der Beklagten in zwei von der Klägerin zu bestimmenden Zeitungen
anordnete.
Aus den Erwägungen:
1.- Es ist in erster Linie das auf Löschung der Marken der Klägerin gerichtete
Widerklagebegehren zu prüfen, weil die Hauptklage die Rechtsbeständigkeit
dieser angefochtenen Zeichen voraussetzt. Wie die Vorinstanz zutreffend
annimmt, ist der Beurteilung das schweizerische Recht zugrunde zu legen.
Gemäss Art. 6 Abs. I der rev. Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des
gewerblichen Eigentums, der sowohl die Vereinigten Staaten von Nordamerika,
als die Schweiz angehören, sind die im Ursprungslande (U. S. A.) eingetragenen
Marken der Klägerin «telles quelles» in der Schweiz zur Hinterlegung
zuzulassen und zu schützen, es wäre denn, dass einer der in Abs. II Ziff. 1-3
ebenda angeführten Ausschliessungsgründe zuträfe. Wie das Bundesgericht in
Bestätigung seiner bisherigen Praxis neuerdings ausgesprochen hat, bezieht
sich Abs. I zit. Art. nur auf die äussere Form der Marke, während für die
Frage, ob das Zeichen nach seinem Wesen und seiner Funktion materiell
schutzfähig sei, also insbesondere in Hinsicht darauf, ob es
Freizeichencharakter habe, oder Angaben über die Art der Herstellung, die
Beschaffenheit oder Bestimmung der damit versehenen Ware enthalte, oder die
Gefahr einer Täuschung begründe, die Gesetzgebung des Verbandsstaates, in
welchem der

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markenrechtliche Schutz beansprucht wird, massgebend ist, also hier das
schweiz. MSchG, dessen Art. 3 Abs. II sich materiell mit den
Ungültigkeitsgründen des Art. 6 Abs. II Ziff. 2 der Pariserkonvention deckt
(vgl. BGE 55 II 62 f.; 53 II 360; 52 II 303 f.).
2.- Die Beklagte behauptet die Schutzunfähigkeit des Wortes «Valvoline» unter
Hinweis darauf, dass es nach seiner begrifflichen Bedeutung eine
Sachbezeichnung für Schmieröl sei. Da der Markenschutz in der Schweiz
beansprucht wird, sind die Verhältnisse massgebend, wie sie sich hinsichtlich
der Bedeutung und Verwendung dieses Wortes in der schweizerischen
Verkehrsauffassung gebildet haben. Gemäss diesem nach feststehender
bundesgerichtlicher Rechtsprechung für die Frage der Freizeicheneigenschaft
geltenden Territorial- oder Nationalitätsprinzip ist es daher nicht
ausgeschlossen, dass eine Marke zwar im Auslande nicht Freizeichen ist, wohl
aber im Inland als solches betrachtet werden muss, oder umgekehrt hier den
Charakter als privates Herkunftszeichen bewahrt, im ausländischen Verkehr
dagegen eingebüsst hat (vgl. BGE 39 II 116 ff.; 42 II 169 f.; 43 II 101 f.; 50
I 330
f.).
Bei der Beurteilung, ob eine Wortmarke beschreibender Natur sei, fällt
naturgemäss der Sprachgebrauch derjenigen Sprache in erster Linie in Betracht,
der das Wort angehört. Insofern bildet daher vorliegend schon die Tatsache,
dass «Valvoline» laut den von der Vorinstanz angeführten amerikanischen
Urteilen im englischen Sprachgebiet keine Sachbezeichnung ist, ein gewichtiges
Indiz gegen den Standpunkt der Beklagten. Wie das Handelsgericht auf Grund
eines umfangreichen Beweisverfahrens feststellt, wird das Wort aber auch in
den beteiligten deutsch-schweizerischen Verkehrskreisen als Marke, und nicht
als Sachbezeichnung aufgefasst, trotz des Allgemeingebrauches des Suffixes
«oline» als Bezeichnung für Ölprodukte, da der der englischen Sprache
entnommene wesentliche Wortbestandteil «valve» im Sprachgebiete der deutschen
Schweiz sozusagen unbekannt ist. Auch

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das deutsche Patentamt hat dieses Zeichen als schutzfähig anerkannt, auf Grund
der Erwägung, dass, wenn auch die Wortbestandteile an sich in einer
begrifflichen Beziehung zur Ware stehen, die Wortbildung willkürlich und
eigenartig genug sei, um individualisierend für das Produkt zu wirken. Die
Beklagte hat übrigens heute nicht mehr in Abrede gestellt, dass «Valvoline» in
den deutsch-schweizerischen Abnehmerkreisen als Phantasiename gebräuchlich
ist. Nichts anderes gilt aber nach der verbindlichen Beweiswürdigung der
Vorinstanz auch für das französische Sprachgebiet. Im Französischen kommt das
Wort «valve» in mannigfacher Bedeutung vor, so in der Botanik und Zoologie im
Sinne von Samenlappen, Fruchtklappen, Schale von Mollusken etc., in der
Mechanik als Bezeichnung für Ventil und in der Chirurgie zur Bezeichnung
gewisser Instrumente (vgl. LITTRÉ, Dictionnaire de la langue française;
LAROUSSE, illustré). Am bekanntesten ist wohl die Bedeutung von «Schale» oder
«Muschel». Auf jeden Fall darf der spezielle Sinn von «Klappe» oder «Ventil»,
wie er dem Ausdruck in der Technik zukommt, bei den letzten Abnehmern des Öls
nicht als derart bekannt vorausgesetzt werden, dass der Wortbestandteil «Valv»
im angefochtenen Zeichen als beschreibender Hinweis auf die Zweckbestimmung
des betreffenden Ölproduktes allgemein verständlich wäre; dies umsoweniger,
als das Wort «Valvoline» auf den ersten Blick erkennbar aus dem Englischen
stammt und daher nicht vermuten lässt, dass darin auch das mehrdeutige
französische Hauptwort «valve» steckt. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist die
Aussage des Französisch sprechenden, seit Jahren im Ölhandel tätigen Zeugen
Geiger, der nicht wusste, dass «Valvoline» eine Marke ist, jedoch ausdrücklich
erklärte, dass ihm der Sinn dieses Wortes unbekannt sei. Die Vorinstanz stellt
auf Grund des Beweisergebnisses in nicht aktenwidriger Weise fest, dass die in
Frage kommenden Verkehrskreise der französischen Schweiz überhaupt die
Bedeutung dieses

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Ausdrucks nicht kennen. Jedenfalls wäre die durch das Stammwort «Valv»
begrifflich geschaffene Beziehung zu der betreffenden Ware nach dem
allgemeinen französischen Sprachgebrauch eine derart entfernte, dass sie den
Individualcharakter des Zeichens nicht zu zerstören vermöchte. Denn nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt zur Schutzunfähigkeit eines
Wortzeichens nicht schon jede Anspielung auf die Natur oder Bestimmung der
Ware; erforderlich ist vielmehr, dass das Zeichen nach seiner sprachlichen
Bedeutung in einem so engen Zusammenhang mit dem damit versehenen Erzeugnis
stehe, dass es augenfällig als eine den beteiligten Verkehrskreisen allgemein
verständliche Angabe über die Ware erscheint (vgl. BGE 54 II 406).
Soweit die Beklagte eventuell geltend macht, dass das ursprüngliche
Individualzeichen «Valvoline» im Laufe der Zeit in der Schweiz zur generellen
Sachbezeichnung für Schmieröl geworden sei, scheitert dieser Angriff an den
gegenteiligen, auf prozessualer Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen im
angefochtenen Urteil. Freilich hatte darnach diese Wortmarke den Charakter
eines Kennzeichens für die Produkte der Klägerin in der welschen Schweiz
teilweise eingebüsst, indem namentlich Kleinabnehmer im allgemeinen
«Valvoline» als Warennamen für «huile épaisse», gleichgültig welcher Herkunft,
ansahen, während sich die Garagisten und Grossabnehmer meistens der Bedeutung
des Wortes als eines Individualzeichens bewusst waren. Dieser Entwicklung zum
Freizeichen, die nach den Beobachtungen eines sachverständigen Handelsrichters
dadurch veranlasst und begünstigt worden war, dass die Automobilfabrik Peugeot
für ihre Autos eine Anweisung zum Schmieren gewisser Maschinenteile mit «huile
épaisse de la marque Valvoline» herausgegeben hatte, ist indessen die Klägerin
durch Reklame und Aufklärung wirksam entgegengetreten, so dass das Wort
wiederum den Charakter einer Marke angenommen hat und sich als solche mehr und
mehr durchsetzt. Solange

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aber die individualisierende Bedeutung eines Wortzeichens dem Sprachgebrauch
der beteiligten Verkehrskreise nicht derart entschwunden ist, dass das Wort
sich einer Rückwandlung als unzugänglich erweist, kann die Freizeichenbildung
nicht als abgeschlossen angenommen werden (vgl. BGE 42 II 171), ganz abgesehen
davon, dass hier die Bezeichnung «Valvoline» ihre Markeneigenschaft in der
Verkehrsauffassung der deutschen Schweiz allgemein bewahrt hat. Bei dieser
Sachlage kann daher auch die Tatsache, dass dieses Wort in einzelnen
Wörterbüchern (gewöhnlichen und technischen) als Warenname verwendet wird,
kein schlüssiges Indiz für die von der Beklagten behauptete Umwandlung zur
schutzunfähigen Sachbezeichnung bilden (vgl. BGE 39 II 119), umsoweniger, als
«Valvoline», laut Feststellung der Vorinstanz, in ebensovielen andern
technischen Nachschlagewerken überhaupt nicht, oder dann ausdrücklich als
Marke für Öl der Klägerin genannt wird.
3.- (Bejahung der täuschenden Ähnlichkeit der beiden Marken, speziell in
phonetischer Hinsicht.)
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 II 149
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 30. April 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 II 149
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Markenschutz:1. Art. 6 Abs. I und II der rev. Pariser Verbandsübereinkunft. Anwendbarkeit des...


BGE Register
39-II-112 • 42-II-166 • 43-II-98 • 50-I-328 • 52-II-300 • 53-II-355 • 54-II-404 • 55-II-149 • 55-II-59
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • sachbezeichnung • wortmarke • vorinstanz • frage • markenregister • englisch • bundesgericht • sprachgebrauch • handelsgericht • charakter • pariser verbandsübereinkunft • ware • verwechslungsgefahr • freizeichen • widerklage • zeitung • schweizerisches recht • sprache • indiz • kennzeichen • nichtigkeit • eintragung • markenschutz • dauer • begründung des entscheids • gerichts- und verwaltungspraxis • anschreibung • gewicht • vermutung • chirurgie • weiler • funktion • schadenersatz • zeuge • mechaniker • automobil • verurteilung • garagist • nordamerika
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