S. 11 / Nr. 2 Familienrecht (d)

BGE 55 II 11

2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Februar 1929 i. S.
Romang gegen Stadelmann.

Regeste:
Anfechtung der Ehelichkeit, ZGB Art. 257 ff.
Auch ein entschuldbarer Rechtsirrtum kann als wichtiger Grund für die
Verspätung der Klage i. S. von Art. 257 Abs. 3 in Betracht gezogen werden.
Nach Wegfall des Entschuldigungsgrundes beginnt keine neue Dreimonatsfrist zu
laufen; die Klage ist nunmehr mit aller nach den Umständen möglichen
Beschleunigung einzureichen.

Die Ehe der Parteien wurde am 17. März 1926 geschieden. Kurz vorher, am 4.
Februar 1926, hatte die Beklagte einen Sohn geboren. Von dieser Geburt
erlangte der Kläger Kenntnis durch eine Zuschrift des Gerichtspräsidenten von
Burgdorf vom 8. Mai 1926, welche u. a. die Bemerkung enthielt, eine allfällige
Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit sei beim Richteramt Burgdorf
einzureichen. Auf Grund dieser Mitteilung leitete der Kläger seine Klage am 7.
August 1926 beim Amtsgericht Burgdorf ein. Die bernischen Gerichte erklärten
sich jedoch in der Folge gestützt auf Art. 8
SR 211.435.1 Verordnung vom 8. Dezember 2017 über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (EÖBV)
EÖBV Art. 8 Verantwortung für die Daten, Datenführung und Datenlieferung - 1 Die Verantwortung für Daten über eingetragene Personen, die durch eine kantonale Behörde ernannt werden, liegt beim betreffenden Kanton.
1    Die Verantwortung für Daten über eingetragene Personen, die durch eine kantonale Behörde ernannt werden, liegt beim betreffenden Kanton.
2    Die Verantwortung für Daten über eingetragene Personen, die durch eine Bundesbehörde ernannt werden, liegt bei dieser Behörde.
3    Die Urkundsperson stellt dem UPReg die zur Überprüfung von Signaturen und zur Authentifizierung der Urkundsperson notwendigen Daten nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe i zu.
4    Die Daten können über eine Eingabemaske des UPReg eingetragen oder, mit Bewilligung des BJ, dem UPReg über eine Schnittstelle aus anderen Systemen geliefert werden. Das Bewilligungsverfahren richtet sich nach Artikel 20.
5    Die zuständige Behörde des Kantons oder des Bundes sorgt dafür, dass die Daten jederzeit aktuell sind.
NAG, da der Kläger Luzerner
Bürger ist, als unzuständig. Hierauf machte der Kläger die vorliegende Klage
beim Gerichte seines Heimatortes anhängig.
Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verwirkung des Klagerechtes infolge
verspäteter Klageeinleitung wurde zurückgewiesen, vom Bundesgericht aus
folgender

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Erwägung:
Im vorliegenden Fall ist die Verspätung ausschliesslich auf einen Irrtum über
die Zuständigkeit des auzurufenden Richters zurückzuführen, denn hievon
abgesehen hat der Kläger rechtzeitig und formrichtig alles Erforderliche
getan, um seinen Anfechtungswillen durchzusetzen. Als wichtige Gründe i. S.
von Art. 257 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 257 - 1 Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
1    Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
2    Wird diese Vermutung beseitigt, so gilt der erste Ehemann als Vater.
ZGB sind nun nicht bloss objektive Hindernisse wie
Krankheit, Verlorengehen des Klageauftrages und dergleichen anzuerkennen. Auch
einen unverschuldeten Irrtum kann der Richter unter Umständen als wichtigen
Grund gelten lassen. Zwar handelt es sich hier um einen Rechtsirrtum, nicht um
einen Irrtum über einen bestimmten Sachverhalt. Gemäss Art. 4
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen.
ZGB hat der
Richter jedoch die vorgebrachte Entschuldigung nach Recht und Billigkeit zu
würdigen und nichts hindert ihn dabei, auch einen unverschuldeten Rechtsirrtum
in Betracht zu ziehen. Die Frage, ob der Irrtum des Klägers entschuldbar war,
muss bejaht werden: Es steht fest, dass der Kläger zur Einleitung der Klage in
Burgdorf veranlasst wurde durch die hinsichtlich des Gerichtsstandes durchaus
eindeutige Mitteilung des Gerichtspräsidiums Burgdorf. Wenn er sich als Laie
auf diese Angabe einer Gerichtsbehörde verliess, kann ihm deswegen kein
Vorwurf gemacht werden. Allerdings wird in dieser Zuschrift unrichtigerweise
auf Art. 306
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
statt auf Art. 253
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 253
ZGB Bezug genommen. Doch würde man dem Kläger
zuviel zumuten, wenn er dieses Versehen hätte erkennen und deswegen auch noch
Zweifel in die Richtigkeit der Mitteilung über den Gerichtsstand setzen
sollen.
Nach Wegfall des Entschuldigungsgrundes beginnt jedoch keine neue
Dreimonatsfrist zu laufen. Art. 257 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 257 - 1 Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
1    Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
2    Wird diese Vermutung beseitigt, so gilt der erste Ehemann als Vater.
ZGB, welcher eine neue Frist von 3
Monaten eröffnet, nimmt nur auf den Fall der arglistigen Verhinderung der
Klageeinleitung Bezug, nicht aber auf die Fälle der Verspätung aus wichtigen
Gründen. Die

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Verspätung wird nur solange entschuldigt, als der Grund besteht. Sobald dieser
dahinfällt, ist die Klage mit aller nach den Umständen möglichen
Beschleunigung einzureichen. Dies ist hier geschehen (wird näher ausgeführt).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 II 11
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 07. Februar 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 II 11
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Anfechtung der Ehelichkeit, ZGB Art. 257 ff.Auch ein entschuldbarer Rechtsirrtum kann als wichtiger...


Gesetzesregister
EÖBV: 8
SR 211.435.1 Verordnung vom 8. Dezember 2017 über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (EÖBV)
EÖBV Art. 8 Verantwortung für die Daten, Datenführung und Datenlieferung - 1 Die Verantwortung für Daten über eingetragene Personen, die durch eine kantonale Behörde ernannt werden, liegt beim betreffenden Kanton.
1    Die Verantwortung für Daten über eingetragene Personen, die durch eine kantonale Behörde ernannt werden, liegt beim betreffenden Kanton.
2    Die Verantwortung für Daten über eingetragene Personen, die durch eine Bundesbehörde ernannt werden, liegt bei dieser Behörde.
3    Die Urkundsperson stellt dem UPReg die zur Überprüfung von Signaturen und zur Authentifizierung der Urkundsperson notwendigen Daten nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe i zu.
4    Die Daten können über eine Eingabemaske des UPReg eingetragen oder, mit Bewilligung des BJ, dem UPReg über eine Schnittstelle aus anderen Systemen geliefert werden. Das Bewilligungsverfahren richtet sich nach Artikel 20.
5    Die zuständige Behörde des Kantons oder des Bundes sorgt dafür, dass die Daten jederzeit aktuell sind.
ZGB: 4 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen.
253 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 253
257 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 257 - 1 Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
1    Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
2    Wird diese Vermutung beseitigt, so gilt der erste Ehemann als Vater.
306
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
BGE Register
55-II-11
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
irrtum • wichtiger grund • richterliche behörde • beklagter • entschuldbarkeit • zweifel • frist • ehe • verwirkung • monat • frage • richtigkeit • anfechtungswille • heimatort • bundesgericht • laie • kenntnis • sachverhalt