S. 243 / Nr. 40 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 55 I 243

40. Urteil vom 14. November 1929 i. S. J. E. gegen St. Gallen.

Regeste:
Militärpflichtersatz. Der Wehrpflichtige, der einen Wiederholungskurs
nachholt, für dessen Versäumnis er Ersatz geleistet hatte, erwirbt mit der
Dienstnachholung Anspruch auf Rückerstattung des Ersatzbetrages. Dieser
Anspruch bleibt bestehen, wenn der Wehrpflichtige später infolge Beförderung
zur Absolvierung weiterer obligatorischer Wiederholungskurse verpflichtet
wird.

A. - Der im Jahre 1898 geborene, im Kanton St.Gallen heimatberechtigte
Beschwerdeführer hat im Jahre 1919 die Rekrutenschule und in den Jahren
1921-1925

Seite: 244
und 1928 Wiederholungskurse zunächst als Füsilier und später als Korporal
bestanden. In den Jahren 1926 und 1927 war er ins Ausland beurlaubt. Er hat
für diese beiden Jahre den Militärpflichtersatz bezahlt. Im Oktober 1928, zwei
Monate nach dem Wiederholungskurse dieses Jahres, wurde er zum Wachtmeister
befördert und hat im neuen Grade den Wiederholungskurs des Jahres 1929
absolviert.
B. - Im August 1929 stellte der Beschwerdeführer beim Kreiskommando Bern das
Gesuch um Rückerstattung der pro 1926 und 1927 entrichteten Ersatzbeträge, da
er mit «Absolvierung des diesjährigen Dienstes» die 7 obligatorischen
Wiederholungskurse geleistet habe. Das Gesuch wurde durch Entscheid des
Polizei- und Militärdepartementes des Kantons St. Gallen vom 20. September
1929 auf Grund einer Äusserung der eidgenössischen Steuerverwaltung abgewiesen
mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe mit 7 Wiederholungskursen und
zwei Ersatzzahlungen erst 9 Leistungen aufzuweisen, während er als
Wachtmeister zur Absolvierung von 10 Wiederholungskursen verpflichtet sei.
C. - Mit Eingabe vom 4. Oktober 1929 beschwert sich E. rechtzeitig über diesen
Entscheid...
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 120 , Abs. 2 MO haben die Soldaten, Gefreiten und Korporale 7,
die Unteroffiziere vom Wachtmeister aufwärts 10 Wiederholungskurse zu
bestehen. Wer die Militärdienstpflicht nicht erfüllt, hat die Militärsteuer zu
bezahlen (Art. 3 MO). Anderseits wird, nach Art. 1 der bundesrätlichen
Verordnung über Rückerstattung bezahlten Militärpflichtersatzes in Fällen von
Dienstnachholung, vom 24. April 1885, dem Dienstpflichtigen die Ersatzsteuer
zurückerstattet, wenn er nachträglich einen Wiederholungskurs besteht, für
dessen Versäumnis er die Steuer bezahlt hat.
2.- Der Beschwerdeführer hat in den Jahren

Seite: 245
1921-1925 als Füsilier und Korporal 5 Wiederholungskurse bestanden und für die
Versäumnis des 6. und 7. Wiederholungskurses (1926 und 1927) Ersatz geleistet.
Wenn er im Jahre 1928 einen Wiederholungskurs als Korporal absolviert hat, so
war dieser Kurs eine Nachholung des versäumten 6. Wiederholungskurses.
Für einen Wachtmeister, der 2 Wiederholungskurse versäumt und dafür Ersatz
geleistet hat, liegt eine Nachholung erst beim 9. und 10. Wiederholungskurs
vor. In Bezug auf den Wiederholungskurs des Jahres 1929, den der
Beschwerdeführer als Wachtmeister absolviert hat, besteht deshalb jedenfalls
kein Anspruch auf Rückerstattung der Ersatzleistung, denn es ist erst der
siebente von 10 obligatorischen Kursen. Der Beschwerdeführer hat das in der
Vorinstanz gestellte Begehren auf Rückerstattung des pro 1927 bezahlten
Ersatzbetrages in der vorliegenden Beschwerde mit Recht fallen lassen. Dieser
Anspruch wird bei normaler Dienstabwicklung mit Leistung des zehnten
Wiederholungskurses entstehen.
3.- Ob der Wiederholungskurs des Jahres 1928 den Beschwerdeführer zur
Rückforderung der pro 1926 erbrachten Ersatzleistung berechtigt oder nicht,
hängt davon ab, ob die nachherige Beförderung dabei berücksichtigt werden
muss.
Der Anspruch auf Rückerstattung eines Ersatzbetrages entsteht nach Art. 1 der
Rückerstattungsverordnung mit der Absolvierung des Nachholungskurses. Der
Wiederholungskurs des Jahres 1928 hatte im Falle des Beschwerdeführers, der
damals Korporal war, den Charakter einer Dienstnachholung. Denn der
Beschwerdeführer wäre, bei normaler Abwicklung seines Dienstes, zu diesem
Kurse nicht verpflichtet gewesen. Er erwarb durch diese Dienstleistung den
Rückerstattungsanspruch.
Die Beförderung zum Wachtmeister verpflichtet den Beschwerdeführer zu weitern
Dienstleistungen, wobei die bisher absolvierten Kurse angerechnet werden. Sie
berührt aber den bereits bestehenden Anspruch auf Rückerstattung,

Seite: 246
den der Beschwerdeführer durch die Nachholung des versäumten sechsten
Wiederholungskurses als Korporal erworben hatte, nicht. Der Anspruch hätte
unmittelbar im Anschluss an den Nachholungskurs geltend gemacht und durch
Gewährung der Rückerstattung erledigt werden können. Der Umstand, dass der
Anspruch erst nach längerer Zeit erhoben wurde, vermag nicht zu bewirken, dass
die inzwischen eingetretene Veränderung im Dienstgrad berücksichtigt wird, was
bei unmittelbarer Durchführung der Rückerstattung nach Absolvierung der
Dienstleistung überhaupt nicht in Frage gekommen wäre.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 I 243
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 14. November 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 I 243
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Militärpflichtersatz. Der Wehrpflichtige, der einen Wiederholungskurs nachholt, für dessen...


Gesetzesregister
MO: 3  120
BGE Register
55-I-243
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
angehöriger der armee • bundesgericht • entscheid • dauer • begründung des entscheids • gesuch an eine behörde • vorinstanz • charakter • frage • errichtung eines dinglichen rechts • monat • 1919