S. 57 / Nr. 14 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 54 III 57

14. Entscheid vom 12. März 1928 i.S. Völlmin.


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Regeste:
SchKG Art. 92 Ziff. 3, Unpfändbarkeit von Berufswerkzeugen:
Regelmässig sind nur objektive Kriterien massgebend (Erw. 2).
Bestätigung der Rechtsprechung, dass diejenigen Berufswerkzeuge des
selbständig arbeitenden Schuldners unpfändbar sind, welche er zur Fortsetzung
der selbständigen Berufsausübung nötig hat (Erw. 1).
Der mit doppeltem Berufswerkzeug versehene Schuldner kann sich der
nachträglichen Pfändung der ihm gehörenden einen Einrichtung nicht
widersetzen, wenn die zunächst gepfändete andere Einrichtung wegen eines nicht
bestrittenen Eigentumsvorbehaltes aus der Pfändung gefallen ist, jedoch nichts
dafür vorliegt, dass der Lieferant sie zurücknehmen werde (Erw. 3).
Bei der Pfändung von unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Gegenständen ist das
Kreisschreiben vom 31. März 1911 zu beobachten und sind die Formulare Nr. 19,
20, 25 zu verwenden (Erw. 3).
Insaisissabilité d'outils nécessaires à l'exercice d'une profession (art. 92
chiff. 3 LP).
En règle générale, seuls les critères objectifs entrent en considération
(consid. 2).
Confirmation de la jurisprudence suivant laquelle les outils ne peuvent être
saisis dans la mesure où ils sont nécessaires au débiteur pour lui permettre
de continuer à exercer sa profession d'une manière indépendante (consid. 1).
Le débiteur pourvu d'instruments professionnels à double ne peut s'opposer à
la saisie de l'une de ses installations, lorsque la saisie antérieure, mise
sur l'autre installation, est tombée par suite de réserve de propriété non
contestée, mais que rien ne permet d'admettre que le fournisseur exigera la
restitution des biens en question (consid. 3).
En cas de saisie d'objets vendus avec réserve de propriété, il y a lieu de se
conformer à la circulaire du 31 mars 1911 et d'employer les formulaires 19, 20
et 25 (consid. 3).
Inoppignorabilità di istrumenti necessari all'esercizio di una professione
(art. 92 cif. 3 LEF).
Di regola, solo criteri oggettivi entrano in linea di conto (consid. 2).
Conferma del principio di giurisprudenza a stregua del quale gli istrumenti
sono pignorabili soltanto ove non siano necessari al debitore per permettergli
di esercitare in modo indipendente la sua professione (consid. 1).

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Il debitore provvisto di doppi istrumenti non può opporsi al pignoramento di
uno di essi o di una delle doppie installazioni, se il pignoramento anteriore
dell'uno o dell'altra diventato caduco in seguito a riserva di proprietà non
contestata, e che nulla permette di ammettere che il venditore esigerà la
restituzione dei beni in discorso (consid. 3).
Nell'ipotesi di pignoramento di oggetti venduti sotto riserva della proprietà,
l'ufficio deve: agire secondo la circolare del 31 marzo 1911 e far uso dei
formulari Ni 19, 20 e 25 (consid. 3).

A. - In den Betreibungen des Rekursgegners und vieler anderer Gläubiger gegen
den Rekurrenten, der kantonal patentierter Zahnarzt ist, wurden anfangs 1927
u.a. aus dem Operationszimmer I ein Toilettenschrank mit Spiegelaufsatz und
sodann die Einrichtung des Operationszimmers II (Pfändungsgegenstände Nr.
11-17) gepfändet. Letztere Einrichtung hatte die Firma Kölliker & Cie A.-G. in
Zürich dem Rekurrenten unter Eigentumsvorbehalt geliefert. Das Betreibungsamt
brachte in der Pfändungsurkunde einfach die Bemerkung an: «An den Gegenständen
Nr. 11-17 macht die Firma Kölliker & Cie A.-G., Zürich, Filiale Basel, das
Eigentumsrecht geltend. Bestreitungsfrist nach Art. 106 des
Betreibungsgesetzes beträgt 10 Tage.» Weder irgend ein Gläubiger noch der
Schuldner bestritten diesen Eigentumsanspruch. In der Folge stellte der
Rekursgegner ein Nachpfändungsbegehren, indem er Ausdehnung der Pfändung auf
die ganze Einrichtung des Operationszimmers I verlangte. Über die Frage der
Unpfändbarkeit derselben wurde ein Gutachten eingeholt, welchem folgendes zu
entnehmen ist: «Die Beschaffung einer Anstellung als Techniker in der
zahnärztlichen Praxis für denselben (den Schuldner) ist zur Zeit sehr schwer
und wird man Völlmin heute kaum irgendwo unterbringen können. Nach meiner
Auffassung sollte dem Fritz Völlmin die Selbständigkeit als Zahnarzt nicht
genommen werden; denn nur diese kann es ihm ermöglichen, seinen
Lebensunterhalt zu verdienen. Demzufolge dürfte die

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Frage der Pfändbarkeit der Sachen im Operationszimmer Nr. 1 bald gelöst sein.
Das Atelier ist mit Kompetenzstücken derart schlecht versehen, dass dieselben
in hygienischer Richtung fast unzulässig sind. Wenn die Firma Kölliker & Cie
A.-G. in Basel, die Eigentumsvorbehalt auf den Sachen im Operationszimmer Nr.
2 hat, dem Schuldner diese wegnimmt, so ist dem Petenten die Selbständigkeit
in seinem Beruf ohne weiteres genommen.» Als das Betreibungsamt gestützt auf
dieses Gutachten die verlangte Nachpfändung ablehnte, führte der Rekursgegner
Beschwerde mit dem Antrage, das Betreibungsamt sei anzuhalten, das
Operationszimmer I zu pfänden.
B. - Durch Entscheid vom 30. Dezember 1927 hat die Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde
gutgeheissen und das Betreibungsamt angewiesen, die noch nicht gepfändeten
Einrichtungsgegenstände des Operationszimmers I in die Pfändung einzubeziehen.
Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen: Der Umstand, dass das eine in die
Pfändung einbezogene Operationszimmer durch allfällige Geltendmachung eines
Eigentumsanspruches seitens eines Drittansprechers (hier scheinen ein paar
Worte zu fehlen) begründe nicht die Kompetenzeigenschaft des andern. Denn
nachdem der tatsächlich angemeldete Eigentumsanspruch von keinem andern (?)
Gläubiger angefochten worden sei, falle das Operationszimmer II nicht in die
Verwertung und bleibe es dem Schuldner überlassen, durch Vornahme weiterer
Abzahlungen an die vom Drittansprecher eingegebene Forderung oder durch
sonstige Abmachungen mit diesem sich dieses Operationszimmer für seine weitere
Berufsausübung zu sichern. - Der Schuldner sei 33 Jahre alt und ohne Familie,
könne somit mit einem verhältnismässig bescheidenen Einkommen seinen
Lebensunterhalt bestreiten. Es könne ihm zugemutet werden, dass er eine Stelle
als Assistent oder als Zahnarztangestellter annehme,

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zumal da er bis vor wenigen Jahren als Angestellter seinen Unterhalt verdient
habe (BGE 27 I S. 548 ff. = Sep.-Ausg. 4 S. 18x ff.). Wären die Angaben,
welche der Schuldner dem Beschwerdeführer und in einer von diesem veranlassten
Strafuntersuchung über den Wert der Einrichtung des Operationszimmers I
gemacht habe (4000, ja sogar 8000 Fr.), zutreffend, so müsste dem
Beschwerdeführer zugestanden werden, sie durch eine billigere zu ersetzen.
Seien sie es aber nicht - was nach der Schätzung des Experten angenommen
werden müsse -, so ergebe sich daraus entweder, wie wenig loyal sich der
Schuldner gegenüber dem Beschwerdeführer benommen habe und im allgemeinen
benehme, oder aber es müsste geschlossen werden, er habe in der Zwischenzeit
die verhältnismässig wertvolle Einrichtung durch eine andere minderwertigere
ersetzt. Im Zweifel müssten alle diese Erwägungen zu Lasten des Schuldners
ausgelegt werden.
C. - Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen mit
dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Dem angefochtenen Entscheide kann zunächst insofern nicht beigestimmt
werden, als er den Rekurrenten auf die unselbständige Berufsausübung verweist.
Zwar ist natürlich die Auflassung des Rekurrenten als ganz abwegig
zurückzuweisen, dass der ihm erteilte Befähigungsausweis für die Ausübung des
Zahnarzt Berufes auch einen Anspruch auf Unpfändbarkeit der zur Berufsausübung
notwendigen Werkzeuge, Gerätschaften und Instrumente verschaffe. Allein
nachdem der auf Veranlassung und unter Mitwirkung der Vorinstanz beigezogene
Experte unzweideutig verneint hat, dass der Rekurrent als Angestellter seinen
Unterhalt werde verdienen können, stand es der Vorinstanz nicht zu,

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sich in diesem Punkte, dessen Beurteilung nach dem von ihr selbst angezogenen
Entscheide des Bundesgerichtes Fachkenntnisse erheischt, ohne ein Wort der
Widerlegung über das Expertengutachten hinwegzusetzen. Übrigens ist die
frühere Rechtsprechung, wonach sich der selbständig erwerbende Schuldner
gegebenenfalls gefallen lassen musste, ins Anstellungsverhältnis
zurückgedrängt zu werden, seither aufgegeben worden (BGE 47 III S. 204).
2.- Sodann lassen sich die dem Rekurrenten von der Vorinstanz zur Last
gelegten Widersprüche nicht als ein in dem Masse gegen Treu und Glauben
verstossendes Verhalten qualifizieren, dass daran die Folge geknüpft werden
dürfte, er habe es verscherzt, sich auf die Unpfändbarkeit der streitigen
Gegenstände zu berufen, sofern sie nach den dafür einzig massgebenden rein
objektiven Kriterien zu bejahen wäre.
3.- Dagegen ist der angefochtene Entscheid zu bestätigen im Hinblick auf die
zur Verfügung des Rekurrenten stehende Einrichtung des Operationszimmers II,
wenngleich sich die Lieferantin das Eigentum daran vorbehalten hat. Anlässlich
der Pfändung dieser Gegenstände hätte sich das Betreibungsamt nicht einfach
darauf beschränken dürfen, gemäss Art. 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
SchKG vom Eigentumsvorbehalt in der
Pfändungsurkunde Vormerkung zu nehmen und den Gläubigern und dem Schuldner
eine Frist von zehn Tagen anzusetzen, innerhalb welcher sie beim
Betreibungsamt den Anspruch des Dritten bestreiten können. Vielmehr hätte das
Betreibungsamt in der durch das Kreisschreiben Nr. 29 vom 31. März 1911
vorgeschriebenen und durch die obligatorischen Betreibungsformulare Nr. 19, 20
und 25 vorgezeichneten Art und Weise vorgehen, also insbesondere die
Lieferantin zunächst zur Angabe der Kaufpreisrestanz veranlassen und diese den
Gläubigern (und dem Schuldner) bei Anlass der Befristung der Bestreitung
bekannt geben sollen. Nachdem dies nicht geschehen ist, anderseits

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aber auch der Rekurrent keinerlei Angaben über die Höhe der Kaufpreisrestanz
gemacht, geschweige denn dargetan hat, er werde die noch ausstehenden
Kaufpreisratenzahlungen nicht vereinbarterweise zu leisten vermögen, sondern
sich auf die ganz allgemein gehaltene Behauptung beschränkt hat, infolge
seiner Überschuldung müsse mit der Zurücknahme der Einrichtung seitens der
Lieferantin gerechnet werden, darf die Frage der Unpfändbarkeit der
Einrichtung des Operationszimmers I nicht einfach unter dem Gesichtspunkte
beurteilt werden, es stehe ihm nur diese eine Einrichtung zur Verfügung,
umsoweniger, als es ihm während der seit der erstmaligen Pfändung des
Operationszimmers verflossenen Zeit von mehr als einem Jahr gelungen ist, die
Zurücknahme abzuwenden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Rekurrent zwei
Operationszimmer-Einrichtungen hat, von denen ihm die gegenwärtig streitige
nicht mehr als unpfändbar belassen werden kann, nachdem die Pfändung der
anderen dahingefallen ist. Auf die in keiner Weise wahrscheinlich gemachte
Möglichkeit, dass letztere ihm kraft des Eigentumsvorbehaltes später einmal
entzogen werde, kann keine Rücksicht genommen werden, wie dies ja bei
Beurteilung der Frage nach der Unpfändbarkeit für Zukunftsmöglichkeiten
allgemein zutrifft (vgl. neuestens wieder BGE 53 III S. 70).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 III 57
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 12. März 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 III 57
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : SchKG Art. 92 Ziff. 3, Unpfändbarkeit von Berufswerkzeugen:Regelmässig sind nur objektive Kriterien...
Einordnung : Bestätigung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
SchKG: 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
BGE Register
27-I-548 • 47-III-204 • 53-III-70 • 54-III-57
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
angabe • angewiesener • arbeitnehmer • assistent • ausgabe • autonomie • basel-landschaft • begründung des entscheids • betreibungsamt • bewilligung oder genehmigung • biene • bundesgericht • eigentum • eigentumsvorbehalt • entscheid • ersetzung • familie • frage • frist • gerichts- und verwaltungspraxis • innerhalb • kantonales rechtsmittel • mais • mass • sachverständiger • schuldbetreibungs- und konkursrecht • schuldner • stelle • strafuntersuchung • tag • treu und glauben • verhalten • vorinstanz • vormerkung • werkzeug • wert • zahnarzt • zweifel