S. 5 / Nr. 3 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 54 III 5

3. Entscheid vom 26. Januar 1928 i.S. Wernli.

Regeste:
Wird Retentionsrecht für Mietzins an gepfändeten Sachen geltend gemacht, so
ist zwar - abweichend von BGE 50 III S. 112 ff. Erw. 3 - das
Widerspruchsverfahren einzuleiten, jedoch erst nach erfolgter Verwertung.
Contrairement à ce qui a été jugé précédemment (RO 50 III p. 112 cons. 3),
c'est l'action en revendication qui doit être introduite dans le cas où un
bailleur fait valoir son droit de rétention sur des objets saisis; toutefois,
l'action ne doit être intentée qu'après la réalisation.
Contrariamente a quanto fu precedentemente ritenuto (RU 50 III p. 112 motivo
3), si deve procedere coll'azione di rivendicazione (art. 107-109 LTF) nel
caso in cui il locatore faccia valere un diritto di ritenzione sugli oggetti
pignorati: tuttavia l'azione può essere promossa solo dopo la realizzazione.

A. - In der Betreibung der Rekursgegner gegen Adèle Spichtin wurden Möbel
gepfändet, die sich in der von der Schuldnerin im Hause des Rekurrenten in
Basel gemieteten Wohnung befanden und an denen der Rekurrent das
Retentionsrecht für den Mietzins vom 1. April 1927 bis 1. April 1928 geltend
machte. Da die Rekursgegner das Retentionsrecht bestritten, setzte das
Betreibungsamt nach erfolgter Verwertung dem Rekurrenten Frist zur
Widerspruchsklage an.
B. - Mit der vorliegenden, nach Abweisung durch die

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Aufsichtsbehörde über das Betreibungsamt des Kantons Basel-Stadt an das
Bundesgericht weitergezogenen Beschwerde verlangt der Rekurrent unter Hinweis
auf BGE 50 III S. 107 ff., namentlich Erw. 3, Aufhebung dieser
Klagefristansetzung und Verweisung des Prozesses zur Feststellung des
bestrittenen Retentionsrechtes in das Kollokationsverfahren.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
In dem vom Rekurrenten angezogenen Präjudiz ist ausgeführt worden: «Für die
Feststellung des Retentionsrechtes kann das Widerspruchsverfahren nicht als
der geeignete Weg angesehen werden. Dies deshalb, weil der Umfang des
Retentionsrechtes für Mietzins vor der Verwertung gar nicht bestimmt werden
kann, indem für die Berechnung des Zeitraumes, für welchen der Mietzins
retentionsversichert ist, erst der Zeitpunkt der Verwertung massgebend ist.
Daher ist denn auch, wenn in der Faustpfandverwertungsbetreibung für
Mietzinsen Drittansprachen erhoben werden, das Widerspruchsverfahren nicht
schon bei Aufnahme der Retentionsurkunde, sondern erst nach Stellung des
Verwertungsbegehrens durch den Vermieter einzuleiten. Hat aber, wie
vorliegend, nicht der Vermieter Faustpfandbetreibung angehoben, sondern findet
die Verwertung der Retentionsgegenstände auf Verlangen eines
Pfändungsgläubigers in der von ihm angehobenen Pfändungsbetreibung statt, so
erscheint es richtig, dass der Prozess zur Feststellung des betrittenen
Retentionsrechtes auf die Zeit nach der Verwertung hinausgeschoben und in das
Kollokationsverfahren verwiesen wird.»
In letzterem Punkte (Verweisung des Prozesses in das Kollokationsverfahren)
haben sich das beschwerdebeklagte Betreibungsamt und die rekursbeklagte
Aufsichtsbehörde in bewussten Gegensatz zu dem vom Rekurrenten angezogenen
Präjudiz gestellt. Sie führen wesentlich ins Feld: es sei mit Art. 106 , 107
SchKG

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grundsätzlich nicht vereinbar und noch ganz besonders nicht in der Beziehung,
dass es den pfändenden Gläubiger in die Klägerrolle dränge; das
Kollokationsverfahren betreffe grundsätzlich nur die betreibenden Gläubiger;
durch die nach erfolgreicher Durchführung des Kollokationsprozesses notwendige
nochmalige Auflegung des Verteilungsplanes werden Kosten verursacht, die bei
Durchführung des Widerspruchsverfahrens vor der erstmaligen Auflegung des
Verteilungsplanes vermieden werden. Aus ähnlichen Gründen hatte sich schon
KELLER in der Schweizerischen Zeitschrift für Betreibungs- und Konkursrecht 15
S. 13 ff. gegen jenes Präjudiz gewendet und ausserdem mit dem Hinweis darauf,
dass dem Schuldner die Kollokationsplananfechtungsklage verschlossen sei.
Das Bundesgericht kann sich der Einsicht nicht verschliessen, dass es mit dem
angeführten Präjudiz nicht das Richtige getroffen hat. Daran freilich ist
festzuhalten - und in diesem Punkte stimmt denn auch das beschwerdebeklagte
Betreibungsamt vorbehaltlos zu - dass der Streit zwischen dem Vermieter und
dem pfändenden Gläubiger über Bestand und Umfang des Retentionsrechtes erst
nach der Verwertung der Retentionsgegenstände ausgetragen werden soll. Allein
die Erledigung dieser Drittansprache kann auch einfach in der Weise
hinausgeschoben werden, dass mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens
bis nach der Verwertung der Retentionsgegenstände zugewartet wird. Wenn die
Verweisung in das Kollokationsverfahren nicht ausschliesslich zur
Vereinfachung beiträgt, sondern wegen der Notwendigkeit der nochmaligen
Auflage des Verteilungsplanes im Anschluss an den erfolgreichen
Kollokationsprozess nach anderer Richtung eine Weiterung nach sich ziehen
kann, wie das Betreibungsamt bemerkt, so würde hieraus zwar noch nicht folgen,
dass das mit dem bemängelten Präjudiz vorgezeichnete Verfahren für den
Regelfall nicht doch praktischer wäre; denn derartige Prozesse sind
verhältnismässig

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selten. Zweifellos unhaltbar ist sodann der vom Betreibungsamt aus Art. 146
Abs. 2 Satz 2 SchKG gezogene Schluss, dass für die Pfandgläubiger im
Kollokationsplan kein Raum sei; vielmehr ist der in Abs. 2 Satz 1 dieser
Vorschrift enthaltene Hinweis auf Art. 219 SchKG ganz allgemein gehalten und
bezieht er sich also nicht nur auf die privilegierten, sondern auch auf die
pfandversicherten Forderungen (vgl. namentlich das fakultative Formular 4 b).
Und um den Schuldner nicht vom Bestreitungsrecht auszuschliessen, hätte ihm
schliesslich ja hier, als - wiederum selten vorkommende - Ausnahme von der
Regel, die Kollokationsplananfechtungsklage zugestanden werden können. Dagegen
ist seinerzeit nicht genügend beachtet worden, dass die Verweisung des
Streites zwischen Vermieter und pfändendem Gläubiger in das
Kollokationsverfahren eine Umkehrung der Parteirollen nach sich zieht. Findet
zwischen ihnen das Widerspruchsverfahren statt, so kann nämlich nicht in
Zweifel gezogen werden, dass der Vermieter Widerspruchsklage erheben muss,
weil die Art. 106 und 109 SchKG für die Verteilung der Parteirollen einzig
darauf abstellen, ob sich die gepfändete Sache im Gewahrsam des Schuldners
befindet oder bei einem Dritten, welcher (das Eigentum oder) ein Pfandrecht an
derselben beansprucht. Lässt sich nun zwar nicht leugnen, dass dem Vermieter
eine gewisse Herrschaft über die vom Mieter eingebrachten Sachen zusteht, so
kann deswegen doch nicht gesagt werden, diese Sachen befinden sich bei ihm und
nicht im Gewahrsam des Mieters, was nach der gesetzlichen Ordnung der
Widerspruchsklage angenommen werden müsste, damit die Klägerrolle dem
pfändenden Gläubiger zugeschoben werden könnte. Unter diesem Gesichtspunkte
kann an der früheren Entscheidung nicht festgehalten werden.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 III 5
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 26. Januar 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 III 5
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Wird Retentionsrecht für Mietzins an gepfändeten Sachen geltend gemacht, so ist zwar - abweichend...


Gesetzesregister
SchKG: 106  107  109  146  219
BGE Register
50-III-107 • 54-III-5
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
basel-stadt • betreibungsamt • bundesgericht • drittansprache • eigentum • frist • kollokationsplan • pfandversicherte forderung • planauflage • retentionsrecht • richtigkeit • schuldbetreibungs- und konkursrecht • schuldner • verteilungsplan • verwertungsbegehren • veröffentlichung • weiler • widerspruchsklage • zahl • zweifel