BGE 54 III 30
8. Entscheid vom 21. Februar 198 i.S. Vollenweider-Schüpbach.
Seite: 30
Regeste:
Ein Dritter, der einer Pfändung beigewohnt und hiebei einen Gegenstand als
Eigentum eines andern Dritten bezeichnet hat, kann nicht nachträglich einen
eigenen Eigentumsanspruch an dem betr. Objekt erheben mit der Begründung, dass
er über das Eigentumsverhältnis im Irrtum gewesen sei (Erw. 1).
Ein Drittansprecher kann nicht gehindert werden, während der Pendenz eines
Widerspruchsverfahrens das betr. Pfändungsobiekt zu veräussern; doch vermag
ein solcher Verkauf, wenn der betr. Käufer schon vorher von der bestehenden
Pfändung Kenntnis hatte, nicht zu hindern, dass das fragliche Objekt, nachdem
die dem ursprünglichen Ansprecher gemäss Art. 107
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
|
1 | Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
1 | eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners; |
2 | eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten; |
3 | ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt. |
2 | Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen. |
3 | Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss. |
4 | Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht. |
unbenützt verstrichen ist, verwertet werde (Erw. 2).
SchKG Art. 106 f.
Le tiers qui a assistà à la saisie et declaré qu'un certain objet était la
propriété d'un autre tiers ne peut revendiquer après coup pour lui-même la
propriété dudit objet, en alléguant qu'il était dans l'erreur sur ce point
(consid. 1).
L'on ne saurait empêcher le tiers revendiquent de vendre pendant la procédure
de revendication l'objet saisi; toutefois, une telle vente ne met pas obstacle
à la réalisation de l'objet vendu, lorsque l'acheteur connaissait la saisie,
si le tiers revendiquant a omis de faire valoir ses droits dans le délai de
l'art. 107 LP (consid. 2).
Art. 106 et suiv. LP.
Il terzo, che ha assistito al pignoramento e vi ha dichiarato, che un oggetto
pignorato spetta ad altra persona, non può poi rivendicarlo in nome proprio
allegando di essere caduto in errore su questo punto (cons. 1).
Al terzo rivendicante non può essere contestata la facoltà di disporre
(cedere, vendere) dell'oggetto rivendicato in pendenza della causa di
rivendicazione. Tuttavia, siffatta disposizione (vendita, cessione) della cosa
non è di ostacolo alla sua realizzazione, se il compratore sapeva già che la
cosa era pignorata e il terzo rivendicante ha omesso di agire entro il termine
dell'art. 107 LEF (cons. 2).
Art. 106 e seg. LEF.
A. - In der Betreibung Nr. 8575 des Betreibungsamtes St. Gallen für eine
Forderung der Firma Decurtins
Seite: 31
& Cie. gegen Hans Vollenweider-Schüpbach in St. Gallen pfändete das
Betreibungsamt am 17. Oktober 1927 in der Wohnung des Schuldners u.a. ein
Buffet im Schätzungswerte von 400 Fr., das vom Schuldner und seiner bei der
Pfändung anwesenden Ehefrau dem Betreibungsbeamten als Eigentum eines Fritz
Schiess in Herisau bezeichnet wurde. Die Gläubigerin liess die ihr in der
Folge gemäss Art. 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
|
1 | Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
2 | Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist. |
3 | Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes. |
doch wurde der Anspruch am 5. Dezember 1927 von Willy Graf, der am 30. Oktober
1927 gemäss Art. 110 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 110 - 1 Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist. |
|
1 | Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist. |
2 | Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist stellen, bilden in der gleichen Weise weitere Gruppen mit gesonderter Pfändung. |
3 | Bereits gepfändete Vermögensstücke können neuerdings gepfändet werden, jedoch nur so weit, als deren Erlös nicht den Gläubigern, für welche die vorgehende Pfändung stattgefunden hat, auszurichten sein wird. |
bestritten. Daraufhin setzte das Betreibungsamt dem Drittansprecher Schiess
gemäss Art. 107
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
|
1 | Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
1 | eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners; |
2 | eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten; |
3 | ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt. |
2 | Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen. |
3 | Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss. |
4 | Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht. |
leitete jedoch keine Klage ein, doch teilte die Ehefrau des Schuldners am 16.
Dezember 1927 dem Betreibungsamte mit, dass nunmehr sie den Eigentumsanspruch
an dem streitigen Buffet erhebe.
B. - Da das Betreibungsamt sich weigerte, dieser Anspruch entgegenzunehmen,
beschwerte sich Frau Vollenweider bei den Aufsichtsbehörden. Die Beschwerde
wurde jedoch von der obern kantonalen Aufsichtsbehörde abgewiesen.
C. - Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin den Rekurs an das
Bundesgericht, indem sie den vor den Vorinstanzen gestellten Antrag
wiederholte, es sei das Betreibungsamt St. Gallen anzuweisen, ihre
Eigentumsansprache entgegenzunehmen und vorzumerken und entsprechende
Fristansetzung vorzunehmen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Die Vorinstanz hat mit Recht als Grundsatz angenommen, dass, wenn - wie
dies vorliegend hinsichtlich der Rekurrentin der Fall war - ein Dritter einer
Pfändung beigewohnt und sogar selber das
Seite: 32
bezügliche Pfändungsobjekt als Eigentum eines andern Dritten bezeichnet hat,
in dieser Erklärung ein Verzicht auf die eigene Geltendmachung eines
Eigentumsanspruches erblickt werden muss, und dass dieser Dritte daher, wenn
er nachträglich trotzdem einen eigenen Anspruch daran erheben will, hiemit
nicht mehr gehört werden kann (vgl. auch JAEGER, Kommentar zu Art. 107 Note 15
Abs. 2 S. 351). Die Rekurrentin behauptet nun aber, dass dieser Grundsatz
vorliegend nicht zur Anwendung gebracht werden könne, da hier besonders
geartete Verhältnisse vorliegen. Es ist aus der Rekursschrift nicht klar
ersichtlich, was eigentlich der wahre Grund der Änderung ihres Verhaltens war,
d.h. ob sie den Anspruch nachträglich deshalb erhob, weil sie vorher
irrtümlich angenommen hatte, dass das Eigentum dem Schiess zustehe, oder ob
dies deshalb geschah, weil sie im Verzicht des Schiess auf die Klagerhebung
eine Rückübertragung des auf Schiess übergegangenen Eigentums an dem
streitigen Buffet (das sie vorher an Schiess verkauft hatte) erblickte. Dies
braucht indessen vorliegend nicht näher abgeklärt zu werden, da weder im einen
noch im andern Fall das Betreibungsamt verpflichtet gewesen war, die
nachträgliche Ansprache noch entgegenzunehmen. Denn wenn die Unterlassung der
Geltendmachung eines eigenen Anspruches anlässlich der Pfändung vom 17.
Oktober irrtümlich erfolgt sein sollte, so könnte es sich hiebei auf alle
Fälle nur um einen Motivirrtum handeln. Einen solchen Irrtum hat aber die
Rekurrentin selber zu vertreten, wie auch die Überwartung der zehntägigen
Frist zur Anmeldung eines Drittanspruches trotz Bestehens besonderer
Verhältnisse dann nicht entschuldbar erscheint, wenn es sich bei diesen
besonderen Verhältnissen lediglich um in der Person des Drittansprechers
selber liegende Umstände (zu denen auch ein Rechtsirrtum gehört) handelt (vgl.
BGE 49 III S. 108 ff.). Hier wie dort würde es eine ungerechtfertigte
Benachteiligung des bezüglichen
Seite: 33
Gläubigers bedeuten, wenn man eine derartige Anmeldung, obwohl die Verspätung
von dem betreffenden Drittansprecher selber verschuldet wurde, zulassen
wollte; denn in beiden Fällen bestünde in gleicher Weise die Gefahr, dass der
betreffende Gläubiger um seine Befriedigung gebracht würde (vgl. auch BGE 40
III S. 1423. Zudem hätte die Zulassung einer solchen nachträglichen Anmeldung
eines Drittanspruches zur Folge, dass ein Gläubiger sich unter Umständen wegen
des nämlichen Pfändungsgegenstandes nacheinander auf zwei Widerspruchsprozesse
einlassen müsste, nämlich dann, wenn der Ansprecher sich erst nach
gerichtlicher Abweisung des Anspruches des andern von ihm irrtümlich als
Eigentümer bezeichneten Dritten seines Irrtums bewusst würde. Dass ein solches
Procedere, durch das ein Gläubiger nicht nur wegen der dadurch entstandenen
Verzögerung in seinen Interessen gefährdet, sondern auch in ungerechtfertigter
Weise belästigt würde, dem Sinn und Zweck der Vorschriften des
Widerspruchsverfahrens nicht entspricht, bedarf keiner weitern Erörterung,
ganz abgesehen davon, dass dadurch auch zweifelhaften Abmachungen zwischen dem
Schuldner und derartigen Drittansprechern zum Nachteil des bezüglichen
Betreibungsgläubigers Tür und Tor geöffnet würde.
2.- Aber auch, wenn die Rekursbegründung dahin sollte verstanden werden
müssen, dass der Anspruch deshalb erst nachträglich geltend gemacht wurde,
weil Schiess das ihm zur Zeit der ersten Pfändung noch zugestandene Eigentum
der Rekurrentin erst später übertragen habe, so könnte der Rekurs dennoch
nicht gutgeheissen werden. Denn wenn auch ein Drittansprecher nicht gehindert
werden kann, wahrend der Pendenz eines Widerspruchsverfahrens das betreffende
Pfändungsobjekt zu veräussern, so vermag ein solcher Verkauf, wenn der
betreffende Käufer schon vorher von der bestehenden Pfändung Kenntnis hatte,
nicht zu hindern,
Seite: 34
dass das fragliche Objekt, - nachdem die dem ursprünglichen Ansprecher gemäss
Art. 107
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
|
1 | Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
1 | eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners; |
2 | eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten; |
3 | ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt. |
2 | Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen. |
3 | Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss. |
4 | Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht. |
ein solcher Käufer allenfalls berechtigt wäre, innerhalb der vorerwähnten
Frist an Stelle des ursprünglichen Ansprechers die Widerspruchsklage zu
erheben, braucht hier nicht untersucht zu werden, da die Rekurrentin nicht
diesen Weg einzuschlagen versucht hat, sondern - unbekümmert um die dem
Schiess gesetzte Frist - die Einleitung eines neuen Widerspruchsverfahrens
gegen sie verlangt. Würde man dies zulassen, dann hätte es ein Drittansprecher
in der Hand, die vom Gesetz vorgesehenen Folgen der Unterlassung der
Klageeinleitung dadurch illusorisch zu machen, dass er den betreffenden
Pfändungsgegenstand an einen Dritten veräussert. Das kann aber, jedenfalls
dann, wenn der betreffende Käufer die Verhältnisse kannte, nicht zugelassen
werden. -
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.