BGE 54 III 268
62. Entscheid vom 11. Oktober 1928 i.S. Robert Aebi & Cie A.-G.
Regeste:
Retentionsrecht des Vermieters an Sachen Dritter:
Schafft der Dritte seine Sachen nach Aufnahme der Retentionsurkunde fort, so
bedarf es zur Wahrung des Retentionsrechtes ihm gegenüber nicht der
Rückverbringung (Erw. 1).
Lässt der Dritte nicht gelten, dass seine fortgeschafften Sachen dem
Retentionsrecht unterworfen sind, so ist im Widerspruchsverfahren die
Klagefrist dem Vermieter anzusetzen (Erw. 3).
Durch die Konkurseröffnung über den Mieter wird die Pfandverwertungsbetreibung
bezüglich solcher Sachen nicht berührt (Erw. 2).
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Droit de rétention du bailleur sur des objets appartenant à des tiers.
Lorsqu'après l'établissement de l'inventaire le tiers emporte ses objets, il
n'est pas nécessaire, pour la protection du droit de rétention à l'encontre du
tiers, que lesdits objets soient réintégrés (consid. 1).
Lorsque le tiers conteste que les objets enlevés sont soumis au droit de
rétention, le délai pour ouvrir action dans la procédure en revendication doit
être imparti au bailleur (consid. 3).
La mise en faillite du preneur est sans effet sur la poursuite en réalisation
de gage portant sur de tels objets (consid. 2).
Diritto di ritenzione del locatore su dei beni spettanti a terzi. Qualora,
dopo l'erezione del verbale di ritenzione, un terzo abbia asportato i suoi
oggetti, a salvaguardare il diritto di ritenzione non occorre che siano
reintegrati (consid. 1).
In caso di contestazione del diritto di ritenzione da parte del terzo i cui
oggetti furono asportati, il termine per procedere giudizialmente dev'essere
impartito al locatore (consid. 3).
Il fallimento del debitore è senza effetti sull'esecuzione in realizzazione
del pegno concernente tali beni (consid. 2).
A. - Der Rekursgegner Amsler liess am 12. Dezember 1927 für rückständigen und
laufenden Mietzins bei Kunststeinfabrikant Loss in Meilen durch das dortige
Betreibungsamt u.a. eine Kunststeinmaschine mit Retention belegen, welche von
der Rekurrentin dem Loss vermietet worden war, und am 23. Dezember/2. Januar
1928 hob er Betreibung auf Pfandverwertung an. Am 6. Januar 1928
transportierte die Rekurrentin die Maschine in ihre Werkstätten nach
Regensdorf, angeblich zur Reparatur. Als das Betreibungsamt Meilen am 13.
Januar Rückverbringung der Maschine verlangte, verweigerte die Rekurrentin
dies, zunächst aus dem Grunde, dass sie von der Aufnahme der Retentionsurkunde
nichts gewusst habe, und ferner bestritt sie das Retentionsrecht des
Rekursgegners überhaupt. Von einem Gesuch, die Maschine sei in amtliche
Verwahrung zu nehmen, stand der Rekursgegner wieder ab, als hiefür ein
Kostenvorschuss von ihm verlangt wurde. Inzwischen war am 17. Januar der
Konkurs über Loss eröffnet worden. Das Konkursamt wies jedoch den
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Rekursgegner für die Austragung des Streites mit der Rekurrentin in Anwendung
des Art. 53 der Konkursverordnung aus dem Konkursverfahren weg. Hierauf
stellte der Rekursgegner das Verwertungsbegehren in der
Pfandverwertungsbetreibung. Zunächst führte das Betreibungsamt nun das
Widerspruchsverfahren durch, und zwar setzte es dabei der Rekurrentin Frist
zur Klage gegen den Rekursgegner auf Aberkennung seines Retentionsrechtes an.
Hiegegen führte die Rekurrentin Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung der
Klagefristansetzung überhaupt, eventuell unter gleichzeitiger
Klagefristansetzung an den Rekursgegner.
B. - Durch Entscheid vom 6. Juli 1928 hat das Obergericht des Kantons Zürich
die Beschwerde abgewiesen.
C. - Diesen Entscheid hat die Rekurrentin an das Bundesgericht weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Da die Rekurrentin die Maschine erst wegnahm, nachdem sie in der
Retentionsurkunde aufgezeichnet worden war, bedurfte es nach der
Rechtsprechung zur Wahrung des Retentionsrechtes keines
Rückverbringungsbegehrens des Rekursgegners binnen zehn Tagen seit der
Fortschaffung, es wäre denn, um den Rechtserwerb gutgläubiger Dritter
auszuschliessen (BGE 31 I S. 338 = Sep.-Ausg. 8 S. 130). Die Rekurrentin weiss
keinerlei stichhaltige Gründe gegen diese Rechtsprechung anzuführen, auch
insofern nicht, als die Fortschaffung nicht vom Mieter, sondern vom
Dritteigentümer in die Wege geleitet worden ist. Die weiteren hier
anknüpfenden Fragen aber, ob die Rekurrentin im Zeitpunkte der Wegnahme der
Maschine von der betreibungsamtlichen Retention Kenntnis hatte oder nicht,
ferner ob sie nicht etwa mit dem Retentionsrecht des Rekursgegners habe
rechnen müssen, und ob solche Unkenntnis die Maschine vom Retentionsrecht zu
befreien vermochte, betreffen
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nicht die Rechtswirkungen betreibungsrechtlicher Vorkehren, sondern
ausschliesslich den materiellen Rechtsbestand unter dem Gesichtspunkte
gutgläubigen Besitzerwerbes, und können daher nicht von den Aufsichtsbehörden
über die Betreibungsämter, sondern nur von den Zivilgerichten beurteilt
werden.
Aus dem Gesagten folgt ohne weiteres auch, dass das Retentionsrecht und die
Wirkungen der Aufnahme der Retentionsurkunde zugunsten des Rekursgegners nicht
schon deshalb erloschen, weil er auf der Rückverbringung bezw. der sie
vertretenden betreibungsamtlichen Inverwahrungnahme nicht bestanden hat.
2.- Die auf Art. 199
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 199 - 1 Gepfändete Vermögensstücke, deren Verwertung im Zeitpunkte der Konkurseröffnung noch nicht stattgefunden hat, und Arrestgegenstände fallen in die Konkursmasse. |
|
1 | Gepfändete Vermögensstücke, deren Verwertung im Zeitpunkte der Konkurseröffnung noch nicht stattgefunden hat, und Arrestgegenstände fallen in die Konkursmasse. |
2 | Gepfändete Barbeträge, abgelieferte Beträge bei Forderungs- und Einkommenspfändung sowie der Erlös bereits verwerteter Vermögensstücke werden jedoch nach den Artikeln 144-150 verteilt, sofern die Fristen für den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) abgelaufen sind; ein Überschuss fällt in die Konkursmasse.369 |
Rekursgegners durch die Konkurseröffnung zum Erlöschen gebracht worden sei,
ist kaum ernst zu nehmen und kann ohne weiteres durch den Hinweis auf Art. 198
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 198 - Vermögensstücke, an denen Pfandrechte haften, werden, unter Vorbehalt des den Pfandgläubigern gesicherten Vorzugsrechtes, zur Konkursmasse gezogen. |
SchKG widerlegt werden. Dass das Konkursamt es in Anwendung des Art. 53 der
Konkursverordnung abgelehnt hat, den Streit zwischen Rekurrentin und
Rekursgegner innerhalb des Konkursverfahrens zum Austrag bringen zu lassen,
könnte die Rekurrentin nicht in Zweifel ziehen, wenn sie sich der Mühe
unterzogen hätte, vor der Weiterziehung an die obern Aufsichtsbehörden die
Vernehmlassung des beschwerdebeklagten Amtes und die von ihm vorgelegten Akten
einzusehen. Zuzugeben ist der Rekurrentin, dass Art. 53 KV nicht direkt
anwendbar ist, weil sie nämlich nicht Aussonderung der Maschine aus der
Konkursmasse verlangt, sondern die Konkursverwaltung von vorneherein von deren
Admassierung abgesehen hat. Allein um so weniger Veranlassung bestand, den
Streit zwischen dem Eigentümer der Maschine und dem Pfandansprecher im
Konkursverfahren austragen zu lassen. Und es wurde denn auch die angehobene
Pfandverwertungsbetreibung durch die Konkurseröffnung in keiner Weise berührt
(vgl. neuerdings wieder BGE 49 III S. 248 Erw. 4).
3.- Das beschwerdebeklagte Amt und die
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Vorinstanzen haben bei der Einleitung des Widerspruchsverfahrens angeknüpft an
das Gewahrsamsverhältnis, wie es im Zeitpunkte der Aufnahme der
Retentionsurkunde bestand. Diese Auffassung lässt ausser acht, dass zwischen
der Aufnahme der Retentionsurkunde und der Einleitung des
Widerspruchsverfahrens gemäss Art. 155 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 155 - 1 Hat der Gläubiger das Verwertungsbegehren gestellt, so sind die Artikel 97 Absatz 1, 102 Absatz 3, 103 und 106-109 auf das Pfand sinngemäss anwendbar.313 |
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1 | Hat der Gläubiger das Verwertungsbegehren gestellt, so sind die Artikel 97 Absatz 1, 102 Absatz 3, 103 und 106-109 auf das Pfand sinngemäss anwendbar.313 |
2 | Das Betreibungsamt benachrichtigt den Schuldner binnen drei Tagen von dem Verwertungsbegehren. |
während welcher es leicht möglich ist, dass Dritte in gutem Glauben Rechte an
retinierten Sachen erwerben. Solchen Drittbesitzern gegenüber zessiert gemäss
Art. 284
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 284 - Wurden Gegenstände heimlich oder gewaltsam fortgeschafft, so können dieselben in den ersten zehn Tagen nach der Fortschaffung mit Hilfe der Polizeigewalt in die vermieteten oder verpachteten Räumlichkeiten zurückgebracht werden. Rechte gutgläubiger Dritter bleiben vorbehalten. Über streitige Fälle entscheidet der Richter.494 |
Inverwahrungnahme der fortgeschafften Retentionsgegenstände. Dann darf aber
der weitere Besitz des Dritten auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass
er Widerspruchsklage erhebe (BGE 41 III S. 111). Zwar macht die Rekurrentin
nicht eigentlich geltend, sie habe die Kunststeinmaschine in gutem Glauben zu
Eigentum übertragen erhalten, sondern sie will nur den Besitz an der ohnehin
ihr gehörenden Maschine in gutem Glauben wieder zurückerlangt haben. Allein
auch in einem solchen Fall ist die betreibungsamtliche Rückverbringung bezw.
Inverwahrungnahme ausgeschlossen. Freilich dient die Aufnahme der
Retentionsurkunde zur Wahrung des Retentionsrechtes trotz allfälliger
Fortschaffung nicht nur gegenüber dem Mieter, sondern auch gegenüber dem
Dritteigentümer, insoweit dessen Sachen gemäss Art. 273
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. |
|
1 | Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. |
2 | Will der Mieter eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, so muss er das Begehren der Schlichtungsbehörde einreichen: |
a | bei einem unbefristeten Mietverhältnis innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung; |
b | bei einem befristeten Mietverhältnis spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer. |
3 | Das Begehren um eine zweite Erstreckung muss der Mieter der Schlichtungsbehörde spätestens 60 Tage vor Ablauf der ersten einreichen. |
4 | Das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde richtet sich nach der ZPO103.104 |
5 | Weist die zuständige Behörde ein Begehren des Mieters betreffend Anfechtung der Kündigung ab, so prüft sie von Amtes wegen, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann.105 |
des Vermieters ebenfalls unterworfen sind, sodass also auch die Fortschaffung
solcher in der Retentionsurkunde verzeichneten Sachen durch den
Dritteigentümer regelmässig dem Retentionsrecht nicht zu schaden vermag. Hat
jedoch der Dritte seine Sachen in gutem Glauben, m.a.W. in Unkenntnis der
Aufnahme der Retentionsurkunde, wieder zurückerlangt, so lassen sich die
Wirkungen der Retentionsurkunde nicht gegen diesen Besitzerwerb ausspielen.
Und da im Falle der Bestreitung des guten Glaubens ausschliesslich die
Gerichte zur Entscheidung hierüber
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berufen sind (vgl. Erw. 1 hievor), so kann die Zurückverbringung nur durch
gerichtliches Urteil angeordnet werden. Ganz abgesehen hievon kann dem
Rekursgegner, der von seinem Begehren um betreibungsamtliche Rückverbringung
bezw. Inverwahrungnahme abgestanden, also darauf verzichtet hat, den Zustand
wieder herstellen zu lassen, wie er vor der Fortschaffung der Maschine gewesen
war, nicht zugestanden werden, dass das Widerspruchsverfahren in gleicher
Weise durchgeführt werde, wie wenn der Schuldner im Besitze der Maschine
geblieben wäre.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der eventuelle Rekursantrag wird zugesprochen und die angefochtene Verfügung
aufgehoben.