BGE 54 II 52
11. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Januar 1928 i.S.
Globetrotter A.-G. gegen Christen.
Regeste:
Urheberrecht an Werken der Photographie:
1. Bejahung der Aktivlegitimation der klägerischen A.-G. zur
Schadenersatzklage wegen Urheberrechtsverletzung gestützt auf Art. 8 Abs. 2
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 8 Vermutung der Urheberschaft - 1 Solange nichts anderes nachgewiesen ist, gilt als Urheber oder als Urheberin, wer auf den Werkexemplaren oder bei der Veröffentlichung des Werks mit dem eigenen Namen, einem Pseudonym oder einem Kennzeichen genannt wird. |
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1 | Solange nichts anderes nachgewiesen ist, gilt als Urheber oder als Urheberin, wer auf den Werkexemplaren oder bei der Veröffentlichung des Werks mit dem eigenen Namen, einem Pseudonym oder einem Kennzeichen genannt wird. |
2 | Solange die Urheberschaft ungenannt oder bei einem Pseudonym oder einem Kennzeichen unbekannt bleibt, kann diejenige Person das Urheberrecht ausüben, die das Werk herausgibt. Wird auch diese Person nicht genannt, so kann das Urheberrecht ausüben, wer das Werk veröffentlicht hat. |
URG (Erw. 2).
2. Haftung der Beklagten nach Art. 44
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 44 Verwertungspflicht - Die Verwertungsgesellschaften sind gegenüber den Rechtsinhabern und -inhaberinnen verpflichtet, die zu ihrem Tätigkeitsgebiet gehörenden Rechte wahrzunehmen. |
Wiedergabe des klägerischen Werkes und wegen Inverkaufbringens der durch
Reproduktion desselben hergestellten Ansichtskarten (Erw. 3).
Die Beklagte Frau Christen hatte bei der Klägerin eine Ansichtskarte ihres
Hotels in Wolfenschiessen bestellt, zu deren Anfertigung es zweier
photographischer Aufnahmen bedurfte; durch Kombination beider Bilder
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wurde ein Cliché erzielt, auf dem der gebirgige Hintergrund im Verhältnis zum
Vordergrund übermässig hoch erschien. Von der so hergestellten Ansichtskarte
bezog Frau Christen 500 Stück.
In der Folge liess sie durch einen Kurgast eine Ansichtskarte des Hotels
ausführen, die eine Wiedergabe des Bildes der Klägerin darstellt; sie setzte
diese Karte bei ihren Kunden und beim Publikum ab.
Die Klägerin erhob deswegen gegen die Beklagte Zivil- und Strafklage. Das
Kantonsgericht Nidwalden entschied über beide in ein und demselben Urteil,
indem es die Angeklagte von Schuld und Strafe freisprach, dagegen die
Schadenersatzklage im Betrage von 50 Fr. zusprach.
Das Bundesgericht hat dieses Urteil, unter Abweisung der Hauptberufung der
Klägerin und der Anschlussberufung der Beklagten, im Zivilpunkte bestätigt.
Aus den Erwägungen:
2. Es fragt sich in erster Linie, ob die Klägerin für die von ihr eingelegten
zwei Originalaufnahmen oder Phototypen (des Hotels Alpina und des
Gebirgshintergrundes) als ein Werk der Photographie nach Art. 2
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 2 Werkbegriff - 1 Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben. |
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1 | Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben. |
2 | Dazu gehören insbesondere: |
a | literarische, wissenschaftliche und andere Sprachwerke; |
b | Werke der Musik und andere akustische Werke; |
c | Werke der bildenden Kunst, insbesondere der Malerei, der Bildhauerei und der Graphik; |
d | Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt wie Zeichnungen, Pläne, Karten oder plastische Darstellungen; |
e | Werke der Baukunst; |
f | Werke der angewandten Kunst; |
g | fotografische, filmische und andere visuelle oder audiovisuelle Werke; |
h | choreographische Werke und Pantomimen. |
3 | Als Werke gelten auch Computerprogramme. |
3bis | Fotografische Wiedergaben und mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellte Wiedergaben dreidimensionaler Objekte gelten als Werke, auch wenn sie keinen individuellen Charakter haben.4 |
4 | Ebenfalls geschützt sind Entwürfe, Titel und Teile von Werken, sofern es sich um geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt. |
urheberrechtlichen Schutz geniesse. Ob auch das mittelst der beiden
Originalaufnahmen angefertigte Cliché (Negativ) als ein Werk der Photographie
oder ein «durch ein ihr verwandtes Verfahren hergestelltes Werk» im Sinne der
angeführten Bestimmung angesehen werden könne, dessen Urheber, unabhängig vom
Schutze der Originalbilder, des gesetzlichen Schutzes teilhaftig sei, mag
dahingestellt bleiben, weil der Träger des Urheberrechts inbezug auf das
Cliché überhaupt kein anderer sein könnte, als derjenige für die
Originalaufnahmen der Klägerin.
Richtig ist nun, dass nach Art. 8 Abs. 1
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 8 Vermutung der Urheberschaft - 1 Solange nichts anderes nachgewiesen ist, gilt als Urheber oder als Urheberin, wer auf den Werkexemplaren oder bei der Veröffentlichung des Werks mit dem eigenen Namen, einem Pseudonym oder einem Kennzeichen genannt wird. |
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1 | Solange nichts anderes nachgewiesen ist, gilt als Urheber oder als Urheberin, wer auf den Werkexemplaren oder bei der Veröffentlichung des Werks mit dem eigenen Namen, einem Pseudonym oder einem Kennzeichen genannt wird. |
2 | Solange die Urheberschaft ungenannt oder bei einem Pseudonym oder einem Kennzeichen unbekannt bleibt, kann diejenige Person das Urheberrecht ausüben, die das Werk herausgibt. Wird auch diese Person nicht genannt, so kann das Urheberrecht ausüben, wer das Werk veröffentlicht hat. |
Abweichung vom früheren Gesetze von 1883) als Urheber von Werken der Literatur
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und Kunst, einschliesslich der Photographie, nur natürliche Personen in
Betracht kommen (vgl. Botschaft des BR zum neuen URG in Bbl. 1918 III 603,
sowie RÖTHLISBERGER, Schweiz. Photographenrecht in Schw. Jur. Ztg. 1925 S.
268). Allein das Urheberrecht ist nach Art. 9 Abs. 1
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 9 Anerkennung der Urheberschaft - 1 Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht am eigenen Werk und das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft. |
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1 | Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht am eigenen Werk und das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft. |
2 | Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann, wie und unter welcher Urheberbezeichnung das eigene Werk erstmals veröffentlicht werden soll. |
3 | Ein Werk ist veröffentlicht, wenn der Urheber oder die Urheberin es selber erstmals ausserhalb eines privaten Kreises im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a einer grösseren Anzahl Personen zugänglich gemacht oder einer solchen Veröffentlichung zugestimmt hat. |
können infolgedessen juristische Personen es auf dem Wege der Abtretung
erwerben; auf dem Gebiete der Photographie im besondern begründet der Besitz
des Phototypes, im Gegensatz zum Besitz einer blossen Photographie (eines
«Werkexemplars», Art. 9 Abs. 3
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 9 Anerkennung der Urheberschaft - 1 Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht am eigenen Werk und das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft. |
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1 | Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht am eigenen Werk und das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft. |
2 | Der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann, wie und unter welcher Urheberbezeichnung das eigene Werk erstmals veröffentlicht werden soll. |
3 | Ein Werk ist veröffentlicht, wenn der Urheber oder die Urheberin es selber erstmals ausserhalb eines privaten Kreises im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a einer grösseren Anzahl Personen zugänglich gemacht oder einer solchen Veröffentlichung zugestimmt hat. |
Vervielfältigungsrechts an den Drittbesitzer (vgl. RÖTHLISBERGER a.a.O. S.
269). Überdies bestimmt Art. 8 Abs. 2
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 8 Vermutung der Urheberschaft - 1 Solange nichts anderes nachgewiesen ist, gilt als Urheber oder als Urheberin, wer auf den Werkexemplaren oder bei der Veröffentlichung des Werks mit dem eigenen Namen, einem Pseudonym oder einem Kennzeichen genannt wird. |
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1 | Solange nichts anderes nachgewiesen ist, gilt als Urheber oder als Urheberin, wer auf den Werkexemplaren oder bei der Veröffentlichung des Werks mit dem eigenen Namen, einem Pseudonym oder einem Kennzeichen genannt wird. |
2 | Solange die Urheberschaft ungenannt oder bei einem Pseudonym oder einem Kennzeichen unbekannt bleibt, kann diejenige Person das Urheberrecht ausüben, die das Werk herausgibt. Wird auch diese Person nicht genannt, so kann das Urheberrecht ausüben, wer das Werk veröffentlicht hat. |
deren Urheber nicht nach Massgabe der Ziff. 1 oder 2 des nämlichen Artikels
bezeichnet ist, dem Herausgeber oder, falls er nicht angegeben ist, dem
Verleger die Wahrnehmung der Rechte des Urhebers zustehe, und dass der
Herausgeber oder der Verleger bis zum Beweise des Gegenteils als
Rechtsnachfolger des Urhebers gelte. Die Voraussetzungen, an welche diese
gesetzliche Vermutung geknüpft ist, sind hier erfüllt, denn der Name der
natürlichen Person, die das Cliché angefertigt hat, ist auf den im
klägerischen Verlage erschienenen Reklameansichtskarten des Hotels Alpina
nicht angegeben. Und zwar kann sich die Klägerin auf jene Bestimmung nicht nur
bezüglich des Urheberrechts am Cliché berufen, sondern indirekt auch für das
Urheberrecht an den Originalaufnahmen, ohne welche das Cliché nicht hätte
hergestellt und die Ansichtskarten nicht hätten herausgegeben werden können.
Andrerseits macht die Beklagte nicht etwa geltend, dass das Urheberrecht an
den Originalaufnahmen oder am Cliché auf sie als Bestellerin der Karten
übergegangen sei, wie sie überhaupt bestreitet, dass die Originalphotographien
von der Klägerin auf ihre Bestellung hin aufgenommen worden seien. Die
Vorinstanz hat also mit Recht, wenn auch
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mit unzutreffender, auf Art. 8 Ziff. 1 Schlussatz sich stützender Begründung,
die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht.
3. Darüber, dass die Beklagte das Urheberrecht der Klägerin verletzt hat, kann
nach den Feststellungen der Vorinstanz über die vollständige Übereinstimmung
der beschlagnahmten Ansichtskarten mit denjenigen, welche die Klägerin
mindestens 1½ Jahre zuvor angefertigt hatte, ein Zweifel nicht bestehen;
übrigens hat der Hersteller jener Karten, Bischof, in der Strafuntersuchung
zugegeben, die Beklagte habe ihm den Auftrag erteilt, die ihm überreichte
Ansichtskarte «nachzumachen, er habe das ihm eingehändigte Positiv in Zürich
reproduziert». Da laut Art. 44
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 44 Verwertungspflicht - Die Verwertungsgesellschaften sind gegenüber den Rechtsinhabern und -inhaberinnen verpflichtet, die zu ihrem Tätigkeitsgebiet gehörenden Rechte wahrzunehmen. |
Übertretung des Gesetzes sich nach den allgemeinen Bestimmungen des OR richtet
und nach Art. 50 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 50 - 1 Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch. |
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1 | Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch. |
2 | Ob und in welchem Umfange die Beteiligten Rückgriff gegeneinander haben, wird durch richterliches Ermessen bestimmt. |
3 | Der Begünstiger haftet nur dann und nur soweit für Ersatz, als er einen Anteil an dem Gewinn empfangen oder durch seine Beteiligung Schaden verursacht hat. |
haben, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, dem Geschädigten
solidarisch haften, ist die Beklagte der Klägerin sowohl dafür verantwortlich,
dass sie Bischof zur Wiedergabe des klägerischen Werkes angestiftet hat, als
dafür, dass sie die durch Reproduktion desselben hergestellten Ansichtskarten
in Verkauf gebracht hat (URG Art. 42 Ziff. 1 litt
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 42 Voraussetzungen - 1 Bewilligungen erhalten nur Verwertungsgesellschaften, die: |
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1 | Bewilligungen erhalten nur Verwertungsgesellschaften, die: |
a | nach schweizerischem Recht gegründet wurden, ihren Sitz in der Schweiz haben und ihre Geschäfte von der Schweiz aus führen; |
b | die Verwertung von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten zum Hauptzweck haben; |
c | allen Rechtsinhabern und -inhaberinnen offen stehen; |
d | den Urhebern und Urheberinnen und den ausübenden Künstlern und Künstlerinnen ein angemessenes Mitbestimmungsrecht einräumen; |
e | für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere aufgrund ihrer Statuten, Gewähr bieten; |
f | eine wirksame und wirtschaftliche Verwertung erwarten lassen. |
2 | In der Regel wird pro Werkkategorie und für die verwandten Schutzrechte je nur einer Gesellschaft eine Bewilligung erteilt. |
Art. 16 und 30 Ziff. 3
SR 231.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) - Urheberrechtsgesetz URG Art. 30 Miturheberschaft - 1 Haben mehrere Personen an der Schaffung eines Werks mitgewirkt (Art. 7), so erlischt der Schutz: |
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1 | Haben mehrere Personen an der Schaffung eines Werks mitgewirkt (Art. 7), so erlischt der Schutz: |
a | 50 Jahre nach dem Tod der zuletzt verstorbenen Person für Computerprogramme26; |
b | 70 Jahre nach dem Tod der zuletzt verstorbenen Person für alle anderen Werke27. |
2 | Lassen sich die einzelnen Beiträge trennen, so erlischt der Schutz der selbständig verwendbaren Beiträge 50 beziehungsweise 70 Jahre28 nach dem Tod des jeweiligen Urhebers oder der jeweiligen Urheberin. |
3 | Bei Filmen und anderen audiovisuellen Werken fällt für die Berechnung der Schutzdauer nur der Regisseur oder die Regisseurin in Betracht. |
beschlagnahmten Karten sind keineswegs mittelst einer Neuaufnahme erstellt
worden, und eine Anwendung der letzteren Bestimmung wäre hier schon deshalb
ausgeschlossen, weil die Wiedergabe, die Art. 30 Ziff. 3 als zulässig erklärt,
nicht zum gleichen Zweck verwendbar sein darf, dem das wiedergegebene Werk
dient.