S. 148 / Nr. 29 Prozessrecht (d)

BGE 54 II 148

29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Februar 1928 i.S. Karg gegen Troller.

Regeste:
Unstatthaftigkeit der Berufung, wenn die zu entscheidende Frage der
Widerrechtlichkeit eines Vertrages sich nach kantonalem Recht
(Höchstzinsbestimmung im EG z. ZGB) beurteilt.

A. - Unterm 7. Dezember 1917 verkaufte der Beklagte Dr. Troller dem Kläger
Karg das Kinogebäude Stadthofstrasse 5 in Luzern. Der Kaufpreis betrug 130000
Fr. Davon waren 9167 Fr. 85 Cts. sofort zu bezahlen; der

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Rest setzte sich aus den vom Käufer zu übernehmenden Pfandschulden samt
Marchzins zusammen, bestehend in einer Gült von 50000 Fr., 8 solchen von je
5000 Fr. und 6 Schuldbriefen von je 5000 Fr. Es wurde vereinbart, dass die
Gülten solange unkündbar sein sollten, als der Käufer Eigentümer der
Liegenschaft sei, während von den Schuldbriefen je einer in den folgenden
sechs Jahren abzuzahlen war. Für sämtliche Titel war eine Verzinsung von 4½%
vorgesehen.
Neben diesem Abkommen ging folgende schriftliche Verpflichtung des Käufers vom
1. Dezember 1927 einher («Obligo»): «Der Unterzeichnete verpflichtet sich, dem
Herrn Dr. Troller pro 1. Dezember 1918 Fr. 600 zu vergüten, am 1. Dezember
1919 Fr. 575, am 1. Dezember 1920 Fr. 550, am 1. Dezember 1921 Fr. 525, am 1.
Dezember 1922 Fr. 500, am 1. Dezember 1923 Fr. 475 und am 1. Dezember 1924 Fr.
450. Vom 1. Dezember 1924 an sind jährlich 450 Fr. zu bezahlen». Die Beträge,
zu deren Zahlung der Kläger sich durch diese Abmachung verpflichtete, machen
je ½% des pfandversicherten Kapitals, unter Berücksichtigung der jährlichen
Schuldbriefablösungen, aus.
B. - Nachdem der Kläger einige Jahre lang seinen Verbindlichkeiten aus der
Schuldverpflichtung vom 1. Dezember 1917 nachgekommen war, erhob er
Feststellungsklage auf Ungültigerklärung derselben, da sie eine Umgehung der
in § 101 des luz. EG z. ZGB enthaltenen Bestimmung über den für Gülten und
Schuldbriefe zulässigen Höchstzins von 4½% bedeute, und gleichzeitig eine
Leistungsklage auf Rückerstattung der bereits an den Beklagten entrichteten
Beträge (3675 Fr., eventuell 3150 Fr., je nebst Verzugszinsen).
C. - Beide kantonalen Instanzen haben die Klage abgewiesen, mit der
Begründung, die angefochtene Vereinbarung verstosse nicht gegen § 101 EG z.
ZGB, zumal im Hinblick auf die vom Beklagten übernommene Verpflichtung, die
Gülten nicht zu kündigen, solange der Kläger Eigentümer der Liegenschaft sei.

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D. - Gegen das Urteil des Obergerichtes hat der Kläger unter Erneuerung der
Klagebegehren die Berufung an das Bundesgericht erklärt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz hat die vorliegende Streitsache zutreffend in Anwendung
kantonalen Rechtes entschieden. Denn das Schicksal der Klage hängt einzig von
der Beantwortung der Frage ab, die das Bundesgericht nicht überprüfen kann, ob
in der Abmachung vom 1. Dezember 1917 eine Verletzung der Vorschrift des § 101
des luz. EG z. ZGB zu erblicken sei, wonach für die Gülten und Schuldbriefe
ein Zinsfuss von höchstens 4½% zulässig ist. Eine bundesrechtliche Bestimmung,
welche die Zinspflicht für grundpfandversicherte Forderungen einschränken
würde, besteht nicht, sondern es überlässt Art. 795
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 795 - 1 Die Zinspflicht kann innerhalb der gegen Missbräuche im Zinswesen aufgestellten Schranken in beliebiger Weise festgesetzt werden.
1    Die Zinspflicht kann innerhalb der gegen Missbräuche im Zinswesen aufgestellten Schranken in beliebiger Weise festgesetzt werden.
2    Die kantonale Gesetzgebung kann den Höchstbetrag des Zinsfusses bestimmen, der für Forderungen zulässig ist, für die ein Grundstück zu Pfand gesetzt wird.
ZGB die Festsetzung des
zulässigen Höchstbetrages des Zinsfusses für solche Forderungen der kantonalen
Gesetzgebung.
Freilich ruft der Kläger auch Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR und 2 ZGB an; allein die
Anwendbarkeit dieser Vorschriften setzt voraus, dass die kantonale
Höchstzinsbestimmung verletzt worden sei. Es wird nicht etwa behauptet, das
Versprechen eines Zinses von 5% enthalte, abgesehen von jener
kantonalrechtlichen Vorschrift, einen Verstoss gegen das Gesetz, gegen die
guten Sitten oder gegen Treu und Glauben; die Nichtigkeit der Abmachung liesse
sich überhaupt nur aus einer Übertretung von § 101 EG z. ZGB herleiten. Ob
eine solche vorliege, ist also nicht blosse Präjudizialfrage, sondern die zu
entscheidende Hauptfrage, und es könnte das Bundesgericht zu einer Abänderung
des angefochtenen Urteils nicht gelangen, ohne das kantonale Recht anders
auszulegen, als es die Vorinstanz getan hat. In der Entscheidung vom 3. Juli
1915 i.S. Haass ca. Wyler (BGE 41 II 474 ff.), auf die der Kläger hinweist,
hat das Bundesgericht keineswegs die vom kantonalen Recht beherrschte Frage
der Widerrechtlichkeit nachgeprüft; es hat darin

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nur den Grundsatz ausgesprochen, dass die in Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR aufgestellte Sanktion
der Nichtigkeit auch für Verträge gelte, deren widerrechtlicher Inhalt in der
Missachtung einer vom kantonalen Rechte innerhalb seines Herrschaftsgebietes
erlassenen zwingenden Norm seinen Grund hat (es wäre denn, dass das kantonale
Gesetz selbst, dem der Inhalt des Vertrages zuwiderläuft, Gegenteiliges
anordnen würde).
Die Berufung ist somit wegen Anwendbarkeit kantonalen Rechtes gemäss Art. 56
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.

OG unzulässig.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 54 II 148
Date : 01. Januar 1927
Published : 28. Februar 1928
Source : Bundesgericht
Status : 54 II 148
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Unstatthaftigkeit der Berufung, wenn die zu entscheidende Frage der Widerrechtlichkeit eines...


Legislation register
OG: 56
OR: 20
ZGB: 795
BGE-register
41-II-474 • 54-II-148
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