S. 75 / Nr. 13 Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 54 I 75

13. Urteil vom 18. Mai 1928 i.S. Herger gegen Uri

Regeste:
Eine kantonale Bestimmung, wonach auswärts wohnende Eigentümer von im Kanton
liegenden Grundstücken diese ohne Schuldenabzug versteuern müssen, während
sonst grundsätzlich nur das Reinvermögen besteuert wird, verstösst im
allgemeinen nicht gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV, soweit sie sich auf
Steuerpflichtige bezieht, die im Ausland wohnen.

A. - Der Regierungsrat des Kantons Uri bestätigte am 23. Juli 1927 eine
Verfügung des Gemeinderates von Altdorf, wonach der Rekurrent, der im Ausland
wohnt, aber Eigentümer einer Liegenschaft in Altdorf ist, hier ein Vermögen
von 36000 Fr. und ein Einkommen von 1200 Fr. versteuern soll.
B. - Am 27. September 1927 hat Herger hiegegen die staatsrechtliche Beschwerde
an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag auf Aufhebung des
regierungsrätlichen Entscheides.
Zur Begründung wird ausgeführt: Der Rekurrent habe kein steuerpflichtiges
Vermögen, da die auf seiner

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Liegenschaft lastenden Hypothekarschulden den Betrag der amtlichen Schatzung
des Grundstückes erreichten.
... Eine materielle Rechtsverweigerung im Sinne des Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV liege
vor. Es sei unbillig, wenn ein Bürger, der ausser Landes seinen Erwerb suchen
müsse, schlechter behandelt werde, als derjenige, der im Lande wohne und
dessen Schutz und Wohltaten geniesse. Allerdings scheine das urnerische
Steuergesetz vom Grundsatz der Zulässigkeit des Schuldenabzuges eine Ausnahme
für auswärts wohnende Eigentümer von im Kanton liegenden Grundstücken zu
machen. Das Bundesgericht habe das aber wiederholt als unzulässig erklärt. Es
handle sich zwar hier nicht um eine interkantonale Doppelbesteuerung; aus
Gründen der Gerechtigkeit und der Billigkeit müsse aber der Schuldenabzug auch
in internationalen Verhältnissen zugelassen werden....
C. - Der Rekurrent hat zugleich beim Obergericht des Kantons Uri Beschwerde
geführt. Dieses wies am 19. Oktober 1927 den Rekurs gegen die
Vermögenssteuertaxation ab, hob dagegen die Einkommensteuertaxation auf. Es
stützte sich auf Art. 4 des urnerischen Steuergesetzes, wonach bei der
Besteuerung von Liegenschaften auswärts wohnender Eigentümer ein Schuldenabzug
nicht zulässig ist.
D. - Der Vertreter des Rekurrenten hat dem Bundesgericht mitgeteilt, dass er
die Beschwerde aufrecht halte, soweit das Obergericht sein Rechtsbegehren
nicht geschützt habe, da dessen Urteil insoweit gegen klares Recht, nämlich
gegen die bundesgerichtliche Praxis verstosse.
E. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Uri hat im Auftrag des Regierungsrates
Abweisung der Beschwerde beantragt.
F. - Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
G. - Der Gemeinderat von Altdorf hat ausgeführt, dass die Beschwerde
unbegründet sei;

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in Erwägung:
...
2.- Nach der Praxis des Bundesgerichts verstösst zwar die Bestimmung des Art.
4 des urnerischen Steuergesetzes, dass auswärts wohnende Eigentümer von im
Kanton befindlichen Grundstücken diese ohne Schuldenabzug versteuern müssen,
gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
in Verbindung mit Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV, aber nur soweit, als sie
sich auf Steuerpflichtige bezieht, die in einem andern Kanton wohnen. Soweit
eine solche Ausnahmebestimmung, wie die urnerische, für im Ausland wohnende
Steuerpflichtige gilt, hat sie das Bundesgericht vom Gesichtspunkt der Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

und 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV aus zugelassen (vgl. Entscheid i. S. Rouiller gegen Waadt vom
28. September 1917). Seine Ausführungen darüber, dass sich eine ungleiche
Behandlung der auswärtigen und der im Kanton wohnhaften Steuerpflichtigen bei
der Besteuerung der Liegenschaften nicht rechtfertige, gelten nicht für den
Fall, dass es sich um im Ausland wohnende Steuerpflichtige handelt. Man kann
dem Kanton Uri vom Standpunkt des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV aus nicht zumuten, auswärts
wohnende Eigentümer von im Kanton befindlichen Liegenschaften bei der
Besteuerung gleich zu behandeln, wie im Kanton wohnhafte, solange er nicht die
Gewissheit hat, dass der Staat des Wohnsitzes jener Eigentümer Gegenrecht
hält. Eine solche Gewissheit besteht aber ­ mit Rücksicht auf die Praxis ­ zur
Zeit im allgemeinen nur gegenüber den übrigen Kantonen, nicht gegenüber
ausländischen Staaten.
Das Doppelbesteuerungsverbot des Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV gilt für internationale
Verhältnisse, abgesehen von dem in BGE 46 I N. 57 behandelten Fall, nach der
Praxis nur insoweit, als es die Besteuerung von im Ausland liegenden
Grundstücken ausschliesst;
erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Vgl. auch Nr. 15 und 17. ­ Voir aussi Nos 15 et 17.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 I 75
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 18. Mai 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 I 75
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Eine kantonale Bestimmung, wonach auswärts wohnende Eigentümer von im Kanton liegenden Grundstücken...


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BGE Register
54-I-75
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • uri • regierungsrat • gemeinderat • entscheid • ausländischer staat • rechtsbegehren • willkürverbot • begründung des entscheids • staatsrechtliche beschwerde • waadt • gegenrecht • wiese • interkantonale doppelbesteuerung