S. 71 / Nr. 12 Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 54 I 71

12. Auszug aus dem Urteil vom 30. März 1928 i.S. Stücheli gegen Obergericht
Baselland.


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Regeste:
Vollstreckung ausländischer Urteile: Exequatur- und Rechtsöffnungsverfahren.
Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV. Verbindlichkeit einer vorgedruckten Schiedsgerichtsklausel.

A. - Im November und Dezember 1926 kaufte der Rekurrent in Neuenburg von Josef
Weisz in Dunajaska Streda zu zwei Malen 35 Wagenladungen Weizen- und
Roggenstroh. Die hierüber ausgestellten, von den Parteien unterschriebenen
Schlussbriefe enthalten die Bestimmung, dass sie sich bei etwaigen
Streitfällen unter die inappellable, exekutionsfähige Entscheidung des
Schiedsgerichtes der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien
unterwerfen. Da der Rekurrent die Annahme der Ware verweigerte, brachte der
Rekurs beklagte die Sache vor das erwähnte Schiedsgericht, das mit Urteil vom
8. Juni 1927 den Rekurrenten zur Zahlung von 3088 Fr. 35 Cts. Schweizerfranken
nebst Zinsen und Kosten verurteilte. Mit Zahlungsbefehl Nr. 8035 setzte der
Rekursbeklagte die ihm schiedsgerichtlich zuerkannte Forderung in Betreibung
und stellte, nachdem der Rekurrent Recht vorgeschlagen

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hatte, beim Bezirksgericht Arlesheim, wohin derselbe im Laufe der Betreibung
gezogen war, das Begehren um Bewilligung der definitiven, eventuell der
provisorischen Rechtsöffnung. Der Gerichtspräsident wies das Begehren ab. Das
Obergericht des Kantons Basel-Landschaft dagegen erteilte dem Rekursbeklagten
am 27. Januar 1928 für die in Betreibung gesetzte Forderung die definitive
Rechtsöffnung.
B. - Gegen dieses Urteil hat der Rekurrent rechtzeitig die staatsrechtliche
Beschwerde erhoben. Es wird geltend gemacht: Nach der in einem Entscheid des
Obergerichtes vom 31. März 1905 niedergelegten Praxis gelte, da weder die
Prozessordnung noch die übrige Gesetzgebung über die
Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Urteile Bestimmungen enthalte, die
Vermutung, der ordentliche Richter habe sie zu erteilen, bezw. sie sei auf dem
Wege des ordentlichen Prozesses nachzusuchen. Dass der Rechtsöffnungsrichter
hiebei nicht in Frage kommen kann, ergebe sich schon aus der Erwägung, dass
die Bewilligung der Rechtsöffnung eine Exekutionshandlung sei, also eine
Handlung, die ein bereits exequierbar gewordenes Urteil voraussetze. Der
Entscheid des Obergerichts verletze ferner den Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV: Der Rekurrent habe
bei Anhebung des Prozesses seinen Wohnsitz in Neuenburg gehabt. Die
Schiedsklausel, auf die sich der Schiedsspruch stütze, sei für ihn, da er sie
nicht beachtet habe, nicht verbindlich.
Die Beschwerde wurde in dieser Beziehung mit folgender Begründung abgewiesen:
...
2.- Es besteht auch keine kantonale Gesetzesbestimmung, wonach in Baselland
ein ausländisches Zivilurteil zuerst in einem besonderen Verfahren
vollstreckbar erklärt sein müsste, bevor dafür die Rechtsöffnung verlangt
werden kann. Wenn in § 286 CP bestimmt ist: Über die Vollziehung von Urteilen
ausserkantonaler bezw. ausländischer Gerichtsstellen gelten die

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Bestimmungen der Bundesgesetzgebung, bezw. der Staatsverträge, so liesse sich
daraus vielleicht herleiten, dass eine Vollziehung ausländischer
Gerichtsurteile nur statt finden dürfe, wenn und soweit sie staatsvertraglich
vereinbart ist. Allein die basellandschaftliche Gerichtspraxis hat sich nicht
auf diesen Boden gestellt, wie sich aus den in der Beschwerde angerufenen
Urteilen vom 31. März 1905 und 27. April 1925 ergibt. Keinesfalls muss aus
jener Bestimmung gefolgert werden, dass die Vollstreckbarkeitserklärung in
einem besondern Verfahren zu erwirken und dass es dem Rechtsöffnungsrichter
versagt sei, die Voraussetzungen der Vollziehung im Rechtsöffnungsverfahren zu
prüfen. Allerdings ist dies nun im obergerichtlichen Entscheid vom 31. März
1905 ausgesprochen, und im Falle Michael gegen Tharing ist die Frage der
Vollstreckbarkeit eines deutschen Schiedsgerichtsurteils im ordentlichen
Verfahren hängig gemacht und entschieden worden. Allein was das erstere Urteil
betrifft, so ist die Begründung, mit der das Rechtsöffnungsverfahren
ausgeschaltet wurde, nichts als eine Umschreibung der Forderung, dass die
Vollstreckbarkeit in einem besonderen Verfahren nachzusuchen sei, und es ist
nicht einzusehen, weshalb nicht die Voraussetzungen für die Rechtsöffnung, als
Exekutionshandlung betrachtet, bei ausländischen Urteilen ebenfalls vom
Rechtsöffnungsrichter sollten geprüft werden können, wie dies bei kantonalen
und ausserkantonalen Urteilen der Fall ist, wobei es für das Verfahren auch
keinen Unterschied machen kann, ob die Vollziehung staatsvertraglich
zugesichert sei oder nicht. Und im Urteil vom 27. April 1925 ist die Frage des
Verfahrens überhaupt nicht erörtert; daraus aber, dass ohne weiteres auf das
im ordentlichen Verfahren angebrachte Vollstreckungsbegehren eingetreten
wurde, folgt nicht, dass die Frage der Vollstreckbarkeit nicht auch
vorfragsweise im Rechtsöffnungsverfahren geprüft werden könnte. Zudem ist auf
diesem schwierigen und nicht durch gesetzliche Regelung beherrschten Gebiete
eine

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Änderung der Praxis wohl zulässig. Freilich ist die Begründung, mit der im
angefochtenen Urteil die Einwendung des Beschwerdeführers, dass die Frage der
Vollstreckbarkeit nicht im Rechtsöffnungsverfahren zu prüfen sei, verworfen
wurde, und die dahin geht, dass dem Kläger sonst nur die Möglichkeit
offenstehe, das Prozessverfahren im Kanton Baselland nochmals einzuleiten,
angesichts der früheren Praxis jedenfalls insoweit unzutreffend, als damit
gesagt werden will, es sei nur eine Wiederholung des Prozesses mit materieller
Nachprüfung möglich. Aber wenn auch gemäss der Praxis die Einleitung eines
besonderen Exequaturverfahrens ohne solche Nachprüfung möglich war, so
schliesst dies nach dem Gesagten doch nicht aus, dass die Frage der
Vollstreckbarkeit auch im Rechtsöffnungsverfahren zur Entscheidung gebracht
werden kann. Es wird ja wohl durch solche widersprechende Urteile eine gewisse
Unsicherheit geschaffen, die die Partei, welche ein ausländisches Urteil im
Kanton Baselland vollstrecken lassen will, vielleicht nötigt, ein doppeltes
Verfahren gleichzeitig oder nacheinander einzuleiten. Aber eine
Rechtsverweigerung im Sinne der Verletzung klaren Rechtes kann doch darin,
dass die Frage der Vollstreckbarkeit nicht in ein besonderes Verfahren
verwiesen, sondern im Rechtsöffnungsverfahren beurteilt wurde, nicht erblickt
werden.
...
4.- Die Beschwerde wegen Verletzung von Art. 59 ist, abgesehen davon, dass
nach dem Entscheide des Obergerichtes diese Frage im kantonalen Verfahren
nicht aufgeworfen wurde, unbegründet. Es kommt diesbezüglich nur darauf an, ob
die in den Schlussbriefen enthaltene Schiedsklausel für den Beschwerdeführer
verbindlich war, was er deshalb bestritt, weil er sie nicht beachtet habe. Es
genügt aber, in dieser Beziehung auf die Begründung zu verweisen, mit der das
Schiedsgericht selber die vor ihm erhobene Unzuständigkeitseinrede abgelehnt
hat und die lautet: «Nach

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Inhalt der beiden Schlussbriefe betreibt der Beklagte den Fouragenhandel im
Grossen und musste sich daher als ordentlicher Kaufmann dessen bewusst sein,
was er in diesen beiden im Schluss und Gegenschluss nieder gelegten Verträgen
unterfertigt hat. Beide Verträge enthalten nicht nur die Berufung auf die
Usanzen der Wiener Produktenbörse, sondern auch die Kompromissklausel auf
dieses Schiedsgericht. Es geht nicht an, dass der Beklagte die
Rechtswirksamkeit dieser beiden Klauseln dadurch bestreitet, dass er vorgibt,
den gedruckten Teil der Schlussbriefe nicht gelesen zu haben. Hat er dies auch
bei der Unterfertigung dieser Vertrage schuldhafterweise unterlassen, so
musste er im Zuge der Abwicklung sicherlich darauf gekommen sein. Das trifft
auch zu, um die Berufung auf Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV zu beseitigen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 I 71
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 30. März 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 I 71
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Vollstreckung ausländischer Urteile: Exequatur- und Rechtsöffnungsverfahren.Art. 59 BV...


Gesetzesregister
BV: 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BGE Register
54-I-71
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frage • beklagter • basel-landschaft • entscheid • staatsvertrag • ordentliches verfahren • wille • begründung des entscheids • staatsrechtliche beschwerde • vollstreckbarerklärung • gerichts- und verwaltungspraxis • kantonales rechtsmittel • verurteilter • vermutung • maler • wiese • zahlungsbefehl • wiederholung • weizen • einwendung
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