II. ERBRECHT DROlT DES SUCCESSIONS
77. Urteil der II. Zivllabteilung vom 25. November 1927 i. S. Koch und
Konsorten gegen Koch und Konsorten.
ZGB Art. 500 Abs. 3: Maschinensohriftliches Datieren des öffentlichen
Testamentes genügt.
A. Mit der vorliegenden Klage verlangen die gesetzlichen Erben des am
4. April 1926 verstorbenen Alois Koch, es sei der vom Erblasser am
9. Oktober 1912 mit seiner (v0rverstorhenen) Ehefrau abgeschlossene
Erbvertrag, durch welchen die Beklagten als Erben des letzt-verstorbenen
Ehegatten eingesetzt wurden, ungültig zu erklären, weil der Urkundsbeamte
die Vertragsurkunde nicht von Hand, sondern mit der Schreibmaschine,
wenn auch persönlich, datiert hat.
B. Durch Urteil vom 11. Juli 1927 hat das Obergericht des Kantons Aargau
die Klage zugesprochen.
C. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten die Berufung an das
Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage;
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
Gemäss Art. 512
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 512 - 1 Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung. |
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1 | Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung. |
2 | Die Vertragschliessenden haben gleichzeitig dem Beamten ihren Willen zu erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu unterschreiben. |
im allgemeinen einfach der Form der öffentlichen letztwiiligen
Verfügung. Hiezu gehört nach Art. 500 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 500 - 1 Der Erblasser hat dem Beamten seinen Willen mitzuteilen, worauf dieser die Urkunde aufsetzt oder aufsetzen lässt und dem Erblasser zu lesen gibt. |
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1 | Der Erblasser hat dem Beamten seinen Willen mitzuteilen, worauf dieser die Urkunde aufsetzt oder aufsetzen lässt und dem Erblasser zu lesen gibt. |
2 | Die Urkunde ist vom Erblasser zu unterschreiben. |
3 | Der Beamte hat die Urkunde zu datieren und ebenfalls zu unterschreiben. |
die Urkunde datiert und unterschreibt (l'acte sera date et signé par
l'officier public ; il funzionario deve datare la scrittura ed apporvi
anche la sua firma). Dass das Unterschreiben von Hand vorzunehmen ist,
folgt ohne weiteres aus der Bezeichnung der Tätigkeit selbst und müsste,
ganz abgesehen hievon, verlangt werden, da sonst keinerlei
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Gewähr für die Echtheit der Urkunde geboten wäre. Dass aber auch das
Datieren von Hand zu geschehen habe, ist nicht ausdrücklich gesagt. Die
ausdehnende Auslegung einer Fonnvorschrift über ihren unzweideutigen
Wortlaut hinaus lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn sonst der damit
verfolgte Zweck nicht erreicht würde, was hier nicht mit Fug behauptet
werden kann. Ebensowenig darf etwas daraus hergeleitet werden, dass
nach Art. 505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
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1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
ist; denn für die Echtheit und inhaltliche Wahrheit des eigenhändigen
Testamentes liegt die Gewähr einzig und allein in der eigenhändigen
Niederschrift des Testators, während beim öffentlichen Testament
und Erbvertrag die durch die Unterzeichnung bestätigte Mitwirkung
der UrkundsPerson, welche den Pflichten und der Verantwortlichkeit
eines Beamten unterworfen ist, an sich schon gewisse beim eigenhändigen
Testament vollständig fehlende siGarantien zu bieten vermag. Unter diesem
Gesichtspunkt muss es beim öffentlichen Testament mit den Formvorschriften
ohnehin nicht derart streng genommen werden wie beim eigenhändigen oder
beim Nottestament. Auch kann den Klägern nicht zugegeben werden, es werde
durch die Datierung mit der Schreibmaschine wahrscheinlich gemacht, dass
sie unmittelbar nach der Niederschrift der Verfügungen, vor dem Lesen
und Unterschreiben derselben durch den Erblasser bezw. vor dem Vorlesen
und der entsprechenden Erklärung des Erblassers, stattgefunden habe,
vielleicht also an einem der eigentlichen öffentlichen Beurkundung
vorangehenden Tage. Schreibt der Urkundsbeamte nur mit Mühe, wenig
leserlich oder unschön oder zieht er sonst aus irgendwelchen Gründen
die Maschinenschrift der Handschrift vor, so erscheint es keineswegs
ausgeschlossen, dass er die Urkunde zwecks Datierung noch einmal besonders
in die Schreibmaschine einspannt, um dann nur die Unterschrift von Hand
schreiben zu müssen. Und was die Angabe des Tages
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anbelangt, so wird doch wohl vorausgesetzt werden dürfen, dass der Beamte
alle Sorgfalt darauf verwendet, _nicht eine inhaltlich unwahre Urkunde
aufzusetzen, wie es der Fall wäre, wenn er das früher hingesetzte Datum
unverändert stehen liesse, obwohl er die öffentliche Beurkundung erst an
einem späteren Tage vornimmt. Zudem sind sowohl der Erblasser (bezw. die
Erbvertragsparteien) als die Zeugen in der Lage, die Richtigkeit der
Datierung nachzuprüfen. Nicht ganz von der Hand zu weisen wird freilich
das Bedenken sein, dass ein maschinengeschriebenes Datum leichter der
nachträglichen Verfälschung zugänglich ist als ein handgeschriebenes.
Allein ob eine Veränderung stattgefunden habe, wird schliesslich doch
immer irgendwie ersichtlich sein, sodass es möglich sein wird, jedem
derartigen Einzelfall die seiner Eigenart entsprechende Beurteilung
angedeihen zu lassen. Deswegen allen öffentlichen Verfügungen mit
maschinengeschriebenem Datum die Gültigkeit abzusprechen, liesse sich
also nicht rechtfertigen, nachdem das Gesetz selbst nicht unzweideutig
die handgeschriebene Datierung fordert.
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die Berufung wird begründet erklärt, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 11. Juli 1927 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Sachenrecht. N° 78. 445
III. SACHENRECHT
DRO ITS RÉELS
78. Auszug aus dem Urteil der staatsrechtlichen Abteilung vom
16. September 1927
i. S. Genossame Lachen gegen A..-G. Kraftwerk Wäggital.
Bestimmungen einer Wasserrechtskonzession, wonach der Beliehene für
allen Schaden der infolge des Baus oder Betriebs der Wasserkraftanlage,
an der Gesundheit oder am Eigentum Dritter entsteht, haftet, und
die Ursachen solcher Schäden zu beseitigen hat, ferner Eigentumsoder
andere dingliche Rechte an Grundstücken, deren er für die Ausführung
der Werkanlagen bedarf und der Ausnützung der verliehenen Wasserkräfte
entgegenstehende Benützungsrechte im Expropriationswege abzulösen hat.
Auslegung. Anwendung auf einen bestimmten Fall. Verhinderung der
bisherigen Anschwemmung von der Ausbeutung fähigem Material durch den
Fluss zum Nachteil des daran berechtigten Uferanstössers. Verneinung
der Ersatzpflicht des Beliehenen.
Die Genossame Lachen ist Eigentümerin eines erheblichen Grundbesitzes
entlang dem Ufer des oberen Zürichsees zu beiden Seiten des Ausflusses
der Wàggitaler-Aa in den See. Die Aa hatte von jeher bedeutende
Mengen von Geschiebe nach dem see geführt, wodurch sich am Seeufer
fortschreitend neues Land bildete. Um 1740 entstand zwischen Innerschwyz
als damals regierender Landschaft und der Genossame Lachen Streit über
die Rechtsverhältnisse an diesen Anschwemmungen, soweit es sich um das
Gebiet vor den Ufergrundstücken der Genossame handelte. Durch Beschluss
vom 20. Mai 1743 genehmigte der gesessene Landrat des Landes Schwyz ein
zwischen seinen Vertretern und der Genossame am 14. Mai gleichen Jahres
geschlossenes Abkommen, wonach gegen Zahlung, eines einmaligen Betrages
von 300 Münzgulden das angeworfene Land