II. PERSONENRECHT DROIT DES PERSONNES

31. Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. September 1926 i. S. Turnverein
Ehrendingen gegen Binder und Kons. Ver einsrecht, Art. 74
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
ZGB :
Umwandlung des

V e r ei n s 2 W e c R e s. Begriff (Erw. 1). Recht jedes nicht

zustimmenden Vereinsmitgliedes, den Umwandlungsbeschluss durch Klage
anzufechten {Erw. 2).

A. Der am 5. Mai 1910 gegründete Turnverein Ehrendingen hat laut §
I seiner statuten vom 28. Mai 1916 den Zweck, seine Mitglieder durch
gemeinsame Körperübungen zu körperlich und geistig tüchtigen Männern
heranzubilden. Laut § 26 der Statuten gehörte er dem Bezirksturnverband
Baden, dem Aargauisehen Kantonalturnverband und dem Eidgenössischen
Turnverein an, bis an der Vereinsversammlung vom 29. November 1925
der Austritt aus diesen Verbänden beschlossen wurde. Eine weitere, am
27. Dezember 1925 abgehaltene Vereinsversammlung sodann beschloss,
den Turnverein Ehrendingen zum Eintritt in den Schweizerischen
Ar-beiter-Turnund Sport-Verband anzumelden. Den Zentralstatuten dieses
Verbandes vom 8. Februar 1925 sind folgende Artikel zu entnehmen :

2. Zweck des Verbandes ist die Hebung und Förderung der Volkskraft und
Volksbildung durch Pflege gesunder Leibesübungen auf demokratischer
Grundlage mit Einstellung auf Massenbeeinflussung, Einwirkung auf die
Jugend im Sinne der Ziele der modernen Arbeiterbewegung und Sammlung
aller Freunde des ArbeiterTurnund Sportwesens zu einheitlichem Vorgehen.

4. Mitglied des Verbandes kann jeder Turn oder

A8 52 Il 1926 13

176 Personenrecht. N° 31 .

Sportverein werden, der auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung
steht ......

5. Die Zugehörigkeit der Vereine sowohl wie der Aktivmitglieder Zu
bürgerlichen Turnund Sportverbänden ist unzulässig .....

6. Der Austritt aus dem Verband ....... Voraussetzung hie-zu bildet ein
Beschluss der Hauptversammlung des betreffenden Vereins mit zweidrittel
Mehrheit für den Austritt. .....

28. Als Verbands , Kreis-, Unterverbandsund Sektionsfunktionäre sind
nur gewerkschaftlich oder politisch organisierte Mitglieder wählbar.

Der vom Zentralvorstand dieses Verbandes pro 1918 erstattete Jahresbericht
schliesst wie folgt: Die Arbeiterschaft der ganzenVVelt ist erwacht
und verlangt nun auch etwas Sonnenschein in ihrem harten Kampfe um die
Existenz und ihren Anteil an den Lebensgütern. Auch wir Arbeiterturner
sind eine Avantgarde dieser modernen Arbeiterbewegung ; neben unserer
ersten Aufgabe, für die körperliche Ertüchtigung der Arbeiterjugend zu
sorgen, kämpfen wir auch für Freiheit und Recht, für den sozialen Aufstieg
der Arbeiterklasse und dürfen das auch vor der ganzen Welt bekennen.

Die Delegiertenversammlung des Zentralverbandes vom 5. 6. Februar
1921 fasste eine Resolution, wonach der Arbeiterturnverband nach wie
vor eine einige und geschlossene Vereinigung der turnsporttreibenden
Arbeiter-schaft bildet, welche auf dem Boden des Klassenkampfes steht .

B. Mit der vorliegenden, am 25. Januar 1926 gegen den Turnverein
Ehrendingen angebrachten Klage stellen dessen Mitglieder Ignaz Binder,
welcher mit einigen gleichgesinnten die Vereinsversammlung vom
27. Dezember 1925 vor der Abstimmung verlassen hatte, Xaver Blaser und
Emil Seiler den Antrag : Der vom Beklagten am 27. Dezember 1925 gefasste
Beschluss, sich dem Schweizerischen Arbeiterturnund Sportver--

Personenrecht. N° 31. 177

band anzuschliessen, sei als rechtsungültig zu erklären und aufzuheben
C. Durch Urteil vom 18. Juni 1926 hat das Obergerieht des Kantons Aargau
die Klage zugesprochen. D. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die
Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag auf Abweisung
der Klage. '

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Die Kläger stützen ihre Klage auf Art. 74
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
ZGB, wonach eine Umwandlung
des Vereinszweckes keinem Mitgliede aufgenötigt werden kann. Die
Vorinstanz sieht in dem angefochtenen Beschluss eine derartige
Umwandlung des Vereinszweckes. Dieser Auffassung ist beizustimmen.
Bis zu dem angefochtenen Beschluss hat sich der beklagte Verein,
seinen Statuten getreu, ausschliesslich der Aufgabe gewidmet, seinen
Mitgliedern Gelegenheit zu bieten, durch gemeinsame Muskelübnngen
zur Entwicklung ihrer Körperkraft beizutragen und indirekt auch ihr
Geistesleben günstig zu beeinflussen, insoweit derartige Übungen hiezu
geeignet sind. Der angefochtene Vereinsbeschluss will nichts daran
ändern, dass der Beklagte dieses Ziel auch in der Zukunft verfolge.
Indessen soll von jetzt an die Verbindung der Vereinsmitglieder
untereinander nicht mehr wie bis anhin nur ihrer eigenen körperlichen
(und indirekt auch geistigen) Entwicklung dienen, sondern sie soll
ausserdem in den Dienst der modernen Arbeiterbewegung, d. h. des von einem
grossen Teil der sog. Lohnarbeiter gegen die sog. Bourgeoisie geführten
Klassenkampfes gestellt werden, und zwar nach zwei Richtungen : einmal
durch Massenbeeinflussung, m. a. W. Beeinflussung dritter nicht zum
beklagten Verein bezw. Schweizerischen Arbeiter-Turnund Sport-Verband
gehörender Personen, und sodann durch Einwirkung auf die Jugend, womit
hauptsächlich die Gewinnung der eignen Mitglieder für die Idee des
Klassenkampfes gemeint sein dürfte. Zu einer Umwand--

178 Personenrecht. N° 31.

lung des Vereinszweckes im Sinne der angeführten Bestimmung ist aber
nicht erforderlich, dass der Verein seinen bisherigen Zweck zugunsten
eines neuen, anders gearteten aufgebe, sondern es genügt dazu schon,
dass er sich neben der bisherigen einer neuen Aufgabe widmen will,
welche mit dem bisher erstrebten Ziel in keinem Zusammenhange steht. Es
ist nicht einzusehen, wieso in dieser Beziehung etwas anderes gelten
sollte als im Aktienrecht, wo ja als Umwandlung des Gesellschaftszweckes,
welche der Minderheit durch die Mehrheit nicht aufgenötigt werden kann,
eine blosse Erweiterung desselben (bezw. des Geschäftsbereiches) nur dann
nicht in Betracht fällt, wenn sie in der Aufnahme verwandter Gegenstände
besteht (vgl. Art. 627 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
und 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
OR). Die politische Aufgabe aber,
der sich der beklagte Verein auf Grund des angefochtenen Beschlusses
widmen will, fällt ganz ausserhalb den Rahmen seines bisherigen Zweckes,
welcher sich in der körperlichen und, soweit hiedurch bedingt, auch
geistigen Ertüchtigung seiner Mitglieder erschöpfte. Dies ergibt sich
unzweifelhaft aus der Überlegung, dass die Erreichung des durch § 1 der
Statuten umschriebenen Zieles dem beklagten Verein bisher ebensowohl
möglich war, wie es bei Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses
künftig der Fall sein würde, und dass die jungen Männer von Ehrendingen,
welche das Bedürfnis empfinden, gemeinsam mit anderen körperliche Übungen
zu pflegen, und sich daher vor die Frage gestellt sehen, ob sie dem
beklagten Verein beitreten sollen, ihre Entscheidung künftig nicht mehr
ausschliesslich unter dem Gesichtspunkte würden treffen können, ob sie
die mit der Mitgliedschaft bei einem T urnverein gewöhnlich verbundenen
Pflichten auf sich nehmen. wollen.

Zu Unrecht versucht der Beklagte daraus etwas herzuleiten, dass § ] der
Vereinsstatuten nicht abgeändert, die Umschreibung des Vereinszweckes
also die gleiche geblieben sei. Wäre dem wirklich so, so würde sich_ die

Personenrecht. N° 31. 179

Klage auch ohne Heranziehung des Art. 74
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
ZGB schon bei blosser Anwendung
des Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB als begründet erweisen ; denn wenn sich ein Verein ohne
formelle Statutenänderung einer Aufgabe widmet, die nicht mehr in den
Rahmen der Aufgaben fällt, deren Verfolgung er sich in seinen Statuten zum
Zweck gesetzt hat, so sprengt er damit eben den Rahmen der Statuten. Nun
läuft aber der angefochtene Beschluss vom 27. Dezember 1925 auf die
Annahme der Zentralstatuten des Schweizerischen Arbeiter-Turnund Sport
Verbandes hinaus mit der Massgabe, dass die eigenen Statuten dadurch
ergänzt, ja, soweit sie mit jenen nicht vereinbar sind, aufgehoben
bezw. abgeändert werden. Und zwar kann gemäss Art. 6 dieser Statuten der
beklagte Verein entgegen dem Vorbringen seines Vertreters sich nicht
mehr mit einfacher Stimmenmehrheit von ihnen lossagen; übrigens würde
es zu einer Umwandlung des Vereinszweckes im Sinne des Art. 74
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
ZGB auch
genügen, wenn sich der beklagte Verein ohne eine derartige Bindung einfach
bis auf weiteres in den Dienst des vom Schweizerischen ArbeiterTumund
Sport Verband verfolgten Zweckes gestellt hätte. Ganz unerfindlich ist,
wieso der Beklagte glaubt, den Klägern entgegenhalten zu können, dass
sie den Beschluss vom 29. November 1925 nicht angefochten haben, während
er doch selbst behauptet, einer solchen Anfechtung hätte der Erfolg
versagt bleiben müssen. Zudem stellt sich jener Beschluss lediglich
als Vorbereitung der dann am 27. Dezember beschlossenen Umwandlung des
Vereinszweckes dar und unterlag als solche noch nicht der Anfechtung
(vgl. Urteil des Bundesgerichtes vom 13. Oktober 1920 i. S. Turnverein
Neue Sektion Baden gegen Arnold und Kons.).

2. Nach der Auffassung des Beklagten soll sich die Bedeutung des
Art. 74
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
ZGB, wonach eine Umwandlung des Vereinszweckes keinem Mitgliede
aufgenötigt werden kann, darin erschöpfen, dass den nicht zustimmendcn
Mitgliedern nun ohne weiteres, insbesondere ohne Be--

18h si Personenrecht. N° 31.

obachtung einer Frist (vgl. Art. 70
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 70 - 1 Der Eintritt von Mitgliedern kann jederzeit erfolgen.
1    Der Eintritt von Mitgliedern kann jederzeit erfolgen.
2    Der Austritt ist von Gesetzes wegen zulässig, wenn er mit Beobachtung einer halbjährigen Frist auf das Ende des Kalenderjahres oder, wenn eine Verwaltungsperiode vorgesehen ist, auf deren Ende angesagt wird.
3    Die Mitgliedschaft ist weder veräusserlich noch vererblich.
ZGB), der Austritt offenstehe, während
die Vorinstanz ihnen dasRecht. auf gerichtliche Anfechtung des bezüglichen
Beschlusses zubilligt. Indessen steht der Auffssung des Beklagten schon
der klare Wortlaut des Marginale entgegen, wonach die Vorschrift zum
Schutz des Vereinszweekes aufgestellt ist; denn wenn einfach den nicht
zustimmenden Mitgliedern der sofortige Austritt anheimgegehen Wäre, so
würde wohl ihre Persönlichkeit insofern geschützt, als sie nicht länger
einem Verein angehören müssten, welcher zur Verfolgung eines von ihnen
nicht gebilligten Zweckes übergegangen ist, dagegen nicht der bisherige
Vereinszweck. Ferner spricht gegen die Auffassung des Beklagten, dass
die Rechtsprechung (vgl. namentlich BGE 24 II S. 800 ff.) dem bereits
angeführten sozusagen wörtlich gleichlautenden Art. 627 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
OR stets,
zumal schon vor der Ausarbeitung des ZGB, die Tragweite beigemessen hat,
dass die einer Umwandlung des Gesellschaftszweckes nicht zustimmende
Minderheit beim Gericht die Aufhebung des bezüglichen Beschlusses
verlangen kann. Und bei der Schaffung des ZGB haben sich gerade
Bestrebungen geltend gemacht und auch durchzusetzen vermocht, welche
diese für die Aktiengesellschaft geltende Ordnung auf den idealen Verein
übertragen wissen wollten. In den Vorentwurf des Justizdepartementes
wurden folgende Vorschriften aufgenommen :

(91) (Schutz des Vereinszwecks). Vereinsbeschlüsse, durch die der
Vereinszweck überschritten oder abgeändert wird, können von jedem
Mitglied, das nicht zugestimmt hat, innerhalb Monatsfrist auf dem
Rechts-wege angefochten werden.

(92) (Schutz der Sonderrechte). Wird ein Mitglied durch einen
Vereinsbeschluss in einem ihm nach Gesetz oder Statut zustehenden
Mitgliedschaftsrecht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt, so kann es
diesen Beschluss auf dem Rechtsweg-I anfechten. Personenrecht. N° 31. 181

Hiezu bemerkten die Erläuterungen (2. Ausgabe I S. 90): Das
lndividualrecht und sonderrecht eines jeden Mitgliedes verlangt daruach,
dass man sich auf die Einhaltung des Vereinszweckes soll verlassen dürfen.
Auch durch die Statuten kann der Vereinszweck nicht in dem Sinne
abgeändert werden, dass sich das Mitglied die Neuerung ohne weiteres
gefallen lassen müsste. Ob es sich um Änderung oder Überschreitung des
Vereinszweckes handle, das Aniechtungsrecht ist gegeben, und zwar beim
Richter und innert der ...... Frist eines Monates ...... Des gleichen
Schutzes bedürfen aber auch die Mitgliedschaftsrechte, seien sie auf
das Gesetz oder die Statuten gegründet. Gemeint sind dabei die Rechte,
die dem Mitglied als solchem zustehen, sei es gleichmässig allen,
oder einzelnen in einem besonderen Sinne, sei es als Einzelrecht oder
als Recht einer Minderheit, was der Entwurf als Sonderrecht bezeichnet
hat, Art. 92. Als dann in der Expertenkommission (im Zusammenhang mit
anderen Änderungen) vorgeschlagen wurde, Art. 91 wie folgt einzuleiten
: Vereinsbeschlüsse, durch die der Vereins-Zweck ohne Statutenänderung
über , schritten oder abgeändert wird ...... , wurden Bedenken dagegen
geäussert, dass der Verein ganz allgemein das Recht hätte, den Zweck
des Vereins abzuändern, ohne dass ein Mitglied sich dem entgegensetzen
könne , und es gelangte schliesslich ein 11. a. mit dem Hinweis auf
den die Zustimmung aller Mitglieder fordernden § 33 des deutschen BGB
begründeter Antrag auf Einführung einer dem Art. 627 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
OR analogen
Bestimmung zur Annahme, entgegen der ebenfalls verfochtenen Auffassung,
dass es nicht in der Macht des Einzelnen liegen soll, die Änderung des
Vereinszweckes unmöglich zu machen, dagegen der Minderheit im Falle der
Zwecksänderung der Austritt mit allen Folgen desselben gestattet sein
soll, namentlich unter Wahrung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche,
im Gegensatz zum Falle des Art. 90 Abs. 1 des Vorentwnrfcs, Art. 73 Abs. 1

182 Personenrecht. N° 31.

des Gesetzes (Ausscheiden oder Ausschluss von Mitgliedern). Gestützt
hierauf wurde Art. 91 vorläufig wie folgt gefasst:

Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann der Minderheit durch die Mehrheit
nicht aufgenötigt werden.

Vereinsbeschlüsse, durch die der Vereinszweck überschritten oder
abgeändert wird, können von jedem Mitglied, das nicht zugestimmt hat,
innerhalb Monatsfrist von deren Mitteilung an gerechnet, spätestens
innerhalb J ahresfrist, nachdem sie gefasst wurden, auf dem Rechtswege
angefochten werden. Im Entwurf des Bundesrates wurde einerseits der
zweite Absatz unterdrückt, anderseits der folgende Artikel wesentlich
so gefasst, wie er nun als Art. 75 im Gesetz erscheint. Irgendwelche
Anhaltspunkte _dafür, dass die ursprünglich schon vom Gesetzesredaktor
in Aussicht genommene und dann von der Expertenkommission durch
die Anlehnung an Art. 627 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
OR noch verdeutlichte Regelung habe
aufgegeben werden wollen, sind nicht ersichtlich, zumal da ja nichts zum
Schutz der wegen der Umwandlung des Vereinszweckes anfällig anstretenden
Mitglieder in ihrem Anteil auf das Vereinsvermögen vorgesehen wurde,
was doch auch die Minderheit der Expertenkommission als unerlässlich
bezeichnet hatte. Hieraus ist zu schliessen, dass jene Verkürzung des
Textes vorgenommen wurde in der Meinung, entweder verstehe es sich von
Selbst, dass aus Art. 74 (in der Nummerierung des Gesetzes zitiert)
das Anfechtungsrecht der nicht zustimmendcn Mitglieder folge, weil diese
Vorschrift sonst gar nicht tauglich wäre, dem Schutz des Vereinszweckes
zu dienen, wozu sie nach dem Marginale bestimmt ist, oder aber es werde
das Recht zur gerichtlichen Anfechtung einer nicht durch einhellige
Zustimmung beschlossenen Umwandlung des Vereinszweckes durch Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB
gegeben, wonach jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, Beschlüsse,
die das Gesetz oder die Statuten verletzen, von Gesetzes wegen

** ,__. ' .

Personenreeht. N° 31. 183

binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim
Richter anfechten kann (Marginale : Schutz der Mitgliedschaft). In der
Tat ist es ja eine Verletzung des Gesetzes, nämlich eben des Art. 74,
wenn der bisherige Vereinszweck nicht eingehalten wird, obwohl nicht
alle Mitglieder der Umwandlung zustimmen, also einer wesentlich auch
zum Schutz der Mitgliedschaft aufgestellten Norm, indem der Vereinszweck
gegen Umwandlung doch nicht um seiner selbst, sondern nur um derjenigen
Mitglieder willen geschützt wird, die Anspruch darauf erheben, sich auch
weiterhin innerhalb des Vereines der Aufgabe zu widmen, welche dieser
sich bisher zum Zweck gesetzt hatte. Es erscheint denn auch einzig
richtig, dass diesen Vereinsmitgliedern der Rechtsschutz zu teil werde,
nicht denen, welche die bisher gesammelten materiellen und moralischen
Mittel des Vereins nun (auch) einem Zweck dienstbar machen wollen, der
ganz anders geartet ist als der Zweck, für den sie ursprünglich bestimmt
waren, m. a. W. dass die letzteren auf die Gründung eines neuen Vereines
verwiesen werden. Nichts gegenteiliges lässt sich daraus lierleiten, dass
sich die Minderheit nicht gegen einen mit einfacher Mehrheit gefassten
Auflösungsbeschluss zur Wehr setzen kann; denn gerade die Auflösung
des Vereins verhindert es ja. dass er einem fremden Zwecke dienstbar
gemacht werde.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergeriehts des Kantons
Aargau vom 18. Juni 1928 bestätigt. s
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 52 II 175
Datum : 09. September 1926
Publiziert : 31. Dezember 1926
Quelle : Bundesgericht
Status : 52 II 175
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : II. PERSONENRECHT DROIT DES PERSONNES 31. Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. September


Gesetzesregister
OR: 627
ZGB: 70 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 70 - 1 Der Eintritt von Mitgliedern kann jederzeit erfolgen.
1    Der Eintritt von Mitgliedern kann jederzeit erfolgen.
2    Der Austritt ist von Gesetzes wegen zulässig, wenn er mit Beobachtung einer halbjährigen Frist auf das Ende des Kalenderjahres oder, wenn eine Verwaltungsperiode vorgesehen ist, auf deren Ende angesagt wird.
3    Die Mitgliedschaft ist weder veräusserlich noch vererblich.
74 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 74 - Eine Umwandlung des Vereinszweckes kann keinem Mitgliede aufgenötigt werden.
75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
BGE Register
24-II-796
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • personenrecht • minderheit • austritt • sport • wille • innerhalb • bundesgericht • mitgliedschaft • expertenkommission • sonderrecht • entscheid • dienstbarkeit • aargau • konsens • frist • vorinstanz • aktiengesellschaft • wirkung • bruchteil
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