II. ERBRECHT
DROIT DES SUCCESSIONS
61. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. September 1925 i. S. Rahman
u. Zona. gegen Bäselin u.!ons.
ZGB Art. 505: Eigenhändiges Testament.
Genügt die Angabe des Errichtungstages auf dem Briefum-
schlag, in welchem iverschlossen der Erblasser das Testament der
zuständigen Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben hat?
A. Mit der vorliegenden Klage verlangen die nächsten gesetzlichen, aber
nicht pflichtteilsgeschützten Erben der am 14. Dezember 1922 verstorbenen
Frau Sophie Bröchin Ungültigerklärung ihres eigenhändigen Testamentes,
welches seit dem 21. Dezember 1920 vom Gerichtspräsidium Rheinfelden
aufbewahrt wird. Der Schluss dieses Testaments lautet wie folgt:
Frau Sophie Bröchin. Rheinfelden im Dezember 1920. im 83. Lebensjahre.
Ergänzung.
Die Unterzeichnete sieht sich Umstände halber veranlasst, die alljährliche
Rente von tausend Franken an Frau Dr. Meyer-Brnhin auf die Hälfte, also
Frk. fünfhunclert herabzusetzen, und zwar auf diejenige Hälfte, welche den
Geschwistern Bröchin zukommen würde. Dies mein ausdrücklicher Wille von
Frau Sophie Bröchin.
Das Testament ist in einem Briefumschlag mit der Aufschrift :
a Eigenhändjges Testament der Frau Sophie Bröchin. Errichtet den
20. Dezember 1920
Erbrecht. N° 61. 37!
verschlossen an das Gerichtspräsidium eingeliefert worden mit folgendem
Begleitbrief der Testatorin:
Da ich nicht ausgehen kann, übergehe ich Ihnen durch meine Dienerin mein
Testament ......
Frau Sophie Bröchin.
Rheinfelden 20. Dezember 1920.
Die Klage wurde gegen diejenigen durch das Testament bedachten Personen
gerichtet, welche nicht aus freien Stücken darauf verzichtet hatten,
Rechte daraus herzuleiten.
B. Durch Urteil vom 22. Mai 1925 hat das Obergerächt des Kantons Aargau
erkannt : Die letzte Willensverordnung der zu Rheinfelden am 14. Dezember
1922 verstorbenen Frau Witwe Sophie Bröchin ist als ungültig erklärt
und aufgehoben.
C. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten die Berufung an das
Bundesgericht eingelegt mit idem Antrag auf Ahweisung der Klage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
Die Kläger stützen ihre Klage auf den Formmangel der Nichtangabe des Tages
der Errichtung des Testamentes; die Beklagten begegnen der Klage durch
den Hinweis auf die nach ihrer Behauptung von der Hand der Erblasserin
herrührende Datierung des Briefumschlages, in welchem verschlossen es
der zuständigen Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden ist. Wenn
Art. 505
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907 CC Art. 505 - 1 Le testament olographe est écrit en entier, daté et signé de la main du testateur; la date consiste dans la mention de l'année, du mois et du jour où l'acte a été dressé.490 |
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1 | Le testament olographe est écrit en entier, daté et signé de la main du testateur; la date consiste dans la mention de l'année, du mois et du jour où l'acte a été dressé.490 |
2 | Les cantons pourvoient à ce que l'acte, ouvert ou clos, puisse être remis à une autorité chargée d'en recevoir le dépôt. |
vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Ort,
Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben, sowie mit
seiner Unterschrift zu versehen ist, so ist aus dieser Formulierung zu
schliessen, dass die Angabe von Ort, Jahr, Monat und Tag der Errichtung
in der Testamentsurkunde selbst enthalten sein muss. Zu Unrecht versuchen
die Beklagten, das Gegenteil daraus herzuleiten, dass im allgemeinen
bei der Abgabe von Willens-
372 Erbrecht. N° 61.
erklärungen der Datierung nicht die gleiche wesentliche Bedeutung wie
der Unterzeichnung zukomme; denn hierauf kann nichts mehr ankommen,
nachdem das ZGB für das eigenhändige Testament einerseits die
eigenhändige Angabe von Ort, Jahr, Monat und Tag der _?Errichtung,
anderseits die Unterschrift als Formerfordernisse in gleiche Linie
gestellt hat. Infolgedessen darf der Datierung auf dem Briefumschlag
die von den Beklagten gewünschte Bedeutung nur dann beigelegt werden,
wenn der Briefumschlag als Teil des Testamentes selbst erscheint,
gleichwie der Namenszug des Erblassers auf dem Briefumschlag, in welchem
er sein Testament bezw. dessen hauptsächlichsten Teil verschlossen hat,
auch nur unter dieser Voraussetzung als Unterschrift angesehen wird
(vgl. AS 4011 S. 193 ff. Erw. 3 ff.). Dieses Erfordernis ist keineswegs
ZWecklos; denn wenn es nicht erfüllt ist, steht dahin, ob der angegebene
Tag wirklich derjenige der Errichtung und nicht der anfällig spätere
der Abgabe zur amtlichen Aufbewahrung ist, sowie ob nicht an Stelle des
wirklichen letzten Willens ein anderes, früher geschriebenes, aber wieder
'aufgegebenes Testament in den Briefumschlag gelegt wurde, sei es infolge
Versehens des Erblassers selbst oder unzulässiger Machenschaften von
Drittpersonen, m. a. W. ob sich das auf den Briefumschlag gesetzte Datum
wirklich auf die darin enthaltene Urkunde beziehe. Somit kann. vorliegend
der Datierung auf dem Briefumschlag die von den Beklagten gewollte
Bedeutung nur dann beigelegt werden, Wenn zwischen dem Briefumschlag und
der darin verschlossenen Ur-kunde ein derartiger Zusammenhang besteht,
das letztere nicht als in sich abgeschlossenes Testament, sondern nur
als dessen Beginn, und ersterer als dessen Fortsetzung und Ende angesehen
werden darf. Und zwar kann dieser Zusammenhang nur durch Urkunden'bcweis,
nämlich ausschliesslich durch Augenschein des Briefumschlages und des
Inhalts desselben dargetan
Erbrecht. N° 61. 373
werden, nicht aber z. B. durch Zeugenbeweis darüber, dass der Erblasser
selbst die Testamentsurkunde in den Briefumschlag gelegt und letzteren
verschlossen und datiert habe (vgl. a. a. O. S. 195 f. Erw. 5). Wäre
davon auszugehen, dass die Angaben des Ortes und des Datums gleichwie
die getroffenen Verfügungen durch die Unterschrift des Erblassers
gedeckt werden müssten, so würde das Fehlen eines solchen Zusammenhanges
ohne weitere Erörterung anzunehmen sein, weil die Aufschrift auf dem
Briefumschlag keine Unterschrift der Frau Bröchin trägt, welche das
darauf angegebene Datum deckt. Allein auch abgesehen hievon ist das
Vorliegen eines derartigen Zusammenhanges zu verneinen, sodass zu der
umstrittenen Frage nicht Stellung genommen zu werden braucht, ob die
Unterschrift jenem Erfordernis entsprechen müsse. Der Briefumschlag,
in welchem ein Testament verschlossen ist, lässt sich nämlich an und
für sich nicht als wesentlicher Bestandteil des Testamentes ansehen
(vgl. AS 45 II S. 153 unten), und zwar selbst dann nicht, wenn es zwecks
amtlicher Aufbewahrung verschlossen wird, zumal da die Entgegennahme zur
Aufbewahrung nicht von der erfolgten Verschliessung abhängig gemacht
werden darf (Art. 505 Abs. 2
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907 CC Art. 505 - 1 Le testament olographe est écrit en entier, daté et signé de la main du testateur; la date consiste dans la mention de l'année, du mois et du jour où l'acte a été dressé.490 |
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1 | Le testament olographe est écrit en entier, daté et signé de la main du testateur; la date consiste dans la mention de l'année, du mois et du jour où l'acte a été dressé.490 |
2 | Les cantons pourvoient à ce que l'acte, ouvert ou clos, puisse être remis à une autorité chargée d'en recevoir le dépôt. |
aber, selbst wenn sie von Frau Bröchin herrührt, stellt. sich äusserljch
betrachtet einfach als Angabe des Inhalts des Briefumschlagcs dar. Hiezu
ist auch die Datierung des Briefumschlages zu rechnen, mit welcher wie
mangels anderer Anhaltspunkte anzunehmen ist einfach ermöglicht werden
wollte, das darin verschlossene Testament von allfälligen andern, in
früherer oder späterer Zeit errichteten Testamenten zu unterscheiden,
ohne dass es hiezu eröffnet werden müsste. Nichts in dieser Aufschrift
lässt darauf schliessen, dass die Erblasserin ihr Testament erst durch
die Aufschrift und speziell die Datierung habe zum Abschluss bringen
wollen, umsoweniger als sie die Unterschrift schon in der eingeschlos-
374 Erbrecht. N° 62.
senen Urkunde angebracht und ebenfalls dort schon eine Abänderung
beigefügt hatte. Insbesondere lässt sich aus dem Briefumschlag in keiner
Weise ersehen, dass die Erblasserin durch die'Art und Weise der Datierung
des Briefumschlages den bezüglichen Formmangel der Testamentsurkunde
habe beheben wollen ; nach dem Ausgeführten wiirde aber auf eine
solche Absicht nichts ankommen, wenn sie lediglich durch ausserhalb
der beiden Urkunden liegende Umstände dargetan werden könnte. Wäre es
indes auch möglich, das auf dem Briefumschlag angebrachte Datum auf
die darin verschlossene Urkunde zu beziehen, so könnte es doch nur auf
die nachträglich beigefügte Ergänzung bezogen werden, nicht aber auf
das Haupttestament, von dem fraglich ist, ob es erst am gleichen Tag
errichtet wurde wie die Zusatzverfügung.
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 22 Mai 1925 bestätigt.
62. Urteil der II. Zivihbtailung vom 28. Oktober 1925 i. S. Bauer-benzin
gegen Bauer.
ZGB Art. 631 Abs. 1 : Kann der überlebende Ehegatte verlangen, dass die
Kinder die für ihre Erziehung und Ausbildung über das übliche Mass hinaus
gemachten Aufwen-
dungen zur Ausgleichung bringen ? (Erw. 1).
ZGB Art. 462 Abs. 1: Das Wahlrecht des über1 e b e n d e n E h e g a t
t e n ist bei testamentarischer Erbfolge ausgeschlossen (Erw. 2).
ZGB Art. 522 Abs. 1, 580: Herabsetzungsklage gegen übermässige Belastung
mit Rentenverpflichtungen (Erw. 2 und 3).
Verrechnung im Erbteilungsprozess (Erw. 3).
A. Die Klägerin ist die Witwe des am ?. Dezember 1923 verstorbenen Albert
Bauer, der im Jahre 1882
Erbrecht. N° 62. 375
geborene Beklagte dessen einziger Nachkomme aus erster Ehe mit der
am 21. Oktober 1916 verstorbenen Frau Luise Bauer geb. Breny, welcher
die seinerseit begonnenen Rechtsstudien nie zu Ende führen konnte und
seither erwerbslos an seinem früheren Studienort Zürich lebt. Frau Bauer
geh. Breny hatte ein Testament errichtet, dem folgende Bestimmungen zu
entnehmen sind:
1. Meinem lieben Sohn Arnold Bauer dürfen die Kosten seiner Studien'
in keinem Falle von seinem Erbteil abgezogen werden, denn ich darf mit
heiligstem Rechte sagen, dass meine liebe Schwester Josefine Breny sei.
und ich diese Kosten selbst verdient haben und gerne für diesen lieben
Sohn und Neffen gearbeitet und auf vieles verzichtet haben.
2. Was meinen Nachlass: das Haus zum Bären und Anteil an der Druckerei
betrifft, so wünsche ich, wenn es nicht anders geht, eine gerechte
amtliche Teilung.
4. Am liebsten wäre es mir und ich bete zu Gott dass dieser Wunsch in
Erfüllung gehe, wenn meine Erben im Frieden alles beieinander lassen,
wie es jetzt ist. Für die Nutzniessung von Haus und Buchdruckerei hat Papa
dem Arnold, solange er es nötig hat, 2000 Fr. jährlich zu verabfolgen. Bei
richtiger Führung des Geschäftes rentiert das schon.
Vater Bauer gab dem Beklagten Kenntnis von diesem Testament, wie er
behauptet mit dem Beifügen, dass er es nicht anerkennen könne, weil
es ihn zu schwer belaste; auch leistete er die in Ziff. 4 vorgesehenen
Rentenzahlungen nicht, obwohl er in Besitz und Genuss der ganzen Erbschaft
blieb. Zur amtlichen Eröffnung lieferte er das Testament erst ein,
als der Beklagte im Juni 1922 bei der zuständigen Behörde das Gesuch um
Testamentseröffnung und amtliche Erbschaftsteilung gestellt hatte.
Im Juli 1922'strengte Vater Bauer gegen seinen Sohn, den Beklagten im
vorliegenden Prozess, Klage an mit dem Antrage, folgende Verfügungen
des Testaments
AS 51 11 1925 25