die Beklagte, als sie am 3. August 1916 das Gut zur Versendung übernahm,
gar nicht voraussehen, dass der Krieg noch Vor Ablauf der Lieferzeit
für diese Sendung ausbrechen würde. Vor allem aber war damals nicht
voraussehbar, wo und wie sich die militärischen Operationen nach
Ausbruch des Krieges abspielen und entwickeln werden. Die Ereignisse,
wie sie dann in der Folge auf dem rumänischen Kriegsschauplatz eintraten,
hatten durchaus etwas Überraschendes, Unerwartetes an sich, womit, zum
mindesten von uneingeweihten Dritten (und als solche ist die Beklagte
zu erachten), nicht gerechnet werden konnte. Es Würde eine unzulässige,
unbegründete Benachteiligung der Bahn darstellen, wenn man sie für
sämtliche durch einen solchen zur Zeit der Übernahme der Sendung noch
gar nicht ausgebrochenen Krieg bewirkte Schädigungen und Verluste von
Transportgiitern haftbar erklären wollte, während sie doch andererseits
gemäss Art. 5 I. Ue. zur Übernahme des Transportes dieser Güter gesetzlich
verpflichtet war (vgl. auch den Entscheid des Österreichischen obersten
Gerichtshofes vom 3. Oktober 1916, abgedruckt in der Zeitschrift für
den internat. Eisenbahntransport, Bd. XXVI S. 112, wonach feindliche
Invasion, trotzdem der Krieg zur Zeit der Übernahme des Frachtgutes durch
die Bahn bereits drei Monate gedauert hatte, als höhere Gewalt erachtet
und die Einrede der Voraussehbarkeit abgewiesen wurde; ebenso hat das
Handelsgericht der Seine in einem Entscheide vom 23. Juni 1916, abgedruckt
in der vorgenannten Zeitschrift, Bd. XXVI S. 114 f., die Einrede der
höhern Gewalt bei einem Transport von Gütern, die am 27. Juli 1914 zur
Versendung aufgegeben worden waren und in der Folge durch kriegerische
Ereignisse in Verlust gerieten, zugelassen, obwohl am 27. Juli 1914 der
Ausbruch des Krieges _mit Deutschland allgemein erwartet wurde).
Obligafloneurecht. N° 35. 199
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Luzern vom 6. November 1924 bestätigt.
35. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. April 1925
i. S. Basler Handelsbank gegen Dätwyler & 01°.
K a u f fremder Devisen, die bei einer ausländischen Bank, Mandatarin
beider Parteien, zur Verfügung zu stellen sind. Bedeutung der Klausel:
der Gegenwert werde vergütet, Eingang der franz. Franken vorbehalten
v. Wann ist die Leistung der Verkäuferin bei 'der ausländischen Bank
als eingegangen zu betrachten '?
A. Am 19. März 1924 kam zwischen den Parteien ein Vertrag zustande,
wonach die Klägerin der Beklagten fr. Fr. 200,000, Wert 21. März 1924,
beim Credit Commercial de France in Paris zu überweisen, und die Beklagte
ihrerseits der Klägerin diesen Betrag zum Kurse von 29.45, d. h. mit
Schweizerfranken 58,990, Wert 21. März 1924, zu vergüten hatte. Beide
Parteien bestätigten das Geschäft gleichen Tages schriftlich, wobei
die Beklagte beifügte, sie werde den Gegenwert vergüten, Eingang der
fr. Franken vorbehalten. Die Klägerin schrieb noch am 19. März 1924 dem
Crédit Commercial de France, er solle auf ihre Rechnung der Beklagten
fr. Fr. 200,000, Wert 21. März 1924, über-weisen, und am folgenden Tage
telegraphierte sie ihm, er möchte der Beklagten telegraphisch von der
Gutschrift Mitteilung machen. Auch die Beklagte ersuchte am 21. März die
Pariser Bank um telegraphische Anzeige des Einganges der fr. Franken. Mit
Schreiben vom 22. März 1924 benachrichtigte diese die Klägerin, dass
die Überweisung an die Beklagte erfolgt sei. Dieser
200 Gbligationenreeht N° 35.
Brief gelangte indessen erst nach dem 24. März m den Besitz der Klägerin
, ebenso erhielt die Beklagte erst am 25. März die telegraphische
Bestätigung des Einganges der fr. Franken. Am 24. März 1924 schrieb die
Klägerin der Beklagten:
Unter Bezugnahme auf unsere verschiedenen telephonischen Unterredungen
benachrichtigen wir Sie hiemit, dass, nachdem wir bis zur Stunde ohne
Ihre Zahlung gegen die Ihnen am 19. ds. verkauften fr. Fr. 200,000,
Val. 21. März, Vergütung beim Credit Commercial de France in Paris,
geblieben sind, wir das Geschäft annulliefen. Wir haben Ihnen obigen
Betrag Paris, Val. 21. März, und nicht zum Inkasso verkauft, wie übrigens
aus dem betreffenden Briefwechsel hervorgeht, Gleichzeitig setzte sie
den Credit Commercial telegraphisch von der Annullierung der Überweisung
in Kenntnis. Ebenfalls am 24. März antwortete hierauf die Beklagte :
Wir bestätigen Ihnen den Empfang Ihres Einschreibe-briefes vom 24. crt,
in welchem Sie erklären, von dem mit uns getätigten Abschluss vom 19. März
a. c. über fr. Fr. 200,000, Wert 21. März a. c., zurückzutreten. Ausserdem
bestätigen wir Ihnen unser heute nach Erhalt des betreffenden Schreibens
mit _Ihnen geführtes Telephongespräch, worin Sie erklärten, diesen
Rücktritt nicht zurückziehen zu wollen, und im Gegenteil bereits Weisung
erteilt haben, dass die anfällig von Ihnen veranlasste Vergütung zu
unseren Gunsten nicht ausgeführt werden soll. Da einerseits Sie vom
Geschäfte zurückgetreten sind, ohne Ihre Leistung erbracht oder auch nur
angeboten zu haben, und da anderseits wir selbst zur Erbringung unserer
Leistung nur nach Ein-gang der französischen Franken verpflichtet gewesen
Wären, ganz abgesehen davon, dass ihrem Rücktritt nicht einmal eine
Fristansetzung vorausging, sind Sie uns für den durch Ihre Annullierung
des Geschäftes entstandenen Schaden verantwortlich. Wir haben uns genötigt
gesehen, den Betrag von fr. Fr. 200,000 nach
Obligationenrecht. N° 35. _ 201 Erhalt Ihres Schreibens einzudecken,
ergebend à 31.60, Valuta 26.,März a. c. ........ Fr. 63,200.--
Da wir Ihnen bei richtiger Lieferung zu zahlen gehabt hätten (Valuta 21.
März a. C.) ............. 58,900.so beträgt die Sehadensdifferenz,
die Sie uns zu ersetzen haben ...... Fr. 4,300.--
Ausserdem haben Sieuns als Schadenersatz Verzugszinsen à 60 % vom
21. bis 28. März auf fr. Fr. 200,000 zu leisten, ergebend zum Kurse von
31.60 526.85
Total W welchen fälligen Betrag Sie uns gefl. umgehend vergüten wollen.
Als die Beklagte am folgenden Tage sodann die telegraphische
Gutschriftsanzeige vom Credit Commercial erhielt, schrieb sie der Klägerin
u. a. : Da uns im Hinblick auf Ihre Annullierung vom 24. crt. diese
Vergütung nicht mehr betrifft, haben wir den Credit Commercial de France
mit gleicher Post ersucht, Ihnen den Betrag von fr. Fr. 184522370 zur
Verfügung zu stellen, indem wir uns der Einfachheit halber erlaubt haben,
den Ihnen gestern belasteten Betrag von Fr. 4828.65, erge-bend zum Kurse
von 31.25 = fr. Fr. 15,477.30 von obigen fr. Fr. 200,000 verrechnungsweise
in Abzug zu bringen.
Mit Zuschrift vom 1. April 1924 bestätigte die Klägerin die gegen diesen
Abzug bereits telephonisch erhobene Einsprache und teilte der Beklagten
mit, dass sie 'ihr die zurückbehaltenen fr. Fr. 15,477.30 zum Kurse von
31.27 % mit schw. Fr. 4840.50 belaste, wogegen die Beklagte ihrerseits
mit Brief vom 2. April 'protestierte. Gemäss ihrer Weisung schrieb der
Credit Commercial der Klägerin am 4. April 1924 fr. Fr. 18452270, Wert
21. März 1924, gut.
B. Mit der vorliegenden Klage fordert die Klägerin von der Beklagten
den Restbetrag von fr. Fr. 15.477.30,
202 Ohligationenrecht. N° 35.
umgerechnet zum Kurse vom 1. April 1924 = schwz. Fr. 4840.50, nebst 6 %
Zins seit 1. April 1924.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, im wesentlichen aus den in
ihrem Schreiben vom 24. März 1924 angeführten Gründen.
C. Mit Urteil vom 18. November 1924 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich die Klage vollumfänglich geschützt.
D. Hiegegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag auf
Abweisung der Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
zur Beweisergänzung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
1. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass das von den Parteien
abgeschlossene Rechtsgeschäft sich als Kaufvertrag darstellt, wonach
die Klägerin verpflichtet war, der Beklagten fremde Devisen, nämlich
fr. Fr. 200,000, Wert 21. März 1924, gegen Zahlung eines Preises von
schw. Fr. 58,900 zu übergeben, und zwar beim Credit Commercial de France
in Paris, als der für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen
vereinbarten Zahlstelle. Dass auch solche fremde Zahlungsmittel
Gegenstand eines Kaufvertrages bilden können, ist verliert-sehend
{anerkannt (vgl. Osnn, N. II 2 b zu Art. 184
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 184 - 1 Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen. |
|
1 | Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen. |
2 | Sofern nicht Vereinbarung oder Übung entgegenstehen, sind Verkäufer und Käufer verpflichtet, ihre Leistungen gleichzeitig - Zug um Zug - zu erfüllen. |
3 | Der Preis ist genügend bestimmt, wenn er nach den Umständen bestimmbar ist. |
Art. 237
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 237 - Auf den Tauschvertrag finden die Vorschriften über den Kaufvertrag in dem Sinne Anwendung, dass jede Vertragspartei mit Bezug auf die von ihr versprochene Sache als Verkäufer und mit Bezug auf die ihr zugesagte Sache als Käufer behandelt wird. |
Kommissionsverhältnisses mit Selbsteintritt des Kommissionärs spricht
nicht so sehr die Tatsache, dass die Klägerin nie beauftragt worden ist,
die fr. Fr. 200,000 für Rechnung der Beklagten zu kaufen, sie vielmehr,
wie in der Korrespondenz mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck kommt,
diese selber, und zwar zu einem festen Preise, zu liefern hatte, als
insbesondere auch der Umstand, dass von irgendwelchen Provisionsrechten
der Klägerin nicht die Rede ist. Übrigens Wäre das Geschäft auch bei Beur-
Obligationenrecht. N° 35. 203
teilungals Kommission, ausgeführt durch Eintritt der Klägerin als
Selbstverkäuferin, vorbehaltlich der in Art. 436 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 436 - 1 Bei Kommissionen zum Einkauf oder zum Verkauf von Waren, Wechseln und anderen Wertpapieren, die einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht etwas anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, das er einkaufen soll, als Verkäufer selbst zu liefern, oder das Gut, das er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten. |
|
1 | Bei Kommissionen zum Einkauf oder zum Verkauf von Waren, Wechseln und anderen Wertpapieren, die einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht etwas anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, das er einkaufen soll, als Verkäufer selbst zu liefern, oder das Gut, das er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten. |
2 | In diesen Fällen ist der Kommissionär verpflichtet, den zur Zeit der Ausführung des Auftrages geltenden Börsen- oder Marktpreis in Rechnung zu bringen und kann sowohl die gewöhnliche Provision als die bei Kommissionsgeschäften sonst regelmässig vorkommenden Unkosten berechnen. |
3 | Im Übrigen ist das Geschäft als Kaufvertrag zu behandeln. |
Rechte und Pflichten des Kommissionärs, als Kaufvertrag zu behandeln
(Art. 436
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 436 - 1 Bei Kommissionen zum Einkauf oder zum Verkauf von Waren, Wechseln und anderen Wertpapieren, die einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht etwas anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, das er einkaufen soll, als Verkäufer selbst zu liefern, oder das Gut, das er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten. |
|
1 | Bei Kommissionen zum Einkauf oder zum Verkauf von Waren, Wechseln und anderen Wertpapieren, die einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht etwas anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, das er einkaufen soll, als Verkäufer selbst zu liefern, oder das Gut, das er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten. |
2 | In diesen Fällen ist der Kommissionär verpflichtet, den zur Zeit der Ausführung des Auftrages geltenden Börsen- oder Marktpreis in Rechnung zu bringen und kann sowohl die gewöhnliche Provision als die bei Kommissionsgeschäften sonst regelmässig vorkommenden Unkosten berechnen. |
3 | Im Übrigen ist das Geschäft als Kaufvertrag zu behandeln. |
2. Die Beklagte hat den Kaufsabschluss mit dem Beifügen bestätigt,
sie werde den Gegenwert vergüten : Eingang der franz. Franken
vorbehalten. Da die Klägerin die Bestätigung laut Feststellung der
Vorinstanz Widerspruchslos entgegengenommen hat, ist diese Klausel
mit zum Bestandteil des Vertragsinhaltes geworden. Die Beklagte leitet
daraus eine Vorleistungspflicht der Klägerin in dem Sinne ab, dass sie
(die Beklagte) zur Bewirkung ihrer Gegenleistung erst nach Empfang der
Gutschriftsanzeige seitens des Crédit Commercial verpflichtet gewesen
Sei. Das Handelsgericht hat diesen Standpunkt verworfen, indem es dem
Eingangsvorbehalt lediglich die Bedeutung beimass, dass er der Beklagten
das Recht verlieh, die ihrerseits erfolgte Gutschrift zu stornieren,
wenn der fr. Frankenbetrag nicht eingehen sollte. Zu einer weitergehenden
Auslegung könne auch nicht etwa der Umstand führen, dass die Beklagte
in ihrem Bestätigungsschreiben im Zusammenhange mit dieser Klausel von
einer zukünftigen Vergütung spreche, indem sich diese Ausdrucksweise
schon daraus erkläre, dass erst am 21. März 1924 zu leisten war. Zur
Begründung der Abhängigkeit der Gegenleistung der Käuferin vom Eingang der
fr. Franken bei ihr, oder doch von einer Anzeige des Einganges derselben
beim Credit Commercial hätte es einer ausdrücklichen besondern Abrede
bedurft. Dieser Auffassung, deren Richtigkeit übrigens durch das eigene,
Verhalten der Beklagten insofern bestätigt wird, als diese die gleiche
Klausel auch bei andern mit der Klägerin abgeschlossenen Geschäften
verwendet hat, bei denen die Gutschrift sofort erfolgt ist, liegt ein
Rechtsirrtum nicht zugrunde. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die,
204 Obligatieneureeht. N° 35.
, Grossbanken hätten im Verkehr mit Kleinbanken und Privaten allgemein
das Recht, die Vorleistung ihres Gegenkontrahenten abzuwarten, bevor
sie selbst leisten
' müssten, scheitert dieser Einwand an der für das Bundesgericht
verbindlichen tatsächlichen Feststellung des Handelsgerichts, dass eine
'dahingehende Usance nicht besteht. ·
3. War danach aber die Beklagte nicht befugt, ihre Zahlung his nach
Erhalt der Gutschriftsanzeige des Crédit Commercial zu verweigern, so
bleibt weiter zu prüfen, in welchem Zeitpunkt die Leistung der Klägerin
bei dieser Pariser Bank eingegangen , und damit das Kaufgeschäft
seitens der Verkäuferin als erfüllt anzusehen ist. Hiebei fällt in
Betracht, dass der credit commercial von beiden Parteien als Zahlstelle
bezeichnet worden ist und somit als'Mandatar beider Teile sowohl die
fr. Fr. 200,000 für die Beklagte, als deren Kaufpreis-zahlung für die
Klägerin entgegenzunehmen hatte, wobei die Vermittlung der gegenseitigen
Leistungen in Form der giromässigen Umschreibung sich vollziehen
sollte. Die Vorinstanz nimmt an, die Klägerin habe in dem Zeitpunkte
erfüllt gehabt, in welchem die Pariser Bank die fr. Fr. 200,000 für
die Beklagte in Empfang nahm, ohne dass irgend eine Mitteilung an
diese erforderlich gewesen sei. Dieser Auffassung, die auch'von der
Doktrin und Praxis geteilt wird (vgl. ScnULTHEss, Girovertrag S. 170,
174 ff. ; BRODMANN, Z. s. d. g. H. R. Bd. 48 S. 135; Seuff. Arch. Bd. 59
S. 448) ist beizutreten. Die Beklagte licht sie als aktenwidrig an,
unter Berufung darauf, die Klägerin habe am 20. März 1924 den Credit
Commercial um telegraphische Guts'chriftsanzeige an die Beklagte ersucht,
woraus hervorgehe, dass auch sie ihre Leistung erst mit dieser Anzeige als
erbracht betrachtete. Allein abgesehen davon, dass es sich hiebei um eine
blosse Schlussfolgerung handelt, die keinesfalls eine AktenWirdrigkeit
,zu begründen vermag (AS 49 II 440 ff.), ist dieser Schluss für die
behauptete Vertragsmeinung schon
Obligationeurecht. N° 35. 205
deshalb nicht zwingend, weil die Beklagte ihrerseits bereits mit
Schreiben vom. 19. März an den Credit Commercial über die fr. Fr. 200,000
disponiert, die Gutschfiftsanzeige also selber nicht als zur Perfektion
der Erfüllung der Klägerin erforderlich angesehen hat.
Buchmässig fand die Entgegennahme der Leistung der Klägerin durch den
credit Commercial ihren Ausdruck in der Gutschrift an die Beklagte und
der entsprechenden Belastungder Klägerin. Während nun diese Umschreibung,
der von der herrschenden Meinung konstitutive Bedeutung beigemessen wird
(vgl. SCHULTHESS, a. a. O. S. 172 ff.), in der Regel mit dem Eingang der
Zahlung zusammenfällt, war dies vorliegend'nicht der Fall. Auf Grund
der Anzeige an die Klägerin vom 22. März und si des Telegramms an die
Beklagte vom 24. März ist als feststehend zu erachten, dass die Pariser
Bank die fr. Fr. 200,000 am 22. März 1924 durch Vermittlung der Firma
Wolfensberger in Zürich erhalten hat. Gemäss Rechnungsauszug vom 18. April
1924 hat sie dagegen diesen Betrag, Wert 21. März, der Klägerin erst am
25. März belastet, woraus zu schliessen ist, dass auch die Gutschrift
an die Beklagte erst in diesem Zeitpunkt erfolgte. Diese Verzögerung
kann jedoch der Klägerin deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil der
credit commercial den Ausgleichungsverkehr als Mandatar beider Parteien
zu besorgen hatte, sodass es sich durch nichts rechtfertigen liesse, die
Wirkung der Erfüllungshandlung einer Partei von seinem Verhalten abhängen
zu lassen. Entscheidend ist vielmehr auf den Zeitpunkt abzustellen,
in welchem die Leistung der Kägerin bei der Pariser Bank einging und
von ihr der Beklagten bei ordnungsgemässer Abwicklung buchmässig hätte
gutgebracht werden können und miissen, nämlich am 22. März 1924, an
welchem Tage sie die fr. Fr. 200,000 der Klägerin gutgeschrieben hat.
4. Daraus folgt, dass die Klägerin, als sie mit Schreiben vom 24. März
1924 das Kaufgeschäft annul-
AS 51 II _ 1925 . 14
206 WMW N° 35. lierte, ihrerseits erfüllt hatte.. Ob sie zum Rücktritt
berechtigt war, kann dahingestellt bleiben. Denn die Beklagte hat sich,
wie die'Vorinstanz mit Recht annimmt, mit der Rückgängigmachung des
Geschäftes grundsätzlich einverstanden erklärt, inde-m sie sich in ihrem
Schreiben vom 24. Màrz unter Bezugnahme auf ein si Telephongespräeh
darauf beschränkte, den Rücktritt zu bestätigen, unter Bekanntgabe
ihrer Schadensersatzansmüche, und von diesem Standpunkte auch nicht
abwich, als sie am folgenden Tage die telegraphisehe Eingangsanzeige
des Crédit Commercial erhielt, sondern gegenteils die Rückerstattung
der fr. Fr. 200,000 veranlasste, unter Verrechnung des ihr erwachsenen
Schadens. Dass es sich dabei objektiv nicht um einen Schaden, erlitten
zufolge Nichterfüllung des Vertrages durch die Klägerin handeln kann,
ist ohne weiteres klar; ein solcher war es nur nach der subjektiven,
irrtümlichen Meinung der'Beklagten, die annahm, die Klägerin habe nicht
erfüllt, und sich bereit erklärte, die als Erfüllung erhaltene Leistung
zurückzugeben. Diesen Irrtum aber hat die Beklagte zu vertreten und
demgemäss den ihrer eigenen Handlungsweise zuzuschreibenden Schaden an
sich zu tragen. Eine Verrechnung desselben mit den von der Klägerin
zurückverlangten fr. Fr. 15,477.30 ist somit ausgeschlossen. Die
Umrechnung dieses franz. Frankenbetrages zum Kurse von 31,27 %,
ergehe-nddie eingeklagte Summe von schw. Fr. 4840.50, ist nicht
bestritten.
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die Berufung wird abgewiesen und , das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 18. November 1924 bestätigt.
Obligationenrecht. N° 36. 207
36. Urteil' der I. Zivlla'btellung vom 30. April 1325 i. S. Evard gegen
Will & 0.
Art. 58 on. Trottoir einer öffentlichen Strasse im Eigentum der
Anstösser. Es ist ein Werk im Sinne des Gesetzes. Bei der Haftung des
Eigentümers ist-aber zu berücksichtigen, dass das Trottoir im öffentlichen
Gebrauch steht und Anlage und Unterhalt, letzterer jedenfalls zu einem
wesentlichen Teil, der Verfügung des Eigentümers entzogen sind.
A. Die Beklagten sind Eigentümer des Hauses Nr: 24 an der Bahnhofstrasse
in Biel. Vor dem Hausebefindet sich ein zirka 6 m breites Trottoir,
das mit Ausnahme des an die Strasse angrenzenden Streifens Eigentum
der Beklagten ist. Das Trottoir ist, wie die meisten Anlagen dieser Art
in Biel, aus gerippten Saargemerplättchen erstellt. Infolge einer
Veränderung des Untergrundes hat sich der äussere Teil des Trottoirs ein
wenig gesenkt, sodass das Gefäll des dem Haus zunächst liegenden Teiles
sich mit der Zeit vergrössert hat.
Auf diesem Trottoir, und zwar auf dem den Beklagten gehörenden Teil
desselben, ist der Klägeram 28. Juni 1923, um 7 3/4 Uhr vormittags,
ausgeglitten und so unglücklich gefallen, dass er eine erhebliche
Verletzung des linken Armes erlitt. Der Unfall ereignete sich im
Augenblick, als der Kläger, von seiner Wohnung herkommend, aus einem,
unter dem Nachbarhaus der Beklagten durchführenden, öffentlichen
Durchgang in die Bahnhofstrasse mündete. Der Kläger behauptet, er habe
infolge der erlittenen Verletzung die bisher be,-' triebene Herstellung
kleinkalibriger Uhren einstellen und zu einem Weniger einträglichen
Erwerbszweig übergehen müssen. Für den entstandenen Schaden macht er,
nachdem die Gemeinde Biel jede Haftbarkeit abgelehnt hat, die Beklagten
als Eigentümer des Trottoirs verantwortlich.
B. Da auch die Beklagten bezw. die Versicherungsgesellschaft Zürich die
Haftpflicht bestritten, hob der Kläger am 18. Juli 1924 gestützt auf
Art. 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen. |
|
1 | Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen. |
2 | Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind. |