A. STAATSBECHT DROIT PUBLIC

I. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ (REGHTSVERWEIGERUNG)

ÉGALITÉ DEVANT LA LOI (DÉNIss DE JUSTICE)14. Urteil vom 20. Februar 1925
i. S. Schelling & cle gegen Regierungsrat St. Gallen.

Vorschrift eines kantonalen Steuergesetzes, wonach die Gewinnanteile
der im Kanton wohnenden Kollektivgesellschafter oder Kommanditäre
einer innerkantonalen Gesellschaft für jeden gesondert zusammen
mit seinem übrigen Einkommen, die Gewinnanteile ausserkantonaier
Teilhaber dagegen bei der Gesellschaft als Einheit nach dem für deren
Gesamtsumme zutreffenden Progressionssatze besteuert werden. Verletzung
der Rechtsgleichheit.

A. Nach Art. 9 litt. b des st. gallischen Steuergesetzes vom 24. November
1903 ist der Einkommenssteuer auch unterworfen: das Einkommen Auswärts ,_
wohnender, welche Inhaber oder Anteilhaber von oder an Geschäften sind,
die im Kanton betrieben werden, ' und zwar nach Massgabe des herwärtigen
Geschäftshetriehes und unter Haftbarkeit des Geschäftes (der Firma)
für die zu leistende Steuer.

Art. I8 des Gesetzes lautet:

Das Vermögen der Kollektiv-, Kommanditund Kommanditaktien Gesellschaften
wird kollektiv besteuert.

Die Einkommenssteuer wird, soweit ausser dem Kanton wohnende Teilhaber
in Betracht-fallen, von der betref--

AS Si I 1925 , e

70 Staatsrecht. fenden Gesellschaft, im übrigen aber von den einzelnen
Gesellschaftern oder Kommanditären erhoben.

Für Gemeindesteuerzwecke tritt die Kollektivbe-

steuerung nur soweit ein, als keine Ausscheidung der auf '

die einzelnen im Kanton wohnenden Gesellschafter entfallenden Vermögensund
Einkormnensanteile vorgenommen werden kann.

Am 15. Oktober 1923 hat der Regierungsrat von st. Gallen eine
neue Vollziehungsverordnung zum Gesetz erlassen, die im Abschnitt:
D. Besteuerung der ErWerbsgesellschaften, a) Kollektiv-, Kommandit-und
Kommanditaktiengesellschaften bestimmt :

Art. 45. Das Geschäftseinkommen ist für Staat und Gemeinden durch
die einzelnen Gesellschafter mit ihrem entsprechenden Anteil zu
versteuern. Die Gesellschaft als solche entrichtet Einkommenssteuern
an Staat und Gemeinden nur insoweit, als das Einkommen auf ausser dem
Kanton wohnende Gesellschafter entfällt oder überhaupt nicht auf die
einzelnen Gesellschafter ausgeschieden ist.

Der Einkommensanteil eines Gesellschafters ist mit seinen übrigen
Einkünften für Steuerzwecke zusammenzufassen. .

Die von der Gesellschaft zu versteuernden Anteile ausser dem Kanton
wohnender Gesellschafter werden zusammengefasst und als Ganzes behandelt.

B. Die Rekurrentin Firma Fritz Schelling & Cle ist eine
Kommanditgesellschaft mit Sitz in St. Gallen. Kornmanditäre sind, neben
einer in St. Gallen wohnenden Person, die heutigen Mitrekurrenten Frau
Meyer Schelling in Zürich, Frau Mathilde Schelling, z. Zt. in Italien,
Frau Habisreutinger Schelling in Dozwjl (Thurgau) und Stephanie Moll
in Zürich.

Bei der Einschätzung für 1924 wurden gestützt auf die neue
Vollziehungsverordnung die Gewinnanteile dieser vier Kommanditäre (von
zusammen Fr. 11 ,400) als einheitliches Steuerobjekt behandelt und die
von der Gesell-Gleichheit vor dem Gesetz. N° 14. 71

schaft dafür zu entrichtende Steuer nach dem für ein Einkommen dieser
Höhe geltenden Progressionssatze berechnet, während bisher der Anteil
jedes einzelnen Kommanditärs getrennt veranlagt und danach der für die
Auswärtswohnenden Von der Firma zu zahlende Steuerbetrag bemessen worden
war. Es ergab sich so für die vier Anteile zusammen bei der Staatssteuer
eine ungefähr dreimal höhere und bei der Gemeindesteuer eine etwa doppelt
so hohe Steuerleistung als nach der früheren Veranlagungsmethode.

Die Gesellschaft und die betroffenen vier Kommanditäre beschwerten sich
über diese Einschätzung heim

'Regierungsrat von St. Gallen. Sie machten geltend:

545 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung stehe im Widerspruch mit dem
Steuergesetz, das bei der Einkommensstener nur eine Haftbarkeit der
Gesellschaft für den auf den einzelnen Gesellschafter entfallenden
Steuerbetrag, aber keine kollektive Besteuerung des Gesellschaftsgewinns
kenne. Nach Art. 54 KV Wäre zu einer solchen Gesetzesänderung nur der
Grosse Rat befugt gewesen. Auch auf dem Gesetzeswege hätte zudem eine
Regelung wie die angefochtene nicht getroffen werden können, Weil darin
eine gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV verstossende ungleiche Behandlung der Gesellschaften
mit auswärtigen Teilhabern und dieser Teilhaber gegenüber dem Falle liege,
wo die Teilhaber ihren Wohnsitz im Kanton haben. -

Der Regierungsrat wies die Beschwerde durch Entscheid vom 31. Oktober
1824 ab, mit der Begründung : 1. Das Steuergesetz vom 28. Dezember 1903
unterwirft nach Art. 9 litt. a das Einkommen der im Kanton domizilierten
Erwerbsgesellschaften. und nach litt. b das Einkommen ausser dem Kanton
wohnender Anteilhaber an solchen der Besteuerung. Aus dieser Umschrei-bung
der objektiven Steuerpflicht ergibt sich, dass alles Einkommen der
hier domizilierten Erwerbsgesellschaften, insbesondere auch dasjenige,
welches an ausser dem

72 _ Staats-echt,

Kanton wohnende Teilhaber fliesst der Besteuerung unterliegt,
womit aber noch nicht festgestelltist, inwieweit einerseits die
Gesellschaft als solche und andererseits der einzelne Teilhaber Träger
der subjektiven Steuer pflieht ist und ob das Einkommen kollektiv oder
nach den einzelnen'Anteilen erfasst werden muss.. Diese Fragen; sind in
Abschnitt D. Besteuerung der Erwerbsgesellschaften , Art. 16 und folgende
geregelt, für Kommanditgesellschaften speziell in Art. 18, lautend :
...... Darnach. ist grundsätzlich die Gesellschaft als steuerpflichtig
zu betrachten, und zwar bei der Vermögenssteuer für den Staat (Abs. l)
ausnahmslos, bei der Einkommenssteuer

für den Staat (Abs. 2), sowie bei der Vermögens-und Ein .

kommenssteuer für Gemeindezwecke (Abs. 3) mit der Beschränkung, dass
die Gesellschaft von der Steuerpflicht entlastet wird hinsichtlich
derjenigen Einkommensteile, Ekiir welche die Teilhaber als Kantonseinq
wohner persönlich besteuert werden können. Soweit die Gesellschaft
steuerpflichtig ist, tritt Kollektivbesteuerung ein. Das steht zum
vorneherein unzweifelhaft fest ' bei der Vermögenssteuer für den Staat,
sowie bei der Vermögensund Einkommenssteuerfür Gemeindezwecke, indem
der klare Wortlaut in Abs. l :i( ...... wird kollektivbesteuert und in
Abs. 3 : ...... tritt die Kollektivbesteuerung nur soweit ein , jede
andere Deutung ausschliesst. Nur bei der Einkommensteuer für den Staat
kann die Frage aufkommenyob die von der Gesellschaft zu erhebende Steuer
nach den einzelnen Teilhabern getrennt oder kollektiv berechnet werden
soll, indem der Wortlaut in Abs. 2: ...... wird von der betreffenden
Gesellschaft erhoben , an und für sich beide Deutungen zuliesse. Es fehlt
aber durchaus die innere Begründung dafür, dass die Erhebung der Steuer
von der Gesellschaft nach Abs. 2, wie der Beschwerdeführer annimmt, etwas
ganz anderes sein soll als die Kollektivbesteuerung der Gesellschaft. Im
Zusammenhang mit dem übrigen Inhalte des Artikels gewürdigt, ergibt sich
Vielmehr dieGleichheit vor dem Gesetz. N° 14. 73

Auslegung, dass auch in Abs. 2, soweit die Steuer von der Gesellschaft
erhoben wird, die Kollektivbesteuerung gewollt ist und dass die
Wiederholung des präzisierenden Ausdruckes kollektiv in Abs. 2 infolge
des textlichen Zusammenhanges mit dem unmittelbar vorangehenden,
die Kollektivbesteuerung ausdrücklich vor-ss schreibenden Abs. 1
als überflüssig weggelassen wurde, zumal beide Bestimmungen die
Staatssteuer betreffen. Wenn der Gesetzgeber für die Staatssteuer neben
der Kollektivbesteuerung der Gesellschaft und der Einzelbesteuerung
der Teilhaber wirklich noch ein drittes ganz besonderes System :
die Verbindung der Steuerveranlagung der einzelnen Teilhaber mit der
Pflicht der Gesellschaft zur Entrichtung der betreffenden Steuern hätte
stipulieren wollen, so würde er eine solche Ausnahmeregel in Art. 18 klar
und unZWeideutig zum Ausdruck gebracht'haben. Das ist aber, wie bereits
festgestellt. keineswegs der Fall. Zudem hätte es auch gar keinen Sinn,
zwischen Staatsund Gemeindesteuern eine Unterscheidung in der Weise zu
machen, dass die Gesellschaft die Einkommenssteuer für den Staat nach
Massgabe der Einzelbetreffnisse der Teilhaber, die Ein ' kommenssteuer
für GemeindeZWeeke dagegen kollektiv, entrichten müsste. Im Gegensatz
zur Auffassung des ss' Besehwerdeiiihrers steht somit die Bestimmung
von Art. 45 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung mit dem Gesetze in vollem
Einklang.

2. Die Einrede der Verletzung der verfassungsmässig gewährleisteten
Rechtsgleiehheit ist ebenfalls nicht stichhaltig. Die angefochtenen
Bestimmungen von Art. 18 des Gesetzes und Art. 45 Abs. 3 der
VollziehungSverordnung kommen nicht nur bei der Rekurrentin, sondern bei
gleichen faktischen Verhältnissen in genau gleicher Weise gegenüber
allen Kommanditgesellsehaften zur Anwendung sie stützen sich auf
durchaus sachliche Gründe. Die Kollektivbesteuerung der Gesellschaft
ist gerechtfertigt, weil die vom Vermögen der Teilhaber aus-

'74 Staatsrecht.

geschiedenen Geschäftsanteile und alle übrigen Betriebsfaktoren
sich in. der Gesellschaft konzentrieren. Das Gesetz will aber keine
schrankenlose und einseitige Auswirkung dieses Grundsatzes zugunsten
der Gemeinde des Gesehäftssitzes, sondern innerhalb des Kantons einen
billigen Steuerausgleich mit denjenigen Gemeinden, in denen die Teilhaber
wohnen. Deshalb werden diese, soweit siejm Kanton wohnen, nach Abs. 2 und
3 der persönlichen Besteuerung unterworfen, wogegen die Gesellschaft zur
Vermeidung einer Doppelbesteuerung entsprechend entlastet wird. Soweit
keine Ausscheidung auf die einzelnen im Kanton wohnenden Teilhaber
vor.genommen werden kann, bleibt es bei der Kollektivbesteuerung der
Gesellschaft. Wenn danach die Steuerbelastung einer Gesellschaft je
nach dem Vorhandensein oder Fehlen auswärtiger Teilhaber und deren
Zahl verschieden hoch ausfalle, so liege der gesetzgeberische Grund
dafür doch nicht in dem auswärtigen Wohnsitze ' einzelner Teilhaber,
sondern darin, dass bei den ausser Kantons wohnenden Teilhabern das
Moment des interkommunalen Steuerausgleichs und der Doppelbesteuerung
ausscheide. Im übrigen bewirke die Kollektivbesteuerung der Gesellschaft
keineswegs allgemein eine stärkere Belastung der Teilhaber als die
Einzelbesteuerung. Denn bei der letzteren-müsste der Gewinnanteil des
Teilhabers mit seinen übrigen Einkünften zusammen-gefasst werden,
um den Steuersatz zu bestimmen, wie dies bei den Kantonseinwohnern
geschehe. Wenn _die auswärtigen Teilhaber in dieser Beziehung besser
gestellt seien als die Kantonseinwohner, so sei es aber nur ge; recht,
dass andererseits ihre Gewinnanteile durch die Gesellschaft kollektiv
versteuert Werden müssen. Dass im vorliegenden Falle die auswärtigen
Teilhaber über keine anderen steuerpflichtigen Einkünfte verfügen, sei
unerheblich, da es für die Beurteilung einer grundf sätzlichen Frage
nicht auf die zufälligen Verumstäné dungen des Einzelfalles ,ankommen
könne. ...Gleichheit vor dem Gesetz. N° 14... 75

C. Gegen den Entscheid des Regierungsrates haben die Kommanditgesellschaft
Fritz Schelling & Cie und deren vier ausserhalb des Kantons St. Gallen
wohnhafte Kommanditäre den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht
ergriffen, mit dem Antrage, es seien unter Aufhebung des Entscheides die
st. gallischen Steuerbehörden anzuhalten die Einkommenssteuer wie bisher
für die einzelnen Treffnisse der 4 Kommanditäre gesondert zuberechnen. Sie
halten an den im kantonalen Beschwerdeverfahren erhobenen Rügen fest und
machen ergänzend geltend, der Entscheid verletze gegenüber den in anderen
Kantonen wohnhaften Kommanditären auch die Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
und 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV ;
ersteres, indem der ausserkantonale Wohnsitz des Einkommensbezügers zum
Ausgangspunkt höherer Steueransprüche gemacht werde, als sie gegenüber
einem im Kanton wohnhaften Einkommensbezüger unter gleichen Umständen
erhoben werden, letzteres, indem die reknrrierenden Kommanditäre
wegen ihrer durch den Handelsregistereintrag begründeten geschäftlichen
Niederlassung in St. Gallen im Widerspruch zu Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
zweitletzter Absatz
BV mit einer besonderen Last belegt würden.

D. Der Regierungsrat von St. Gallen hat durch sein Finanzdepartement
die Abwaisung der Beschwerde beantragt. Er verWeist hinsichtlich des
behaupteten Widerspruchs der Vollziehungsverordnung mit dem Steuergesetz
auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheides. Die danach gesetzlich
gewollte Kollektivbesteuerung sei eine natürliche Folge der Tatsache,
dass grundsätzlich die Kommanditgesellschaft als solche steuerpflichtig
sei. Wenn gemäss Art. 18 Abs. 2 u. 3 des steuer-gesetzes eine Entlastung
der Gesellschaft eintrete, soweit der Gesellschafter persönlich als
Kantonseinwohner besteuert werde, so sei damit keine Schlechterstellung
der Gesellschaften mit auswärtigen Teilhabern beZWeckt. Vielmehr handle
es sich einfach um einen Steuerausgleich innerhalb des Kantons zwischen
den Gemeinden des Geschäfts-

76 Staatsrecht.

domizils und der Wohngemeinde des Gesellschafters. Die so
innerlich begründete Ordnung könne deshalb nicht aus dem Grunde als
verfassungswidrig angefochten Werden, Weil sie ja nach dem Masse der
Steuerausscheidung auf im Kanton Wohnende Gesellschafter zu einer
veränderlichen Steuerbelastung der Gesellschaft führe. soweit die
Gesellschaft selbst steuerpflichtig sei, fielen ferner die Gesellschafter
persönlich als Steuersubjekt ausser Betracht :" die Verteilung der aus
Gesellschaftsvermögen entrichteten Steuern auf die einzelnen Teilhaber
sei ein Internum der Gesellschaft und berühre den Fiskus nicht. Würden
somit die ausser dem Kanton wohnenden Teilhaber überhaupt nicht mit Ste
erlasten belegt, so falle auch die Berufung auf Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV ohne weiteres
dahin, ganz abgesehen von den anderen Gründen, die sie als nnzutreffend
erscheinen liessen. Und ebenso fehle hinsichtlich der 4 Kommanditäre
der Tatbestand der Rechtsungleichheit und Doppelbesteuerung , zumal
der angefochtene Steueranspruch in keiner Weise in die Steuerhoheit
eines anderen Kantons übergreife. Zudem könnte, wie zum Schlusse des
angefochtenen Entscheides dargelegt werden sei, von einer stärkeren
Belastung der auswärtigen Gesellschafter selbst dann nicht die Rede sein,
Wenn die intern berechneten Anteile an der Kollektivsteuer als Leistungen
der einzelnen Teilhaber betrachtet würden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

Art. 18 Abs. 2 und 3 des st. gallischen Steuergesetzes führt in der
ihm durch §45 der Vollziehungsverordnung von 1923 und den angefochtenen
Entscheid gegebenen Auslegung zweifellos zu einer ungleichen Behandlung
der auswärtigen gegenüber den im Kanton wohnhaften Teilhabern ,einer
st. gallischen Gesellschaft. Wenn für die Anteile der ersteren dem
Fiskus gegenüber die Gesellschaft als Steuerschuldner behandelt wird,
so handelt es sich doch im Verhältnis zwischen ihr und den betr.

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 14... _ 77

Teilhabern um eine Auslage, die sie für diese macht und um die daher deren
Gewinnherausgabeanspruch sich kürzt. Der Gewinnanteil der auswärtigen
Teilhaber wird daher im Vergleich zum Falle, wo sie im Kanton wohnen
würden, um soviel kleiner, als die davon abgehende Steuer infolge
der Bestimmung des Steuersatzes nach der Gesamtsumme solcher Anteile
den Steuerbetrag übersteigt, der nach der Höhe des einzelnen Anteils
allein berechnet auf ihn entfallen Würde, während vom innerkantonalen
Teilhaber die Versteuerung zu einem höheren als dem auf die letztere
Weise ermittelten Steuersatze nur verlangt wird, wenn und soweit er p
e rs ö n li (: h daneben noch über andere einkommenssteuerpflichtige
Einnahmen verfügt. Praktisch, wirtschaftlich ist also der Erfolg für den
einzelnen auswärts-wohnenden Teilhaber derselbe, wie wenn er persönlich
besteuert, der Steuersatz aber nicht nach der Höhe seines Gewinnanteils,
sondern nach der Summe bestimmt Würde, den die Gewinnanteile aller
auswärtigen Teilhaber zusammen ausmachen. Eine Ungleichheit besteht aber
auch im Verhältnis zur Gesellschaft, indem das gleiche von einer solchen
erzielte Einkommen zu einem verschiedenen Satze steuerlich erfasst wird,
jenachdem die Teilhaber alle im Kanton oder einige davon auswärts wohnen.

Für die Verfassungsmässigkeit dieser Regelung bleibt es sich gleich,
ob manihre Wirkungen für die auswärtigen Teilhaber oder, wie die
Beschwerdeantwort es will, lediglich diejenigen für die Gesellschaft als
das unmittelbare Steuersubjekt ins Auge fasst. Denn auch im letzteren
Falle müsste die, wie gezeigt, ebenfalls vorhandene und vom Regierungsrat
an sich nicht bestrittene verschiedene Behandlung, um zulässig und
vor dem verfassungsmässigen Postulate der Rechtsgleichheit haltbar zu
sein, durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden können; es müsste
zwischen der Verschiedenheit im Tatbestand, an die sie anknüpft, und
der abweichenden Rechtsfolge ein vernünftiger Zusammenhang sich her-

78 Staatsrecht.

stellen lassen, mag er vielleicht auch nicht zwingend, die Schlüssigkeit
jener Gründe gewissen Zweifeln unterworfen sein (AS 6. 172; 351 28? Erw.3;
35 11503; 38 I 372, 390; 391 581, 40 I 132). An einer solchen irgendwie
zureichenden Begründung für die vom Gesetze gemachte Unterscheidung fehlt
es aber hier. Der Regierungsrat glaubt sie zu Unrecht in dem Gedanken
eines Steuerausgleiches innert des Kantons Zwischen der Gemeinde des
Geschäftsdomizils der Gesellschaft und des Wohnsitzes der Gesellschafter
erblicken zu können. Einmal versagt dieses Motiv von vorneherein für die
Staatssteuer ; da der als solche bezahlte Betrag unter allen Umständen
schliesslich in die Staatskasse fällt, kommt es für die Wohnsitzgemeinde
des Teilhabem auf dasselbe hinaus, ob sie den Einzug für den Staat
besorgt oder die Gemeinde des Gesellschaftssitzes.' Aber auch für
die Gemeindesteuern hält das Argument einer sachlichen Prüfung nicht
stand. Das Bestreben, die Steuerleistung vom Gewinnanteil des einzelnen
Gesellschafters innerkantonal der Gemeinde seines Wohnsitzes und nicht des
Gesellschaftssitzes zukommen zu lassen, hätte höchstens zu der Vorschrift
führen können, dass die Steuer zwar in allen Fällen von der Gesellschaft
auf Grund des Gesamtgewinns (Gesamteinkommens) derselben erhoben
werde, derjenige Teilbetrag, der davon proportional auf die Anteile in
einer andern st. gallischen Gemeinde als der Sitzgemeinde wohnhafter
Teilhaber entfällt, aber von der Sitzgemeinde an die Wohnsitzgemeinde
abzuführen sei. Keinesfalls vermag darauf eine Unterscheidung im Masse
der steuerlichen Belastung des Gesellschaftsgewinns, dem anzuwendenden
Steuersatz gestützt zu werden, j enachdem die Gesellschafter am Sitze der
Gesellschaft oder auswärts wohnen. Dazu kommt, dass in Wirklichkeit für
die Unterscheidung nicht einmal auf das letztere Merkmal, sondern auf
den Wohnsitz in oder ausser dem Kanton abgestellt wird. Die getrennte
Veranlagung für den Anteil des einzelnen Gesellschafters tritt demnach
nicht bloss

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 14. 79

da ein, wo der Gesellschafter in einer anderen st. gallischen Gemeinde
als derjenigen des Gesellschaftssitzes, sondern auch. wo er in der
letzteren Gemeinde selbst wohnt. Es ist aber klar, dass in diesem
Falle der vom Regierungsrat der Vorschrift unterlegte Grund eines
Steuerausgleiches zwischen den beiden Gemeinden schlechterdings
keine Rolle spielen kann. Zur Rechtfertigung der Unterscheidung kann
auch nicht, wie es weiter versucht wird, angeführt Werden, dass der
innerkantonale Teilhaber der Progression für sein gesamtes Einkommen
aus Gewinnanteil in der Gesellschaft und aus sonstigen Einkünften
unterstehe, was beim ausserkantonalen Teilhaber nicht zutreffe. Dem
Kanton St. Gallen steht es bundesrechtlich, soweit nicht seine
eigene interne Gesetzgebung dies ausschliessen sollte, frei, auch
solche Personen, die seiner Steuerhoheit nur für einen Teil ihres
gesamten steuerpflichtigen Einkommens unterstehen, für diesen Teil
unter Anwendung des Steuer-(Progressions )satzes zu besteuern, der dem
Gesamteinkommen des Pflichtigen entspricht (AS 46 I s. 44; 48 I S. 50
und aus neuester Zeit die nicht publizierten Urteile in Sachen A.-G.
Stünzi Söhne und Zellweger gegen Zürich Vom 31. Okto _ ber 1924 und
30. Januar 1925). Wenn er davon inbezug auf die auswärtigen Teilhaber
st. gallischer Gesellschaften absicht, so kann daraus unmöglich ein
Grund abgeleitet werden, zum Ausgleich andererseits die Gewinnanteile
einer Mehrzahl solcher Teilhaber kollektiv zu besteuern, während bei
den innerkantonalen Teilhabern die Steuer für jeden Anteil gesondert
berechnet wird. Die Zusammenfassung des Gewinnanteils des innerkantonalen
Teilhabers mit seinem übrigen steuerpflichtigen Einkommen für die
Bestimmung des Steuersatzes entspricht dem dem Progressivsteuersystem
zu Grunde liegenden Gedanken der Besteuerung jedes Pflichtigen nach
dem Masse seiner Leistungsfähigkeit Bei der a Kollektivbesteuerung der
Anteile der auswärtigen Teilhaber dagegen erfolgt die Erhöhung der Steuer-

89 staatsrecht-

leistung nicht deshalb, weil die Leistungsfähigkeit des einzelnen
Teilhabers eine grössere wäre, als sie sich in der Höhe seines
Anteils ausdrückt. Vielmehr tritt sie unabhängig davon, von dem
anderen Gesichtspunkte aus ein, dass die entsprechenden Summen,
obwohl rechtiich verschiedenen Personen zustehend, doch wirtschaftlich
Teile eines einheitlichen Ganzen, des Gesellschaftsgewinns bilden,
aus einer und derselben Einkommensquelle stammen. Das zeigt sich klar,
wenn man den Fall ins Auge fasst, WO die auswärtigen Teilhaber ausser
ihrem Gewinnanteil an der st. gallischen Gesellschaft über kein anderes
steuerpflichtiges Einkommen verfügen. Während sie alsdann bei Wohnsitz
im Kanton lediglich die der Höhe des Anteils eines jeden entsprechenden
Steuern zu bezahlen hätten, muss Wegen des auswärtigen Wohnsitzes ,ein
Steuerbetrag entrichtet werden, der den in jener Weise berechneten
um ein'Mehrfaches übersteigt, ohne dass in der Leistungsfähigkeit
der Teilhaber oder der Gesellschaft bestehende Unterschiede diese
ungleiche Belastung zu rechtfertigen vermöchten Wenn der Kanton
St. Gallen die auswärtigen Teilhaber st. gallischer Geschäfte für ihre
Geschäftsanteile nach Massgabe ihrer gesamten, nicht nur der durch diese
Anteile ausgedrückten Leistungsfähigkeit zur steuer heranZiehen will,
so müsste dies auf dem Wege geschehen, der oben angedeutet worden ist
und durch die zitierten Llrteile gewiesen Wird. Durch 'das Mittel
einer kollektiven Besteuerung der Anteile solcher Teilhaber kann,
solange dieselbe Art der Veranlagung nicht auch für die Anteile der
innerkantonalen Teilhaber durchgeführt Wird, jenes Ziel ohne offenbare
Verletzung der Rechtsgleichheit nicht verwirklicht Werden. '

Da der Entscheid des Regierungsrates demnach auf alle Fälle, selbst
wenn er mit § 18 des kantonalen Steuergesetzes nach dessen richtig
verstandenem Sinn überemstimmen sollte, vor Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV nicht haltbar ist,
muss er schon aus diesem Grunde aufgehoben werden.

Gleichheit vor dem Gesetz. N° is). 81'

Es bedarf deshalb des Eintretens auf die übrigen von den Rekurrenten
erhobenen verfassungsrechtlichen Rügen nicht.

Demnach erkennt das Bundesgericht .-

Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des
Regierungsrates des Kantons St. Gallen vom 31. Oktober 1924 in dem
Sinne aufgehoben, dass die Einkommenssteuer wie bisher für die einzelnen
Kommanditäre gesondert berechnet werden muss.

15. Auszug aus aem Urteil vom 14. März 1925 i. s. Niederberger gegen
Obergericht Luzern.

Kantonale Vorschriften über Verwirkung des Klage-rechts bei
Nichteinreichung der Klage innert Frist seit dem Sühnevorstand.
Bedeutung. Verhältnis zum Bundesrecht. Die Rüge, der kantonale
Richter habe die Vorschrift, soweit sie an die Fristversäumnis die
materielle Konsumtion des Anspruchs knüpfen sollte, zu Unrecht als
bundesrechtswidrig betrachtet, ist durch zivilrechtliche Beschwerde,
nicht durch staatsrechtlichen Rekurs geltend zu' machen;

Nach § 12 des nidW'aldischen Verfassungsgesetzes betreffend die
Gerichtsorganisation vom 29. April 1900 müssen alle bürgerlichen
Streitigkeiten, unter Vorbehalt gewisser gesetzlicher Ausnahmen,
zunächst ins Sühneverfahren vor ,den Friedensrichter des betreffenden
Bezirkes gebracht werden. § 7 der landrätlichen Ausführungsverordnung
zum Gesetze vom 20. März 1901, bestimmt: Wird in einem unvermittelt
gebliebenen Streitfall eine Klage nicht innert 3 und eine ,Widerklage
nicht innert 4 Monaten nach dem Vortritt vor dem Friedensrichter bei dem
betreffenden Gerichtspräsidenten rechtsanhängig gemacht, so wird dies
als völliger Verzicht auf den Rechtsstreit angesehen und es hat später
der Gerichtspräsident die Annahme der Klageoder
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 51 I 69
Date : 20. Februar 1925
Published : 31. Dezember 1925
Source : Bundesgericht
Status : 51 I 69
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : A. STAATSBECHT DROIT PUBLIC I. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ (REGHTSVERWEIGERUNG)


Legislation register
BV: 4  45  46
BGE-register
38-I-341 • 40-I-127
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
municipality • cantonal council • internal • specific societies • limited partnership • hamlet • measure • question • double taxation • federal court • intention • cantonal tax law • residence • within • fiscal sovereignty • tax burden • justice of the peace • decision • equal legal treatment • relationship between
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