342 Sachenrecht. N° 52.

stehende Versichemngsbriei eine lückenlose Folge von Übertragungen in der
besonderen wertpapiermässigen Form auf insofern, als er ausser den dem
Art. 869 ZGB entsprechenden Übertragungserklärungen des Betreibungsamts
und der Ersteigerer nur ein undatiertes Blankoindossament der Erben des
ursprünglich als Titelgläubigers bezeichneten W. Schachtler enthält,
von welchem das Bundesgericht mangels gegenteiliger Fest-stellung der
Vorinstanz annehmen muss, es habe zur skripturrechtlichen Übertragung
genügt, wenn es vor 1912 noch unter der Herrschaft des alten kantonalen
Rechts hingesetzt worden ist, was freilich nicht feststeht, aber
mindestens möglich ist. Demnach hängt die Entscheidung über die Klage
mit Bezug auf alle drei Versicherungsbriefe einzig davon ab, ob sich der
Beklagte bei ihrem Erwerb in gutem Glauben auf die Urkunde verlassen habe.

2. Die Vorinstanz hat den guten Glauben des Beklagten in Anwendung
des Art. 3 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
1    Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
2    Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.
ZGB deswegen verneint, weil der Unterschied zwischen
dem ,Erwerbspreis und dem Nominalwert der Pfandtitel auffallend hoch
sei, ohne dass jener etwa dargetan hätte, dieser Unterschied sei in
schlechtem Zustand der Liegenschaft begründet. Diese Auffassung ist
rechtsirrtümlich. Denn der verhältnismässig freilich grosse Einschlag
erklärt sich ohne weiteres daraus, dass es sich um Nachgangshypotheken
handelt, die der Schuldner nicht zu verzinsen und nicht einzulösen oder
anderswo unterzubringen vermocht, sondern auf betreibungsrechtliche
Steigerung hatte kommen lassen, wobei nur 10% ihres Nominalwertes
erlöst wurden, dies zudem nur durch Angebot der Bürgen. Unter diesen
Umständen musste es von vorneherein zweifelhaft erscheinen, ob die
Hypothekenforderungen überhaupt, bezw. anders als durch eigenen Erwerb
der Liegenschaft realisiert werden könnten. Daher brauchte es beim
Beklagten keinerlei Verdacht zu erwecken, dass die Ersteigerer die
VersicherungsbriefeSachenrecht. N° 53. 343

um nicht einmal 50% ihres Nominalwertes hinzugeben

bereit waren. War somit der Einschlag schlechterdings nicht geeignet,
den guten Glauben des Beklagten zu erschüttem, so musste von der
Regel des Art. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
1    Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
2    Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.
ZGB ausgegangen werden, wonach der gute Glaube als
vorhanden vermutet wird, und konnte ohne Verletzung dieser Vorschrift dem
Beklagten nicht auferlegt werden, seinen guten Glauben durch irgendwelche
Behauptungen und Beweise zu rechtfertigen... .

Von einer ungerechtfertigten Bereicherung des Beklagten, die der Kläger
schliesslich noch vorgeschützt hat, könnte auch dann nicht die Rede
sein, wenn es ihm } trotz der offensichtlichen Unsicherheit der Titel
gelingen sollte, einen den ausgelegten Kaufpreis über-steigenden Betrag
einzubringen, was übrigens heute noch durchaus dahinsteht.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird begründet erklärt, das Urteil des Kantonsgerichts von
St. Gallen vom 22. Mai 1924 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

53. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. September 1924: i. S. Gebrüder
Strehler gegen Konkursmasse Schallenberg. Art. 805
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 805 - 1 Das Grundpfandrecht belastet das Grundstück mit Einschluss aller Bestandteile und aller Zugehör.
1    Das Grundpfandrecht belastet das Grundstück mit Einschluss aller Bestandteile und aller Zugehör.
2    Werden bei der Verpfändung Sachen als Zugehör ausdrücklich angeführt und im Grundbuch angemerkt, wie Maschinen und Hotelmobiliar, so gelten sie als Zugehör, solange nicht dargetan ist, dass ihnen diese Eigenschaft nach Vorschrift des Gesetzes nicht zukommen kann.
3    Vorbehalten bleiben die Rechte Dritter an der Zugehör.
, 808
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 808 - 1 Vermindert der Eigentümer den Wert der Pfandsache, so kann ihm der Gläubiger durch das Gericht jede weitere schädliche Einwirkung untersagen lassen.
1    Vermindert der Eigentümer den Wert der Pfandsache, so kann ihm der Gläubiger durch das Gericht jede weitere schädliche Einwirkung untersagen lassen.
2    Der Gläubiger kann vom Gericht ermächtigt werden, die zweckdienlichen Vorkehrungen zu treffen, und kann solche auch ohne Ermächtigung vornehmen, wenn Gefahr im Verzug ist.
3    Er kann für die Kosten der Vorkehrungen vom Eigentümer Ersatz verlangen und hat dafür an dem Grundstück ein Pfandrecht. Dieses Pfandrecht entsteht ohne Eintragung im Grundbuch und geht jeder eingetragenen Belastung vor.655
4    Ist der Betrag des Pfandrechts höher als 1000 Franken und wird dieses nicht innert vier Monaten nach Abschluss der Vorkehrungen in das Grundbuch eingetragen, so kann es Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht entgegengehalten werden.656
ZGB.' Wirkungen
eines gerichtlichen Pfandschmälerungsverbotes. Bestandteile, die entgegen
einem derartigen Verbote von einem Grundstück getrennt worden sind,
bleiben trotz der erfolgten Trennung den Grundpfandforderungen verhaftet.

A. Die Kläger sind Pfandgläubiger eines Schuldbriefes von 30,000 Fr. im
dritten Range (mit einem Vorgange von 70,000 Fr.) auf einem Walde des
Kridars. Im Dezember 1922 schlug der Schuldner auf dem Pfandgrundstück
Holz, worauf die Kläger am Il. Januar

AS 50 n 1924 24

344 Sachenrecht. N° 53.

1923 ein Verbot des Einzelrichters des Bezirksgerichtes Hi-nwil
erwirkten, wonach dem Schuldner unter der Androhung der Überweisung an
den Strafrichter verboten wurde, ohne Zustimmung der Kläger weiterhin
Holz zu schlagen oder stehendes Holz zum Schlagen zu verkaufen. Diese
vorsorgliche Massnahme wurde vom Obergericht des Kantons Zürich
mit Entscheid vom 26. Februar 1923 bestätigt und sodann auch auf
dem ordentlichen Prozesswege durch rechtskräftig gewordenes Urteil
des Bezirksgerichtes Hinwil vom 26. Juli 1923 ein gleiches Verbot
ausgesprochen. Am 5. Oktober geriet der Schuldner Schallenberg in
Konkurs. In diesem beanspruchten die Kläger für den Kapitalbetrag des
Schuldbriefes III. Ranges und zwei Jahreszinsen das Pfandrecht auch an
dem gesamten auf der Liegenschaft des Schuldners geschlagenen und noch
auf demselben liegenden Holze. Das Konkursamt Wald wies jedoch diesen
Pfandanspruch mit Verfügung vom 20. Dezember 1923 ab, worauf die Kläger
innert gesetzlicher Frist Klage einleiteten mit dem Begehren, es sei das
Konkursamt Wald anzuweisen, das von den Klägern beanspruchte Pfandrecht
anzuerkennen und die Kläger entsprechend zu kollozieren. .

B. 1 Mit Urteil vom 7. Mai 1924 hat das Bezirksgericht Hinwil die Klage
abgewiesen, welcher Entscheid vom Obergericht des Kantons Zürich unterm
4. Juni 1924 bestätigt wurde-

C. Gegen dieses Urteil haben die Kläger am 4. August 1924 rechtzeitig
die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Begehren: Es sei das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Eventuell sei
die Klage insoweit gutzuheissen, als der Erlös aus dem gefällten Holz
1000 Frübersteige, sodass das von der Klägerin verlangte Pfandrecht an
einem Erlös von 5235 Fr. 20 Cts. zu schützen wäre. Eventuell sei die Sache
zur Feststellung des Quantitativs, in welchem die Klage zu schützen sei,
an die Vorinstanz zurückzuweisen,.säighemcm. No 53. 345

alles" unter Kosten und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten.

D. Das Konkursamt Wald beantragt namens der Konkursmasse Abweisung der
Berufung und Gutheissung des vorinstanzlichen Entscheides.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Es ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass stehende Bäume,
gleichgültig ob sie als Früchte des Waldgrundstiickes betrachtet werden
oder als sonstige Bestandteile, mit der Fällung aufhören, Bestandteil
des Grundstückes zu sein und zur beweglichen Sache werden. Bezüglich der
Früchte ergibt sich dies ohne weiteres aus Art. 643 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 643 - 1 Wer Eigentümer einer Sache ist, hat das Eigentum auch an ihren natürlichen Früchten.
1    Wer Eigentümer einer Sache ist, hat das Eigentum auch an ihren natürlichen Früchten.
2    Natürliche Früchte sind die zeitlich wiederkehrenden Erzeugnisse und die Erträgnisse, die nach der üblichen Auffassung von einer Sache ihrer Bestimmung gemäss gewonnen werden.
3    Bis zur Trennung sind die natürlichen Früchte Bestandteil der Sache.
des ZGB; aber
wenn auch die Waldbäume, wenn sie nicht nach forstwirtschaff-lichem Plane,
sondern in Schädigung der Substanz geschlagen werden, nicht als Frucht des
Grundstückes erachtet werden, könnten sie doch nicht nach ihrer Fällung
etwa nach einem kantonalen Ortsgehrauch noch als Bestandteil gelten,
da in Arts-12 Abs. 2 ein solcher nur für nicht abgetrennte Bestandteile
vorbehalten wird. Aus Art. 805, wonach das Grundpfandrecht das Grundstück
mit Einschluss der Bestandteile belastet, folgt, daher im allgemeinen der
Grundsatz, dass mit der Trennung der Bäume vom Grundstück das Pfandrecht
erlischt. Im Gegensatz zu mehreren kantonalen und auswärtigen Gesetzen,
die das Grundpfandrecht auch an getrennten Früchten und sonstigen
Bestandteilen in gewissen Grenzen fortbestehen liessen, hat das
ZGB bewusst die aus der zeitlichen und sachlichen Begrenzung dieses
fortbestehenden Pfandrechtes sich ergebenden Schwierigkeiten vermeiden
wollen (Erläuterungen II S. 248 ff.). Allein dieser allgemeine Grundsatz
hat durch das Betreibungsrecht, Art. 94
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 94 - 1 Hängende und stehende Früchte können nicht gepfändet werden:
1    Hängende und stehende Früchte können nicht gepfändet werden:
1  auf den Wiesen vor dem 1. April;
2  auf den Feldern vor dem 1. Juni;
3  in den Rebgeländen vor dem 20. August.
2    Eine vor oder an den bezeichneten Tagen vorgenommene Veräusserung der Ernte ist dem pfändenden Gläubiger gegenüber ungültig.
3    Die Rechte der Grundpfandgläubiger auf die hängenden und stehenden Früchte als Bestandteile der Pfandsache bleiben vorbehalten, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Grundpfandgläubiger selbst die Betreibung auf Verwertung des Grundpfandes eingeleitet206 hat, bevor die Verwertung der gepfändeten Früchte stattfindet.207
SchKG, eine wichtige Einschränkung
erfahre-n, wonach die Rechte der Grund-pfandgläubiger an gepfändeten
stehenden Früchten fortbestehen auch nach der Trennung vom Grundstücke,

346 Sachenrecht. N° 53.

wenn der Grundpfandgläubiger Betreibung auf Grundpfandverwertung
angehoben hat. Damit hat das Gesetz den Grundsatz, dass mit der Trennung
das Plandrecht an den Früchten erlösche, durchbrochen, indem es die
Anhebung der Grundpfaudbetreibung als genügende Voraussetzung erachtet,
um dem Entzug der Früchte aus dem Pfandreeht zu Gunsten unversieherter
Gläubiger entgegenzutreten. Nun rechtfertigt es sich aber auch,
einen gleichartigen Fortbestand des Piandreehtes an den Früchten und
gleichartigen Bestandteilen in analoger Weise dann platzgreifen zu lassen,
wenn der Pfandgläubiger dem Eigentümer des Unterpfandes die Trennung
durch richterliches Verbot hat untersagen lassen (ZGB Art. 808). Es wäre
eine schwer verständliche Anomalie, wenn der Grundpfandgläubiger zwar
durch die Exekutionsanhebung dem Zugriff der unversicherten Gläubiger
auf die Früchte entgegentreten könnte, aber selbst dann, wenn er gerade
das direkteste Mittel zur Erhaltung des Grundpfandes an den Früchten,
das richterliche Verbot ihrer Perzeption, angewandt hat, nicht verhindern
könnte, dass die trotzdem bezogenen Früchte den Chirographargläubigern
zufallen. Wird aber für die Früchte eine analoge Ausdehnung der
Wirkungen , der Betreihungsanhebung auf die Verbotserwirkung angenommen,
so muss das auch für Waldbäume, die nicht als Früchte gewonnen werden,
gelten. Dem richterlichen Verbot käme s'onst, wenn es nur mit der Folge
von Schadenersatzpflicht und Strafe sowie der Sicherungsstellungspflicht
verbunden Wäre, einem insolventen Eigentümer gegenüber, der dem
Pfandgläuhiger durch Kahlschlag den wichtigsten Substanzwert entzieht,
keine wirksame Bedeutung zu; der Grundpfandgläubiger könnte durch die
Widerrechtliche Handlung zum Vorteil der unversicherten Gläubiger den
Hauptwert seines Unterpfandes einbüssen, ohne sich dagegen wirksam wehren
zu können, obschon das durch den Kahlschlag gewonnene Holz noch auf dem
Grund-Schlusstitel zum ZGB. N° 54. _ ' 347

stücke liegt und keine Rechte Dritter daran erworben wurden.

2. Aus den Akten geht hervor, dass ein Teil des streitigen Holzes
schon v o r Erlass ,des fraglichen Verbotes geschlagen worden ist. An
diesem können die Kläger keine Grundpfandrechte mehr geltend machen,
da hier der Grundsatz, dass Früchte nach erfolgter Trennung aus dem
Pfandnexus ausscheiden, zur Anwendung gelangt. Die Vorinstanz hat daher
noch festzustellen, wie viele Bäume schon vor und Wie viele erst nach
Erlass des Verbotes geschlagen wurden, wobei dann, falls von den letztem
ein Teil bereits verkauft sein sollte, der Erlös an Stelle des Pfandes
treten wiirde. :

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird in dem Sinne gutgeheissen, dass das Urteil des
Obergerichtes des Kantons Zürich vom 4. Juli 1924 aufgehoben und der
Fall zu erneuter Beurteilung im Sinne der Motive an die Vorinstanz
zurückgewiesen wird.

IV. SCHLUSSTITEL ZUM ZGB

TITRE FINAL DU CC

54. Mt de la. Ile Section civile du 24 septembre 1924 dans la cause
Monique Pillow! contre Hoirs da Jean Pilloud.

Cc. Tit. fin. art. 1 et 15: Les successions ouvertes avant le 1'"
janvier 1912 sont, meine en ce qui concerne le partage, soumises au
droit eantonal.

Jean Pilloud est décédé le 19 septembre 1904 laissant comme héritiers
outre sa femme, dame Hélène Pilloud née Monney, sept enfants, savoir:
Denis, Gustave, Marie, Julie mariée Monnard, Francois, Madeleine et Adele.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 50 II 343
Date : 22. Mai 1924
Published : 31. Dezember 1925
Source : Bundesgericht
Status : 50 II 343
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 342 Sachenrecht. N° 52. stehende Versichemngsbriei eine lückenlose Folge von Übertragungen


Legislation register
SchKG: 94
ZGB: 3  643  805  808  869
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