98 Staatsrecnt.

19. Auszug aus dem Urteil vom 12. Mai 19241. S. Thùrkauf gegen
BassselStadt und -Land.

Art. 46 Abs. 2 BV: Die Nachbesteuerung für frühere Jahreist unzulässig,
insofern sie auf einer Änderung der Auffassung 1 über das interkantonale
Steuerrechtsverhältnis. beruht und der Pflichtige für die betreffenden
Jahre bereits von dem andern in Frage kommenden Kanton besteuert
worden ist.

Unter den Parteien ist nicht bestritten, dass nach interkantonalem
Steuerrecht im einen Kanton von den dort steuerbaren Aktiven eines
Steuerpflichtigen derjenige Teil von dessen Gesamtpassiven abzuziehen
ist, welcher dem Verhältnis dieser Aktiven zu den Gesamtaktiv'en
entspricht. Der KantonBasel ,Stadt hat nun bis

1921 von den dort steuerbaren Aktiven den baselstädtischen Liegenschaften
und ,dem im Basler Geschäft investierten Fahrnisvermögen alle darauf

lastenden Passiven (Hypothekarund Geschäftsschulden} abgezogen. Das
entsprechende hat auch Baselland getan. Der Kanton Baseléstadt ist
dadurch, da der Grossteil der Passiven auf den baselstädtischen Aktiven
lastet, in Nachteil gekommen und sucht das durch Nachbesteuerung der
aus der verschiedenen Abzugsberechnung sich ergebenden Differenz
zu beheben. Damit wird der Rekurrent nachträglich für Vermögen
besteuert, das er seinerzeit in Baselland bereits versteuert hat ein
Doppelbesteuerungskonflikt, der vom Bundesgericht zu entscheiden ist. Der
staatsrechtliche Rekurs wurde in dieser Beziehung gegenüber Basel-Stadt
gutgeheissen in derÄErwägung :

Die ,Nachbesteuerung ist das Zurückkommen auf einen bereits in
Rechtskraft erwachsenen Veranlagungsentscheid. Dieser letztere hat
eine doppelte Bedeutung. Einerseits stellt er den steuerwert der nach
interkantonalem Steuerrecht unter die Hoheit des betreffenden Kantons
fallenden .Steuerfaktoren fest. Er stellt darinDoppelbesteuerungN° 19. 99

ein im kantonalen Steuerprozess gefälltes Urteil dar, dessen Rechtskraft
sich ausschliesslich nach kantonalenl Steuerrecht bestimmt. An diesem
ist es also, zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen durch
Nachveranlagung darauf zurückgekommen werden kann. Dass vorliegend
die durch das Verwaltungsgericht von Basel-Stadt am 28. August
1923 ausgesprochene Naehbestenerung auf willkürlicher Anwendung des
baselstädtischen Steuerrechts beruhe, hat der Rekurrent nicht behauptet.

In der andern Beziehung dagegen ist der Veranlagungsentscheid die
Geltendmachung eines dem betreffenden Kanton nach Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV
gegenüber den andern Kantonen zustehenden Steuerhoheitsanspruches. Die
Rechtswirkung dieser Geltendmachung auf den materiellen Hoheitsanspruch
wird wie dieser selbst durch Bundesrecht bestimmt. Und zwar ist nur
der Schluss zulässig, dass die Geltendmachung dieses Hoheitsanspruchs
in den Formen des kantonalen Veranlagungsverfahrens jedenfalls dann den
Verzicht auf ein weitergehendes Recht gegenüber einem andern Kanton in
sich schliesst, wenn dieser andere Kanton infolgedessen nnangefochten
das weitergehende Recht für sich in Anspruch genommen hat und der erste
Kanton damit auf ' seinem Verzicht behaftet werden ist. Das Gegenteil
Würde zu dem unhaltbarem Zustand führen, dass ein in interkantonaler
Beziehung definitiv festgestelltes steuerrechtsverhältnis jederzeit auf
dem Wege der Nachbesteuerung Wieder in Frage gestellt werden könnte. Die
' Nachveranlagung ist deshalb, auch wo die kantonalrechtlichen Grundlagen
dazu vorhanden sind, insoweit unzulässig, als sie auf einer Änderung der
Auffassung über das interkantonale Steuerrrechtsverhältnis in Bezug auf
Steuerjahre beruht, für welche der Pflichtige von den in Frage stehenden
Kantonen bereits auf Grund der bisherigen Auffassung rechtskräftig
veranlagt worden ist. Die Nachbesteuerung des Vermögens des Rekur--

100 Staatsrecht.

renten durch den Kanton Basel Stadt, wie sie durch--

Eutscheid des Verwaltungsgerichts vom 28. August 1923 ausgesprochen wurde,
beruht also auf Verletzung von Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV.

20. Urteil vom 17. Mai 1924 i. S. s.-o. für Unternehmungen

der Textilindustrie gegen Zürich.

Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV : Nicht willkürlich die Auslegung, dass der Wohnsitz
einer juristischen Person im steuerrechtlichen Sinn unabhängig vom
zivilrechtlichen Wohnsitz sich dort befindet, wo die Geschäftstätigkeit
ausgeübt wird.

Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV: Der bloss formelle Sitz der juristischen Person
begründet kein Steuerdomizil, wenn ihm in einem andern Kanton ein
Ort gegenübersteht, wo die normalerweise am Sitz sich abspielende
Geschäftsführung stattfindet. Begriff der Geschäftsführung.

Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV : Die nachträgliche Besteuerung ist insofern unzulässig,
als sie auf einer Änderung der Auffassung über das interkantonale
Steuerrechtsverhältnis beruht und das betreffende Subjekt für die gleichen
Jahre schon von einem andern Kanton besteuert wurden ist.

A. Die Rekurrentin, Aktiengesellschaft für Unternehmungen der
Textilindustrie, ist eine Holding-Gesellschaft mit zivilrechtlichem
Wohnsitz in Glarus. Ihre Steuern hat sie bisher auch dort bezahlt.

Am 20. September 1921 hatte das Gemeindesteueramt Thalwil die
Rekurrentin umAuskunft darüber ersucht, ob sie Thalwil, wo die wirkliche
Geschäftsführung sich befinde, als Steuerdomizil anerkenne. Als die
Rekurrentin das vemeinte, wurden die Akten der Finanzdirektion des
Kantons Zürich zum Entscheide übermittelt. Diese zog in Erwägung,
die Geschäftstätigkeit der Rekurrentin spiele sich unbestritten in den
Räumen der Firma Robert Schwarzenbach & Cie in Thalwil und seit Herbst
1921 teilweise auch in deren Geschäftshaus in Zürich ab. In Thalwil
würden die Jahresberichte und Bilanzen der Tochterunternehmungen
gesammeltDoppelbesteuerung N° 20. , 101 und zu Bilanz, Gewinnund
Verlustrechnung und Jahresbericht der Rekurrentin vereinigt. In Glarus
besitze die Rekurrentin keine Geschäftseinrichtungen, dort werde auch
keine Geschäftstätigkeit ausgeübt. Gestützt darauf wurde die Rekurrentin
mit Entscheid vom 14. August 1923 mit Wirkung vom 1. Januar 1919 an im
Kanton Zürich steuerpflichtig erklärt. Die Ober-Rekurskommission hat am
9. März 1923 diesen Entscheid bestätigt.

B. Dagegen erhebt die Aktiengesellschaft für Unternehmungen der
Textilindustrie am 6. August 1923 staatsrechtlichen Rekurs mit den
Begehren:

1. Um Aufhebung des Entscheides der Ober-Rekurskommission des Kantons
Zürich vom 9. März 1923 und Feststellung, dass der Kanton Zürich keinerlei
Steueransprüche gegen die Beschwerd'eführerin habe, da durch den Entscheid
das Verbot der Doppelbesteuerung übertreten wird. Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV.

2. Eventuell für den Fall der Gutheissung des zürcherischen Entscheides,
die rückwirkenden Bestimmungen desselben aufzuheben wegen willkürlicher
Anwendung des Steuergesetzes.

Begründend wird ausgeführt : Nach § 2 Ziff. 2 zürch. StG seien nur die
juristischen Personen im Kanton steuerpflichtig, welche da ihren Sitz
hätten. Es sei willkürlich, diese Bestimmung mit der Ober-Rekurskommission
so auszulegen, dass alle juristischen Personen, deren Verwaltung oder
Geschäftsführung im Kanton vor sich gehe, im Kanton steuerpflichtig seien,
auch wenn der zivilrechtliche Wohnsitz sich ausser Kantons befinde. In
Ziffer 3 würden die auswärts domizilierten juristischen Personen, die im
Kanton steuerpflichtig seien, abschliessend aufgezählt. Die Rekurrentin
falle aber nicht darunter. Seit dem Monat September 1922 würden die Bücher
der Rekurrentin in Glarus geführt. Am 21. gleichen Monats sei Dr. Mercier

.. in Glarus zum Geschäftsführer der Gesellschaft mit

AS5OI 1924 s
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 50 I 98
Date : 12. Mai 1924
Published : 31. Dezember 1925
Source : Bundesgericht
Status : 50 I 98
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 98 Staatsrecnt. 19. Auszug aus dem Urteil vom 12. Mai 19241. S. Thùrkauf gegen BassselStadt


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