54 A. Staatsrechtl. Entseheidg. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen-

lässig sei, wenn sie eigenmächtig von ihrem Ehemanne sich ent-

fernt, ist eine Frage, die keineswegs ohne Weiters bejaht werden kann,
sondern deren Beantwortung von den Vorschriften der zutreffenden
st. gallischen Gesetzgebung abhängt, und es muss daher der Ehefrau
Kuster für den Fall, als gegen sie persönlich Zwangsmassregeln
ergriffen werden wollten, das Recht der Beschwerde an die zuständigen
st. gallischen Behörden, insbesonder-e an den dortigen Grossen Rath,
welcher zur Auslegung der kantonalen Gesetzgebung in letzter Instanz
zuständig ist, vorbehalten werden. Das gleiche Recht ist auch dem
Ehemann Kuster unbenonimeu, sofern er glaubt, dass die Art und Weise, wie
die. Vorniundschaftsbehörden von ihren bormundschaftlichen Käfer-gerissen
Gebrauch machen, unzweckmässig oder garungesetzs sei. Demnach hat das
Bundesgericht erkannt: Die Beschwerde ist als unbegrüudet abgewiesen.

15. Urtheil vom 8. März 1879 in Sachen Suter.

A. Balthasar Suter von Hünenberg belangte den Joh. Suter daselbst für 1000
Fr. Guthaben aus einem Liegenschastenkauf. Allem die Klage wurde erstund
zweitinstanzlich abgewiesen gestützt darauf, dass dem Kläger im Jahre
1875 wegen unbe: kannter Abwesenheit Vom Waisenamt Hünenderg ein Vormund
bestellt worden sei und Joh. Suter an diesen den schuldigen Betrag laut
Quittung vom 13. Juli 1875 bezahlt habe. Gegen das zweitinstanzliche
Urtheil erhob B. Suter Kassationsbeschwerde, indem er behauptete, die
Gerichte haben mit Unrecht die Vormundschaft als zu Recht bestehend
angenommen, denn die gesetzlichen Voraussetzungen zu seiner Bevormundung
seien nicht vorhanden gewesen und daher die Zahlung an den Vormund für
ihn nicht verbindlich Durch Entscheid Vom 31. August 1878 wies jedoch
das Kassationsgericht die Beschwerde ah.

B. Nunmehr gelangte die Schwester des B. Suter, FrauEingriffe in
garanizirte Rechte. N° 15. 55

Maria Mai geh. Suter in Bischofszell, Namens desselben an das
Bundesgericht mit dem Begehren, es möchten die Erkenntnisse der zugerschen
Gerichte aufgehoben werden. Zur Begründung dieses Begehrens führte
sie cm: Jhr Bruder sei im Jahre 187 5 keineswegs unbekannt abwesend
und daher keinerlei Grund zu dessen Bevormundung vorhanden gewesen. In
diesem Verfahren, durch welches B. Suter zum Bettler geworden sei, da
der bestellte Vormund laut seiner Behauptung die 1000 Fr. verprozessirt
habe, liege eine Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze, welche durch
Art. 4 der Bundesverfassung und am. 5 der zugerischen Kantonsverfassung
garantirt sei.

C. Joh. Suter trug aus Abweisung der Beschwerde an, indem er auf dieselbe
erwiederte: In einem von einer Frau A. M. Suter gegen ihn, Joh. Suter,
angehobenen Prozesse habe er dem V. Suter durch Ediktalladung Streit
verkündet Balthasar Suter sei aber nicht erschienen und es habe deshalb
der Bürgerrath Hünenberg am 5. Mai 1875 demselben, da er auch in andere
Prozesse verwickelt gewesen sei, gemäss § 80 des zug. priv. Gesb. einen
ausserordentlichen Vormund bestellt Mit diefem Vormund habe er eine Aus-s
und Abrechnung getroffen, wobei die Kausrestanz von 1000 Fr. ebenfalls
getilgt worden sei.

In rechtlicher Beziehung sei zu bemerken, dass dem Bundesgericht die
Kompetenz zur Interpretation der kantonalen Gesetzgebung, welche
übrigens hier richtig angewendet worden sei, mangle und dass die
Frau Mai zur Beschwerdeftihrung nicht legitimirt erscheine. Nach der
formellen Ernennung des ausserordentlichen Vormundes set er, Joh. Suter,
zur Zahlung an letztern berechtigt gewesen und müsste bei vorhandenen
Fehlern von Seite des Bürgerrathes Hünenberg eine Beschwerde an den
Regierungsrath als Obervormundschaftsbehörde gerichtet werden. Er,
Joh. Suter, sei nicht der richtige Beklagte.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung;

1. Ueber ihre Legitimation zur Vertretung des Balthasar Suter hat sich
Frau Mai durch Einreichung einer schriftlichen Vollmacht desselben
ausgewiesen und erscheint daher dieser Punkt in Ordnung.

2. In der Hauptsache scheint Rekurrent Von der Ansicht aus-

56 A. Staatsrechtl. Entscheidg. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen-

zugehen, dass das Schicksal seiner Klage gegen Joh. Suter von dem
Entscheid der Frage abhängig sei, ob der Bürgerrath von Hiinenberg ihm im
Jahre 1875 mit Recht einen Vormund bestellt habe oder nicht. Diese Ansicht
ist aber eine irrige. Denn wenn auch die gesetzlichen Voraussetzungen
zur Bestellung eines ausserordentlichen Vormundes nicht vorhanden gewesen
sein sollten, so beruhrte dies lediglich die Vormundschaftsbehörden und
ihre Verantwortlichkeit, den Joh. Suter dagegen überall nicht. Derselbe
war weder berechtigt noch verpflichtet, zu untersuchen, ob die
Vormundschastsbehörden richtig gehandelt haben oder nicht, und noch
weniger stand ihm das Recht zu, die Rechtsbeständigkeit der augeordneten
Vormundschast anzufechten. Jhm gegenüber war der formell richtig ernannte
Vormund zur Abrechnung und Annahme der Zahlung legitimirt, so dass
er an denselben zahlen musste und auch mit der Wirkung zahlen durfte,
dass er dadurch Von seiner Schuld befreit wurde. Von dieser Anschauung
giengen ohne Zweifel, laut Erw. 4 lit. h. und c. des kantousgerichtlichen
Urtheils, auch das Kantonsgericht und das Obergericht des Kantons Zug
bei Abweisung der Klage des Rekurrenten aus und es kann daher in ihrem
Entscheide eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Bürger um
so weniger erblickt werdenöff als Rekurrent den Nachweis nicht einmal
versucht geschweige denn geleistet hat, dass Joh. Suter nach Gesetz oder
Rechtspraxis des Kantons Zug berechtigt gewesen wäre die Zahlng an den
ausserordentlichen Vormund zu verweigernt

3. Die Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer ausserordentlichen
Bevormundung des Rekurrenten vorhanden gewesen seien, war sonach für
den Ausgang des Prozesses gegen Joh. Suter unerheblich. Dieselbe kann
vielmehr nur in einem Verfahren erörtert und erledigt werden, in welchem
der Bürgerrath Hunenberg selbst als Parteibetheiligt ist und es wird
Rekurrent durch die hier angefochtenen Urtheile offenbar nicht verhindert,
Jene Frage vor den zuständigen Administrativs oder Gerichtsbehorden
zur Entscheidung zu bringen, sofern er daran ein Jnteresse zu haben
glaubt. Selbstverständlich sind auch Vormundschastsbehörde und Vormund
unter allen Umständen pflichtig, dem Rekurrenten über ihre Verwaltung
Rechenschaft abzulegenEingriffe in garantirte Rechte. N° 16. 57

und den Nachweis zu leisten, dass seine Interessen die Verprozessirung
der von Joh. Suter bezahlten 1000 Fr. erfordert

haben. Demnach hat das Bundesgericht

erkannt: Die Beschwerde ist als unbegründet abgewiesen.

16. Urtheil vom 1. März 1879 in Sachen der Gemeinde Rheinfelden.

A. Die aargauische Kantonsversassung enthält in Art. 26 iemma 2 folgende
Bestimmung: Der direkten Besteuerung ist "alles Vetmögen, dasjenige
an Liegenschasten jedoch nur insoweit es im Kanton liegt, sowie jedes
Einkommen und jeder Erwerb unterworfen. Es sollen aber im Steuerfusse das
Kapitalvermögen, die Liegenschaften und das gewerbliche oder berusliche
Einkommen in billigem Masse unterschieden werden-

In Vollziehung dieser Versassungsbestimmung erliess der Grosse Rath des
Kantons Aargau am 11. März 1865 ein Gesetz über den Bezug von Vermögensund
Erwerbssteuern zu Staatszwecken und am ZO. Wintermonat 1866 ein Gesetz
über den Bezug von Gemeindesteuer-tu aus welchen folgende Bestimmungen
hier hervorzuheben sind:

I. Aus dem Staatssteuergesetz.

Aus Abschnitt I, von der Steuerpflichtz § 2 lit. a : Der direkten
Besteuerung unterliegen:

a. Das im Kantonsgebiete befindliche Vermögen in Gebäuden und
Grundstiicken, sowie das einem Einwohner des Kantons angehörende Vermögen
an Fahrhabe, Forderungen oder an Handels-, Fabrikund Gewerbefonds. ss

Aus Abschnitt III, Ausmittlung des steuerbaren Vermögens und Erwerbes,

§ 20. Bei Gesellschaften soll in der Regel die Steuer nicht vom
gesellschaftlichen Vermögen und Erwerb erhoben, sondern aus die einzelnen
Antheilhaber nach dem Verhältnisse ihrer Be-

theiligung verlegt werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 5 I 54
Datum : 07. März 1879
Publiziert : 30. Dezember 1880
Quelle : Bundesgericht
Status : 5 I 54
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 54 A. Staatsrechtl. Entseheidg. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen- lässig sei,


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