312 Markenschutz. N° 43.

' Demnach erkennt das Bundesgerichi:

Die Berufung wird dahin begründet erklärt, dass das angefochtene Urteil
aufgehoben und die Sache zu weiterer _Beweisabnahme und neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.

IV. MARKEN SCHUTZPROTECTION DES MARQUES DE FABRIQUE.

O'Brien der I. Zivilab'teilung vom 11. Juli 1928 i. S. Bert-,isch
gegen Ernst.

Frage der Verwechselbarkeit zweier Marken bei einem sog. schwachen Zeichen
(Ährenbild für Teigwaren).

A. Der Kläger Robert Ernst ist" Inhaber einer Teigwaren-fabrik in Kradolf,
welche seine Vorfahren schon seit 1858 betrieben haben. Im Anfang des
Jahres 1920 entschloss er sich, an Stelle der Marke, die sein Vater
verwendet hatte, und die ein Thurgauer Mädchen darstellte,' eine neue
einzuführen. Auf Veranlassung des Vertreters der lithographischen Anstalt
Trüb & C.le in Aarau, namens Rechsteiner, setzte er sich deswegen mit
dem Künstler Blöchlinger in St. Gallen in Verbindung. Dieser entwarf eine
Marke, die in einer aufrechtstehenden Ähre, mit ausstrahlenden, parallel
geführten Haaren bestand, auf deren unterstem Drittel der Euchstabe
R links und E rechts der Ähre angebracht war. Dem Kläger gefiel diese
Marke und er kaufte sie, wie er sagt, im März 1920, übergab aber die
Herstellung, da ihm Rechsteiner zu teuer schien, den Firmen Seitz in
St. Gallen und Martin in Herisau; er bestellte bei ihnen 100,000 Stück
Verpackungen, die mit der Marke Blöchlingers versehen waren. Vom April
1920 an brachteMarkenschutz. N° 43. , 318

er seine Produkte in diesen Verpackungen auf den Markt. Hingegen
unterliess er es, die Marke eintragen zu lassen.

B. Im Herbst 1922 brachte der Beklagte Bertsch, welcher in Romanshorn eine
Teigwarenfabrik betreibt, Produkte in einer Verpackung in den Handel,
die als Marke ebenfalls eine aufrechtstehende Ähre' mit ausstrablenden
Haaren führt. Die Ähre ist jedoch auf der einen Seite der Verpackung
durch eine unregel-

mässige hochgestellte Raute eingeiasst. Auf dem unter--

sten Drittel der Ähre liegt ein schwarzes Band quer über derselben,
welches das Wort Bertsch trägt. Am 12. Juni 1922 hatte der
Beklagte diese, von Carl Böckly in St. Gallen entworfene Marke (mit
Bauteneinfassung) im eidg. Markenregister eintragen lassen.

C. Nun liess auch der Kläger seine Marke, und zwar am 28. November 1922
eintragen; und er verlangt mit der vorliegenden, beim Bezirksgericht
Arben als einziger kantonaler Instanz angehobenen Klage:

1. die Marke des Beklagten sei nichtig zu erklären und zu löschen ;

2. der Beklagte sei zu verpflichten, 'den Vertrieb seiner mit dieser Marke
versehenen Erzeugnisse bezw. der mit derselben versehenen Verpackungen
sofort einzustellen, und es sei ihm die künftige Verwendung der Marke
im Geschäftsverkehr zu untersagen;

3. sämtliche mit der angefochtenen Marke versehenen Verpackungen seien
sofort zu beschlagnahmen und zu vernichten ,

4. der Kläger sei berechtigt zu erklären, das Urteil auf Kosten des
Beklagten im Schweizerischen Handelsamtsblatt und in andern, vom Gericht
zu bestimmenden Blättern zu veröffentlichen.

Zur Begründung führte der Kläger aus, seine Marke habe sich überall
rasch und. gut eingeführt; er habe schon das dritte Hunderttausend
im Gebrauche. Er verwende die Marke in zwei Farben-Nuancen: für die
sog. Einheitsq'ualität benütze er die grünliche

3j4 Markenschutz. N° 43.

Verpackung und für die feinere Qualität die bräun liche. Der Beklagte
führe seine Marke ebenfalls in zwei, die Qualitäten nnterscheidenden,
mit den klägerisehen verwandten Farben, nämlich bläulich-grün und
gelblich-braun, mit dem einzigen Unterschied, dass die Ahre auf der
einen Seite der Packung durch eine unregelmässige Raute eingefasst sei,
während sie auf der anderen Seite auch frei stehe. Die heklagtische
Marke unterscheide sich von der klägerischen nicht genügend, sie sei
ihr so nachgemacht, dass das kaufende Publikum irregeführt werde.

D. Der Beklagte beantragte Ahweisung der Klage und verkündigte dem Böckly
den Streit. Er machte geltend, dass sozusagen alle Teigwarenfabrikanten
in der _Ostschweiz Ähren .als Fabrikzeichen verwenden; die Ahre sei zum
Gemeingut geworden und könne deshalb keinen wesentlichen Bestandteil
der Marke bilden. Die Herkunftsbezeichnung sei so deutlich als möglich
durch den Namen Bertsch hervorgehoben.

E. Das Bezirksgericht Arben hat mit Urteil vom 22. März 1923 erkannt :

Die Rechtsfragen 1 und 2 werden bejahend und die Rechtsfragen 3 und 4
im Sinne der Motive verneinend entschieden. ,

F. Gegen dieses Urteil haben der Beklagte und der Litisdennnziat die
Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit den Anträgen, die Klage sei
in allen Teilen abzuweisen, eventuell ,die Sache sei zur Abnahme der
vom Beklagten beantragten Beweise, eventuell auch zur Durchführung einer
Expertise an die Vorinstanz zurückzuweisen.'

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Nachdem die Vorinstanz die Rechtsbegehren l und 2 der Klage
gutgeheissen, die Rechtsbegehren 3 und 4 dagegen abgewiesen hat, und die
Berufung nur vom Beklagten gegen die ihn besehwerende Entscheidung über
die Klagebegehren 1 und 2 ergriffen

Markenschutz. N° 43.ss 315,

worden ist, fallen die weiteren Rechtsbegehren für das Bundesgericht
ausser Betracht. Es hat sich nur mit den ersten beiden zu beschäftigen,
d. h. erstens mit der Frage, ob die Marke des Beklagten nichtig zu
erklären und daher zu löschen sei, und zweitens, ob dem Beklagten zu
verbieten sei, diese Marke zukünftig zu verwenden, bezw. seine Erzeugnisse
und Verpackungen damit zu versehen. .

2. Eine dezeptive Marken-Nachahmung liegt insoé weit nicht vor, als die
Übereinstimmung sich auf Elemente bezieht, welche markenrechtlich nicht
appropriiert werden können, z. B. auf Elemente vorwiegend beschreibender
Natur, oder auf solche die sonstwie als Freizeichen, im Gemeingut
stehend, erscheinen. In casa ist nun unverkennbar eine Ähnlichkeit
zwischen den beiden Marken zu konstatieren ; sie beruht darauf, dass
beide das Bild einer Ähre tragen; und zwar ist das Ährenbild der für den
Betrachtenden hervorstechende Bestandteil der Marken. Die Ähre ist der
wesentliche Gegenstand des Markenbildes, gegenüber welchem die übrigen
Bestandteile und Linien mehr nur als Beiwerk erscheinen. Allein gerade
dieser Gegenstand der Marke steht mit dem Gegenstand des Produkts, für
welches die Marke bestimmt ist, in einem gewissen engeren, gedankliehen
Zusammenhang.

Es mag wohl sein, dass, wie die Vorinstanz ausführt, bei den Fabrikanten
und Händlern, welche die Ähre in ihrer Marke führen, das Bewusstsein,
es handle sich um ein Freizeichen, noch nicht vollständig durchge-drungen
ist; entscheidend ist, ob man es mit einem Zeichen zu tun habe, welches
in so enger Verbindung mit dem Produkt steht, für welches es dient, dass
seine distinktive Kraft als privates Herkunftszeichen dadurch verloren
geht. Denn ein Zeichen kann der Eignung und Kraft, als Sonderhezeichnung
für die Produkte eines einzelnen Handeloder Gewerbetreibenden, in
Ausschluss aller übrigen, zu dienen; m. a. W. als Markenzeichen von
diesem Einzelnen in Anspruch genom--

316 Markenschntz. No 43.

men Zu werden, nicht nur dann enthehren, wenn es den Gegenstand der
Marke selber, sondern auch, wenn es eine Eigenschaft der Ware oder deren
Herkunft, die Materie, aus welcher sie hergestellt ist, in Wort oder
Bild darstellt und damit eine Ideenassoziation Zwischen Marke und Ware
wachruft (vgl. Konten, Warenzeichenrecht S. 93, 105 f. ; PATAILLE, Annales
12 S. 430 ff.). Im vorliegenden Fall nun weist der Hauptbestandteil
der Marke, die Ähre, offensichtlich auf den zur Teigwarenfahrikation
verwendeten Rohstoff hin. Die Marke erweist sich deshalb als eine
schwache, in dem Sinne, dass nicht schon dem Ährenbild an sich, sondern
nur der besonderen Gestaltung desselben Individualisierungskraft zukommt
(vergl. Kennen a. a. O. S. 106). In der Ausgestaltung des Ährenmotivs aber
unterscheidet sich die heklagtische Marke wesentlich von derjenigen des
Klägers. Abgesehen davon, dass hei jener die ansstrahlenden Haare nicht
parallel geführt sind, sondern divergieren, und die ganze Dar-stellung
eine viel breitere Form aufweist, fällt in Betracht, dass das Ährenbild
durch eine Raute eingefasst istnamentlich aber, dass auf dem breiten
schwarzen Bande der volle Namen Bertsch in sehr leser-licher Art
aufgetragen ist, was in hervorragendem Masse dazu beitragen muss, einer
Verwechslung mit der Marke des Klägers vorzubeugen.

3. Besteht sonach die Marke des Beklagten zu Recht, so kann ihm nicht
verwehrt werden, sie als solche auf seinen Erzeugnissen und Verpackungen
zu verwenden.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird begründet erklärt und das Urteil des Bezirksgerichts
Arben vom 22. März 1923 dahin abgeändert, dass die Klagebegehren 1 und
2 im Sinne der Erwägungen abgewiesen werden.

I. FAMILIENRECHT DROIT DE LA FAMILLE

44. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Juni 1923 i. S. Geschwister
!. gegen Georg K. 11. Charlotte Sch. gesch. K. Anfechtung der Ehelichkeit
ausländischer Kin der: NAG Art. 8 und 32 ; ZGB Art. 253 und 250: Die
für den Gerichtsstand massgebende Heimat ist die si

des eingetragenen, nicht des natürlichen Vaters. _Kinder sind zur
Anfechtung ihrer Ehelichkeit nicht legitimiert

A. Die minderjährigen Geschwister Rosa, Margrit und Charlotte K. (geboren
1911, 1916 und 1917) erhoben im Januar 1923 durch ihren Beistand beim
Bezirksgericht Zürich Klage gegen ihre ehelichen Eltern, den nachrichtlos
abwesenden Vater Georg K., von München, und die Mutter Charlotte Sch.,
geschiedene K., mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass sie
nicht die ehelichen Kinder der Beklagten, sondern die ausserehelichen der
beklagten Frau Sch. seien. Zur Begründung ihrer Klage machten sie geltend,
die Beklagten, die sich im Jahre 1900 verheiratet haben, hätten sich im
Jahre 1904 getrennt. Der'Beklagte sei 1908 nach Südamerika ausgewandert
und seither nicht mehr zurückgekehrt, ohne dass sein Aufenthalt bekannt
sei. Die Beklagte Frau Sch. sei dann in die Schweiz gezogen, wo sie seit
1910 mit F. Sch. von Kriens, ihrem heutigen Ehemanne, zusammenlebe. Diesem
Verhältnis seien die drei Kläger entsprossen, die als Kinder des K. ins
Zivilstandsregister eingetragen worden seien. Im Jahre 1920 habe die
Mutter der Kläger die Scheidung von ihrem ersten Manne erwirkt und darauf
Sch. geheiratet, der die Kläger als seine

AS 49 II 1923 22
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 49 II 312
Datum : 22. März 1923
Publiziert : 31. Dezember 1924
Quelle : Bundesgericht
Status : 49 II 312
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 312 Markenschutz. N° 43. ' Demnach erkennt das Bundesgerichi: Die Berufung wird


Stichwortregister
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