250 staatsrecht-

V. PRESSFREIHE IT

LIBERTÉ DE LA PRESSE

35. Urteil vom 6. Juli 1923 i. S. Wyss und Genossen gegen Dietschi.
Pressfreiheit. In der Presse erscheinende Kundgebung eines

Parteivorstandes, wodurch der für die Wahl eines Stadt-

ammanns vorgeschlagene Kandidat kritisiert wird, ohne

dass ihm ein Gegenkandidat gegenüber-gestellt wiirde. Überschreitung
der Grenzen zulässiger Kritik. Bestrafung der

Mitglieder des Parteivorstandes wegen Ehrverletzung ; keine

Willkür. -

A. Die Rekurrenten sind Mitglieder des Vorstandes der
(römisch-katholischen) Volkspartei von Olten, Während der Rekursbeklagte,
der seit Jahren das Amt eines Stadtammanns von Olten innehat, der
freisinnig-demokratischen Partei angehört. Am 6. und 7. August 1921
fand mit Rücksicht auf den Ablauf einer Amtsperiode die Wahl des
Stadtammanns statt, wofür der Rekursbeklagte wieder vorgeschlagen
wurde. Der Vorstand der Volkspartei beschloss in einer Sitzung vom
2. oder 3. August 1921, ihn zu bekämpfen, ohne ihm jedoch einen andern
Kandidaten gegenüber-zustellen ; infolgedessen wurde in den in Olten
erscheinenden Zeitungen Oltner Nachrichten und Der Morgen vom 5. August
1921 folgender vom Parteivorstand unterzeichneter Artikel veröffentlicht:
Zu den Gemeindebeamtenwahlen. Das Parteikomitee der Volkspartei Olten
hat in einer längeren Sitzung Stellung zu diesen Wahlen genommen und mit
Einmütigkeit beschlossen die Wähler aufzufordern, geschlossen zur Urne zu
gehen und den Stadtammann Dr. Dietsehi zu streichen. Dieses Vorgehen ist
leider nur allzu begründet. Jedermann ist bekannt, wie Herr Stadtammann
Dietschi jede sich bie-Pressfreiheit. N° 35. 251

tende Gelegenheit benützt, wo er den Katholiken, resp. der Volkspartei
gegenüber seiner Gehässigkeit Ausdruck geben und einen Hieb versetzen
kann. Wo aber, selbst nach dem Ausspruch seiner eigenen Partei, das
Wohl der Stadt auf dem Spiele steht, findet er nicht den Mut, für die
wahren Interessen der Gemeinde ein Wort einzulegen, wohl um es mit
seinen Freunden von der Linken nicht zu verderben. Wir erinnern nur
an die noch schwebende Steuerangelegenheit. Eine Person, die nicht
besser das Allgemeininteresse zu wahren weiss, gehört nicht an die
Spitze eines Gemeindewesens, zum allerwenigsten einer Stadt Olten. Die
Volkspartei würde selber auf jede Parteiehre verzichten, wenn sie einen
solchen Stadtammann zur Wahl empfehlen Würde... Wegen dieses Artikels
erhob der Rekursbeklagte vor dem Amtsgericht von Olten-Gösgen gegen
die Rekurrenten eine Ehrverletzungsklage. Diese machten u. a. geltend,
dass es sich um eine berechtigte Kritik seines Verhaltens handle, indem
sie folgendes ausführten: Der Rekursbeklagte habe hartnäckig für die
Einführung der unentgeltlichen Kremation gekämpft, obwohl die Katholiken
diese verabscheuen. Der katholische Geistliche Dr. Diiggelin sei von ihm
in gehässiger Weise kritisiert worden, weil er bei der Beerdigung einer
Selbstmörderin die kirchlichen Zeremonien nicht vorgenommen habe. Im
Jahre 1918 habe er den Antrag gestell'i, den Katholiken die Abhaltung
der Fronleichnamsprozession zu verbieten, während er sonst nicht gegen
Umzüge auftrete. Am 10. Juli 1921 sei bei einem Gesangsfest in der
altkatholischen Kirche ein römisch katholischer Geistlicher deswegen von
ihm angerempelt worden, weil er, wie noch viele andere, den Hut nicht
abgenommen habe; zudem sei diese Geschichte noch in der Zeitung von ihm
breit geschlagen werden (im Oltner Tagblatt vom 13. Juli 1921). Als
die Katholiken am 26. Juli 1921 bei der Beerdigung des Pfarrvikars
Dr. Stössel trotz eines im Gemeindereglement enthaltenen Verbotes ein
öffentliches Leichengeleite durch die Stadt verar--

252 Staats-echt'

staltet hätten, habe der Rekursbeklagte dies cz als bittere Angelegenheit
der Gemeinde bezeichnet und gedreht, wenn es noch einmal vorkomme,
werde er dem Leichenfuhrmann, dem Totengräber und dem Friedhofwärter
die Weisung geben, die Beerdigung zu verweigern. Im Jahre 1921 sei
von der Gemeindeversammlung das steuerfreie Existenzminimum auf den
Antrag der sozialdemokratischen Partei fur Familien auf 2500 Fr und
für Ledige auf 1500 Fr. erhöht worden. Der Rekurrent habe zu dieser
Frage in der Versammlung das Wort nicht ergriffen, obwohl es sich um
eine für die Gemeindefinanzen Wichtige Angelegenheit gehandelt habe
und denn auch die Mehrheit des Gemeinderates dafür eingetreten sei,
dass die steuerfrei-en Beträge nur auf 2000 Fr und 1200 Fr. festgesetzt
Würden. Sodann sei der Rekurrent beim Generalstreik von 1918 nicht
energisch genug den Sozialdemokraten gegenüber aufgetreten, indem er
insbesondere die Bürgerlichen vor Provokationen gewarnt und die Bildung
einer 'Biirgerwehr verhindert habe. Ferner habe er es erreichen wollen,
dass die von freisinnigen Parteigenossen geleitete Motorwagenfabrik Berna
eine Naehsteuer nicht bezahlen müsse, die sie infolge von übertriebenen
Abschreibungen schuldete. Er leite auch die Buchdruckerei Dietschi &
DIE-, obwohl nach einem Gemeindereglement den Beamten jede gewerbliche
Nebenbeschäftigung verboten sei. Dass der Gemeinderat ihm das gestattet
habe, könne 'die Reglementsverletzung nicht aus der Welt schaffen. --

' Das Obergericht des -Kantons Solothurn als Apellationsinstanz erklärte
am 7. März 1923 die Rekurrenten der Beschimpfung begangen durch das
Mittel der Druckerpresse schuldig und verurteilte sie zu einer Geldbusse
von je 30 Fr.

In der Begründung des Entscheides wird zunächst ausgeführt, dass
sämtliche Mitglieder des Vorstandes der Volkspartei, die in der Sitzung
vom 2. oder 3. August 1921 anwesend gewesen seien und dem Beschluss über
den Wahlaufruf zugestimmt hätten, strafrechtlich als

Pressfreiheit. N° 35. 253

Täter zu betrachten seien. Das Urteil gibt für diese Auffassung folgende
Begründung : Nach § 183 StGB haftet für eine mit Strafe bedrohte
Handlung, welche durch das Mittel der Druckerpresse verübt worden ist,
zunächst der Verfasser der Druckschrift, dann der Herausgeber, der
Verleger, der Drucker oder der gewerbsmässige Verbreiter. Das Gesetz
will in erster Linie den Urheber haftbar'erklären, falls dieser bekannt
ist oder ermittelt werden kann. Das Amtsgericht hat angenommen, dass
als Urheber, d. h. Verfasser des eingeklagten Aufrufes, diejenigen
Vorstandsmitglieder in Betracht kommen, welche am Zustandekommen des
fraglichen Vorstandsbeschlusses, der den eingeklagten Aufruf im Gefolge
hatte, mitwirkten. Diese Auffassung ist richtig, denn als Urheber,
bezw. Verfasser des fraglichen Aufrufes kommt nicht nur derjenige in
Betracht, der vielleicht zufällig oder im Auftrage des Vorstandes,
(1. h. in Ausführung des betreffenden Vorstandsbeschlusses den Aufruf
abgefasst und der Zeitung zum

Drucke übergeben hat, sondern Urheber und Verfasser

sind alle diejenigen, die mitgeholfen haben, diesen Besehluss zu fassen
und ihn zur Ausführung zu bringen. Sie (die Rekurrenten) haben auch nicht
bestritten, dass sie die Urheber des fraglichen Beschlusses, der diesen
Aufruf im Gefolge hatte, waren. Die Tatsache, dass der Auf-= ruf die
Unterschrift Der Parteivorstandv trägt, und die eigenen Verantwortungen
der betreffenden Beklagten in diesem Prozesse sprechen dafür, dass
sie die Haftung und Verantwortlichkeit auf sich genommen haben und
sie auch ausdrücklich auf sich nehmen wollten. Bei dieser Sachlage
hat das Amtsgericht mit Recht nicht nach einem einzigen Verfasser
gesucht. Desgleichen hat das Amt richtigerweise angenommen, es seien
sämtliche beteiligte Vorstandsmitglieder als Mittäter im Sinne von § 29
StGB zu betrachten. Über die Frage, ob der Aufruf des Parteivorstandes
eine strafbare Ehrverletzung oder eine durch die Pressfreiheit geschützte
Kritik des Rekursbeklagten enthalte, spricht sich das Urteil wie As ,in
l 1923 18

254 Staaten-echt.

folgt aus: Die Beklagten hatten als Vorstandsmitglieder einer politischen
Partei der Stadt Olten zweifellos das Recht, die Person des zur Wiederwahl
aufgestellten Stadtammann Dr. Dietschi und seine Handlungsweise als
bisheriger Stadtammann zu kritisieren ; allein sie durften hiebei nicht
zu weit gehen. Nach dem Ton, der im Artikel allgemein zum Ausdruck
kommt, galt die Erklärung des Volksparteivorstandes nicht einzig
und allein dem Zwecke, die Parteiangehörigen über die bevorstehende
Ammannwahl zu orientieren und die Wahl des Dr. Dietschi zu verhindern,
sondern man erhält sofort den Eindruck, dass die Gelegenheit benutzt
wurde, um dem Dr. Dietsehi eins anzuhängen und ihn zu beleidigen. Die
einzelnen Äusserungen im Aufruf zeugen nicht von einer'objektiven
sachlichen Kritik in Bezug auf die Tätigkeit eines Beamten, sondern
von einer gewissen Gehässigkeit und Leidenschaft gegen Dr. Dietschi,
wobei mehr die Beleidigungsabsicht als diejenige der objektiven und
sachlichen Kritik seiner bisherigen Tätigkeit als Stadtammann zum
Ausdruck kam. Die Beklagten können sich nicht auf Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV berufen,
wenn sie die dort erlaubte Kritik betreffend öffentliche Verwaltung und
Beamtungen misshrauchten... Die einzelnen im erwähnten Aufrufe dem Kiàgzr
Stadtammann Dr. Dietschi gemachten Vorhalte sind hienach der Reihe nach
auf ihre Bedeutung und Tragweite zu untersuchen : a) In dem ersten Satze :
Jedermann ist bekannt, wie Herr Stadtammann Dietschi jede sich bietende
Gelegenheit benutzt, wo er den Katholiken, resp. der Volkspartei gegenüber
seiner Gehässigkeit Ausdruck geben und einen Hieb versetzen kann, ist
Dr. Dietschi der Öffentlichkeit als ausgesprochener Katholikenhasser und
Verfolger dargestellt. Es handelt sich hier um eine Behauptung, welche im
damaligen Wahlkampf, der Stadtammannwahl in Olten geeignet war, den Kläger
bei einer grossen Anzahl Wählern, d. h. bei den Katholiken in Misskredit
zu bringen, indem damit dargetan werden wollte, er verletze als Beamter
die Pflicht, alle EinwohnerPressfreiheit. N° 35. 255 ohne Unterschied
der Konfession gleich zu behandeln. Der Nachweis, dass Dr. Dietschi in
seiner Eigenschaft als Stadtammann von Olten die Katholiken der Stadt
Olten gehässig und in pflichtwidriger Weise behandelt hat, ist nicht
erbracht worden. Die Tatsache, dass er politisch eine andere Überzeugung
hat als die Angehörigen der Volkspartei und seine Überzeugung anlässlich
von Gemeindeversammlungen etc. zum Ausdruck gebracht hat, berechtigte die
Beklagten nicht, ihn in der ()ffentlichkeit in der Art wie es geschehen
ist, herunterzuwürdigen und als einen absolut nntoleranten Menschen und
pfliehtwidrigen Beamten hinzustellem b) Der Kläger erblickt auch eine
Ehrverletzung in folgendem Passus des angefochtenen Aufrufes: Wo aber,
selbst nach dem Ausspruch seiner eigenen Partei, das Wohl der Stadt auf
dem Spiele steht, findet er nicht den Mut, für die wahren Interessen
der Gemeinde ein Wort einzulegen, wohl um es mit seinen Freunden von
der Linken nicht zu verderben. . Die Beklagten erhoben damit gegen
Dr. Dietschi die Anschuldigung der Mutlosigkeit und Nachlässigkeit in
der Vertretung der Interessen der Stadt Olten... Irgend welche Beweise,
dass Dr. Dietsehi in seiner Eigenschaft als Stadtammann seinen Pflichten
gegenüber der Gemeinde nicht nachgelebt und wider die Interessen der
Gemeinde Olten gehandelt hat, ist nicht erbracht worden. Vielmehr ist
durch Zeugen dargetan worden, dass Dr. Dietschi seinen Pflichten und
Aufgaben als Stadtammann stets nachgekommen ist und dass es ihm bei der
Wahrung der Interessen der Gemeinde am nötigen Mut nie gefehlt habe. In
dem erwähnten Passus des Aufrufes wird dem Kläger in ganz allgemeiner Form
vorgeworfen, er habe seine erste und oberste Amtspflicht, als Stadtammann
die Interessen der Gemeinde Olten vor allen andern zu wahren, missachtet
und verletzt und zwar aus rein persönlichen Gründen und Interessen,
wogegen jedoch keine derartigen Tatsachen und Verfehlungen nachgewiesen
wurden, welche diesen allgemeinen Vorwurf stützen und rechtfertigen
würden. Die

256 Staats-echt.

Tatsache, dass die Beklagten die Auffassung haben, es habe Dr. Dietschi
z. B. in der Steuerangelegenheit als Stadtammann und Vorsitzender der
Gemeinde-versammlung nicht denjenigen Standpunkt eingenommen, den er nach
ihrer Auffassung gegenüber den Sozialdemokraten hätte einnehmen sollen,
genügt nicht, einen Beamten, der eine Amtszeit von 20 Jahren hinter sich
hat, in der Art wie es geschehen ist, in seiner Amtstätigkeit und seiner
Persönlichkeit anzufechten... Damit die Berechtigung einer derartigen
Kritik zugelassen werden könnte, müssten eine Mehrheit von positiven
Pflichtverletzungen nachgewiesen sein. Dies ist nicht der Fall, weshalb
angenommen werden muss, es hätten die Beklagten absichtlich gehandelt,
zu dem Zwecke, um mit solchen allgemein gehaltenen Vorwürfen das Zutrauen
der Bevölkerung gegenüber dem Kläger zu beseitigen und ihn auf diese
Weise als Stadtammann wegzuwählen. Im vorwürfigen Passus ist demnach eine
Ehrverletzung gegenüber Dr. Dietschi zu erblicken. c) Als ehrverletzend
erachtet der Kläger auch den Passus: Eine Person, die nicht besser
das Allgemeininteresse zu wahren weiss, gehört nicht an die Spitze
eines Gemeindewesens, zum allerwenigsten einer Stadt Olten; Hierin
wird der sub !; hievor erwähnte Vorwurf noch erweitert und dem Kläger
wiederum ausdrücklich der Vorhalt der bewussten Amts-pilichtverletzung
gemacht. Damit will ziemlich unverblümt gesagt werden, der Kläger wisse
das Allgemeininteresse der Gemeinde mangels guten Willens nicht zu wahren
und gehöre daher nicht an ihre Spitze. Wie bereits sub litt. b dargetan
wurde, haben die Beklagten keinen genügenden Beweis erbracht, dass der
Kläger während seiner Amtstätigkeit als Ammann der Stadt Olten wiederholt
bewusst und absichtlich seine Amtspflicht verletzt hat. Somit gingen
sie mit ihrer Kritik gegenüber Dr. Dietschi als Stadtammann Kandidat zu
weit. Sie haben auch damit im Voraus die Absicht und den Zweck verfolgt,
ihn als Stadtammann von Olten zu sprengen, wozu sie aber nicht derartige
Mittel anwendenPressfreiheit. N° 35. 257

durften. In Verbindung mit dem sub litt. ?; erwähnten Passus ist somit
auch hier eine Ehrverletzung gegenüber Dr. Dietschi zu erblicken. d)
Eine vierte und letzte Ehrverletzung erblickt der Kläger in dem
Aufrufe des Volksparteivorstandes in dem Satze, die Volkspartei
würde selber auf jede Parteiehre verzichten, wenn sie einen solchen
Stadtammann zur Wahl empfehlen würde. In diesem satze wird eine gewisse
Verächtlichkeit (Abschätzigkeit) gegenüber Dr. Dietschi ausgesprochen,
indem ihm vor-gehalten wird und dies den Lesern der Oltner Nachrichten
gesagt wird, er sei nicht würdig genug, um das Amt eines Stadtammanns
zu bekleidet-. Dieser Passus steht ebenfalls in Verbindung mit den
bereits behandelten eingeklagten Stellen des Aufrufes und bildet
eine Verstärkung der vorausgegangenen Vorwürfe und Beschuldigungen
gegenüber Dr. Dietschi. Sie sind zum gleichen Zwecke erfolgt und haben
wie die andern ehrverletzenden Charakter, weil Dr. Dietschi damit, wie
überhaupt mit der ganzen Erklärung der Missachtung eines grossen Teiles
der Wählerschait der Stadt Olten ausgesetzt wurde. Die Anrufung der
Parteiehre war ein Appell an das moralische Gewissen der Angehörigen der
Volkspartei, um sie aufmerksam zu machen, dass sie vom Parteistandpunkt
aus eine unehrenhafte Handlung begehen würden, wenn sie Dr. Dietschi die
Stimme als Stadtammann gehen würden. Unehrenhaft ist eine solche Handlung
aber nur dann, wenn derjenige, zu dessen Gunsten die Handlung geschehen
würde, ehrlos wäre, wenn er sich als Mensch und Beamter derart betragen
würde, dass es dem stimmberechtigten Bürger wider seine Ehre gehen würde,
ihm die Stimme zu gehen. Die bezügliche stelle des Aufrufes bedeutet
somit eine Verdächtigung der persönlichen Integrität des Dr. Dictschi und
stellt deshalb einen Angriff auf dessen Ehrenhaftigkeit dar. Dies alles
nur deshalb, um die Parteiangehörigkeit der Volkspartei zu veranlassen,
dem Kläger die Stimme als Stadtammann zu versagen und der Kampfansage
im Sinne des Beschlusses des Parteivor--

258 Staatsrecht.

standes zum Siege zu verhelfen. Schliesslich ist zu erwähnen, dass
diese Kampfansage hauptsächlich deshalb erfolgte, weil Dr. Dietschi
als Stadtammann in einem Falle, der die Volkspartei interessierte, sich
strenge an die Vorschriften des Beerdigungsreglementes der Stadt Olten
hielt, während die Führer der Volkspartei eine andere ihrem Gewissen
besser entsprechende Handhabung gewünscht hätten. In der Handhabung des
Beerdigungsreglementes hat aber Dr. Dietschi in seiner Eigenschaft als
Stadtammann nichts anderes getan, als was er tun musste, wenn er nicht
eine Verletzung und Umgehung des ,bestehenden Beerdigungsreglementes
der Stadt Olten begehen wollte. Insofern dieses Ereignis dem Vorstand
der Volkspartei Olten Veranlassung gab, kämpfend gegen Dr. Dietschi
aufzutreten, konnte aber den Beklagten keine Berechtigung erwachsen,
Dr. Dietschi öffentlich in der Zeitung auf die Art,wie es geschehen
ist, einzugreifen und ihn der Missachtung ansznsetzen und dem Verdachte
nuszuliefern, er habe seine Pflichten als Stadtammann nicht getan und
gehöre somit nicht mehr an diesen Posten. Es handelte sich nicht mehr
um eine blosse Kritik, sondern um eine absichtliche Heruntermachung des
Beschuldigten. Aus dem Gesagten resultiert somit, dass das Amtsgericht
diejenigen Vorstandsmitglieder, welche beim Beschlüsse der fraglichen
Zeitungserklärung (Aufruf) mitgewirkt haben, mit Recht bestraft hat.
Ferner wird noch untersucht, ob eine Verleumdung oder eine Beschimpfung
vorliege, und in dieser Beziehung ausgeführt: Der Verleumdung
ist gemäss è 129 StGB schuldig, derjenige, der in Bezug auf einen
Andern durch Wort, Schrift oder bildliche Darstellung wissentlich
unwahre Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind,
den Beschuldigten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder
seinen Kredit zu ge-fährden. In der cingeklagten Zeitungserklärung
sind nun allerdings auch Tatsachen behauptet worden ; allein es sind
keine solchen, welche als ein wissentliches Vorbringen einer Unwahrheit
erkennbar wären. SomitkannPresstreiheit. N° 35. 259

von einer Verleumdung im Sinne von § 129 81:63 nicht die Rede
sein. Dagegen qualifizieren sich die Äusserungen in dem eingekiagten
Aufruf wohl zum Teil als solche, wie sie in § 129 StGB enthalten sind,
die aber nicht als wissentliches Vorbringen einer Unwahrheit, sondern als
unbesonnenes Verbreiten falscher Gerüchte erscheinen, die in der Absicht
gemacht wurden, um Dr. Dietsehi zu beleidigen. Deshalb liegt diesbezüglich
eine Beschimpfung im Sinne ven § 133 Ziff. 1 StGB vor... Auf jeden Fall
wird im fraglichen Aufruf durch ein abschätziges Werturteil die Ehre des
Dr. Dietschi widerrechtlich angegriffen in der Absicht, um denselben zu
beleidigen, SO dass unter allen Umständen eine Beschimpfung im Sinne von §
133 Ziff. 2 StGB vorliegt.

B. Gegen diesen Entscheid haben Gottlieb Wyss und Genossen am 4. Mai
1923 die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen
mit dem Antrag, er sei aufzuheben und sie seien von Schuld und Strafe
freizusprechen.

Es wird ausgeführt : Der angefochtene Entscheid verletze in erster Linie
die Garantie der Pressfreiheit. Die politischen Parteien hätten das
Recht, in der Öffentlichkeit einen Wahlkandidaten zu kritisieren. Der
Vorstand der Volkspartei habe in seinem Aufruf nichts anderes getan ;
damit sei lediglich angestrebt worden, dass eine objektivere, loyalere
Personals der Rekursbeklagte im Interesse der friedlichen Entwicklung
des Gemein-wesens Stadtammann werde. Die ganze Aktenlage zeige, dass
das im Aufruf enthaltene Urteil über dessen Eignung für das Amt eines
Stadtammanns gerechtfertigt sei. Zum mindesten müsse es als entschuldbar
gelten. Der Rekursbeklagte habe sich über die Beerdigung von Dr. Stössel
in einer Gemeinderatssitzung in einer Weise ausgesprochen, die von der
Volkspartei als unfreundlich und gehässig empfunden werden sei. Er hätte
sich als Stadtannnann damit begnügen sollen, eine Strafklage gegen die
Teilnehmer am Leichengeleite zu veranlassen. Unzählige Male habe er sich
den Katholiken gegenüber

260 Staatsrecht.

auffallend unfreundlich, kleinlich und gehässig gezeigt ; das ergebe sich
aus der Jagd nach dem Kaplanhut , aus den sich daran anschliessenden
Zeitmlgsartikeln, aus seinem Verhalten gegenüber dem früheren Pfarrer
Dr. Düggelin und seiner Haltung in der Krematoriums-angelegenheit.
Es werde auf die Aussagen der Zeugen Zimmermann, Büttiker, Wyss und Kurer
verwiesen. Der Vorwurf der Gehässigkeit gegenüber den Katholiken sei
somit begründet. Selbst wenn dies aber nicht der Fall wäre, so handle es
sich dabei nicht um einen Angriff auf die Ehre des Rekursbeklagten. Die
gegenteilige Annahme des Obergeriehtes ver'stosse gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. In
der Steuerangelegenheit habe der Rekursbeklagte sich nicht für die
Gemeindefinanzen gewehrt, also die Interessen der Gemeinde nicht
gewahrt. Die Vermutung, dass das mit Rücksicht auf die Sozialdemokraten
nicht geschehen sei, bilde keine Ehrverletzung; dass das Obergericht das
Gegenteil annehme, sei mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV unvereinbar. Der Rekursbeklagte
habe sich im Gemeinderat den Sozialdemokraten gegenüber mehr als nur
interparteilich jovial benommen ; seine Haltung beim Generalstreik
von 1918 sei sohwäehlieh gewesen. in der Bern-Angelegenheit habe er
das Recht zu Gunsten einer ihm politisch nahe stehenden Gesellschaft
und zum Nachteil der Finanzen der Gemeinde beugen wollen. Dass er
eine Buchdruckerei leite, bilde eine ReglementSVerletzung. Der im
Aufruf enthaltene Appell an die Parteiehre könne ohne Verletzung der
Pressfreiheit und der Rechtsgleichheit nicht als Ehrverletzung betrachtet
werden. Die Ehre einer Partei erfordere es, dem Rufe des Vorstandes
geschlossen zu folgen. Das Obergericht habe sich in Widerspruch zu seiner
bisherigen Praxis gesetzt. In einem andern Falle (Metzger gegen Schmid)
sei es vom Standpunkt ausgegangen, dass ein Redaktor nicht bestraft
werden könne, wenn er Tatsachen und Vorwürfe veröffentliche, die er auf
Grund gewissenhafter Erkundigung für wahr gehalten habe, indem dann kein
unhesonnenes Verbreiten falscher Gerüchte im Sinne desPressfreiheit. N°
35. WI-

ä 133 StGB Vorliege. Die Bestrafung der Rekurrenten bilde daher eine
ungleiche Behandlung. Sie verstosse endlich auch deshalb gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV,
weil der Parteivorstand lediglich beschlossen habe, den Rekursbeklagten
dureh Publikation eines Afirnfes zu bekämpfen, dieser aber ven einem
einzigen Parteimitglied verfasst worden sei, das ganz von sich aus die
zum Gegenstand der Anklage gemachten Vorwürfe darin aufgenommen habe. Nur
dieses Mitglied oder der Zeitnngsredaktor könnten daher allenfalls als
strafbar betrachtet werden.

C. Das Obergericht hat zur Beschwerde bemerkt, dass sie unbegründet sei.

D. Der Reknrsbeklagte hat Abweisung der Beschwerde beantragt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Die Wahl eines Beamten ist für das in Frage stehende Gemeinwesen eine
Angelegenheit, die das öffentliche Interesse in hohem Masse berührt,
zumal Wenn es sich um den Gemeindeammann oder -präs_identen handelt,
wie im vorliegenden Fall. Es gehört daher zweifellos zu den Aufgaben
der Presse, es den Bürgern und Parteivorständen zu ermöglichen, in der
Öffentlichkeit Stellung zu einer solchen Wahl zu nehmen, insbesondere den
Mitbürgern oder Parteigenossen gegenüber ihre Auffassung über die Eignung
eines Kandidaten auszusprechen und sie je nachdem aufzuierdern, diesen
zu unterstützen oder zu bekämpfen. Der den Rekurrenten zur Last gelegte
Artikei genösse daher den Schutz der Pressfreiheit, wenn der Verfasser
sich darauf beschränkt hätte, in sachlicher oder durch die Umstände
gerechtfertigter Weise die bisherige Amtsiührung des Rekursbeklagten
und seine Eignung zum Amt zu kiitisieren (vgl. AS 39 i S. 363),

Im erwähnten Artikel wird zunächst die Behauptung aufgestellt, es sei
allgemein bekannt, dass der Rekmsbeklagte jede sich bietende Gelegenheit
benutze, um den Katholiken oder der Volkspartei gegenüber seiner Ge--

262 staatsrecht-

hässigkeit Ausdruck zu geben und ihnen einen Hieb zu versetzen. Das
bedeutet, dass er ihnen gegenüber überhaupt nicht objektiv oder sachlich
auftreten könne, son' dem ständig von Unmut oder Gereiztheit gegen sie
erfüllt sei und jede Gelegenheit benutze, um Seinem Hass Ausdruck zu
geben. Dieser Vorwurf ist nach den Akten zweifellos unbegründet. Die
Rekurrenten sind nicht imstande, eine einzige bestimmte Äusserung des
Rekursbeklagten anzuführen, womit er die Katholiken in gehässiger Weise
angegriffen hätte. Wenn er für den Bau eines Krematoriums eingetreten ist,
das Verhalten von Dr. Diiggelin bei der Beerdigung einer Selbstmörderin
und dasjenige eines andern römisch katholisehen Geistlichen beim Betreten
der altkatholischen Kirche, sowie die Haltung der Volkspartei bei der
Beerdigung von Dr. Stössel kritisiert hat, so lässt sich hierin allein
eine Gehässigkeit nicht erblicken. Im Rekurs wird keine bestimmte Stelle
des im Oltner Tagblatt erschienenen Artikels über den Geistlichen, der
ins der altkatholischen Kirche den Hut nicht abzog, angeführt und als
gehässig bezeichnet; dieser Artikel enthält wohl einen leichten Spott,
nicht aber irgendwelche Gehässigkeit. Eine solche kann ebensowenig
in der Bemerkung, die Übertretung des Oltener Beerdigungsreglementes
bei der Bestattung des Dr. Stössel sei für die Gemeinde eine bittere
Angelegenheit , oder in der Drohung, gewisse Massregeln zur Verhinderung
weiterer Übertretungen zu ergreifen, gefunden werden.

Obwohl somit der Vorwurf der Gehässigkeit unbegründet ist, so könnte er
doch den Schutz der Pressfreiheit für sich beanspruchen, sofern anzunehmen
wäre, der oder die Urheber des in Frage stehenden Artikels hätten in
guten Treuen im Verhalten des Rekursbeklagten den Katholiken gegenüber
eine Gehässigkeit sehen können oder sich in der Hitze des Wahlkampfes im
Ausdruck vergriffen (vgl. AS 39 I S. 364 u. 366). Das ist jedoch nicht
der Fall. Es erscheint unmöglich, bei auch nur einigermassen ruhiger
Überlegung im VerhaltenPressfreiheit. N° 35. 263

des Rekursbeklagten, wie es sich aus den Akten ergibt, eine Gehässigkeit
zu finden. Es mag zwar sein, dass woran sich die Rekurrenten speziell
stossen der Rekursbeklagte die Haltung der Volkspartei bei der Beerdigung
von Dr. Stössel scharf kritisiert hat, und es kommt leicht vor, dass
jemand, der einen Tadel erhält, hierin eine 'Gehässigkeit erblickt und
sich dadurch gekränkt fühlt. Allein der Vorwurf der Gehässigkeit ist
in dem den Rekurrenten zur Last gelegten Artikel dem Rekursbeklagten
gegenüber ganz allgemein und nicht etwa speziell im Hinblick auf seine
Haltung bei der erwähnten Beerdigungsangelegenheit erhoben worden. Der
Umstand, dass im Gegensatz hiezu bei dem daran angeschlossenen Vorwurf
der mangelnden Verteidigung der Gemeindeinteressen auf einen speziellen
Fall Bezug genommen wird, gibt zudem der Vermutung Raum, der oder die
Urheber des Artikels seien sich selbst dessen bewusst gewesen, dass es
dem Rekursbeklagten nicht als Gehässigkeit angerechnet werden könne,
wenn er das Beerdigungsreglement der Gemeinde gegenüber Übertretungen
in Schutz nahm. Sie haben sodann auch keineswegs in der Hitze des
Gefechtes gehandelt. Der Artikel ist das Ergebnis einer längern Sitzung
des Parteivorstandes, wo die Frage der Bekämpfung des Rekursbe-klagten
reiflich erwogen wurde, und stellt sich somit als eine wohl überlegte
Kundgebung dar, dies umsomehr, als es sich dabei nicht darum handelte,
für einen eigenen Kandidaten ins Feld zu ziehen, sondern man es mit
einer blossen Demonstration gegen den Rekursbeklagten zu tun hatte, die
lediglich bezweckte, diesem die Stimmen der Mitglieder der Volkspartei zu
entziehen. In einem solchen Falle können offensichtliche Übertreibungen
und Verallgemeinerungen nicht als entschuldbar gelten.

Der Vorwurf, dass der Rekursbeklagte nicht den Mut finde, für bedrohte
wichtige Interessen der Gemeinde ein Wort einzulegen , um es mit den
Freunden der Linken nicht zu verderben, stellt sich als eine Schluss-

264 Staatsreclrt.

folgerung aus seiner Haltung bei der Regelung des steuerfreien
Existenzminimums dar. Wäre lediglich die Tatsache getadelt worden, dass
der Rekursbeklagte in der Gemeindeversammlung sich zu der Frage des
steuerfreien Existenzminimums nicht äusserte, so ginge dies über das,
was einer Partei im Walfikampfe zu sagen erlaubt ist, nicht hinaus. Aber
nach der Fassung wurden dem Rekursbeklagten Beweggründe unterschohen
Liebedienerei gegenüber einer einzelnen Partei und Mangel an Mut der
eigenen Überzeugung, Vernachlässigung der Pflichten gegenüber der Gemeinde
, die völlig aus der Luft gegriffen sind, da man gewiss über das, was
im Interesse der Gemeinde liege, in guten Treuen verschiedener Ansicht
sein konnte. Der Vorwurf erscheint um so verletzender und unbegründeter,
als der Rekursbeklagte schon seit 20 Jahren das Amt eines stadtammanns
unbeanstandet bekleidet hat, wie ihm auch im Jahre 1921 ein Gegenkandidat
nicht gegenüber gestellt wurde. Unter solchen Umständen gehen derartige
leere Vermutungen und Verdächtigungen über die Grenzen einer durch
die Pressfreiheit gewährleisteten Meinungsäusserung hinaus. Ob der
Rekursbeklagte in den andern von den Rekurrenten angeführten Fällen
die Interessen der Gemeinde nicht genügend gewahrt habe, ist nicht zu
prüfen, da ihm das in dem in'Frage stehenden Artikel nicht zum Vorwurf
gemacht wurde.

Die Erklärung, die Volkspartei würde selber auf jede Parteiehre
verzichten, wenn sie einen solchen Stadtammann zur Wahl empfähle,
bildet eine Zusammenfassung und Verstärkung der unmittelbar vorangehenden
Vorwürfe und die aus ihnen sich ergebende Schlussfolgerung, indem damit
gesagt werden will, der Rekursbeklagte habe sich nach den angeführten
Umständen als unfähig oder unwürdig für das Amt eines Stadtammanns
erwiesen und zwar in einem solchen Masse, dass die Volkspartei, ohne ihr
Ansehen einzubiissen, nicht für ihn stimmen könne. Diese Behauptung steht
daher sowenig als die vorangehenden unter dem Schutze der Pressfreiheit.

Prsssfreiheit. N° 35. 265

2. Auch die Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV erweist sich als
unbegründet. Da der den Rekurrenten zur Last gelegte Artikel nicht
eine blosse Erzählung von Tatsachen bildet, sondern ein Urteil über
den Charakter und das Auftreten des Rekursbeklagten enthält, so ist es
zwar zweifelhaft, ob es sich um ein unbesonnenes Verbreiten falscher
Gerüchte im Sinne des § 133 Ziff. 1 des soloth. StGB handle. Auf jeden
Fall aber kann im erwähnten Urteil ohne Willkür eine Beschimpfung im
Sinne des § 133 Ziff. 2 StGB ("widerrechtlicher Angriff auf die Ehre
eines andern ohne Behauptung ehrverletzender Tatsachen) erblickt werden.
Es lässt sich sehr wohl die Auffassung vertreten, mit dem Vorwurf der
Gehässigkeit und des Mangels an Mut in der Wahrung der Gemeindeinteressen
werde behauptet, der Rekursbeklagte habe einen Charakterfehler, sei also
in moralischer Beziehung nicht auf der Höhe seiner Aufgabe und verletze
oder vernachlässige die ihm obliegenden Rechtspflichten ; auch die
Behauptung, die Volkspartei würde auf ihre Ehre verzichten, wenn sie den
Reknrsbeklagten unterstützte, kann für diesen als ehrenrührig betrachtet
werden. Sodann durfte nach der ganzen Sachlage wohl angenommen werden,
dass die Vorwürfe von ihren Urhebern im Bewusstsein der Unbegründetheit
und nicht im Sinne sachlicher Kritik, sondern persönlichen Übelwollens
erhoben worden seien. Im Fall i. S. Metzger gegen Schmid ging das
Obergericht nach der eigenen Darstellung der Rekurrenten von einem
wesentlich andern Tatbestand aus als hier, so dass aus dem damals
gefällten Urteil nicht der Vorwurf der ungleichen Behandlung abgeleitet
werden kann.

Dass das Obergericht sämtliche Rekurrenten als Verfasser des in
Frage stehenden Artikels im Sinne des § 183 StGB behandelt hat, ist
ebenfalls keine Willkür, da es eineädurchaus zulässige Würdigung der
Tatsachen bedeutet, wenn das Urteil davon ausgeht, dass in der Sitzung
des Vorstandes der Volkspartei vom 2. oder 3. August beschlossen werden
sei, die im Artikel enthaltenen Vorwürfe als Grund für die Bekämpfung des

266. Staatsrecht.

Rekursheklagten anzuführen. Von diesem Standpunkt aus aber konnten alle
Rekurrenten als Mittäter im Sinne des § 29 StGB betrachtet werden, auch
wenn nur einer von ihnen im Auftrag der übrigen den Artikel abfasste.
Das Obergericht hat überhaupt die Sache ernsthaft und unparteiisch
beurteilt, wie denn auch der Redaktor des Oltner Tagblattes wegen
der Kritik, die er am Aufruf des Vorstandes der Volkspartei ausübtc,
von ihm bestraft worden ist, weil es darin eine Ùbertreibung erblickte.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Der Rekurs wird abgewiesen.

VI. INTERNATIONALES AUSLIÉFERUNGSRECHTEXTRADITION AUX É'I'ATS ÉTRANGERS

36. Sentenza 14 luglio 1923. nella causa Ragni.

Estradizione richiesta per complicità non necessaria in mancato
omicidio. Questo delittp é reato di estradizione, la quale però in
concreto non può essere ammessa per la natura politica dell'atto
incriminato.

Considerando in [nito ed in diritto :

1° il reato di complicità non necessaria in mancato omicidio e senza
dubbio delitto di estradizione poichè è previsto dal trattato 22
luglio 1868 tra la Svizzera e l'Italia (art. 2 cif. 2 e ult. cap.) e
contemplato tanto dalla legge penale dello Stato richiedente (cod. pen.
italiano art. 364, 62 e 64 cif. 3), quanto da quella dello Stato di
rifugio (cod. pen. del Cantone di Soletta, §§ 108, 26 e 32). -

Internationales Auslieferungsrecht. N° 36. 267

D'altro canto, è regola generale ripetutamente ammessa da questa Corte
(RU 32 Ip. 346 ; 39 Ip. 355; 41 Ip. 141 e più recentemente sentenza 3
giugno 1921 nella causa di estradizione Baila e. Italia, p. 3 cons. 1°),
che la questione della colpabilità non può essere nèssesaminata nè decisa,
neanche a titolo provvisorio, dal giudice di estradizione.

La domanda di estradizione deve quindi essere accolta ove non risulti
fondata l'eccezione, sollevata dal Ragni, che si tratti di delitto
politico a sensi dell'art. 3 del trattato precitato. Ed è questa quindi
la sola questione da risolversi.

2° I fatti per i quali Ragni fu rinviato a giudizio e condannato in
contumacia sono iiferiti nella precitata sentenza della Corte d'assise
di Pesaro nel modo seguente : Circa il mezzogiorno del 28 febbraio
del corrente anno i giovani Rossi Cesare, Vespignani Aldo, Riccardi
Raffaello, Bazzali Alberto, Pompei Sehastiano e Gasparri Dante,
appartenenti al partito fascista di Fano e Pesaro,giunsero in Cagli
su di un automobile. Dopo essersi trattenuti qualche tempo in casa di
Liberati Gaetano, direttore del dazio locale e principale espenente del
fascismo locale, proseguirono con lui per Pianello, frazione del comune
di Cagli, in gita di propaganda. Da tale località fecero ritorno in
Cagli circa alle ore 15.30 e passarono nella Piazza Vittorio Emanuele,
ove era radunata abbastanza folla, essendo quello l'ultimo giorno di
carnevale. Secondo numerose concordi testimonianze, essi entrarono nella
piazza cantandoi loro inni emettendo grida di abhasso all'indirizzo dei
socialisti, comunisti e popolari con parole ingiuriose come in c. . .
ai socialisti, in c . . . . ai popolari. Discesi dall'automobile, si
divisero, andando chi quà, chi la. Mentre il Riccardi camminava sulla
piazza, vide il comunista del luogo Pantaleoni Gaetano, il quale pochi
giorni prima in cui il Riccardi col Bazzali s'erano recati in Cagli per
propaganda, li aveva insultati con parole ingiuriose e con nomi sconci
della bocca. Il Riccardi lo fermò e gli chiese spie-
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 49 I 250
Date : 06. Juli 1923
Published : 31. Dezember 1924
Source : Bundesgericht
Status : 49 I 250
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 250 staatsrecht- V. PRESSFREIHE IT LIBERTÉ DE LA PRESSE 35. Urteil vom 6. Juli


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