52 Sachenrecht. N° 6.

Als vollendet im Sinne des Art. 839 Abs. 2 ZGB ist daher die Bauarbeit der
Handwerker und Unternehmer mit dem Zeitpunkt anzusehen, in dem feststeht,
dass sie für den in Betracht kommenden Bau auf Grund des Werkvertrages
keine Arbeit mehr zu leisten haben, sei es, dass die Arbeiten tatsächlich
geleistet sind, sei es, dass in gesetzlicher Weise auf die Leistung
verzichtet worden ist (vgl. AS 39 ll Nr. 40).

Ob nun im vorliegenden Fall die Arbeiten des Klägers am 29. Januar 1921
wirklich vollendet waren, ist eine reine Tattrage, deren Ueberprüfung dem
Bundesgericht nicht zusteht. Die Vorinstanz hat sie verneint, gestützt
auf die Korrespondenz, in der der Beklagte selbst diesen Standpunkt
eingenommen und dem Kläger zur Vollendung der Arbeit Frist angesetzt
hat, sowie gestützt auf die Vereinbarung der Parteien vom 20. Februar,
in der der Beklagte auf weitere Leistungen des Klägers verzichtete. Dass
die noch fehlenden Arbeiten nicht mehr umfangreich waren, spielt keine
Rolle. Die Eintragungsfrist von drei Monaten begann daher mit der
Vereinbarung der Parteien vom 20. Februar, und die am 6. Mai erfolgte
provisorische Eintragung ist somit innert der gesetzlichen Frist erfolgt,
sodass das Begehren um definitive Eintragung begründet ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht, : Die Berufung wird abgewiesen und? das
Urteil des Obergerichts des [Cante-{ars Aargau vom 9... Dezember 1921
bestätigt.Obligationenrecht. N° 7. 53,

V. OBLIGATIONENRECHT

DROIT DES OBLIGATIONS

7. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Januar 1922 i. S. Nägel-·und.
Vorarlberger Buehärnckerei gegen Neue Zürcher Zeitung Anti-., Meier
und Riemann.

· Organe der Aktiengesellschaft Ein Zei--

tungsredaktor ist nicht Organ der Zeitungsunternehmung. Haftung der
Zeitungsunternehmung a 1 s G e s c h ä f t s h e r r für ehrverletzende
Artikel

seiner Redaktoren (OR Art. SUT Haftung des
ZeitungsredaktorsfürinderZeitung erhobene unwahre
Anschuldigungen. Provokation?

(Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR).

A. In der besonders im Jahre 1919 vielerörterten, auch in der
schweizerischen Bundesversammlung und im Vorarlberger Landtag besprochenen
und im Vorarlberg zum Gegenstand einer Volksabstimmung gemachten Frage des
Anschlusses von Vorarlberg an die Schweiz, nahm die Neue Zürcher Zeitung
(NZZ) eine der Anschlussbewegung freundliche Haltung ein, während das
in Dornbirn erscheinende von Dr. Nägele redigierte Vorarlberger Tagblatt
(VT) einen ablehnenden standpunkt vertrat'und den Anschluss Vorarlbergs an
Deutschland befürwortete. Auf Grund dieser Meinungsverschiedenheiten kam
es zwischen den beiden Blättern zu einer Presspolemik, in deren Verlauf
das VT die NZZ u. a. als deutschfeindliehes und franzosenfreundliehes
Blatt schlimmster Sorte (Jahrgang 1919 Nr. 209), als deutschfeindliches
Ententeblatt (Nr. 244), als imperialistische, dentschfeindliche und
ententefreundliche Zeitung (Nr.211), als Blatt der Schweizer An-

54 Obligationenrecht. N° 7. nexionisten und Vorarlberger Volksverräter ,
als be-

rüchtigte NZZ (Nr. 256), als Aasgeier (Nr. 246)"

bezeichnete, eine Notiz als Lüge qualifizierte, und es eine Gemeinheit
und a niederträchtige Heuchelei nannte, dass die NZZ sie publiziert habe
(Nr. 175). In Nr. 228 vom 5. Oktober 1919 sodann schrieb das VT: Wenn
die Bestrebungen zum Anschluss Vorarlbergs an Deutschland von Berlin
aus gestützt Würden, so wäre das nur erfreulich. Leider ist davon bis
heute nicht viel zu merken. Wohl aber sind die Schweizer vom Bodensee
bis zum Genfersee, vielfach ohne Unterschied der Partei und der Nation,
ausserordentlich lebhaft im Sinne des Werbeausschusses (se. für den
Anschluss an die Schweiz) tätig. Der Werbeausschuss braucht riesige
Mittel, über deren Herkunft im Vorarlberg allerlei, nicht immer saubere,
Gerüchte zirkulieren.

In Nr. 1732 vom 9. November 1919 erschien in der NZZ aus der Feder
Redaktor Rietmanns ein Artikel, in dem einieite'nd von einer in
Innsbruck, Linz, etc. zutage tretenden Bewegung für den Anschluss an
Deutschland die Rede ist, und der sodann den folgenden Passus enthält:
Das Alldeutschtum tut das Menschenmögliche, diese Anschlussgedanken zur
Reife zu bringen. Naturgcmäss entfaltet es die grössten Anstrengungen
im Vorarlberg, um es für die grossdeutsche Idee zu gewinnen. Sein Organ
ist das VT, das den Vorwurf, dass es im Solde deutscher Interessen -im
konkreten Falle ausgedrückt durch die AEG stehe, ruhig über sich ergehen
lassen muss. Dieses Blatt mit verkaufter Seele überbietet sich Tag für
Tag, alles was mit der Schweiz im Zusammenhange steht, zu travestieren,
ins Gegenteil zu verkehren, zu verunglimpfen. Wir hegen indessen eine
zu hohe Meinung von der Standhaftigkeit des Vorarlberger Volkes, um auch
nur einen Moment zu glauben, dass

das alldeutsche Getue und Geschimpf Eindruck ge

macht habe. Wegen dieses Artikels erhoben Dr. Nägele als
Redak--Ohligaüonenrecht. N° 7. 55

tor und die Vorarlberger Buchdruckerei G. m. b. H. in _ Dornbirn
als Besitzerin des VT auf Grund von Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR gegen die NZZ, deren
Chefredaktor, Dr. Meier, und den Verfasser, Redaktor Rietmann, Klage
auf Zahlung von 30,000 Fr. Genugtuung und Verpflichtung zur Publikation
des Urteils in verschiedenen Schweizerund Vorarlberger-Zeitungen. Die
Kläger machten geltend, sie seien durch die unwahre Anschuldigung, sie
stehen im Solde der AEG, in ihren persönlichen Verhältnissen schwer
verletzt warden. Die NZZ habe behauptet, sie vertreten gegen Entgelt
eine den Landesinteressen zuwiderlaufende Politik, sie habe ihnen
m. a. W. Bestechlichkeit und politische Gesinnungslosigkeit nachgesagt.
Dabei müsse insbesondere auch die antisemitische Tendenz des VT und
ferner die Tatsache berücksichtigt werden, dass die AEG eine jüdische
Organisation sei; der Artikel der NZZ lasse unter diesen Umständen beim
Leser den Glauben aufkommen, das VT arbeite

si unter dem Deckmantel des Antisemitismus dennoch

mit jüdischem Geld. . . . Die Beklagten Dr. Meier und die NZZ bestritten
ihre

Passivlegitimation, während Redaktor Rietmann, der die Verantwortung für
den Artikel übernommen hatte, materiell die Anwendbarkeit des Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.

OR vemeinte.

B. Beide Vorinstanzen, das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil
vom 12. September 1921, haben festgestellt, dass die von Redaktor
Rietrnann aufgestellte Behauptung, das VT arbeite mit Unterstützung der
AEG, nicht bewiesen sei, sie haben aber die Klage dennoch abgewiesen,
indem sie mit den Beklagten davon ausgingen, Dr. Meier und die NZZ seien
nicht passnr legitimiert, und mit Bezug auf Redaktor Rietmann sei die
eine Voraussetzung der Haftung aus Art. 49, die besondere Schwere des
Verschuldens, nicht gegeben.

C. Gegen das obergerichtliche Urteil haben die Kläger die Berufung an
das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag auf Zusprechung der Klage.

56 Obligationenrecht. N° 7. ss

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Nach Art. 642
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 642
OR , sind notwendige Organe einer AG die
Generalversammlung, die Verwaltung und die Kontrollstelle. Fernerhin
können die Statuten versehen, dass weitere Personenmehrheiten
oder Einzelpersonen durch Uebertragung von Verwaltungsbezw.
Vertretungsbefugnissen zu Trägern des KorporationsWillens und
damit zu Organen gemacht werden. In den Statuten der AG für
die Neue Zürcher Zeitung werden unter der Ueberschrift Organe
aufgeführt : die Generalversammlung ein Verwaltungskomitee und eine
Kontrollstelle. Sodann wird dem Verwaltungskomitee das Recht eingeräumt,
einzelne seiner Befugnisse an eines oder mehrere seiner Mitglieder oder
an Dritte abzutreten. Nach den Statuten wäre es daher an sich möglich
gewesen, den Redaktoren, neben der eigentlichen Redaktionsarbeit, die
an sich keinerlei Vertretungshandlungen und auch keine wesentlichen
Ver-waltungshandlungen umfasst, durch Ueberlassung eines Teiles
der Befugnisse des Verwaltungskomitees die Stellung von Organen zu
geben. Von dieser Möglichkeit hat jedoch das VerwaltungskOmitee keinen
Gebrauch gemacht. In dem von ihm aufgestellten Organisationsstatut für die
Redaktion wird lediglich vorgesehen, einzelnen Redaktoren das Recht, die
Z e i t u n g zu zeichnen, einzuräumen, dagegen ist von der Ueber-tragung
wesentlicher Verwaltungsoder Vertretungsbefugnisse nicht die Rede.

2. Danach war der Beklagte Rietrnann, als er den streitigen Artikel
publizierte, blosse Hülfsperson der NZZ. Als solche konnte er die
Gesellschaft durch unerlaubte Handlungen nur gemäss Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR,
nicht dagegen gemäss Art. 55
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 55 - 1 Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben.
1    Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben.
2    Sie verpflichten die juristische Person sowohl durch den Abschluss von Rechtsgeschäften als durch ihr sonstiges Verhalten.
3    Für ihr Verschulden sind die handelnden Personen ausserdem persönlich verantwortlich.
ZGB verpflichten; der NZZ stand daher im
Prozesse der Exkulpationsbeweis offen, dass 816 alle nach den Umständen
gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden nach Art des im
StreiteObligationenrecht. N° 7. 57 ,

liegenden zu vermeiden. Diesen Beweis hat die Vorinstanz mit Recht als
erbracht betrachtet.

Eine culpa in eligendi; fälkt nach den Feststellungen des Obergerichts
über die frühere journalistische Tätigkeit Redaktor Rietmanns ausser
Betracht. Aber auch die Auffassung, die Verwaltungsorgane der NZZ hätten
den Artikel vor der Publikation durchsehen und dann ' sein Erscheinen
verhindern sollen, ist abzulehnen. Wenn ein Zeitungsunternehmen einen
gutqualifizierten Redaktor Went, so kann ihm nicht zugemutet werden, dass
es jeden seiner Artikel vor dem Erscheinen kentrollieren lässt. Gerade
darin besteht normalerweise die Aufgabe eines verantwortlichen Redaktors,
dass er im Rahmen der ihm gestellten Ziele im einzelnen Falle auf Grund"
seiner Sachkenntnisse selbständig entscheidet, was publiziert und was
nicht publiziert werden soll. Er allein hat denn auch in der Regel nach
aussen mit seinem Namen für die. Zeitung einzutreten. Uebrigens wäre eine
Kontrolle jedes einzelnen Artikels vor dem Erscheinen bei einem Betriebe
vom Umi-ange der NZZ auch praktisch nicht möglich. Abgesehen von dem
dadurch bedingten Zeitverlust erfordert die Beurteilung der Angemessenheit
einer Publikation in sehr Vielen Fällen besondere journalistische
Fachkenntnisse, ein eingehendes Studium der einzelnen Fragen, die bei
den Ueberwachungsorganen nicht vorausgesetzt werden dürfen.. Schon aus
diesen; Gründen müssen. sich daher diese letzteren auf eine allgemeine
Ueberprüfung der Einhaltung der Tendenz der Zeitung beschränken.

3. Auch hinsichtlich der Haltbarkeit Dr. Meiers ist den Ausführungen des
Obergerichts beizustimmen. Zwar hat der Chefredaktor nach § 3 Abs. 5
des Organisationsstatutes die Kontrolle über den Inhalt der Zeitung
auszuüben und in wichtigen Fällen über das Erscheinen eines Artikels
zu entscheiden. Allein sowenig wie für die Organe der NZZ kann es sich
für ihn darum handeln, jeden einzelnen Artikel vor dem Er-

58 .Obligationenrecht. N° 7.

scheinen zu durchgehen. Wiederum ist darauf hinzuweisen, dass eine
solche Ueberprüfung ein spezielles Studium der Details jeder einzelnen
Frage voraussetzen würde. Da Dr. Meieraber neben seinem Amt als
Chef-redaktor auch noch sein eigenes Ressort, die Handels,abteilung,
zu versehen hat, ist es angesichts des Umfanges des Zeitungsbetriebes
gänzlich ausgeschlossen, dass er sich auch in allen Fragen der übrigen
Abteilungen stets auf dem Laufenden hält. § 3 des Organisationsvstatutes
kann daher ebenfalls nur eine allgemeine Prüfung im Auge haben. Allerdings
weist er dem Chefredaktor in besonders wichtigen Fällen ausdrücklich
auch das Recht und die Pflicht zu, über das Erscheinen einzelner
Artikel zu entscheiden, allein damit will nur gesagt werden, dass bei
Meinungsverschiedenheiten unter den Redaktoren, oder wenn es sich
darum handelt, im Redaktionskollegium die Stellungnahme der Zeitung
zu bestimmten Problemen festzulegen, seine Meinung ausschlaggebend
sein soll, zudem kann im vorliegenden Falle von einer solchen besonders
wichtigen Publikation nicht die Rede sein. Ueber die Stellung Dr. Meiers
lässt übrigens auch' § '? des Organisationsstatutes keinen Zweifel
aufkommen. Wäre er verpflichtet, jeden Artikel vorgängig der Aufnahme
in die Zeitung zu prüfen und zu'genehmigen, so würde dem entsprechen,
dass er nach aussen für den ganzen Inhalt der Zeitung die Verant-wortung
übernehmen müsste, während § 7 dies ausdrücklich ablehnt und jeden
Redaktor für seine Arbeit persönlich verantwortlich erklärt.

4. Die Frage der Anwendbarkeit des Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR auf Redaktor Rietmann
selbst hat die Vorinstanz da-

hin entschieden, dass zwar das Requisit der besonderen-

Schwere der Verletzung, nicht aber das Requisit der besonderen Schwere
des Verschuldens gegeben sei. Dabei ist sie mit Recht davon ausgegangen,
für die Bewertung der Schwere der Verletzung sei nicht imassgebend,
Welchen Sinn der Verfasser dem ArtikelObligationenrechtv N' 7. 59, -

habe geben wollen, sondern wie seine Aeusserung seitens des unbefangenen
Lesers habe aufgefasst werden müssen. Wenn nun Redaktor Rietmann
ausführte, das VT sei das Organ der Alldeutschen, das den Vorwurf,
dass es im Solde deutscher Interessen im konkreten Falle ausgedrückt
durch die AEG stehe, ruhig über sich ergehen lassen müsse, so ist damit
für jeden Dritten klar gesagt, das VT und sein Redaktor lassen sich ihre
politische Stellungnahme bezahlen. Die Notiz konnte auch nicht bloss als
Zitat oder als blosse Wiedergabe eines Gerüchtes aufgefasst werden. Die
Feststellung, das VT m ü 3 s e den Vorwurf über sich ergehen lassen,
enthält vielmehr die positive Behauptung, der Vorwurf sei tatsächlich
nicht widerlegbar. Dieser Sinn wird übrigens durch den folgenden Satz,
in welchem von dem Blatte mit verkaufter Seele die Rede ist, noch
verdeutlicht.Eine derartige Anschuldigung ist zweifelsohne geeignet,
sowohl den Besitzer als auch den Redaktor der betreffenden Zeitung in
seinen persönlichen Verhältnissen schwer zu verletzen. Es wird ihnen damit
bezüglich einer für das allgemeine Interesse ausserordentlich wichtigen
Frage vorgeworfen, sie lassen sich bei ihrer Stellungnahme nicht durch
ihre Ueberzeugung, sondern durch die Aussicht auf ökonomische Vorteile
leiten, ein Vorwurf, der, wenn er berechtigt wäre, sie in den Augen
aller rechtlich Denkenden verächtlich machen müsste.

Was die Verschuldensfrage anbelangt, so hat der Beklagte geltend
gemacht, er habe seine Behauptung in guten Treuen aufgestellt. In
dieser'Hinsicht ist jedenfalls richtig, dass Rietmann seinen Artikel
nicht etwa im Bewusstsein der Unrichtigkeit der darin enthaltenen Angaben
publizierte. Das Beweisverfahren hat ergeben, dass ein Verdacht, die
AEG unterstütze das W, in Vorarlberg selbst bestand, dass der Beklagte
davon von vorarlbergischer Seite Kenntnis _ erhalten, und dass er

60 . Obligatlonenrecht. N° 7.

auch in anderen Zeitungen ähnliche Verdächtigungen gelesen hatte.

Als schweres Verschulden im Sinne von Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR kann sich jedoch auch
ein grob fahrlässiges Verhalten darstellen. Dabei ist im vorliegenden
Falle die besondere Schwere der erhobenen Anschuldigung und sodann
die besonders grosse Wirkung einer Bekanntmachung vermittelst der
Druckerpresse zu berücksichtigen. Der Beklagte musste sich klar sein über
die weitgreifenden Wirkungen, die seine Publikation in. der verbreiteten
NZZ haben werde. Er hätte daher alle Veranlassung gehabt, sich genau
über die Begründetheit seiner Vorwürfe zu orientieren. Dieser Pflicht
hat er nicht genügt.

Es steht fest, dass er, als er die Notiz über das VT publizierte,
sich im wesentlichen auf zwei Artikel des Berliner Tagblattes und der
Tribune de Lausanne, die eine ähnliche Anschuldigung, aber nur g er ii
c htw e i s e, Wiedergaben, und sodann auf die Aeusserungen einiger
Vorarlberger Bürger verliess, die ihm bei einer Orientierungsfahrt
schweizerischer Pressevertreter im Vorarlberg erklärt hatten, es gehe
im Lande das G er ü c h t, das VT werde von alldeutscher Seite mit Geld
unterstützt. Objektive Tatsachen dagegen, die ihn berechtigt hätten,
diese Gerüchte als wahre Tatsache wiederzugeben, konnte der Beklagte
nicht anführen. So lässt sich daraus, dass die AEG angeblich grosse
Interessen an den Wasserkräften Vorarlbergs hat, nicht folgern,
sie habe deswegen das VT gekauft, bezw. das VT habe sich kaufen
lassen. Ebensowenig kann aus dem leidenschaftlichen Ton, den das VT
hinsichtlich der Ansehlussfrage angeschlagen hat, geschlossen werden,
es stehe in fremdem solde. Weiter aber beweist auch die Tatsache nichts,
dass das VT die Anschuldigung in der Tribune de Lausanne nicht zurückwies
; es ist sehr wohl mögich, dass Dr. Nägele die betreffende Nummer nieht
zu Gesicht bekommen hat. Die Behauptung endlich, das VT habe auch die
Verdächtigung durchObligationenrecht. N° 7. 61

das Berliner Tagblatt über sich ergehen lassen, erweist. sich als
geradezu unrichtig. In der Nummer vom 5. Oktober 1919 wird in einer
Notiz der Redaktion die Anschuldigung kategorisch zurückgewiesen und
erklärt, es wäre schade um die Druckerschwärze, wollte man sich auf
derart blödsinnige Behauptungen einlassen.

Liegt schon in dieser Wiedergabe von durch keine tatsächlichen Grundlagen
gestützten Gerüchten als bewiesene Tatsachen ein grobes Verschulden des
Beklagten so ist dieses noch schwerer zu bewerten angesichts der der
Anschuldigung gegebenen besonderen Form. Dass, der Beklagte dem VT ein
stillschweigendes Zugeständnis nnterschob, war geeignet, zum vornherein
alle Zweifel an der Richtigkeit seiner Darstellung auszuschliessen.
Gerade die Behauptung aber, das VT habe den Vorwurf über sich ergehen
lassen müssen, hätte der Beklagte ohne weiteres als unrichtig erkennen
können, wenn er nur den Gang der Polemik in der von ihm angegrif-

, fenen Zeitung sorgfältig verfolgt hätte.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann aber auch davon nicht die
Rede sein, dass der Beklagte Rietmann durch das VT in einem Masse
provoziert worden sei, das sein Verschulden nicht mehr als besonders
schweres ' im Sinne von Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR erscheinen lasse. Zutreffend führt
der Beklagte allerdings aus, das VT habe die NZZ, die Schweizer Presse
und die Schweiz im allgemeinen mehrfach beschimpft. Richtig ist ferner,
dass das Bundesgericht in einem früheren Entscheide die Haftung aus
Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR wegen Provokation verneinte (AS 39 II 283). Allein einmal
könnte von einer rechtlich erheblichen Provokation nur dann die Rede
sein, wenn Redaktor Rietmann dadurch in eine, eine ruhige Ueberlegung
hemmende, Gemütsbewegung versetzt worden wäre, wofür weder die Akten
noch insbesondere der streitige Artikel selber irgendwelche Anhaltspunkte
gehen. sodann aber ist in allen Beschimpfungen, die sich gegen

62 Obiigationenrecht. N° 7.

die NZZ richten, nicht so sehr eine Provokation des Beklagten, als
vielmehr der NZZ zu sehen. Schliesslich aber übersicht die Vorinstanz,
dass der Beklagte auf Beschimpfung-en mit einer Verleumdung, d. h. mit
positiv unwahren Anschuldigungen antwortete. Rechtfertigte das Verhalten
des VT auch noch so sehr eine scharfe Zurückweisung, so durfte doch
Rietmann nicht zu einem solchen Mittel der Gegenwehr greifen.

5. Den Klägern ist daher eine angemessene Summe als Genugtuung
zuzusprechen, und es kann angesichts der vorstehenden Erwägungen die
Auffassung des Beklagten, er sei in der Lage, dem Anspruch der Kläger
einen gleich grossen Anspruch aus Beschimpfung entgegenzuhalten,
nicht geteilt werden. Dagegen ist allerdings das provokatorische
Verhalten des VT als wesentlicher Reduktionsgrund in Berücksichtigung
zu ziehen. Ferner geht aus der ganzen Kampfweise des VT hervor, dass
es seinerseits nicht gewohnt ist, die persönlichen Verhältnisse seiner
Gegner zu respektieren. Diese Tatsache rechtfertigt die Annahme, weder der
Redakter, noch die Eigentümer des Blattes empfinden in dieser Hinsicht
sehr fein. Eine Beeinträchtigung, für die, wie sie ausführen, nur eine
hohe Genugtuungssumme ein etwelches Aequivalent bedeute, kommt daher
nicht in Betracht. Aus beiden Gesichtspunkten erscheint eine weitgehende
Reduktion des von den Klägern geforderten Betrages, und zwar auf die
Summe von 500 Fr., angemessen. Darüber hinaus ist dem. Leserkreis, dem
die Anschuldigung in erster Linie bekannt geworden ist, demjenigen der
NZZ, von der dem VT erteilten Satisfaktion durch einmalige Publikation
in diesem Blatte Kenntnis zu gehen.

6. Bei der Kostenverteilung muss berücksichtigt werden, dass die
Kläger mit der Klage gegen die NZZ und Dr. Meier abgewiesen worden
sind, dass sie eine vielfach übersetzte Forderung gestellt haben, und
dassOhligationenrechsn N° 8. 63

ihre Art der Prozessfùhrungin erster Linie an der über-9 ' mässigen
Ausdehnung des Prozesses schuld trägt.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird hinsichtlich der Beklagten Dr. Meier und
NZZ. abgewiesen, hinsichtlich des Beklagten Rietmanu dagegen teilweise
gutgeheissen und dieser letztere verpflichtet, den Klägern als Genugtuung
500 Fr. zu bezahlen und das Dispositiv dieses Urteils einmal auf seine
Kosten in der NZZ zu publizieren.

8. Arrét de la. IIe Section civile du 25 janvier 1922 dans la cause
Ohaperon contre Veuve Ohappaz.

Art. 522 C0, 512 CC. Conditions de forme auxquelles est soumise la
validité du contrat d'entretien viager, en particulier obligation pour
les deux parties contractantes. de déclarer leur volonté non seulement
à l'officier public, mais aussi aux témoins, lesquels doivent certifier
cette de'claration par une attestation expresse.

A. Le 19 décembre 1914, Edouard Cropt, notaire à Vouvry, a dressé un
act-e d' entretien viager dont. les passages suivants intéressent le
present procés :

Comparait Mme Rose Chaperon, femme de Joseph autorisée laquelle declare
céder et abandonner' en toute propriété, aux charges et conditions
suivantes, à Charlotte, Romain, Andree et Louis Chaperon.... presents,
qui acceptent. les immeubles suivants (suit v la désignation). "

CONDITIONS.

1. Les cessionnaires devant entretenir et soigner la cédante sa Vie
durant ainsi que son mari ..... jusqu'à leur 'décès.

2. Au cas où les hénéficiaires Rose et Joseph Cha -
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 48 II 53
Datum : 18. Januar 1922
Publiziert : 31. Dezember 1922
Quelle : Bundesgericht
Status : 48 II 53
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 52 Sachenrecht. N° 6. Als vollendet im Sinne des Art. 839 Abs. 2 ZGB ist daher die


Gesetzesregister
OR: 49 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
55 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
642
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 642
ZGB: 55
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 55 - 1 Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben.
1    Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben.
2    Sie verpflichten die juristische Person sowohl durch den Abschluss von Rechtsgeschäften als durch ihr sonstiges Verhalten.
3    Für ihr Verschulden sind die handelnden Personen ausserdem persönlich verantwortlich.
BGE Register
39-II-278
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • zeitung • frage • vorinstanz • bundesgericht • 1919 • provokation • sold • richtigkeit • journalist • genugtuung • verhalten • beschimpfung • deutschland • persönliche verhältnisse • zweifel • schaden • lausanne • redaktion • tag
... Alle anzeigen