412 ss staats-sehe
VII. EIGENTUMSGABANTIE
GARANTIE DE LA PROPR IÉTÉ
48. Urteil vom 20. Oktober 1922 i. S. Sehellenberg und Witwe Kimi
gegen Zürich. Anfechtung von Wiedererwägungsentscheiden. Streitigkeiten
z'wischen der Staatsverwaltung und dem Einzelnen über den Inhalt seiner
Privat-rechte Kann der Einzelne einen solchen sstreit mit einer Beschwerde
wegen Verletzung der Eigentumsgarantie vor das Bundesgericht bringen
? Inhalt ehehafter Tavernenrechte im Kanton Zürich; sie geben einen
Anspruch auf teilweise Befreiung von der zürcherischen' Wirtschaftsabgabe.
A. Die Rekurrenten' H. Schellenberg, Wirt zur Krone , und Frieda
Hüni, Wirtin zum - Ochsen , in Winterthur, sind Inhaber von sogenannten
ehehaften Tavernenrechten, die als Privatrechte gelten und die Befugnis
zum Betrieb eines Gasthauses in sich schliessen. In Beziehung hierauf
bestimmte das helvetische Gesetz vom 24. Herbstmonat 1799 über Patente
und deren Gebühr für Wirte und Schenken in Art. 8: Alle bisherigen
privilegierten Wirtsrechte, die auf Häusern hafteten, käuflich und
erblich und als Ehehaften anerkannt waren, bezahlen anstatt der oben
(für Gastwirte , Pintenschenken oder Kaffeehäuser ) festgesetzten
Patentgebühr, lediglich vier Franken für die Ausfertigung des Patents.
Unter Gastwirtshäusern verstand das Gesetz" diejenigen, in denen nebst
dem Getränke auch Speisen hergegeben und Fremde übernachtet werden (Art. 3
A). In der spätern Gesetzsi gebung des Kantons Zürich wurden die ehehaften
Tavernenrechte grundsätzlich weiter in ihrem Bestande ssff
geschützt. Deren Inhaber mussten aber Wie andere Wirte nach der
gesetzlichen Verordnung über dieEigentumsgarantie. N° 48. 413
Art der Bewilligung und die Polizei der Tavernenwirtschaften und
WeinSchenken vom 24. Dezember 1803, dem Gesetz vom gleichen Tage
über die indirekten Abgaben und dem Beschluss vom 23. Oktober si 1804
fiber die Patentlösungen vom Weinausschank eine Abgabe entrichten. Das
Gesetz vom 21. Weinmonat 1_834 betr. die Erteilung von Weinschenks-und
Speisewirtschaftspatenten und den Bezug der Wirtschafts- abgabe enthielt
den Grundsatz des Patentzwanges für Weinschenken und Speisewirtschatten
, in denen Getränke oder Speisen abgegeben, aber nicht über, Nacht
Personen oder Pferde-beherbergt werden durften. Aus dem Titel II
dieses Gesetzes: Wirtschaftsabgabe und Patentgehühren sind folgende
Bestimmungen hervorzuheben : § 21. Jedem Wirt oder Weinschen k Wird
vermittelst eines Patentes das Recht erteilt,-sicli beim Ausschenken
seiner Getränke eines um einen Zehnteil kleinem Masses zu bedienen,
als das im Verkehr im Grossen gewöhnliche Mass enthält; der Patentierte
ist dagegen verpflichtet, die zehnte Mass im Ausschenkspreise dem Staat
abzutragen, welches als eine Jährliche Getränksabgabe von allen und
. jeden Wirtschaften im Kanton vermittelst einer Taxation nach Klassen
bezogen werden soll. § 22. Für einfache Weinschenksrechte ist in einer
und derselben Klasse die Patentgebühr (Rekognition) zugleich mit der
Wirtschaftsabgabe enthaltenä 23. Die gleichen Klassenansätze für die
Getränksteuer, jedoch ohne Inbegriff der Rekognition, gelten auch für
die mit grössern Rechten ausgestatteten Tavemenwirte und für die noch
nicht ausgelaufenen Weinschenkspatente. § 24. Für die Erlangung eines
Speisepatentes werden dem betrefienden KlassenanSatz in den Klassen 1 bis
17 120 Fr.,m den Klassen 18' bis 37 ZOO Fr. und inden Klassen 38 bis 51
80 Fr. beigefügt. § 25. Für die Ausfertigung eines Weinschenksund si eines
speisepatentes ist die 'Kanzleitaxe 5 Bauen,... § 28. Im Laufe des Monats
414 . Staatsrecht..
Dezember versendet der Finanzrat an die Statthalter zur ungesäumten
' Mitteilung der Taxation an die Betreffenden: a) die ausgefertigten
Weinschenksund Speisepatente, in welchen die Klasse der Wirtschaftsabgabe
bezeichnet ist; b) die Zahlungsaufforderung an die Tavernenwirte, und
an solche Weinschenken, deren ältere Patente noch nicht aus-gelaufen
sind... § 29. Für die Wirtschaftsabgabe wird die Zahlung in zwei gleichen
Terminen...; geleistet. Diejenigen Personen, welche ihr Patent nicht bis
zum 15. Jenner durch Entrichtung des ersten Termine gelöst haben, werden
angesehen, als 'hätten sie auf das Patent verzichtet und sind desselben
verlustig. Die T avernenwirte, Weinschenken mit ältern Patenten...,
welche den einen oder andern der bezeichneten Zahlungstermine nicht
eingehalten haben, Werden für jeden Termin durch den gewöhnlichen
Rechtstrieb zur Zahlung angehalten. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass
nach § 5 des Gesetzes nur solchen Personen Speisepatente erteilt werden
konnten, die zugleich ein (c Weinschenksrecht erhielten. Die Dauer eines
Patentes, das als rein persönliches Recht galt, betrug nach § 15 ein
Jahr. Am 15. Dezember 1845 wurde ein neues Gesetz betr. die Weinschenken,
Speisewirtschaften und die Wirtschafts-abgabe erlassen, das ausser einer
Gebühr für die Behandlung des 'Patentgesuches die Wirtschaftsabgabe
und die Speisepatentgebühr beibehielt, indem es bestimmte: § l7. Von
allen und jeden Wirtschaften im Kanten soll eine jährliche Getränksabgabe
vermittelst einer Taxation nach Klassen bezogen werden. Als Grundlage für
die Taxation wird der Verbrauch an Getränken jeder Art angenommen. Für
Speisepatente . ist eine besondere Gebühr zu entrichten... g21. Der Bezug
der Wirtschaftsabgabe und. Speisepatentgebühren ist mit der Aushingabe
der Patente verbunden und findet folgender Weise statt: a) die Statthalter
erlassen sogleich nach Empfang der Patente Anzeigen san die
-a -k___..,f_Eigentumsgarantie. N° 48. 415--
Betreffenden, dass sie bis spätestens den 31. Dezember die Patente
gegen Erlegung der Wirtschaftsabgabe und Speisepatentgebühr aushinlösen
können, in der Meinung, dass nach Ablauf dieses Termins die bis dahin
nicht gelösten Patente als erloschen betrachtet und die Wirtschaften
geschlossen werden sollen; b) gleichzeitig versenden die Statthalter
die Taxationsanzeigen an die Tavernenwirte, in welchen dieselben zur
Zahlung. der Abgabe bis spätestens den 15. Jenner aufgefordert werden,
und übergeben unmittelbar nach Ablauf dieses Termines allfällige
Zahlungssäumige dem gewöhnlichen Reehtstrieb. . Das Gesetz vom 15. Juli
1888 betr. das Wirtschaftsgewerbe stellte sowohl das gewerbsmässige
Beherbergen von Gästen, als auch das Verabreichen von Getränken und
Speisen zum Genuss an Ort und Stelle unter den Patentzwang. Von den
bisherigen Taxen wurde lediglich die c; Wirtschaftsabgabe beibehalten,
die im Verhältnis zur Begangenschaft' festgesetzt werden sollte. §
47 des Gesetzes bestimmte in Ziff. 1 : Taverneninhaber, welche sich
im Besitze einer noch nicht abgelaufenen Konzession befinden, sind bis
zum Ablaufe der 20 Jahre, und Inhaber von Ehehaften vom Inkrafttreten
dieses Gesetzes an noch 20 Jahre lang in ihren Tavernenrechten geschützt
und bei Feststellung der jährlichen Wirtschaftsahgabe angemessen _
zu entlasten. Aus dem Bericht des Regierungsrates zum Entwurf des
Gesetzes vom Jahre 1884 ist folgendes hervorzuheben: In der Aufhebung
dieses besondern speisepatentes findet der Patentbewerber ein Äquivalent
für die vorgesehene Erhöhung der Minimaltaxe auf 100 _Fr. Es ist schwer
einzusehen, warum die Tavernen nicht ganz denselben Anforderungen
unterstellt werden sollen, wie die Wirtschaften. Auf der andern
Seite sind zwar schonBedenken aufgestiegen, ob der Staat überhaupt ein
Recht habe, gewisse Tavernenrechte mit oder ohne Entschädigung einfach
auf ,dem Wege der Gesetzesrevision aufzuheben.
416 ' ' Staatsrecht. .
Dem gegenüber ist in erster. Linie darauf hinzuweisen, dass mit Bezug
auf diejenigen: Tavernen, welche gegen Entrichtung einer Gebühr
das Tavernenrecht und damit dierBefreiung von einen besondern
Speisepatentabgabe auf die Dauer von 20 Jahren erworben haben,
solche Bedenken von vorneherein dahinfallen müssen, nach-, dem solche
Konzessionen bis zu ihrem Ablaufe ausdrücklich gewährleistet sind und
dieselben überdies bei Bemessung der jährlichen Wirtschaftsabgabe,
in welcher künftig die Speisepatentgebühr inbegriffen ist, angemessen
berücksichtigt werden sollen. Aber auch bezüglich der sogenannten
Ehehaftendarf die Staatshoheit das Recht sich vindizieren, die
Aufhebung der bisherigen Sonderstellung auf legislatorischem Wege zu
verfügen. Der Gesetzesentwurf hat auch hier den Verhältnissen billige
Rechnung tragen wollen, indem er wiederum die bisherigen Ehehaften noch
für volle 20 Jahre im Besitze eines bisher ausgeübten Rechtes belässt
und ihnen bezüglich der Bemessung der jährlichen Wirtschaftsabgabe die,
gleiche Vergünstigung einräumt, wie den konzessionierten Taveruen. Mit
der Abschaffung der bisherigen Konzessionsgebühr für Tavernen wäre die
eine Forderung der oben erwähnten Petition erfüllt; dem weitem Begehren,
dass auch die jährliche Wirtschaftsabgabe fallen gelassen werde, kann
nach der Ansicht des Regierungsrates nicht entsprochen werden. Es wäre
wohl ein vergeblicher Versuch, wenn der Regierungsrat die Beibehaltung
der .Wirtschaftsabgabe nur ,aus Rücksichten auf das öffentliche Wohl
herleiten wollte. ...es würde sich doch höchst sonderbar ausnehmen, wenn
der h". Kantonsrat im gleichen Momente, in welchem er seine Kommission
und den Regierungsrat einladet, zu prüfen, Welche indirekten Steuern
eingeführt werden könnten, auf eine jährliche Einnahme von 300,000
Fr. verzichten wollte, Welche mit einer indirekten Steuer die allernächste
Verwandtschaft hat. Ganz abgesehen von der Eigentums-gamma N° 48. '41-7.
finanziellen Tragweite erscheint die Beibehaltung der WirtSchaftsabgabe
durchaus gerechtfertigt. DieBe-sssi
'rechtigung leitet sich her aus den 'ausnahinsvreisen;
Unkosten, welche mit der kontinuierlichen Beaufsich-1 tigung dieses
eigenartigen Gewerbebetriebes im' Ins teresse des öffentlichen Wohles
verbunden sind, und die Petition der Wirte um gänzliche Aufhebung der
Wirtschaft'sabgabe könnte nur dann verständlich werden, wenn dieselben
gleichzeitig die Hoffnung hätten, dass die Staatsgewalt die schrankenlose
Konkurrenz, welche die Freigebung erzeugen müsste, dadurch einzudämmen
un Stande sei, dass die Patentbewilligung' künftig wieder von der Frage
des. Bedürfnisses abhängig gemacht werde, wie es vor dem Jahre 1831
der Fall gewesen; Allein diese "Frage der Limitierung der, Wirtschaften
ist durch die Bundesverfassung und Bundespraxis in verneinendem Sinne
gelöst;.. .Neben allem dem (den polizeilichen Beschränkungen) bildet
aber die Beibehaltung der bisherigen Wirtschaftsabgabe gerade das
wirksamste Mittel, um einer ungesunden und auch. für das öffentliche
Wohl verderblich wirkenden Ausdehnung der Wirtschaften entgegenzutreten.
Die Finanzdirektion erklärte sodann in einem nach der Annahme des neuen
Gesetzes erlassenen Kreisschreiben, die Entlastung der Taverneninhaber
nach § 47 könne dadurch geschehen, dass ihnen für das Recht des
Speisewirtens kein besonderer Zuschlag angerechnet werde. Wegen,
der Bestimmung des § 47 Ziff. 1 erhoben zwei Inhaber von ehehaften
Tavernenrechten, Spiess und Moser, eine Entschädigungsklage gegen den
Kanten Zürich, die vom Bundesgericht am 17. Januar 1891 grundsätzlich
gutgeheissen wurde (AS 17 I 187 ff. ). Infolgedessen klagten eine Reihe
weiterer Wirte (Alfred Brunner und Genossen), die sich als Inhaber
von ehehaften Taverne]:rechten betrachteten, darunter die damaligen
Eigenstümer der Gasthäuser zur Krone und zum Ochsen .n' in Winterthur,
'im Oktober 1892 ebenfalls gegen den.
41 8 Staatsrecht .
Kanton Zürich auf Zahlung einer Entschädigung. Der zürcherische
Regierungsrat erklärte nunmehr, dass er darauf verzichte, das neue
Gesetz gegenüber den Inhabern abweichender Privatrechte auszuführen, da
sonst der Kanton ein zu grosses Opfer bringen müsste. § 47 Ziff. I wurde
denn auch am 23. April 1893 abgeändert und erhielt folgenden Wortlaut:
Taverneninhaher, welche sich im Besitze einer noch nicht abgelaufenen
Konzession befinden, sind bis zum Ablaufe derselben in ihren konzedierten
Rechten geschützt und bei Feststellung der jährlichen Wirtschaftsabgabe
angemessen zu entlasten. Ebenso bleiben die ehehaften Tavernen-rechte
unverändert fortbestehen. Der Regierungsrat ist indessen jederzeit
berechtigt, dieselben loszukaufen oder nach Massgabe des Gesetzes
betreffend die Abtretung von Privatrechten zu erwerben. Diese Bestimmung
ist unter § 78 auch in das Wirtschaftsgesetz vom 31. Mai 1896 aufgenommen
worden. Infolge dieser Gesetzesänderung wurde der durch die erwähnten
Klagen von Brunner und Genossen eingeleitete Prozess vom Bundesgericht
am 14. Juli 1893 als gegenstandslos abgeschrieben.
Am 2. Juni 1921 entschied der Regierungsrat des Kantons Zürich, dass für
die Jahre 1921/22 der Rekurrent Schellenberg eine Wirtschaftsabgahe von
je 800 Fr. und die Rekurrentin Hünieine solche von je 700 Fr. entrichten
müsse. Beide Rekurrenten stellten darauf ein Wiedererwägungsgesuch ;
Schellenberg verlangte Herabsetzung der Taxe auf 500 Fr., Witwe Hüni
deren Reduktion auf 400 Fr. Zur Begründung machten sie geltend, es sei
beider Feststellung der Wirtschaftsabgabe nicht berücksichtigt worden,
dass sie Inhaber von ehehaften Tavernenrechten seien. Der Regierungsrat
beschloss jedoch am 20. August 1921, auf das Gesuch des Schellenberg
nicht einzutreten, und am 2. September erledigte er in gleicher Weise
das Gesuch der Witwe Hüni. .Er stützte sich dabei auf Berichte der
Finanz-Eigentumsgarantie. N° 48. 419
direktion; aus demjenigen, den diese zum zuletzt genannten
Gesuch abgegeben hatte, ist folgendes hervorzuheben: Dass zu der
Liegenschaft zum Ochsen, in Winterthur; ein Tavemenrecht gehört,
wird nicht be-stritten, wohl aber, wird bestritten, dass dieses
Recht einen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Festsetzung der
Wirtschaftspatentgebühren begründe. ,Im Jahre 1803 wurden die Verhältnisse
bezüglich der Wirtschaften neu geordnet. Neue Tavernenwirtschaften
oder Weinschenken bedurften einer Bewilligung. Die Bewilligung von
Weinschenken wurde für die Dauer von zehn Jahren ausgestellt. Die
Rekognitionsgebühr betrug für die Tavernen 200 Fr. bis 400 Fr.,
für die Weinschenken 20 Fr. bis 80 Fr. Neben der Rekogmtlonsgebühr
hatten die T avernenwirtschaften, die Inhaber von Weinschenken oder die
Gesellschaftshäuser (Zunfthäuser) eine jährliche Gebühr von 16 Fr. bis
300 Fr. zu bezahlen, §§ 6 and 7 des Gesetzes betreffend die indirekten
Abgaben vom 23. Dezember 1803. Im Jahre 1809 wurde die Rekognitionsgebühr
für neue TavernenWirtschaften auf 800 Fr. bis 1600 Fr. erhöht. Ferner
wurden von da an auch Speisewirtschaftspatente bewilligt und zwar je für
zehn Jahre. Die Rekognitionsgebühr betrug 200 Fr. bis 800 Fr. Durch das
Gesetz betreffend die Wirtschaftsabgabe vom 18. Dezember 1812 wurden die
Taxen für die Weinschenken, Speisewirtschaften und Tavernen erhöht. Im
Jahre 1821 wurde festgesetzt, dass von 1823 an die Wirtschaftsabgabe 10 %
des Verkaufserlöses aus den Getränken betragen solle. Nach dem zwölf Jahre
geltenden Gesetz betreffend die Speisewirtschaften vom 3. Februar 1830
durften nur eine gewisse Anzahl von Speisewirtschaiten bestehen. Die
Patentgebühr betrug 40 Fr. bis 160 Fr. Die Patente hatten eine Dauer
von Vier Jahren. Am 25. März 1833 wurde die Rekognitionsgebühr für die
Speise? wirtschaftspatente auf 80 Fr. bis 300 Fr. erhöht.... Bei Erlass
des Gesetzes betreffend die Weinschenken, Speise-
. 2120" Staatsreciit.
wirtschaften und die Wirtschaftsabgabe vom 15. Dezember 1845 konnte
ein-Bewerber entweder ein Wein , schenkoder ein Speisepatent, gültig für
ein Jahr, erwerben; er wurde nach dem Verbrauch an Getränken taxiert. Die
Rekognitiohsgebühr, wie sie bisher für die alten Tavernengerechügkeiten,
Speisewirte und Weinschenken bestanden hatte, war somit aufgehoben ;
sie wurde nur noch von den neuen, für 20 Jahre geltenden
Tavernenrechtsinhabern bezogen. In keinem, Gesetze '
und in keiner Verordnung ist jemals den Inhabern von altem oder neuern
Tavernengereehtigkeiten eine Begünstigung Feder in der Rekognitiongebühr
noch in der jährlichen Wirtschaftsabgabe eingeräumt werden. Was die
Begangenschaft des Gasthofes zum Ochsen betrifft, gemäss welcher die
Patentgebühr festzusetzen ist, so liegt der Gasthof in nächster Nähe des
Bahnhofes; er besitzt zahlreiche Räumlichkeiten und ist gut geführt. Die
Assekuranzsumme des Gebäudes beträgt 143,100 Fr., der Verkehrswert
mag das mehrfache dieser Summe ausmachen und der Umsatz per Jahr zirka
100,000 Fr. bis 150,000 Fr. betragen. Eine Patentgebühr von 700 Fr. ist
mithin als mässig zu betrachten. Eine Reduktion käme einer Unbilligkeit
gegenüber andern Patentinhabern gleich. Im Entscheide über das Gesuch
des Schellenberg führte der Regierungsrat aus: Die Finanzdirektion stellt
gegenüber der Behauptung des Revisionspefenten, er habe als Inhaber einer
Tavernengerechtigkeit das Recht zu verlangen, dass seine Gebühr auf 500
Fr. herabgesetzt werde, fest, dass ein solches Recht nicht besteht. Durch
die zürcherische Staatsverfassung vom 23. März 1831 wurde die Freiheit
des Handels und der Gewerbe ausdrücklich gewährleistet. Zufolgedessen
konnten neben den bisherigen an bestimmte Lokalitäten gebundenen Gewerbe
wie Tavernenwirtschaften, Metzgereien etc. neue Gewerbe dieser Art
entstehen. Die neuen Tavernenrechte wurden auf die Dauer von 20 Jahren
ausgestellt (§ 11Eigentums garantie. N° 48. 421
des Gesetzes über die von obrigkeitlichen Bewilligungen abhängenden und
an Lokalitäten gebundenen Gewerbe vom 11. Mai 1832, 0. s. II 68). Die
Patentgebühr betrug für diese Zeitdauer 400 Fr. bis 1000 Fr. Durch die
Freigebung des Gasthofgewerbes haben die Tavernenrechte an Bedeutung
eingebüsst. Eine günstige Lage und gute Bedienung bei Abgabe von Speisen
und Getränken, sowie ein qualifizierter Wirt können eine grössere
Begangenschaft erzielen als eine Wirtschaft mit Tauernenrecht, welche
diese Vorteile nicht aufweist. Fur alle Gasthofbetriebe (Tavernen und
gewöhnliche Gasthöfe) muss je nach der Begangenschaft eine Patentgebühr
bezahlt werden. Eine Begünstigung bezüglich der Brmässigung der
Patentgebühr für Tavemenrechte ist in keinem Gesetze ausgesprochen;
wohl aber gemessen die Inhaber von Tavernen eine Begünstigung dadurch,
dass sie, sofern die Tavernengerechtigkeit nachgef wiesen ist, wie die
gewöhnlichen Inhaber von Gasthofpatenten das Recht besitzen, Personen
und Vieh zu beherbergen. Was nun die Begangenschaft des Gasthofes
zur Krone betrifft, so zählt dieser Wirtschaftsbetrieb zu den sehr
gut frequentierten. Im Jahre 1020 beherbergte der Patentinhaber 8761
Gäste, somit täglich 18 bis 19 Personen. Die Assekuranzsumme' der
Gebäude beträgt 146,500 Fr. und der Jahresumsatz wird zirka 400,000
Fr. betragen. Mit Ausnahme der Bahnhofwirtschaft in Winterthur sind in
dort dreisi Wirtschaftspatentinhaber, die eine jährliche Patentgebühr '
von 800 Fr. 'zu bezahlen haben. Der Stadtrat Winterthur Wie der Bezirksrat
Winterthur. bezeichnen diese 'I'axe als nicht zu hoch gegriffen. Die
Finanzdirektion schhesst sich diesem Gutachten an. -
Dem sehellenberg wurde der Entscheid des. Re: _ gierungsrates am
2. September, der 'Witwe Hum am 13. September 1921 zugestellt. --
B. Gegen diese .Entècheide haben Schellenberg und Witwe-Hüni.
am.31. Oktober 1921 die staatsrecht-
422 . staatsrecht-
liche Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag, sie seien
aufzuheben und der Regierungsrat einzuladen, die Patenttaxen entsprechend
den bei ihm gestellten Gesuchen herabzusetzen-
Zur Begründung führen beide Reknrrenten ,aus: Inhaber von ehehaften ,
mit Liegenschaften verbundenen Tavernenrechten seien früher zur Ausübung
des Wirtschaftsgewerbes befugt gewesen, ohne dafür ein periodisches
staatliches Patent lösen oder Gasthofund Speisewirtschaftsgewerbegebühren
bezahlen zu müssen ; lediglich der Getränkesteuer oderfWirtschaftsabgabe
habe man sie gleich andern Virtenssilnterworfen. Dieser Rechtszustand
sei durch § 78 des geltenden Wirtschaftsgesetzes aufrecht erhalten
werden, und zudem liege auch darin, dass der Regierungsrat die Klagen
der Rechtsvorgänger der Relcurrenten seinerzeit anerkannt habe, die
Feststellung, dass der Staat von diesen bloss die Getränkesteuer,
nicht aber eine Taxe für die Beherbergung von Gästen und den Verkauf
von Speisen verlangen dürfe. Bei den gewöhnlichen Patentwirtschaften
verhielten sich die Abgaben für die Getränke zu denjenigen für den übrigen
Wirtschaftsbetrieb ,ungefahr wie 2:1. Der Inhaber eines Tavernenrechts
könne daher höchstens mit S*], der Gebühr belastet werden, die er ohne
dieses Recht bezahlen müsste. Die Einnahmen aus dem abgabepflichtigen
Betrieb machten zudem bei den Rekurrenten nur etwa die Hälfte der übrigen
aus. Nach § 78 des Wirtschaftsgesetzes müsse die Behörde dem Inhaber
eines Tavernenrechts jeweilen genau mitteilen, in welcher Weise er bei
der Feststellung der Wirtschaftsabgabe entlastet werden sei. Sie habe
entweder zunächst festzustellen, in welche Klasse sein Wirtschaftsbetrieb
gehöre, wenn auf die Tavernengerechtigkeit keine Rücksicht genommen werde,
und dann zu berechnen, welcher Abzug deshalb zu machen sei, weil die
Abgabe nur den Getränkeverkauf treffen dürfe, oder was richtiger sei
sie habeEigentumsgarantie. N° 48. 423
lediglich festzustellen, welche Begangenschaft in Beziehung auf die
Abgabe von Getränken vorliege und danach die Klasse zu bestimmen. Da dies
im vorliegenden Fall nicht geschehen sei, so liege eine Willkürliche, auf
fiskalischen Gründen beruhende Verletzung des § 78 des Wirtschaftsgesetzes
und eine absichtliche Missachtung der wohlerworbenen Tavernenkechte
der Reknrrenten vor. Die regiernngsrätlichen Entscheide bedeuteten eine
Rechtsverweigernng und stünden im Widerspruch mit der Eigentumsgarantie
(Art. 4 KV). Zudem sei die Handelsund Gewerbefreiheit verletzt, weil
ss ein gebührenfreier Betrieb der Patentpiiicht unter-
stellt werde. -
Spezie}! von Schellenberg wird noch geltend gemacht : Sein Umsatz in
Getränken habe seit dem Jahre 1913 nicht zugenommen, und trotzdem sei
die Gebühr von 500 Fr. auf 800 Fr. erhöht worden. Die Krone habe der
Regierungsrat mit der Helvetia )), dem Casino, dem Hotel Bahnhof ,
dem National , der spanischen Weinhaile Terminus zusammen in die achte
Klasse versetzt, obwohl diese mehr Getränke verbrauchen als die Krone und
deren Inhaber ein Tavernenrecht nicht besitzen. Das sei nicht zulässig;
auf jeden Fall müsse die Patenttaxe für Schellenberg geringer sein als
diejenige, die diesen andern Witten, die unbestrittenermassen ungefähr
die gleiche Begangensohakt hätten wie er, auferlegt worden sei.
Witwe Hüni hat sodann ebenfalls speziell noch ausgeführt, sie müsse
ungefähr die gleiche Patenttaxe bezahlen wie Inhaber ähnlicher
Wirtschaften, die kein Tavernenrecht haben.
c. Der Regierungsrat hat Abweisung der Beschwerden beantragt und dabei
11. a. bemerkt: Wie sich aus diesen Gesetzesbestimmungen (von 1834
und 1845) ergibt, *mussten alle Wirtschaften diese Wirtschaftsabgabe
bezahlen. Von einer Reduktion oder Begünstigung der Tavernenrechtsbesitzer
gegenüber den Wein-
424 , staat-kaum
schenken ist aber nirgends die Rede. Eine Rekognitionsgebühr mussten
Tavernenrechtsbesitzer, SpeiSewirte und Weinschenken bezahlen. Es
besteht ein Unterschied zwischen einer Rekognitionsgebühr und einer
Wirtschaftsabgabe. Erstere muss jeweilen nur bezahlt werden, wenn eine
Erneuerung der Bewilligung eintritt, während die Wirtschaftsabgabe jedes
Jahr fällig wird. Schon bei der Beratung des Wirtschaftsgesetzes vom
Jahre 1888 wurde in der Weisung zu diesem Gesetze betont, dass neue,
das heisst die noch 20 Jahre gültigen Tavernenrechte der jährlichen
Wirtschaftsabgabe .zunterworfen werden, wie auch die übrigen Tavernen
(ehehaften Tavernenwirtscbaften) und Wirtschaften. : Im Gesetz von 1888
wurde dann in Artikel 47, Ziffer 1 festgesetzt, dass Taverneninhaber,
wsieÎcÎÎé sich im Besitz einer noch nicht abgelaufenen'Konzession
befinden, bis zum Ablauf der 20 Jahre und Inhaber von ehehaften
Tavernellrechten von Inkrafttreten dieses Gesetzes an noch 20 Jahre
lang in ihren Tavernenrechten geschützt seien. Mit Rücksicht darauf,
dass diese, Tavernenrechte nach 20 Jahren erloschen sein sollen, wurde
ihnen eine teilweise Rückvergütung der ' Rekognitionsgebühr zngesichert.
Die Rückvergütungen mussten den jährlichen Wirtschaftsahgaben entnommen
werden, weil kein anderer Kredit vorhanden war. Da nun durch das Gesetz
vom Jahre 1893 (Änderung von § 47 des Wirtschaftsgesetzes vom Jahre
1888) nur die für 20 Jahre konzessionierten Tavernenrechte erloschen,
so Wurde nur diesen Taverneninhabern eine Rückvergütung für Rechnung der
Wirtschaftsabgabe zuteil, während für die ehehaften Tavernenrechte keine
teilweise Rückvergütung der Rekognitionsgebühr gewährt wurde. Weshalb
sollte den Inhabern eines ehehaften Tavernenrechtes eine Reduktion
der Wirtschaftsabgabe gewährt werdenda diese doch ihre Wirtschaft
fortb'etreiben können, ohne sich jährlich um ein 'Gasthofpatent bewerben
'zu müssen.
D. In einer Replik haben die RekurrenteninochEigentumsgarantie. N° 48. 425
geltend gemacht, dass zwischen ehehaften und für 20 Jahre erteilten
Tavernenrechten kein solcher Unterschied gemacht worden sei, wie der
Regierungsrat behaupte.
E. Aus der Duplik des ,Regierungsrates ist noch folgendes hervorzuheben
: Für jede neue (Tavernen ) Bewilligung {musste bis dahin (1888)
eine Gebühr (Rekognitionsgebühr) bezahlt werden. Die im Jahre 1832
verbliebenen alten Tavernenrechtsbewilligungen hatten diese Gebühr
ja schon früher bezahlt. Wie die aus früherer Zeit herrührenden
Tavernenrechtsbesitzer und die Inhaber von 20 Jahre dauernden
Tavernenrechten mussten seinerzeit auch die Inhaber von Weinschenken und
Speisewirtschaften eine Bewilligung (Rekognition) für eine gewisse Anzahl
Jahre einholen. Alle diese Betriebe bezahlen noch heute dem Staate die
jährliche Wirtschaftsabgabe und zwar je nach ihrer Bedeutung. Hätte
nun der Gesetzgeber die 'I'avernenrechtsbesitzer gegenüber den
übrigen Wirtschaftsbetrieben hinsichtlich der Wirtschaftsabgabe
begünstigen wollen, so wäre dies wohl in einem Gesetze gesagt
worden. Die Begünstigung der Tavernenrechtsbesitzer (Gasthöfe ohne
Tavernenrecht bestanden damals nicht) gegenüber den Weinschenken und
Speisewirtschaften bestand nur in dem Rechte der Beherbergung von Personen
und Vieh, sowie in Bestimmungen polizeilicher Natur.... Gemäss § 22 des
Wirtschaftsgesetzes vom Jahre 1834 ist die Rekognitionsgebühr, die alle
Wirte, Taverneninhaber, Weinschenkwirte und Inhaber von Weinschenkund
Speisewdrtschaftsbewilligungen zu entrichten hatten, nichtzu verwechseln
mit der Wirtschaftsabgabe. Die Wirtschaftsabgabe ist in §§ 24 und 25
festgesetzt. Die Inhaber vvon Speisepatenten bezahlten noch eine besondere
Abgabe. In § 29 dieses Gesetzes Wird gesagt, dass auch die Tavernenwirte
diese Wirtschaftsabgabe zu bezahlen haben. Wie sich aus. Absatz 1 (des §
47 des
'. Wirtschaftsgesetzes von 1888/93) ergibt, sollen nur :die
426 Staats-echt.
Inhaber von 20 jährigen Konzessionen bei Feststellung der jährlichen
Wirtschaftsahgabe bis zum Ablaufe der Konzession angemessen entlastet
werden, während gemäss Absatz 2 die ehehaften Tavernenrechte einfach
unverändert fortbestehen. Die 20 jährigen Tavernenrechte fielen mit
Ablauf der 20 jährigen Frist dahin und den Inhabern derselben wurde bis
zum Ablaufe dieser Frist eine angemessene Entlastung bei der jährlichen
Wirtschaftsabgahe zugestanden. Die ehehaften Tavernenrechte liess
man bestehen ; es wurde nur das Loskaufsrecht vorbehalten. Diesen
ehehaften Tavernenrechten wurde keine Entlastung bezüglich der
jährlichen Patenttaxe zuerkannt wie den 20 jährigen Tavernenrechten. Sie
verdienten auch keine Berücksichtigung, weil ihre dinglichen Rechte
nicht dahin fielen. Wenn ihnen die gleiche Begünstigung zugesichert
werden Wäre, so wäre dies gegenüber den 20 jährigen höchst unbillig
gewesen. Was die Behauptung des Rekurrenten (Schellenberg) betrifft,
es besässen die mit ihm in die VIII. Klasse eingereihten Wirte keine
Tavernenrechte, so ist dies vollkommen richtig. Der Regierungsrat
nimmt ja den Standpunkt ein, es seien den ehehaften Tavernenrechten
keine finanziellen Begünstigungen einzuräumen. Wir resümieren : a) Es
dürfen die ehemaligen jeweilen für eine längere Reihe von Jahren einmal
erhobenen Rekognitionsgebühren nicht mit der jährlich wiederkehrenden
Wirtschaftsabgabe verwechselt werden. Die Rekognitionsgebühr war die
Entschädigung für ein dingliches Recht, für das Wirtschaftsrecht auf
einem Lokal; die jährliche Wirtschaftsabgabe eine dem Wirt als Person
auferlegte Jahrestaxe für das Recht, das Wirtschaftsgewerhe persönlich
auszuüben. b) Daraus, dass früher zu gewissen Zeiten die Wirtschaftsabgabe
für alle Wirtschaften sich nach dem Konsum der Getränke richtete, darf
nicht der Schluss gezogen werden, dass diese Massnahme eine Begünstigung
der Tavernenrechtsbesitzer darstelle. Die Wirtschaftsahgabe richtet sich
nach der Begangenschaft. Eigentumsgarantie. N° 48. 427
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
1. Die Beschwerden sind den angefochtenen Entscheidungen vom
20. August und 2. September gegenüber rechtzeitig erhoben werden,
während sie denjenigen vom 2. Juni gegenüber verspätet wären, da ein
Wiedererwägungsgesuch die Frist für die staatsrechtliche Beschwerde
nicht unterbricht. Nun hat der Regierungsrat allerdings am 20. August und
2. September erklärt, er trete auf das Wiedererwägnngsgesuch nicht ein,
und wenn er das in der Tat nicht getan hätte, so könnten
si sich die vorliegenden Beschwerden ihrem Inhalt nach
nur gegen die Entscheidungen vom 2. Juni, nicht gegen diejenigen
vom 20. August und 2. September richten. Allein der Regierungsrat ist
tatsächlich auf die Wiedererwägungsgesuche eingetreten; er hat jeweilen
die ihm damit von neuem vorgelegte Streitsache nochmals
Amateriell in jeder Beziehung geprüft und seinen zweiten
Entscheid eingehend durch die Anführung des Berichtes der Finanzdirektion
begründet, während den Entscheiden vom 2. Juni eine Motivierung nicht
beigegeben worden war. Erst durch die Entscheide vom 20. August
und 2. September sind somit vom Regierungsrat die vorliegenden
Patenttaxenstreitigkeiten im Verwaltungsweg endgültig erledigt worden
; nur diese Entscheide können daher als Gegenstand der erhobenen
staatsrechtlichen Beschwerden gelten. Der Regierungsrat macht denn auch
nicht geltend, dass die Rekurse verspätet seien. Es ist somit darauf
einzutreten (vgl. As 38 I S. 423; 40 I S. 172).
2. _ Die Rekurrenten begründen ihre Beschwerden im Wesentlichen damit,
dass die Festsetzung der Patenttaxen auf einer offensichtlichen
Missachtung wohlerworbener Privatrechte, nämlich ihrer ehehaften
Tavernenrechte, beruhe, d. h. dass die verfassungsmässige
Eigentumsgarantie verletzt sei.
Nun bestreitet der Regierungsrat nicht, dass die Rekurrenten Inhaber
von ehehaften Tavernenrechten
ASéRI lm 29
428 staatsrecht-
sind und diese als Privatrechte gelten müssen. Er weigert sich bloss
deshalb, bei der Festsetzung der Höhe, der Patenttaxen auf diese Rechte
Rücksicht zu nehmen, Weil er annimmt, dass daraus ein privatrechtlicher
Anspruch auf teilweise Befreiung von der Wirtschaftsabgabe, wie er von
den Rekurrenten erhoben wird, nicht hervorgehe. Es besteht somit zwischen
dem Regierungsrat und den Rekurrenten ein Streit über den Inhalt ihrer
Tavernenrechte. Derartige Streitigkeiten über den Inhalt von Privatrechten
zwischen der staatsverwaltung und dem Einzelnen sind grundsätzlich vom
Zivilrichter zu beurteilen und können nach der Praxis in der Regel nicht
durch eine staatsrechtliche Beschwerde gegen eine Verwaltungsverfügung als
Vorfrage unter Berufung auf die Eigentumsgarantie dem Bundesgericht zur
Beurteilung unterbreitet ,werden. Doch ist hievon dann eine Ausnahme zu
machen, wenn es liquid ist, dass die streitige Vortrage über den Inhalt
des Privatrechtes im Sinne des Rekurrenten und nicht
der Verwaltung beantwortet werden muss (vgl. AS 43 I
Nr. 27). 3. Wie das Bundesgericht schon im Entscheid
i. S. Spiess und Moser gegen Zürich vom 17. Januar 1891 (AS 17 S. 203
f.) festgestellt hat und sich übrigens auch aus dem helvetischen Gesetz
vom 24. Herbstmonat 1799, sowie der zürcherischen Wirtschafts-gesetzgebung
des 19. Jahrhunderts ergibt, ist in den ehehaften Tavernenreehten
zweifellos regelmässig nicht bloss die Befugnis zur Beherbergung von
Personen und Vieh, sondern auch diejenige zur Abgabe von Speisen und
Getränken enthalten, und der Regierungsrat hat nicht behauptet,. dass
dies ausnahmsweise für die Tavernenrechte der Rekurrenten nicht
gelte. Diese sind demgemäss auf unbeschränkte Zeit zur vollen Ausübung
des Wirtschaftsgewerbes befugt, ohne hiezu noch einer behördlichen
Bewilligung, eines Patentes (das sich als Polizeierlaubnis oder
Konzession darstellt) zu be-Eigentumsgarantie. N° 48. 429
si dürfen. Genügt in der Wirtschaft der Rekurrenten ein
Lokal oder eine mit der Wirtschaftsführung betraute Person den an sie zu
stellenden polizeilichen Anforderungen nicht oder nicht mehr, so kann
die Polizeibehörde nur dadurch eingreifen, dass sie die Verwendung
dieses Lokals oder dieser Person oder allenfalls den Weiterbetrieb
der Wirtschaft bis zur Beseitigung des polizeiwidrigen Zustandes
verbietet. Aus ,dieser Rechtslage folgt notwendig, dass den. Rekurrenten
als Inhabern von ehehaften Tavernenrechten nicht solche an die Erteilung
eines gewöhnlichen Wirtschaftspatentes ge-
. knüpfte Gebühren oder Taxen auferlegt werden dürfen,
die als Entgelt für die durch ein derartiges Patent eingeräumten Vorteile
betrachtet werden oder sich als eine zur Einschränkung der Patentgesuche
aufgestellte finanzielle Belastung darstellen. Dagegen erscheint im
übrigen eine jährliche Besteuerung der Wirtschaftsbetriehe der Rekurrenten
nicht ohne weiteres als unvereinbar mit ihren Tavernenrechten (vgl. AS
9 S. 115 f.). Sie oder ihre Rechtsverfahren mussten jeWeilen im 19. J
ahrhundert bis zum Jahre 1888 gleich den Weinschenken und Speisewirten
eine indirekte oder Wirtschaftsabgabe bezahlen, weil diese, wie die
Gesetze vom 21. Weinmonat 1834 und 15. Dezember 1845 deutlich zeigen,
nicht als eine für die Erteilung eines Patentes geforderte, Gebühr,
sondern als eine auf den Getränkeverbrauch gelegte Steuer galt (vgl. über
diesen Unterschied : ELSTER, Handwörterbuch der Volkswirtschaft unter
Gebühren ; STENGEL-FLEISCHMANN, Wörterbuch des Staatsund Verwaltungsrechts
unter Gebühren ; SCHòNBERG, Handbuch der politischen Ökonomie,
3. Aufl. 3. Band S. 97 ff.; WAGNER, Finanzwissenschaft, 2. Aufl. II. Teil
S. 35 ff.; SCHÄFFLE, Steuern, allg. Teil S. 30; LANDMANN, Gewerbeordnung,
3. Aufl. § 7 N. 7), und die Rekurrenten bestreiten auch nicht, dass
ihnen eine solche Steuer auferlegt werden darf.
Sie anerkennen, dass die im Jahre 1888 eingeführte
430 si Steam-echt.
und jetzt noch bestehende Wirtschaftsabgabe zum Teil eine derartige
Steuer ist, behaupten aber, dass sieim übrigen eine Gasthofund
Speisewirtschaftspatentgebühr bilde, und das wird vom Regierungsrat
nicht bestritten.
Es ist nun ohne weiteres klar, dass die Rekurrenten mit dem Teil der
gegenwärtigen Wirtschaftsabgabe, der sich als solche Gebühr darstellt,
nicht. belastet werden können, sofern diese als Entgelt für die
durch das ordentliche Gasthofund Speisewirtschaftspatent eingeräumten
Vorteile (solche entstehen durch die Patenterteilunginsbesondere seit der
Einführung der Bedürfnisklausel, die die Zahl der Wirtschaften beschränkt)
zu betrachten ist.
Aber auch wenn diegenannte Gebühr eine nicht als derartiges
Entgelt aufgefasste Steuer sein sollte, kann es nachder Sachlage
nicht zweifelhaft' sein, dass die Rekurrenten als Inhaber ehehafter
Tavernenrechte einen Anspruch darauf haben, davon befreitzu'werden.
Die früher, vor-dem Jahre 1888, von den Tavernen, Speisewirten und
Weinschenken besonders geforderte Rekognitions oder Patentgebühr
bildete eine an die Erteilung der Wirtschaftsbewilligung geknüpfte und
für deren ganze. Dauer zum voraus berechnete Abgabe, wie sich aus den
historischen Ausführungen des Regierungsrates, die in den angefochtenen
Entscheidungen, in der Beschwerdebeantwortung und der Duplik enthalten
sind, sowie aus den Wirtschaftsgesetzen vom 21. Weinmonat 1834 und
15. Dezember 1845 klar ergibt; es erschien daher als unzulässig, den
Inhaber einer Wirtschaftsbewilligung nachträglich für die Zeit ihrer
Dauer noch mit dieser Abgabe zu belasten, Selbst wenn das die._ Gebühr
einführende oder erhöhende
Gesetz erst nach der Erteilung der Bewilligung in Kraft _
getreten war. Demgemäss blieb der Inhaber eines ehehaften Tavemenrechtes,
nachdem ihm oder seinem Rechtsverfahr dieses einmal, sei es gegen
BezahlungElgentumsgarantie. N° 48. 431
einer Taxe, sei es ohne solche, verliehen worden war, von der Auflage
der Rekognitions oder Patentgebühr befreit, die den Wirtschaften,
deren Betrieb nur auf Grund einer Tavernenkonzession, eines Speiseoder
Weinschenkpatentes vor sich ging, periodisch aufgelegt wurde. Das ist
vom Regierungsrat schon in der Beantwortung der Beschwerde gegen das
Gesetz vom Jahre 1888 anerkannt worden und wird auch heute von ihm
nicht bestritten.
Obwohl nun die bis zum Jahre 1888 von den Tavernenund den Speisewirten
besonders geforderte Rekog--
si nitions oder Patentgehühr formell, dem Namen
nach, beseitigt worden ist, so besteht sie doch ihrem Sinn und Zweck
nach als ein Teil der heutigen Wirt-
si schaftsabgabe, als die darin enthaltene Gasthofund
speise-wirtschaftspatentgebühr weiter. Daraus muss in Verbindung mit den
§§ 47 Ziff. 1 des Wirtschaftsgesetzes von 1888/93 und 78 desjenigen von
1896 der Schluss gezogen werden, dass dieser Teil der Wirtschaftsabgabe
den Inhabern der ehehaften Tavernenrechte, speziell den Rekurrcnten
nicht aufgelegt werden kann.
Das Gesetz von 1888 sicherte ausdrücklich sämtlichen Inhabern von
Tavernenrechten eine angemessene Entlastung von der jährlichen
Wirtschaftsabgabe zu. Das bildete nicht etwa eine Vergütung für die
Aufhebung dieser Rechte; denn die durch Tavernenkonzession erteilten 20
jährigen Wirtschaftsbewilligungen wurden ihren Inhabern nicht entzogen,
sondern das Gesetz liess diese bis zum Ablauf der Zeit, für die sie
gewährt worden waren, bestehen. Lediglich die ehehaften Rechte wurden
auf das Ende einer Frist von 20 Jahren als
' aufgehoben erklärt, und doch räumte das Gesetz den
Inhabern von Tavernenkonzessionen für die Zeit ihrer Dauer die
gleiche Vergünstigung ein, wie den Inhabern der ehehaften Rechte bis
zum Zeitpunkt ihrer Aufhebung. Damit anerkannte es, dass der Inhalt
sämtlicher Tavernenrechte für die Zeit ihrer Dauer
432 Staatsrecht. '
einen Ansprùch auf teilweise Befreiung von der neuen Wirtschaftsabgabe
in sich schliesst (vgl. auch die Anerkennung des Regierungsrates im
Prozess Spiess und Moser gegen Zürich AS 17 S. 194). Das Bundesgericht
stellte denn auch .im Urteil vom 17. Januar 1891 i. S. Spiess und
Moser gegen Zürich fest, dass § 47 Ziff. 1 des Gesetzes-von 1888
den Inhabern der ehehaften Tavernenrechte bis zu deren Aufhebung den
Fortgenuss ihrer bisherigen Vorteile gewährte und dieser finanziell
in der Befreiung von dem auf das Speiseund Gasthofpatent entfallenden
Teil derAbgabebestund. Ausserdem wurde durch das Urteil den Klägern
Spiess und Moser u. a. dafür, dass ihnen oder ihren Rechtsnachfolgern
dieser finanzielle Vorteil nach 20 Jahren genommen werden sollte,
eine Entschädigung zugesprochen und damit entschieden, dass zum Bestand
ihrer Tavernenrechte ein privatrechtlicher Anspruch auf diesen Vorteil
gehöre. Die Finanzdirektion des Kantons Zürich hat übrigens in ihrem
Kreisschreiben an die Bezirksräte vom 10. August 1888 selbst erklärt,
dass die Taverneninhaber in Beziehung auf ihre Speisewirtschaft von der
'Wirtschaftsabgabe zu befreien seien. In dem in der Folge von Brunner
und Genossen eingeleiteten Prozess anerkannte der Regierungsrat, dass
der Staat auf Grund des Gesetzes von 1888 den Klägern, alsoauch den
Rechtsverfahren der Rekurrenten (Nr. 92 und 104 laut der Klageschrift voin
1. Oktober 1892) für den Fall, dass sie Inhaber ehehafter Tavernenrechte
sein sollten, eine der im Urteil des Bundesgerichts vom 17. Januar 1891
und in einem weitem des zürcherischen Obergerichts vom 1. November 1892
i. S. Schütz" gegen Zürich festgesetzten entsprechende Entschädigung
bezahlen müsste. Er verzichtete daher, um den Staat
von dieser Pflicht zu befreien, auf die Durchführung des _
erwähnten Gesetzes, soweit es die ehehaften Tavernenrechte antastete,
und veranlasste die Revision des § 47 Ziffer 1, die in dem Sinne vor
sich ging, das ,der
.. Dis-ALB-Eigentumsgarantie. N° 48. si 433
bisherige Wortlaut lediglich für _die Inhaber von
Tavernenkonzessionenbeibehalten und im Anschluss daran gesagt
wurde, die ehehaften Rechte blieben unverändert fortbestehen. Es
ist nun ohne weiteres klar, dass damit auch der mit ,diesen Rechten
verbundene finanzielle Vorteil, die teilweise Befreiung von der neuen
Wirtschaftsabgabe, den _Inhabern der ehehaften Tavernenrechte, also
u. a. den Rekurrenten oder ihren Rechtsvorfahren, weiter zugesichert
wurde ; hätte dieser Vorteil beseitigt werden sollen, so wäre die
Aufhebung der ehehaften Tavernenrechte mit der daraus hervorgehenden
Entschädigungspflicht teilweise beibehalten worden, was, wie sich aus
der Klagebeantwortung des Regierungsrates im Prozess Brunner und Genossen
gegen Zürich ergibt, keineswegs der Zweck der Gesetzesrevision war. Auch
das Bundesgericht hat im Beschlusse vom 14. Juli 1893 festgestellt, dass
durch diese Revision die ehehaften Tavernenrechte der Kläger, also u. a.
der Rekurrenten oder ihrer Rechtsvorfahren, mit ihrem bisherigen _ Inhalt
aufrechtgehalten wurden, und ,deine gemäss den Prozess als gegenstandslos
abgesehriehenx Übrigens zeigt der Inhalt des revidierten § 47 des frühem
und des § 78 des gegenwärtigen Wirtschaft? gesetzes, auch abgesehen
von seiner Entstehungsgeschichte, klar, dass die Inhaber ehehafter
Tavernenrechte einen Anspruch auf teilweise Befreiung von der jetzigen
Wirtschaftsabgabe haben. Es kann nicht der Sinn der erwähnten Bestimmung
sein, diesen Anspruch bloss den Inhabern von Tavernenkonzessionen bis zu
deren Ablauf zu gewähren; denn es steht fest, dass eine solche Konzession
während ihrer Dauer kein weitergehendes Recht in sich schloss als eine
ehehafte Tavernengerechtigkeit. Wenn daher das Gesetz den
' Inhabern von Konzessionen bis zum, Ablauf ihrer '.Dauer eine
angemessene Entlastung von der Wirt.Schaftsabgabe zusichert, so muss
das gleiche notwendig
auchka die Inhaber ehehafter Rechte gelten. Die Ent--
434 Stats-echt.
lastnng konnte unmöglich das Entgelt dafür bilden, dass die Konzession
nach dem Ablauf der Zeit, für die sie erteilt war, nicht mehr erneuert
wurde ; denn deren Inhaber hatten keinen rechtlichen Anspruch auf die
Erneuerung und erlitten keinen Schaden, wenn sie sich nach dem Ablauf
der Konzession mit dem gewöhnlichen Wirtschaftspatent zufrieden geben
mussten. Dagegen, dass die Inhaber ehehafter Tavernenrechte von der in der
Wirtschaftsabgabe enthaltenen Herbergeund Speisewirtschaftspatentgebühr
befreit werden, lässt Sich um so weniger etwas einwenden, als die
Abgabe auch zum Zwecke der Einschränkung der Patentgesuche erhöht
worden ist und aus diesem Gesichtspunkte die erwähnten Rechteinhaber
nicht belastet werden können. . Da somit unzweifelhaft feststeht, dass
die Rekurrenten einen privatrechtlichen Anspruch auf Befreiung von der
genannten Gebühr haben, der Regierungsrat sie aber trotzdem mit der vollen
'Nirtschaftsabgabe belastet hat, indem er z. B. unbestrittenermassen
den Rekurrenten die gleiche Taxe auflegte, wie den Inhabern anderer
ebenso stark besuchter Wirtschaften, die kein Tavernenrecht besitzen,
so liegt eine Verletzung der Eigentumsgarantie vor. Die angefochtenen
Entscheidungen des Regierungsrates _sind daher aufzuheben. Dagegen kann
es nicht Sache des Bundesgerichtes sein, zu sagen, in welchem Masse die
Wirtschaftsabgabe für die Rekurrenten herabzusetzen sei. Der Regierungsrat
muss dies nunmehr selbst nach pilichtmassigem Ermessen bestimmen. '
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die ftekurse werden gutgeheissen und die Entscheide des
Regierungsrates des Kantons Zürich vom 20. August und 2. September 1921
aufgehoben. -Interkantonale Auslietemng. N° 49. 435
VIII. iNTERKANTONALE AU SL IEFERUNGEXTRAD ITION ENTRE CANTONS
49. Arm du 6 octobre 1922 dans la cause Berne contre Genève. Extradition
intercantonale: Lorsque le canton requis refuse l'extradition de son
ressortissant, mais s'engage à lui faire subir la peine prononcée dans
le canton requérant, les
,irais de la détention sont à la charge du canton requis sous réserve
de son droit de recours contre le condamne.
A. Charles Gavairon, né en 1889, citoyen genevois, a été condamné le 7
aoüt 1919 par le Tribunal correctionnel de Konolfingen (canton de Berne)
à six mois de maison de correction pour vol, avec sursis. Le sursis a été
révoqué par une nouvelle condamnation prononcée par le Juge correctionnel
de Thoune, le 14 juillet 1920, à cinq jours de prison pour actes indécents
envers des jeunes gens. '
Le condamne s'étant réfugié à Genève, son extradition a été requise du
canton de Genève par le canton de Berne en date du 2 mars 1920. Après
un échange de lettres entre les Conseils d'Etat des deux cantons, le
Conseil d'Etat genevois déclara le 5 mai 1922 que Ga.vairon se prevalant
de sa nationalité genevoise pour s'opposer à sa remise aux autorités
judiciaires bernoises, il ne pouvait l'extrader, mais qu'il était en
revanche disposé à lui faire subir à Genève la peine prononcée par le
Tribunal de Konolfingen. '
Le Conseil Exécutif hernois fut d'accord à la condition que Gavairon
supportät lui-meme les frais de sa détention. Le Conseil d'Etat genevois
répondit le 23 mai que, pour le cas où le condamné ne pourrait pas payer
lesdits frais, le canton de Berne devait s'engager à les prendre