144 Obligationenrecht. N° 27.

mandeur a, en fait, percu 43 004 fr. sur sa créance contre la société A et
30 459 fr. sur sa créanee contre la société B, sommes qui correspondent
an 47 %, d'une part, au 69 %, d'autre part, de cette mème plus-value.
Il est ainsi manifeste qu'il a touché sur l'un et l'autre immeuble une
somme supérieure à celle que la defenderesse a retirée de la plus-value
due à ses travaux. La responsabiiité de la défenderesse se trouve donc
amplement à convert.

Le Tribunal fédéral pronunce : Le recours est rejeté et l'arrét attaqué
est confirmé.

III. OBLIGATIONENRECHT

DRO ITS DES OBLIGATIONS

27. Urteil der I. Zivila'bteilung vom 21. Februar 1921 i. S. Bernhard
gegen Eidgenossenschuft.

Grundsätzliche Haftung der Eidgenossenschaft für den Verlust eines der
Schweizerischen Gesandtschait in Petrograd zum Transport nach der Schweiz
per Kurier übergebenen Wertplis. Anwendbares Recht. Ablehnung eines
öffentlichrechtlichen Verhältnisses Annahme einer Verantwortlichkeit aus
allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, jedoch bloss für rechtswidrige
Absicht und grobe Fahrlässigkeit der Organe der Beklagten, unter
Berücksichtigung der Eigenart des Rechtsverhältnisses Abweisung der,
Klagemangels einer groben Fahrlässigkeit.

A. Der Schweizerhürger Alexander Bernhard übergab am 31. Juli 1918 in
Petrograd der Schweizerischen Gesandtschaft einen 50,000 Mark enthaltenden
Wertpli zur Uebersendung durch einen Kurier in die Schweiz an die
Adresse: Gotthard Bernhard in

W..... .Ma-_... .Obligationenrecht. N° 27. 145

Uzwil (Kanton St. Gallen). Es wurde ihm hiefür folgende Quittung
ausgestellt :

Recu de Monsieur Al. Bernhard la somme de 50,000 Mrs. all, (einquante
mille) pour ètre remise par courrier en Suisse.

Petrograd, le 31 juillet 1918. Pour le Chef du Service Financier:
sig. A. ZIMMERMANN. (Stempel)

Légation de Suisse en Russie.

Am 9. August 1918 wurde dem Kurier Albert Staerkle der Kuriersack Nr. 27,
welcher ausser diesem Pli eine Reihe anderer, nach der Schweiz bestimmter
Geldsendungen und Wertsachen enthielt, in verschlossenem Zustande
übergeben, mit dem Auftrag, ihn nach Berlin zu bringen und auf der
Schweizerischen Gesandtschaft daselbst abzugeben. Laut dem beigelegten,
an die Abteilung für Auswärtiges des Politischen Departements in Bern
gerichteten Begleitbrief mit einlässlichem Inhaltsverzeichnis überstieg
der Gesamtwert der Sendungen eine halbe Million Rubel, was Staerkle
bekannt'war.

Am 10. August reiste Staerkle (welcher schon drei oKurierreisen Petrograd
Berlin und zurück ausgeführt hatte) von Petrograd ah ; nachdem er
von Helsingfors bis Revel ein deutsches Kriegsschiff benutzt hatte,
setzte er seine Reise über Dorpat, Riga, Mitau und Tilsit nach Berlin
fort, woselbst er Mittwoch, den 14. August 1918, Vormittags '? Uhr,
eintraf. Er fuhr sofort per Droschke zu Frau Albrecht, Nürnbergerstrasse
18, wo er Während seiner Berliner Aufenthalte Wohnung zu nehmen pflegte
; da die Wohnung jedoch geschlossen war, bestieg er die Droschke, in
der er nach seiner Aussage den Kuriersack, mit einer Decke bedeckt,
gelassen hatte, Wieder und fuhr auf die Schweizerische Gesandtschaft,
Friedrich Wilhelmstrasse 11.

Staerkle traf daselbst den Diener Haberland an.

, Dieser stellte den Kuriersack in das sogenannte Em-

146 Obligatlonenrecht. No 27.

pfangszimmer, einen jedermann auf der Gesandtschaft zugänglichen Raum,
in dem sich tagsüber immer der Diener befand, in die Ofenecke. Eine
förmliche Uebergabe und Uebernahme fand nicht statt, ebensowenig
wurde der Inhalt des Sackes festgestellt. Haberland überzeugte sich
nur oberflächlich von der Unversehrtheit der Siegel. Da der Sack nicht
sofort per Kurier nach der Schweiz weiter befördert wurde, legte man
ihn in eine im Empfangszimmer stehende, unverschlossene Kiste, in die
er knapp hineinpasste.

Freitags, den 16. August, Vormittags 10 Uhr, meldete nun Staerkle,
welcher sich inzwischen wiederholt auf die Gesandtschaft begeben hatte,
dem Gesandtschaftsattaché Dr. Hofmann, er habe soeben den vor zwei Tagen
mitgebrachten Kuriersack besichtigt und eine wesentliche Veränderung
der Verknotnng festgestellt; er vermute, der Sack sei geöffnet
worden. Dr. Hofmann begab sich sofort in das Empfangszimmer und hob
den Sack aus der Kiste heraus, um Siegel und Verschluss zu prüfen. An
dem Verschluss, der aus einer durch die an der Sacköffnung angebrachten
Oesen durchgezogenen fortlaufenden Schnur besteht, deren Enden auf einer
Kartohplakettc mit dem Gesandtsischafts-siegel festgelegt sind, bemerkte
er nichts Auffälliges; erst bei ganz genauer Prüfung der Schnur ergab
sich, dass ein Knoten vorhanden war, welcher sich ohne mechanische Hilfe
lösen liess, woraus zu schliessen war, dass die Verschlusssehnur entzwei
geschnitten und der Sack geöffnet worden war. Dr. Hofmann berichtete
hierüber unverzüglich dem damaligen Geschäftsträger. Legationsrat
Dr. Egger, welcher verfügte, das der Sack im Bureau von Dr. Hofmann
geöffnet und "der Inhalt festgestellt werde. Es stellte sich dabei heraus,
dass der Sack kein Inhaltsverzeichnis mehr enthielt und der Gesamtwert
der Plis die dem Kurier Staerkle auf der Gesandtsehaft in Petrograd
angegebene Summe bei weitem nicht erreichte, sondern ungefähr 100,000
Rubel weniger betrug.Obligationenrecht. N° 27. 147

Angesichts dieser auf einen Diebstahl deutenden Feststellungen
ordnete Legationsrat Dr. Egger eine sofortige Untersuchung durch
einen Berliner Kriminalbeamten an; bis zu dessen Erscheinen
durfte das gesamte Gesandtschaftspersonal die Gesandtschaft nicht
verlassen. Inzwischen wurde Staerkle von Dr. Hofmann einer genauen
Leibesuntersuchung unterworfen, die aber nichts zu Tage förderte. Um
1 Uhr Nachmittags traf Kriminalkommissar Gennat ein, welcher Staerkle,
sowie das ganze Kanzleipersonal einvernahm. Das Verhör, das bis 7 1/2
Uhr Abends dauerte, ergab keinen Anhaltspunkt über die Täterschaft,
noch darüber, ob der Diebstahl überhaupt auf der VGcsandtschaft verübt
worden sei. Der Kommissar hielt die Einvernahme des diplomatischen
Personals für überflüssig. Dagegen wurde noch die Wohnung Staerkles,
gegen den anfänglich Verdachtsmomente vorlagen, durchsucht, }edoeh ohne
Erfolg. Auch wurde Staerkle in Haft genommen, da der Kommissar ihn am
folgenden Tage nochmals eingehend einvernehmen wollte. Da aber auch das
neue Verhör nichts zeitigte, wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Aus
dem auf teiegraphisches Gesuch von der Gesandtschaft in Petrograd
erhaltenen Doppel des genauen Inhaltsverzeichnisses des Kürier'sackes
ergab sich dann, dass ausser dem streitigen Ph noch vier andere aus dem
Sack verschwunden waren.

B. Der Adressat des Plis, Gotthard Bernhard in Uzwil, erkundigte sich
wiederholt beim Politischen Departement in Bern nach dessen Verbleib, und
ersuchte um Aushingabe des Markbetrages. Am 10. Dezember 1918 teilte ihm
das Rechtsbureau der Abteilung für Auswärtiges mit, der Pli sei abhanden
gekommen, der betreffende Kuriersack sei offenbar beraubt worden, die
Untersuchung habe bisher keine bestimmten Indizien über die Täter-schaft,
Ort und Zeit der Begehung ergeben. ss

Der mittlerweile aus Russland zurückgekehrte Absender, Alexander Bernhard,
verlangte vom Politischen

AS 47 n um U

1'48 Ohllgationeareeht. N° 27.

Departement Ersatz des Schadens, der ihm durch den Verlust der 50,000 Mark
erwachsen sei. Das Rechtsbureau der Abteilung für Auswärtiges antwortete
jedoch am 8. Februar und 17.März 1919, dass der Bundesrat die Frage, ob
eine Haftung des Bundes für die zum Transport mit dem Kurier angenommenen
Werte in Betracht kommen könne, eingehend geprüft und nach Einholung
der Ansicht des Justizund Polizeidepartements verneint habe. Ueber die
Täterschaft habe bisher nichts Gewisses festgestellt werden können; es
fehle deshalb der Nachweis, dass der Kurier Staerkle oder ein anderer im
Dienste des Bundes stehender Beamter den Diebstahl begangen habe. Aber
selbst wenn ein Verschulden einer solchen Person vorhanden wäre, würde der
Bund für den daraus entstandenen Schaden nicht haften. Die Spedition mit
dem Kurier, die einzig im Interesse der betreffenden Privaten erfolgt sei,
um ihr Risiko gegenüber dem sBeIassen der Vermögenswerte in Russland zu
vermindern, beruhe nicht auf zivilrechtlichem Auftrag, sondern auf einem
öffentlich-rechtlichen Verhältnis prekaristischer Natur; die Gefahren
des ausserordentlichen Transportes mit dem Kuriersack gehen zu Lasten
des Privaten, nicht des Bundes. Dabei mache es keinen Unterschied,
ob die Haftung vom Bunde noch ausdrücklich abgelehnt worden sei oder
nicht. Das Departement bedaure daher, auf das gestellte Gesuch nicht
eintreten zu können.

C. Mit der vorliegenden, am 11. u. 12. Dezember 1919 beim Bundesgericht
eingereichten Klage hat Alexander Bernhard folgendes Rechtsbegebren
gestellt:

Es sei gerichtlich zu erkennen, die Schweizerische Eidgenossenschaft
habe an den Kläger 34,000 Fr., nebst Zins zu 5 % seit 31. August 1918,
zu bezahlen.

Der Kläger berechnet hiebei die Mark zu dem Kurse, den sie bei Ankunft
des Kuriersackes in Bern, Ende August 1918, hatte, nämlich zu 68 Rp. Er
fordert denObligationenrecht. N' 27. 149

Betrag von 34,000 Fr. in erster ,Linie als Erfüllung des von der
Beklagten bei Entgegennahme des Plis in Petro grad übernommenen
Auftrages; in zweiter Linie wird die Klage als Schadenersatzforderung
wegen schuldhafter Nichterfüllung des abgeschlossenen Vertrages.
eventuell wegen unerlaubter Handlung begründet. Nach der Auffassung des
Klägers kommen die Grundsätze über den Frachtvertrag oder den Auftrag,
in Verbindung mit denjenigen über den Hinterlegungsvertrag, zur Anwendung;
ausserdem beruft sich der Kläger auf die Bestimmungen des Bundesgesetzes
vom 9. Dezember 1850 fiber die Verantwortlichkeit der eidgenössischen
Behörden und Beamten.

D. Die Beklagte hält der Klage vorerst eine Verjährungseinrede entgegen,
insoweit der Kläger einen Anspruch geltend mache, der mit Ablauf eines
Jahres oder innert kürzerer Frist verjähre, und beantragt demgemäss, sie
sei von dem klägerischen Ansprache ohne Rücksicht auf dessen ursprüngliche
Begründetheit definitiv zu befreien, eventuell sei das Klagebegehren
aus diesem Grunde abzuweisen. In zweiter Linie beantragt die Beklagte,
die Klage sei als materiell unbegründet abzuweisen. Die Begründung des
Abweisungsschlusses ist in der Hauptsache aus den oben

'wiedergegebenen Zuschriften des Politischen Departe-

ments vom 8. Februar und 17. März 1919 ersichtlich.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Nach Art. 48 Ziff. 2 OG ist das Bundesgericht zur Beurteilung
der Streitsache als einzige Instanz zuständig, da der Streitwert den
Mindestbetrag von 3000 Fr. weit-übersteigt

2. In der Sache selbst fragt es sich, ob eine Rechtsgrundlage bestehe,
um die Beklagte für den Verlust der vom Kläger der Schweizerischen
Gesandtschaft in Petrograd behufs Beförderung mit dem Kurier übergebenen,
unterwegs abhanden gekommenen Wert-

150 Obligationenrecht. N' 27.

sendung haftbar zu machen. Dieser Untersuchung ist, da ein Rechtsgeschäft
zwischen der Eidgenossenschaft und einem Schweizerbürger in Frage kommt,
das von den Parteien angerufene schweizerische Recht zu Grunde zu legen.

3. Während der Kläger dafür hält, dass durch die Uebergahe des Plis an
die Gesandtschaft und dessen Entgegennahme zum Transport nach der Schweiz
ein zivilrechtliches Verhältnis mit der Beklagten begründet Worden sei,
geht diese von der Auffassung aus, dass ein öffentlich-rechtliches
Verhältnis vorliege, und zwar ein solches prekaristischer Natur,
aus welchem eine Haftung der Eidgenossenschaft sich nicht herleiten
lasse. Dass das öffentliche Recht in Betracht käme, wenn es sich um die
Ausübung rein dienstlicher Pflichten durch die Gesandtschaftsorgane
handeln würde, ist klar. Allein den schweizerischen Gesandtschaften
und Konsulaten ist ordentlicherweise ausdrücklich untersagt, ohne
eine besondere Ermächtigung seitens des Bundesrates in ihrer amtlichen
Eigenschaft Geldhinterlagen, Titel oder Wertstücke ven privater Seite
zur Aufbewahrung, Verwaltung oder Uebermittlung entgegenzunehmen,
wie auch'nach allgemeinen Völkerrechtlichen Grundsätzen Kuriere nicht
für private Aufträge verwendet werden dürfen. Dieses Verbot, welches in
Art. 35 des Reglementes für die Schweizerischen Konsularbeamten von 1875
enthalten ist und durch ein Kreisschreiben des Politischen Departements
"vom 22. Februar 1908 den Konsuln' zu genauer Beachtung dringend empfohlen
Worden ist (vgl. VON SALIS, Bundesrecht I Nr. 199), wird in Ermangelung
einer gesetzlichen Regelung der Vertretung der Schweiz im Auslande
auch auf die Gesandtsehaften angewendet und von diesen gehandhabt. Als
deshalb die Schweizerische Gesandtschaft in Petrograd mit Rücksicht
auf die eingetretene namhafte Gefährdung des Privatvermögens durch das
bolschewistische Gebaren sich,

Obligationede N' 27. 151

auf Drängen der Schweizer Kolonie, am 1. und 12. Juni 1918 vom Bundesrat
ermächtigen liess, ausnahmsweise Privatdepots entgegen-zunehmen und
den diplomatischen Kurier zu deren Uebermittlung nach der Schweiz zu
benutzen, so tat sie dies nicht in Ausübung einer ihr obliegenden
dienstlichen Pflicht. Infolgedessen beurteilt sich die Uebernahrne
des Transportes, der nicht nur nicht in ihren Geschäftskreis fiel,
sondern ihr unter normalen Umständen geradezu verboten war, und zu
dessen Vornahme sie auch nicht etwa durch den Bundesrat verpflichtet
wurde, nicht nach öffentlichem Recht, sondern diese Leistung, bei
der die obrigkeitliche Stellung der Gesandtschaft in den Hintergrund
tritt und deren Organe in privatrechtliche Verhältnisse eingreifen,
hat die Beklagte in privatrechtliche Beziehungen zu den Interessenten,
insbesondere zu dem Kläger, gebracht. Aus dieser Erwägung kann auch von
einer Anwendung des Verantwortlichkeitsgesetzes von vorneherein nicht
die Rede sein, und es braucht nicht untersucht zu werden, ob danach die
Beklagte vom öffentlich-rechtlichen Standpunkt aus für den

eingetretenen schaden haftbar gemacht werden könnte.

4. Da derKläger in erster Linie eine Erfüllungs-

'klage stellt, fragt es sich, ob eine solche hier überhaupt

erhoben werden könne, oder ob nicht vielmehr die Schadenersatzklage
einzig in Betracht komme. Eine Erfüllungsklage wäre nur denkbar, wenn
man bei der von der Beklagten übernommenen Verpflichtung von einer
Genusschuld sprechen könnte; der Auffassung des Klägers, dass eine
solche Schuld vorliege, kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Aus
dem Umstand, dass der Kläger der Gesandtschaft nicht beliebige 50,000
Mark, sondern einen Pli übergeben hat (über dessen ,Beschaffenheit
allerdings nichts feststeht, als das er einen Wert von 50,000 Mark
darstellte.), ergibt sich, dass man es mit einer Speziesschuld zu tun hat.
Eine Erfüllungsklage ist übrigens auch nach dem Wesen

152 Obligationenrecht. Nd-'27.'

der von der Gesandtsehakt übernommenen Rechtspflicht ausgeschlossen.

Das Rechtsgeschäft, das am 31. Juli 1918 zwischen der Schweizerischen
Gesandtschaft in Petrograd als Organ der Beklagten und dem Kläger
zustande gekommen ist, ist in mehrfacher Hinsicht ein eigenartiges. Das
Hauptmerkmal ist darin zu erblicken, dass es im ausschliesslichen
Interesse des magers abgeschlossen worden ist: als eine durch die damals
in Russland be'stehenden, ausserordentlichen Verhältnisse veranlasste
Art Wohltätigkeitsleistung. Diesem Wesen des Geschäftes entspricht es,
dass die Leistung der Beklagten eine unentgeltliche war. Der Kläger hat
nicht dargetan, dass er eine Gebühr bezahlt habe ; selbst wenn dies aber
Zutreffen sollte, so hätte es sich nach den Aussagen der einvernommenen
Zeugen höchstens um einen in sehr bescheidenen Grenzen gehaltenen
Beitrag andie der Gesandtschaft durch die Annahme von Vermögens-verten
verursachten Mehrauslagen, nicht um ein eigentliches Entgelt oder einen
Lohn handeln können, weshalb die Bestimmungen über den Frachtvertrag
von vornherein ausser Betracht fallen, und auch die von der Beklagten
unter Berufung auf Art. 454
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 454 - 1 Die Ersatzklagen gegen Frachtführer verjähren mit Ablauf eines Jahres, und zwar im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Verspätung von dem Tage hinweg, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen, im Falle der Beschädigung von dem Tage an, wo das Gut dem Adressaten übergeben worden ist.
1    Die Ersatzklagen gegen Frachtführer verjähren mit Ablauf eines Jahres, und zwar im Falle des Unterganges, des Verlustes oder der Verspätung von dem Tage hinweg, an dem die Ablieferung hätte geschehen sollen, im Falle der Beschädigung von dem Tage an, wo das Gut dem Adressaten übergeben worden ist.
2    Im Wege der Einrede können der Empfänger oder der Absender ihre Ansprüche immer geltend machen, sofern sie innerhalb Jahresfrist reklamiert haben und der Anspruch nicht infolge Annahme des Gutes verwirkt ist.
3    Vorbehalten bleiben die Fälle von Arglist und grober Fahrlässigkeit des Frachtführers.
OR erhobene

Verjährungseinrede entfällt. Angesichts der herrschen-"

den Unsicherheit konnte sich die Gesandtschaft nur verpflichten, das
Möglichste zu tun, um die Beförderung der ihr anvertrauten Werte nach
der Schweiz zu bewerkstelligen ; dagegen konnte sie in. Anbetracht der
ausserordentlichen Gefahren selbstverständlich eine Garantie dafür
nicht übernehmen, dass die Werte unversehrt in der Schweiz ankommen
werden. Aus dieser Eigenart des Abschlusses darf aber nicht etwa auf
denMangel jeder Bindung auf Seiten der Beklagten geschlossen werden,
in dem Sinne, dass sie aus reiner Gefälligkeit, ohne Begründung einer
Rechtspflieht, die sendung entgegengenommen hätte. Dagegen folgt aus
dem Gesagten: einerseits, dass von einer (Haftung

Ohuguflonenrecht. N° 27... ss kss

ss der Beklagten als .Geschäftsherrin im Sinne von Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.


in Ver-bindung mit Art. 61 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
1    Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
2    Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden.
OR nicht die Rede sein kann, weil
kein gewerbsmässiger Transport vorliegt, dass vielmehr nur eine
Verantwortlichkeit aus allge-' meinen zivilrechtlichen Grundsätzen
in Betracht kommt, und zwar am ehesten nach den Bestimmungen über.
den Auftrag (Art. 397 ff; OR); .andrerseits, dass auch die Haftung
der Beklagten für getreue und sorgfältige Ausführung des Auftrages
milder zu beurteilen ist, als diejenige anderer Beauftragter, nämlich
in der Weise, dass die Beklagte nur für rechtswidrige Absicht und grobe
Fahrlässigkeit ihrer Organe einzustehen hat. Bei dieser Sachlage kommt
darauf, ob die Beklagte den Nachweis der Wegbedingung jeglicher Haftung
gegenüber dem Kläger erbracht habe, nichts an. Eine solche Wegbedingung
ergibt sich jedenfalls aus der ausgestellten Quittung nicht. Selbst
wenn aber die wiederholte, allgemeine Ablehnung der Haftung, für
Abhandenkommen deponierter oder mit dern Kurier Spe-. dierter Werte
seitens der Gesandtschaft schon vor dem 31. Juli 1918 erfolgt wäre,
und deshalb angenommen

_werden könnte, dass sie dem Kläger bekannt gewesen

sei, wäre eine Wegbedingung der Haftung für grobe Fahrlässigkeit nach
Art. IOD OR nichtig.

'5. Das Schicksal der Klage hängt also davon ab, ob die Beklagte den
Beweis geleistet hat, dass ihren Organen keine grobe Fahrlässigkeit an
der Nicht-_

erfüllung des übernommenen Auftrags zur Last falle. -

Der Vorwurf, Staerkle hätte, weil unzuverlässig, nicht als Kurier
angestellt werden sollen, scheitert daran, dass sein früherer Vorgesetzter
Ramseyer, Di.rektor der Diskontobank in Petrograd, dem Gesandten Odier
vorzügliche Auskünfte über ihn verschafft hatte, und Staerkle auch auf
der Gesandtschaft volles Zutrauen

genoss. Konsul .Mantel in Riga, welcher allerdings

vor seiner Anstellung gewarnt hatte, war nicht in der Lage, etwas
Ernsthaftes gegen ihn siyorzubringen. Zu-

154 Obliglüonemcht. N° 27.

dem hatte Staerkle, als er die fragliche Reise antrat. schon drei
Kurierreisen nach Berlin und zurück ausgeführt Eine culpa in eligendo
liegt daher nicht vor.

Die Behauptung, es sei unterlassen werden, dem Kuriersack ein
Inhaltsverzeichnis beizulegen, hat sich als umsichtig herausgestellt;
ebenso geht der Vorwurf fehl, der Sack sei nicht sorgfältig genug
verschlossen gewesen. ,

Richtig ist dagegen, dass Staerkle nach seiner eigenen Aussage genötigt
war, den Sack in Reva] über Nacht dem Bahnhofkommando zur-Verwahrung
zu übergeben. Allein da er versichert, dass der Sack in seiner Gegen
wart verschlossen und tagsdaranf ebenfalls _in seiner Gegenwart dem
Gewahrsam des Kommandos entnommen werden sei, ferner dass er den Sack
sofort eingehend besichtigt und festgestellt habe, dass er vollständig
in Ordnung sei, kann in diesem Vorkommnis bei den damaligen Zuständen
eine grobe Fahrlässigkeit nicht erblickt werden.

Der Kläger beanstandet sodann insbesondere die Art und Weise, wie der
Kuriersack auf der Gesandtschaft in Berlin behandelt worden ist. Das
Beweis--

verfahren hat in der Tat ergeben, dass der Sack dort_

nicht mit der nötigen Sorgfalt verwahrt worden ist: er wurde lediglich
durch den Diener Haberland abgenommen und nicht auf seinen Inhalt
geprüft; da er nicht sofort per Kurier nach der Schweiz weitergesandt.
wurde, legte man ihn in eine unverschlossene Kiste, wo er in dem
jedermann zugänglichen sogenannten Empfangszimmer zwei Tage lang liegen
blieb. Dieseroffenbare Mangel an Sorgfalt ist nach den Aussagen des
Attachés Dr. Hofmann in der Hauptsache auf die damalige mangelhafte
räumliche Einrichtung auf der Gesandtschaft zurückzuführen, und wohl
auch darauf, dass das Gesandtschaftspersonal vom Inhalt des Sackes nicht
oder doch in ganz ungenügender Weise durch Staerkle unterrichtet werden
war. Es fällt freilich

Obligationenrecht. N' 2? 155

auf, dass Staerkle bei seiner Ankunft hierüber nicht befragt wurde,
wie es überhaupt nicht abgeklärt gewesen zu sein scheint, welcher
Beamte die Pflicht hatte, die Kuriersäcke entgegenzunehmen. Doch fällt
in Betracht, dass der diplomatische Kurier damals erst seit ganz kurzer
Zeit zum Transport von Vermögenswerten von Landsleuten aus Russland nach
der Schweiz benutzt wurde, und die Gesandtschaft in Berlin offen-bar
noch nicht gehörig als Zwischenstafion organisiert war. Auch ist zu
berücksichtigen, dass sich im fraglichen Empfangszimmer tagsüber immer
der Diener oder sonst jemand vom Gesandtschaftspersonal befand,

. und dass dieser Raum, vermöge seiner Lage, auch stets

der Beobachtung durch die Angestellten ausgesetzt war. Da es ferner
nach den Umständen durchaus nicht als ausgeschlossen erscheint, dass der
Diebstahl an einem andern Orte begangen werden ist, und der Kuriersack
nicht etwa aus den Räumen der Gesandtschaft verschwunden ist, so kann
trotz der angeführten Nachlässigkeiten, zumal bei den damals herrschenden
ausserordentlichen Verhältnissen, nicht angenommen werden,

dass der Beklagten eine für den eingetretenen Schaden

kausale, grobe Fahrlässigkeit zur Last falle.

_ 6. Aus diesen Gründen muss die Klage gänzlich abgewiesen werden, ohne
dass auf den vom Kläger eventuell (angenommenen Standpunkt der Haftung
aus unerlaubter Handlung einzutreten ist.

Damm-ze}! erkng das Bundesgericht : Die Klage wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 47 II 144
Date : 21. Februar 1921
Published : 31. Dezember 1921
Source : Bundesgericht
Status : 47 II 144
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 144 Obligationenrecht. N° 27. mandeur a, en fait, percu 43 004 fr. sur sa créance


Legislation register
OG: 48
OR: 55  61  454
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defendant • gross negligence • value • department • confederation • watch • russia • day • federal council of switzerland • federal court • theft • damage • diplomatic personnel • 1919 • seal • hamlet • main issue • rice • question • night • wage • authorization • fulfillment of an obligation • director • berne • statement of reasons for the adjudication • end • material defect • traffic • room • danger • evaluation • communication • authorization for criminal prosecution • stamp • address • swiss law • interest • liability in tort • obligation • sole authority • adult • tortuous act • responsibility act • presumption • nullity • time limit • fraud • legal obligation • exemption of liabilities • correctness • value of matter in dispute • witness • mechanic • valuable • use
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