156 Stats:-echt.

nichts einzuwenden sei; eine nähere Begründung für diese Auffassung wurde
aber nicht gegeben. Das Bundesgericht sprach sich schon im Entscheid
i. S. Müller gegen St. Gallen vom 5. Dezember 1919 über die Frage
aus. Es erklärte die genannte Bestimmung auch als verfassungsmàssig,
aber mit einer Begründung, die die ihr vom Regierungsrat gegebene
Auslegung nicht deckt. Der Inhalt des Art. 3 ist in jenem Urteil in dem
Sinne erläutert worden, dass danach den Eheirauen nicht grundsätzlich,
sondern nur ausnahmsweise, wenn sie vom Ehemann als Betriebsinhaber
vorgesehoben werden, das Patent zu verweigern sei, und bloss mit
dieser Beschränkung wurde in Art. 3 des Wirtschaftsgesetzes keine
Verfassungswidrigkeit gesehen. Schon durch diese Urteilsbegründung
gab daher das Bundesgericht zu verstehen, dass ein grundsätzlicher
Ausschluss der mit dem Ehemann in ungetrennter Haushaltung lebenden
Ehefrau von der selbständigen Ausübung des Wirtschaftsgewerbes mit der
Bundesverfassung kaum im Einklang stehe. In jenem Urteil wurde übrigens
die Verweigerung des Wirtschaftspatentes an die Ehefrau Müller auch
auf Art. 2 des Wirtschaftsgesetzes gestützt, und insofern war dieselbe
bundesrechtlich nicht an-

fechtbar, auch wenn und soweit die Berufung aui Art. 3 .

nicht standgehalten hätte. Um so weniger kann auf jenes Präjudiz
abgestellt werden.

Der Entscheid des Regierungsrates muss daher, weil er der Rekurrentin
lediglich wegen ihrer Verheiratung auf Grund einer als verfassungswidrig
zu betrachtenden Bestimmung das Wirtschaftspatent entzieht, aufgehoben
werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates des
Kantons St. Gallen vom 12. März 1921 aufgehoben.Doppelbesteuerung N °
23. 157

III. DOPPELBESTEUERUN GDOUBLE IMPOSITION

23. Urteil vom 16. April 1921 L S. Bär gegen Luzern und Zürich.

Verbot der Doppelbesteuerung Steuerdomizil eines Lehrers ,an einer
landwirtschaftlichen Winterschule, der den Sommer jeweilen in einem
andern Kanton auf eigenem Heimwesen zubringt.

A. Der Rekurrent ist Eigentümer eines bäuerlichen Heimwesens in Zürich,
das er von seinem Vater übernommen, diesem aber nach seiner Angabe
verpachtet hat. Den Sommer verbringt er regelmässig hier bei seinem Vater
; seit dem Herbst 1917 hat er sich dagegen über den Winter jeweilen
in Sursee aufgehalten, weil er an der dortigen landwirtschafflichen
Winterschule als Lehrer angestellt ist. Dementsprechend war er auch
seither stets im Sommer in Zürich und im Winter in Sursee polizeilich
angemeldet. Für das Jahr 1920 wurde er an jedem dieser beiden Orte
für sein ganzes bewegliches Vermögen und das ganze aus der Anstellung.
fliessende Einkommen vom Staat und der Gemeinde besteuert.

B. Infolgedessen hat er sich am 14. Februar 1921 beim Bundesgerichte
wegen Doppelbesteuerung heschwert und um eine gerechte und prinzipielle
Steueransscheidung ersucht.

C. Der Regierungsrat des Kantons Zürich beautragt, der Rekurrent
sei für das Einkommen aus seiner Anstellung ausschliesslich in Zürich
steuerpflichtig zu erklären. Er führt zur Begründung aus : der dortige
Aufenthalt (in Sursee) vermag nach unserer Auf-

fassung kein Steuerdomizil zu begründen, weil er

158 si Stu-recht.

lediglich durch die Arbeit bedingt ist und es sich überhaupt lediglich
um eine Saisonstelle handelt. Der Rekurrent kommt auch nach unseren
Erhebun gen während des Winters, so oft es ihm möglich ist, nach Zürich
ins eigene Heimwesen zurück. Jeden falls sind so, wie die Verhältnisse
liegen, die Bande, die den Rekurrenten mit Zürich verknüpfen, festere
als die Beziehungen, die der Rekurrent zu Sursee hat, und es ist daher
der Rekurrent persönlich somit auch für das in der unselbständigen
Stellung in Sursee er worbene Einkommen ausschliesslich in Zürich
steuer pflichtig. ' Rechtlich stützen wir unseren Steuer anspruch mit
den Ausführungen in folgenden Urteilen ihres Gerichtshofes: In Sachen
Karl Holzkamp vom 19. März 1920, Meili vom 30. Oktober 1920, Karl
Obersteg vom 27. November 1920, insbesondere aber verweisen wir auch
auf die zahlreichen Entschei dungen Ihres Gerichtshofes betreffend die
Besteuerung der Tessiner Saisonarheiter, worunter wir aus letzter Zeit
die Urteile in Sachen Galli und Maspeli vom 13. März 1920 hervorheben,
wornach ja auch bei regehnässiger Rückkehr an ,einen Arbeitsort daselbst
nach Ihrer Rechtsprechung kein Steuerdomizil he gründet wird. Dass der
Rekurrent in Sursee eine staatliche Besoldung bezieht, ist nach Ihrer
Recht sprechung unerheblich (BE 36 I 325, sowie das bereits erwähnte
Urteil in Sachen Karl Obersteg'i).

D. Der Regierungsrat des Kantons Luzern stellt den Antrag, es sei zu
entscheiden, dass der Rekurrent seinen Erwerb als Landwirtschaktslehrer
sowie sein fahrendes Vermögen im Kanton Luzern zu versteuern habe.
Er weist darauf hin, dass dieser auch Während der Sommermonate, um
landwirtschaftliche Kurse zu leiten und Vorträge zu halten, in den Kanton
Luzern komme, und führt sodann aus: Für die Erledigung der Frage,
ob Herr Bär für seinen genannten Erwerb und das fahrende Vermögen im
Kanten Luzern oderwaDoppelbesteuerung. N° 23. 159

Zürich steuerpflichtig ist, fällt in Betracht, dass er jeweilen zur
Zeit, Während welcher er als Lehrer an der Winterschule in Sursee tätig
ist, seinen rechtlichen und faktischen Wohnsitz ausschliesslich in
Sursee hat... Daran ändert der Umstand nichts, dass Herr Bär jeweilen
während der sommermonate sich in Zürich aufhält. Es handelt sich da
nur um einen Ferien aufenthalt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

Wie das Bundesgericht im Entscheide in Sachen Berner gegen Weggis
vom 16. November 1910 (AS 36 I S. 586) ausgeführt hat, haben
die Bundesbehörden in ihrer gegen Doppelbesteuerung gerichteten
Beschwerdepraxis von jeher daran festgehalten, dass der Ort, wo eine
Person Einkommen aus unselbständiger Berufstätigkeit erzielt, für die
Bestimmung ihres steuerdomiziis nicht massgebend sein kann. Solches
Einkommen, wie auch das nicht in eigenem Geschäftsbetriebe steckende
bewegliche Vermögen einer Person unterliegt wenn nicht ausschliesslich,
so doch in erster Linie der Steuerhoheit des Kantons, in dem sich ihr
zivilrechtlicher Wohnsitz im Sinne des Art. 23 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB befindet.

.Nun hält sich der Rekurrent allerdings, seitdem er Lehrer an der
landwirtschaftlichen Winterschule in Sursee ist, jeweilen etwa die Hälfte
des Jahres an diesem Orte zum Zwecke der Berufsausübung auf, und dieser
Aufenthalt ist zweifellos als dauernder anzusehen. Allein damit ist die
Frage nach dem zivilrechtlichen Wohnsitz noch nicht entschieden. Da der
Rekurrent gleichzeitig auch in dauernder Verbindung mit Zürich steht,
indem er abwechselnd die eine Hälfte des Jahres hier und die andere
in Sursee zubringt, so dass durch den Aufenthalt am einen Orte die
Beziehungen zum andern nicht abgebrochen werden, kommt es darauf an,
mit welchem er durch stärkere Bande verbunden ist. Die

160 · Staatsrecht

Sachlage spricht nun dafür, dass dies Zürich ist, da er hier jeweilen mit
dem Vater zusammen auf eigenem Heimwesen wohnt, während er sich in Sursee
allein, ohne andere Familienglieder, aufhält und deshalb offenbar das
Bestreben hat, seine freie Zeit möglichst in Zürich zuzubringen. Wenn
er auch noch im Sommer im Kanton Luzern Kurse leitet oder Vorträge
hält, so kann das hieran nichts ändern, zumal da es sich dabei nur
um eine vorübergehende Tätigkeit handeln würde. Die Sachlage ist,
wie die zürcherisehe Regierung zutreffend bemerkt, wesentlich gleich,
wie bei den tessinischen Arbeitern, die den Winter bei ihrer Familie im
Tessin zubringen, im Sommer aber jeweilen in andern Kantonen ihrer Arbeit
nachgehen. In diesen Fällen, hat das Bundesgericht stets ausschliesslich
dem Kanton Tessin die Steuerhoheit über das Arbeitseinkommen zuerkannt.

Infolgedessen ist das Recht zur Besteuerung des beweglichen Vermögens
des Rekurrenten und des aus seiner Anstellung fliessenden Einkommens
ausschliesslich dem Kanton Zürich zuzuerkennen.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, dass das si

Vermögen und Einkommen des Rekurrenten für das Jahr 1920 im Kanton Luzern
nicht besteuert werden darf. 'Doppelbestenemng. N° 24. 161

24. Urteil vom 11. Juni 1921 iS. Pamgegen Zürich und Thurgau.
Verbot. der Doppelbesteuemng. Stenerdomizii eines unselbständig
erwerbenden Familienhauptes in einem Falle, wo

dieses zunächst den Ort der Berufsansübung und später die Familie den
Aufenthaltsort wechselt.

A. Der Reknrrent, der Ingenieur Max Paur von Zürich, war früher
Instruktionsoffizier der Artillerie. Er wohnte seit 1911 mit der
Familie in Frauenfeld. Zu Beginn des Jahres 1919 trat der Rekurrent
als Instruktionsoifizier zurück und bezog am ]. Februar, zunächst
provisorisch, eine Anstellung als Prokurist bei der Firma Baumann,
Kölliker & C'e, A.-G. in Zürich. Das bedingte seine persönliche
Übersiedelung nach Zürich, wo er zwei möblierte Zimmer bewohnte. Die
Familie blieb in Frauenfeld, wo die Kinder nach wie vor die Schule
besuchen. Der Rekurrent hält sich von Samstag bis Montag regelmässig
bei der Familie in

,Frauenfeld auf. Seit dem 1. Februar 1920 ist die An-

stellung des Rekurrenten in Zürich eine definitive. Die Übersiedelung
auch der Familie nach Zürich oder Umgebung war in Aussicht genommen ;
sie konnte aber noch nicht bewerkstelligl; werden, weil der Rekurrent
keine Wohnung fand. Im Mai 1921 wollte der Rekurrent mit der Familie nach
Kilchberg bei Zürich ziehen oder ist dorthin gezogen . Der Heimatschein
des Rekurrenten blieb in Frauenfeld ; bei seiner Anmeldung in Zürich
erhielt er einen Personalausweis als Stadtbürger. Der Rekurrent bezahlte
die Steuern vom Einkommen und Vermögen bis Ende 1920 in Frauenfeld. Pro
1919 wurde in Zürich mit Rücksicht auf den provisorischen Charakter der
Anstellung des Rekurrenten auf eine Besteuerung verzichtet. Am 7. April
1921 teilte ihm das AS i ieet H
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 47 I 157
Datum : 12. März 1921
Publiziert : 31. Dezember 1921
Quelle : Bundesgericht
Status : 47 I 157
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 156 Stats:-echt. nichts einzuwenden sei; eine nähere Begründung für diese Auffassung


Gesetzesregister
ZGB: 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
BGE Register
36-I-323
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • familie • regierungsrat • frauenfeld • doppelbesteuerung • weiler • frage • vater • bewegliches vermögen • 1919 • jahreszeit • fahrender • steuerhoheit • begründung des entscheids • ehegatte • autonomie • entscheid • unternehmung • bern • arbeitnehmer
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