352 Familienrecht. N ° 59.

geschäfte dieser Art überhaupt nur vor der Vormundf schaftshehörde
selbst abgeschlossen werden könnten, wollen die Ehegatten nicht
gegenseitig Gefahr laufen,-sie solange in Frage gestellt zu sehen,
als nicht die Zustimmung der Vormundschaftshehörde ausgesprochen
werden ist; insbesondere würde dadurch die Beteiligung des Ehemannes
an der Versteigerung von eingebrachtem Gut der Ehefrau geradezu
verunmöglicht. Eine derartige Erschwerung "des reehtsgeschäftlichen
Verkehrs unter den Ehegatten aber konnte der Gesetzgeber nicht im
Auge haben. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Ehegatten durch den
Abschluss von Rechtsgeschäften, die das eingebrachté Frauengut oder
das Gemeinschaftsgut betreffen, unmittelbar gebunden werden, immerhin
nur unter der aufschiebenden Bedingung der nachfolgenden behördlichen
Zustimmung, und dass sie erst durch die rechtskräftige Verweigerung
dieser Zustimmung oder durch den unbenutzten Ablauf der Frist, welche
in ana-loger Anwendung von Art. 410 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 410 - 1 Der Beistand oder die Beiständin führt Rechnung und legt sie der Erwachsenenschutzbehörde in den von ihr angesetzten Zeitabständen, mindestens aber alle zwei Jahre, zur Genehmigung vor.
1    Der Beistand oder die Beiständin führt Rechnung und legt sie der Erwachsenenschutzbehörde in den von ihr angesetzten Zeitabständen, mindestens aber alle zwei Jahre, zur Genehmigung vor.
2    Der Beistand oder die Beiständin erläutert der betroffenen Person die Rechnung und gibt ihr auf Verlangen eine Kopie.
ZGB der eine Ehegatte
dem andern zu ihrer Erwirkung ansetzen kann, wieder frei werden. Die
Zustimmung der Vormundschaftsbehörde ist nicht ein Formerfordernis des
Vertrages unter den Ehegatten, sondern verhält sich zum Vertragsschluss
wie die Genehmigung der Vormundschaftsbehörde zum Vertragsschluss eines
urteilsfahigen Bevormundeten ; darauf weisen auch ihre Vorgänger in den
kantonalen Rechten hin. Demgemäss wurde das Bundesgericht, sofern vor ihm
die Verbindlichkeit eines Rechtsgeschäftes. das gemäss Art. 177 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.

ZGB der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde bedarf, einzig deswegen
bestritten würde, weil diese Zustimmung erst in einem Zeitpunkt erfolgt
sei, da die Ehegatten unter sich darüber gar nicht mehr einig waren,
jenem seinen Schutz nicht versagen. Geht aber, wie vorliegend, die
gerichtliche Beurteilung der Entscheidung der Vormundschaftsbehörde
voraus, so kann das Rechtsgeschäft des gerichtlichen Schutzes nicht
schlechthin, sondern nur unter dem Vor-Familienrecht. N° 60. 352%

behalt der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde, von der ja seine
Gültigkeit abhängt, teilhaftig werden; in diesem Sinne ist daher das
Dispositiv des angefochtenen Urteils einzuschränken.

60. Urteil der II. Zivîlabteilung vom 1. Dezember 1920 i. S. Gender
gegen Nidwalden. ZGB Art. 393 Ziff. 2: Die Beistandschaft darf nicht
angeordnet werden, wenn eine Person zwar ihr Vermogen

nicht selber verwalten kann, wohl aber genügend Einsicht besitzt um
einen Verwalter zu bestellen.

A. Im Mai 1918 verlangte der heutige Vertreter der Rekurrentin,
A. Häfliger, der damals den Sohn Maria und die Tochter J osefa Gander
vertrat, beim Gemeinderat Beckenried die Bevormundung der Rekurrentin,
weil sie infolge ihres hohen Alters und wegen Alkoholismus zur Verwaltung
ihres Vermögens unfähig sei und willenlos unter dem Einfluss der Tochter
Elisabeth Beschi-Gander stehe, die frei über ihr Vermögen verfüge und
damit gewagte Spekulationen treibe. Der Gemeinderat sah jedoch von einer
Bevormundung ab, nachdem sich die Rekurrentin bereit erklärt hatte,
ihre Wertschriften bei der Nidwaldner Kantonalbank zu hinterlegen und
den Depotschein der Vormundschaftsbehörde ausznhändigen.

Im August 1920 beauftragte die Rekurrentin Häfhger mit ihrer
Vermögensverwaltung Unter Verweisung darauf dass seine Klientin voll
handlungsfähig sei, verlangte dieser nunmehr von der Vormundschaftsbehörde
die Herausgabe des Vermögens der Rekurrentin und, beschwerte sich,
als die Vormundschaftsbehörde seinem Gesuche nicht entsprach, beim
Regierungsrat. Er beantragte, die Vormundschaftsbehörde einzuhalten,
ihm .das Vermögen der Rekurrentin zu übergeben und jegliche

354 Familienrecht. N° 60.

Beschränkung der Handlungsfähigkeit der Frau Gander aufzuheben. Nun
beschloss der Gemeinderat am 10. september 1920, der Rekurrentin einen
Beistand zu bestellen, und zwar, wie aus seiner Vernehmlassung an den
Regierungsrat hervorgeht, gestützt auf die von Häfliger seinerzeit in
seinem Bevormundungsgesuch selber angeführten Gründe. Mit Beschluss vom
18. September 1920 trat der Regierungsrat in allen Teilen der Auffassung
des Gemeinderates bei und wies die Beschwerde ab.

B. Hiegegen richtet sich die vorliegende zivilrechtliche Beschwerde,
mit der die Rekurrentin die Aufhebung der Bevormundung oder
Beistandschaftsbestellung und Herausgabe ihres Vermögens verlangt. Sie
macht geltend, es fehle an jeder Beweisführung hinsichtlich der ihr
gemachten Vorwürfe ; diese Vorwürfe seien unzutreffend und daher weder
ein Grund zur Bevormundung noch zur Verheiständung gegeben.

Zur Vernehmlassung aufgefordert, hat der Regierungsrat Abweisung der
Beschwerde beantragt, indem er sich auf den Standpunkt stellte, die
eigenen Ausführungen Häfligers in dem von ihm seinerzeit gestellten
Bevormundungsbegehren beweisen, dass die Voraussetzungen einer
Beistandsbesteilung nach Art 393 Ziff 2 7 GB gegeben seien.

Das Bundesgerichi sieht in Erwägung :

1. Da der Regierungsrat seinen Entscheid ausschliesslich auf Art. 393
Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
ZGB stützt, ist nicht zu untersuchen, ob eine andere-Form der
Beistandsehaft, speziell die Beiratschaft des Art. 395, auf die Beklagte
anwendbar gewesen Wäre.

Voraussetzung der Beistandschaft nach Art 393 ist, wie aus dem allgemein
gehaltenen Absatzl des Artikels mit aller Deutlichkeit hervorgeht,
für alle drei nachfolgend aufgezählten Verbeiständungsfälle das Fehlen
einer Verwaltung für'das Vermögen der zu verbeiständenden Person. Dieses
Requisit muss demnach auch für dieFamilienrecht. N° 60. 355

_Verbeiständung nach Ziff. 2 verlangt werden. Sofern

nun aber jemand zwar nicht fähig ist, die Vermögensverwaltung selber
zu besorgen, dagegen die nötige Einsicht besitzt, um selber einen
Verwalter wählen und bis zu einem gewissen Grade kontrollieren zu
können, kann ihm nicht unter dem Titel des Fe h le 11 s ein e r V'e'rw
alt u n g ein Beistand gegeben werden. Allerdings ist der Wortlaut
der Ziff. 2 in dieser Hinsicht nicht durchaus klar. Danach ist ein
Beistand zu bestellen bei Unfähigkeit einer Person, die Verwaltung
ihres Ver-mögens selbst zu besorgen oder einen Vertreter zu bestellen
. Das verbindende oder scheint eher darauf hinzuweisen, dass damit
zwei selbständige Verbeistänclungsgründe verbunden werden sollen, dass
also auch die blosse Unfähigkeit, selber das Vermögen zu verwalten,
genüge, um einer Person einen Beistand zu geben. Hiefür könnte auch
angeführt werden, dass in der im übrigen ähnlich gefassten Bestimmung des
Art. 392 Ziff. ] durch ein weder..... noch ausdrücklich betont wird,
dass eine Verbeiständung nur erfolgen darf, wenn die zu verbeiständende
Person weder selbst handeln. noch einen Vertreter bestellen kann. Allein
diese Argumente können doch nicht entscheidend sein. Der Gesetz-geber
hätte nicht in Absatz 1 von Art. 393 das objektive Bequisit des Fehle
n s einer Vermögensverwaltung derart in den Vordergrund gerückt,
wenn er die blosse subjektive Unfähigkeit, selber zu verwalten, auch
als Verbeiständungsgrund betrachtet hätte. Dazu kommt aber noch, dass
ja die Beistandschaft anerkanntermassen die Handlungsfähigkeit nicht
beeinträchtigt. Wenn daher die Handlungsund Verpflichtungsfähigkeit
bezüglich aller Rechtsgeschäfte trotz der Verbeiständung aufrecht
bleibt, so ist nicht einzusehen, warum das hinsichtlich der Befugnis,
einen Verwalter zu bestellen, anders sein sollte. (So auch KAUFMANN zu
Art. 393 Note 13.)

2. Nach den gemachten Ausführungen hätte die Rekurrentin nur verbeiständet
werden dürfen, wenn sie

356 Sachenrecht. N° 61.

unfähig wäre, selbst einen Vermögensverwalter zu. be.stellen. In
dieser Hinsicht aber fehlt es sogar an einer Behauptung von seiten der
Vormundschaftsbehörde und des Regierungsrates. Die früheren Vorwürfe
Häfligers, die übrigens nicht ohne weiteres als von der Beklagten
anerkannt zu betrachten sind, betrafen vor allem die Wiilensschwäche
der Rekurrentin, ihre Beeinflussbarkeit durch die Tochter. Diese
Willensschwäche wie auch das vorgerückte Alter bilden aber keine Grundlage
für die Annahme, dass der Rekurrentin die Fähigkeit abgehteinen Verwalter
zu bestellen.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Beschwerde wird gutgeheissen und die über die Besehwerdeführerin am
10. September 1920 angeordnete Beistandschaft aufgehoben.

III. SACHENRECHT ])ROITS RÉELS

61. Urteil der II. Zivilabteilmig vom 30. September 1920
i. S. Konkursmasse Jenny gegen Kämpf. Verpfändung von Schuldbriefrechten
nach

der Eintragung im Grundbuch aber vor der Ausstellung des Titels. Art. 868
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
,
869
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
1    Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht.
2    Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein.
ZGB.

A. _ Am 25. Februar 1919 ersuchte der Kridar Jenny das Grundbuchamt
Küsnacht, auf seiner Liegenschaft in Küsnacht zwei Inhaberschuldbriefe
von je 10,000 Fr. zu errichten und die Titel nach ihrer Ausstellung ihm
aussuhändigen. Das Grundbuchamt übergab ihm darauf zweiSachenrecht. N°
61. 357

Interimsscheine , welche diese Anmeldung bestätigen; Am 8. März 1919
ermächtigte Jenny das Amt schriftlich, die Titel seinerzeit dem Kläger
Dr. Kampf als Zessionar zu übergeben. Gleichzeitig übermachte er
diesem die beiden Interimsscheine. In einem Briefe an Dr. Kämpf,
vom 24. März 1919, in welchem der Kridar dessen Forderungen gegen ihn
aufzählte, bemerkte er sodann : Als Sicherheit besitzen Sie meinerseits
zwei Inhaberschuldbriefe.. Nachdem über Jenny unterm 15. Mai 1919 der
Konkurs eröffnet werden war, wurden am 30. Juni 1919 die vom Grundbuchamt
inzwischen ausgestellten beiden Schuldbriefe durch den Präsidenten des
Bezirksgerichtes gemäss, Art. 857 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 857 - 1 Der Register-Schuldbrief entsteht mit der Eintragung in das Grundbuch.
1    Der Register-Schuldbrief entsteht mit der Eintragung in das Grundbuch.
2    Er wird auf den Namen des Gläubigers oder des Grundeigentümers eingetragen.
ZGB unterzeichnet.

Im Konkurse Jennys meldete der Kläger ein Faustpfandrecht an den beiden
Titeln für eine Forderung von 79,022 Fr. 25 Cts. an und klagte, als die
Konknrsverwaltung nur die Forderung nicht aber das Piandrecht kollezjerte,
auf Anerkennung dieses letzteren. Er machte insbesondere geltend,
die. Interimsscheine haben die beiden W'erttitel vor ihrerAusfertigung
ersetzt und ihm das Pfandrechi; an ihnen verschafft. Die Masse beantragte
demgegenüber Abweisung der Klage und zwar im wesentlichen unter Hinweis
darauf, dass es an einem schriftlichen Verpfändungsvertrage fehle, und
dass zudem eine Verpfändung ohne Uebertragung der Briefe ausgeschlossen
gewesen sei.

B. Beide Vorinstanzen, das Obergericht mit Urteil vom 26. April 1920,
haben das mit der Klage beanspruchte Pfandrecht anerkannt. Das Obergericht
hat ausgeführt :

Die Eintragung eines Eigentümerschuldbriefes begründe nur formell
ein Pfandrecht, dem mangels Vorhandenseins einer Forderung materielle
Wirksamkeit fehle. Eine Aenderung trete aber ein, sobald der Eigentümer
des Grundpfandes über den im Schuldbrief bezeichneten Wertteii verfüge,
was durch Uebertragung der Briefrechte oder durch ihre Verpfändung
geschehen könne. Im letzteren Falle erhalte der Pfandgläubiger das
Recht, das
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 46 II 353
Date : 01. Dezember 1920
Published : 31. Dezember 1920
Source : Bundesgericht
Status : 46 II 353
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 352 Familienrecht. N ° 59. geschäfte dieser Art überhaupt nur vor der Vormundf schaftshehörde


Legislation register
ZGB: 177  393  410  857  868  869
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