282 Kriegsverordnuugen. N° öd

Grundsätzen des Expropriationsrechts nicht angenommen werden. Zuzugeben
ist, dass die Frage der Enteignung beschlagnahmter Waren im
Bundesratsbeschluss vom 11. April 1916 nicht erschöpfend geregelt
ist. Allein im vorliegenden Fall ist die Erwägung entscheidend, dass
die Enteignung, als staatlicher Hoheitsakt, keinesfalls durch hlosses
stillschweigen des Volkswirtschaftsdepartements oder seiner Organe
gegenüber einer Zuschrift der Klägerin ausgesprochen werden konnte, so
wenig als sie sich schon aus der Beschlagnahme an sich, oder überhaupt
aus angeblich konkludenten Handlungen der Verwaltungsbehörden ergeben
kann. Sie stellt einen so schweren Eingriff in das Privateigentum
dar, dass der Enteignungsaussprnch stets Gegenstand eines förmlichen
Verwaltungsaktes bilden muss, was natürlich auch für kriegswirtschaftliche
Enteignungsmassnahmen zutrifft Da es aber an einer solchen Verfügung hier
gänzlich fehlt, braucht nicht untersucht zu werden, in welchem Zeitpunkt,
falls das Volkswirtschaftsdepartement das Enteignungsverfahren tatsächlich
eingeleitet hätte, das Eigentum auf die Beklagte übergegangen wäre.

5. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Abteilungen des
Volkswirtschaftsdepartementes, welche mit der Klägerin in Verkehr getreten
sind, überhaupt die Beklagte rechtsgültig hätten verpflichten können.

Da andrerseits eine Schadenersatzpflicht ,des Bundes für
Beschlagnahmeverfügungen grundsätzlich nicht besteht und auch eine
Schadenersatzforderung nicht eingeklagt ist, fällt der von der Klägerin
gegenüber dem Volkswirtschaftsdepartement erhobene Vorwurf,sssie sei
von dessen Organen Widerrechtlieh hingehalten und willkürlich behandelt
werden, ausser Betracht ; immerhin ist zu bemerken, dass das Vorgehen des
Volkswirtschaftsdepartementes in den Bestimmungen der Bundesratsbeschlüsse
über die Beschlagnahme von LebensmittelAvorräten und anderen Waren seine
volle Rechtfertigung findet. '

' .-WWDM-W-qu.s.... _ . ... , . . .... .Kahtonales Recht; N° 52. 283

6. Aus dem Gesagten ergibt sich die Unbegründetheit des
Hauptklagebegehrens und der Eventualbegehren II und III ohne
weiteres. Aber auch das Klagebegehren IV, mit dem die Klägerin Ersatz
sämtlicher, seit. dem 13. September 1918 bis zur rechtskräftigen
Erledigung des Prozesses auf den Tüchern haftender Lagerspesen und
sonstiger Abgaben verlangt, scheitert für die Dauer der Beschlagnahme an
der Bestimmung, dass bei ,deren Aufhebung die Beklagte keine Entschädigung
irgend welcher Art zu entrichten hat; und noch wemger begründet ist
selbstverständlich die Forderung für die Zeit nach Rückgängigmachung
der Besehlagnahme.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Klage wird abgewiesen.

VII. KANTONALES RECHT

,__ ,_.

DRO IT CANTONAL52. Urteil der staatsrechtlichen Abteilung vom 23. Januar
1920 i. S. Meier gegen Kanton Aargau.

nhabers einer ursprünglich ein Annex z_u einer Klägänähirgschaft
bildenden, an sich anerkannten Fischerei-. gerechtigkeit an einer strecke
der aargauischen îrîusg gegen den Staat Aargau wegen Zulassung des durch
' . ., des kantonalen Fischereigesetzes von 1892.1md die Lantenale
Vollziehungsverordnung zum eidgenossisehen Fischerei-

gesetz zu Gunsten aller Kantonseinwohner vorgesehenen

freien Fischens mit der fliegenden Angel in den öffentlichen

' ' ' tfischenz. ZivilGewässern auch fur das Gebiet dieser Priva . .
rechtlicher Charakter der Streitigkeit nicht" nur soweit sie auf Ersatz
des dadurch dem Kläger zugesagten Schadens, sondern auch soweit sie auf
Feststellung der Unzulassxg-

AS 46 ll 1920 20

284 Kantonales Recht. N° 52.

keit jenes beschränkten Gemeingebranchs und Unterlassung seiner serneren
Gestattung gerichtet ist. Gutheissung des letzteren Begehrens. Abweisung
der Schadenersatziorderung wegen mangelnder Passivlegitimation und
guten Glaubens der Staatsbehörden hinsichtlich der Rechtmässigkeit
ihres Verhaltens. Erstrecknng der freien Angeltischerei auch auf solche
Privatfischenzen trotz mangelnder Grundlage im geschriebenen Recht durch
Gewohnheitsrecht oder Aquisitiv(unvordenkllche) Verjährung '? -

A. Das aargauische Gesetz über Strassen-, Wasserund Hochbau vom 23. März
1859 (sog. Baugesetz) erklärt in g 79 als öffentliche Gewässer alle
im Kanton Aargau liegenden Flüsse, sowie diejenigen Bäche, die nicht
erweisliches Eigentum Dritter sind, ferner den Hallwiler see auf
aargauischem Gebiete. Nach § 86 wird die Fischerei in den öffentlichen
Gewässern vom Staate geübt, soweit er darin nicht durch erweisliche
Privatherechtigungen beschränkt ist, und sollen über deren Ausübung vom
Regierungsrat die nötigen Vorschriften erlassen werden.

An Stelle der hier vorgesehenen Ausführungsverordnung kam dann am 15. Mai
1862 das Gesetz über Ausübung der Fischerei zustande, dessen §§ 1, 2,
3, 8 und 9 lauten : .

§ 1. Das Recht, in den öffentlichen Gewässern des Kantons zu fischen,
soweit es-nicht Korporationen oder einzelnen Personen erweislichcrmassen
zusteht, wird vom Staate geübt. Dasselbe erstreckt sich auf alle Teile
der Gewässer, in welchen die Fische zu leben und sich fortzupflanzen
pflegen. '

§ 2. Das Fischereirecht wird zum Vorteil des Staates verpachtet Wo es zur
Erhaltung der Fischerei unerlasslich erscheint, gewisse Gewässer oder
Strecken derselben in Bann zu legen, kann die Verpachtung für kürzere
oder längere Zeit unterbleiben .

§ 3. Zum Zwecke der Verpachtung wird das Staatsgebiet in eine
entsprechende Anzahl von FischenzreVieren

eingeteilt.Kantonales Recht. N° 52. 285

§ 6. Dem Pächter soll für die Dauer des Vertrages ein formgerechtes
Patent zugestellt werden. Lässt derselbe den Fischfang durch Angestellte
oder Angehörige besorgen, so sind diese durch Ausstellung besonderer
Fischerscheine hiefür zu ermächtigen.

§ 9. Durch das Patent erhält der Pächter die Befugnis, die Fischerei
innert des ihm verliehenen Reviers fischergerecht auszuüben. ' ss

Das Erlegen von Fischottern und Fischreihern mittelst Stricken,
Tellereisen, Fallen und Ausgraben ist in dieser Befugnis inbegriffen.

'DerGebrauch der fliegenden Angeln in dem Hallwiler See, dem Rhein,
der Aare, der Reuss und der Limmat ist auch dem Nichtpachter gestattet.

g 13. stellt sodann eine Anzahl fischereipolizeilicher Bestimmungen
(Verbot des Fangs und Verkaufs gewisser Fischarten unter einer bestimmten
Grösse, der Verwendung gewisser Fangmittel, Schonzeiten usw.) auf: im
letzten Absatz desselben heisst es : Von den in diesem § aufgestellten
Bestimmungen sind selbst diejenigen nicht ausgenommen, welche sich
im eigentümlichen und ausschliesslichen Besitze des Fischereirechts
befinden. -

Nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei
vom 21. Dezember 1888 erliess der Regierungsrat des Kantons Aargau am
11. November 1889 zu demselben eine Vollziehungsverordnung, aus der als
hier in Betracht fallend folgende §§ hervorzuheben sind :

§ 2. Von dem aargauischen Gesetz über Ausübung der Fischerei vom
15. Mai 1862 bleiben nur die auf die Verpachtung der Fischenzen Bezug
habenden Bestimmungen der gg 1 bis 8, 10 und 17 unverändert in Kraft.
Sie lauten .......

Alle übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes werden durch das
Bundesgesetz über die Fischerei nebst bundesrätlicher und kantonaler
Vollziehungsverordnung ersetzt.

286 Kantonales Recht. N° 52.si

s§ 6. Jeder Schweizerhürger und diejenigen Ausländer, die schweizerische
Niedergelassene oder Aufenthalter sind, haben, sofern sie nicht widerholt
wegen Fischi'revel bestraft wurden, das Recht, gegen Bezahlung einer
vom Grossen Rate festzusetzenden Patenttaxe, an den Werktagen der
Sommennonate mit der fliegenden Angel im HallWiler See, dem Rhein,
der Aare, der Beuss und der Limmat in gesetzlicher Weise zu fischen.

Unter der fliegenden Angel ist die Angelschnur mit Angel ohne Besehwerung
und ohne natürliche oder künstliche Köderfischchen verstanden.

Die Bezahlung der Patenttaxe, welche zu Handen des staates erhoben wird,
erfolgt auf dem Bezirksamt und wird hiefür ein Patent ausgestellt, auf
welchem die Schonzeiten, die zulässigen Längen, die Dauer des Patentes,
der Name des Berechtigten und das Berechtigungsgebiet angegeben sind.

In den übrigen Gewässern ist die Angeliischerei nur den Fischenzpächtern
und Besitzern von Fischreehten gestattet.

Dieser Erlass führte zu verschiedenen Eingaben von Angelfischern an den
GrossenRat, worin gegen die versuchte Einschränkung des durch § 9 Abs. 3
des kantonalen Fischereigesetzes von 1862 gewährleisteten Freiangclrechtes
Widerspruch erhoben wurde. Der aargauische Fischereiverein, als
Vertreter der Interessen der staatlichen Fischenzpächter und Inhaber
privater Fischereirechte stellte seinerseits durch eine Gegeneingabe
das Begehren: es sei an dem angefochtenen § 6 der regierungsrätlichen
Vollziehungsverordnung festzuhalten, sodann aber interpretationsweise zu
erklären, dass derselbe sowie die damit zusammenhängenden Bestimmungen der
Verordnung über die Angelfiseherei nur auf das Gebiet der Staatsiischenzen
Bezug haben, die Fischereirechte der Privaten und Korporationen dagegen
dadurch nicht berührt würden. In seiner Vernehmlassung an den Grossen
Rat erklärte sich der Regierungsrat damit ein-Mondes um. N°52. 287

verstanden, das Verbot der Sonntagsfischerei fallen zu lassen,
vom Bezuge einer Patenttaxe abzusehen und die Begriffsbestimmnng der
fliegenden Angel etwas anders, für die Angler günstiger zu fassen, lehnte
dagegen die weiteren Begehren dieser, ferner aber auch das Ansinnen des
Fischereivereins ab, indem er zum letzteren ausl'ührte: Was die vom
Fischereiverein verlangte Interpretation des § s betrifft, so sind wir
der Ansicht. es könne dieselbe unmöglich so ausgesprochen werden. Die
Privatfischereiberechtigten im Rhein, der Aare, Limmat und Reuss und
dem Hallwiler See müssen sich eben das nun einmal durch das Gesetz von
1862 sanktionierte Fischen mit. der fliegenden Angel in den genannten
Gewässern, wie der Staat ebenfalls, gefallen lassen. Der § 9 des genannten
Gesetzes macht keine Ausnahme zwischen Privatund Staatsfischenzen':
die Privatberechtigten hätten sich dannzumal, im Jahr'. 1862, gegen
den § 9 auflehnen sollen, jetzt wird es nach hierseitiger Ansicht zu
spät sein. In den im Jahre 1865 den Privatherechiigten ausgestellten
Anerkennungsnrkunden hat der Regierungsrat ausdrücklich Drittmannsrechte
vorbehalten. s-

Auf den Antrag seiner Kommission beschloss der Grosse Rat am 18. November
1890 ohne Widerspruch :

'n 1. Es sei in § 2 der nargauischen Vollziehungsverordnung vom
11. November 1889 den noch zu Recht bestehenden Paragraphen des
aargauischen Gesetzes über Ausübung der Fischerei vom 15. Mai 1862 auch
der § 9 Abs. 3 beizufügen.

2 Der Palagraph 6 der gleichen Vollziehungsx erordnung soll lauten:

Jeder Schweizerhürger und diejenigen Ausländer, die schweizerische
Niedergelassene oder Aufenthalt-er sind, haben, sofern sie nicht
wiederholt wegen Fischlrevels bestraft wurden, das Recht, ausgenommen
in den durch die Bundesgesetzgebung aufgestellten Schonzeiten, mit der
fliegenden Angel im Hallwiler See, dem Rhein, der Aare. Reuss und Limmat
in gesetzlicher Weise zu fischen. Unter

288 Kantonales Recht. N° 52.

der fliegenden Angel ist die Angelschnur mit Schwimmer, etwas Blei
und mit ein e m Angel ohne künstliche oder natürliche Köderfischchen
verstanden. In den übrigen Gewässern ist die Angelfischerei nur dem
Fischenzpächter und Besitzern von Fischereirechten gestattet.

In der Beratung hatte der Berichterstatter der grossrätlichen Kommission,
Kellersberger, ausgeführt:

.. Zunächst trägt es sich, wie es sich mit § 9 des bis herigen kantonalen
Fischereigesetzes verhalte ? In die ser Beziehung wird folgendes bemerkt :

Das Bundesgesetz (Art. 1) erklärt die Kantone als souverän in Beziehung
auf die Verleihung und Aner kennung des Rechts zum Fischfang, derBund
hat ledig lich die Art und Weise der Ausübung der Fischerei und deren
Beschränkungen geordnet. Daher bleibt das kan jonaie Gesetz in Kraft,
soweit es die Verleihung des Rechts zum Fischfang betrifft, folglich
auch Art. 9 Lem. 3 desselben, welcher den Niehtpächtern das Fisch
recht mit der Angel im Hallwiler See, dem Rhein, der Aare, der Reuss
und der Limmat gewährt hat. Das Fischen mit der Angel überhaupt ist
durch das Bundes gesetz nicht verboten, vielmehr ausdrücklich vorge
sehen und erlaubt werden (Art. 5 Lem. 5). Im kanto nalen Gesetz ist
nur näher bestimmt, wem (auch dem Nichtpächter) und mit welcher Angel
(der fliegenden) das Angeln gestattet sei. Da nun das Bundesgesetz nur
die widersprechenden Bestimmungen der kantonalen si Gesetze aufgehoben
hat, der § 9 Lem. 3 aber mit keiner hundesgesetzlichen Bestimmung im
Widerspruch steht, so muss er als fortwährend zu Recht bestehend aner
kannt werden und konnte also im Wege der -Voilzie hungsverordnung nicht
aufgehoben werden. Das Be gehren der Angelfischer um Aufnahme des §
9 Lem. 3 in den § 2 der Vollziehungsverordnung ist daher be gründet. )-

in dieser abgeänderten Fassung ging der § 6 dann in die neue revidierte
Vollziehungsverordnung des Regie--Kantonales Recht. N° 52. 289

rungsrates vom 7. August 1905 zum eidgenössischen Fischereigesetz, §
15 über. Die neueste, diejenige von 1905 aufhebende regierungsrätliehe
Vollziehungsverordnung vom 18. August 1913 enthält im Abschnitt H C unter
der Ueberschrift Freiangler nachstehende einlässliche Vorschriften,
deren wesentlichste Neuerung darin besteht, dass in Zukunft die Befugnis
zum freien Angeln nur noch den Kantonseinwohnern, nicht mehr allen
Schweizerbürgern zustehen soll.

u § 20. Jeder im Kanton Niedergelassene hat das Recht, im Rhein, in
der Aare, der Reuss und der Limmat nach Massgabe der nachstehenden
Bestimmungen zu fischen.

§ 21. Zum Fischen darf nur die fliegende Angel verwendet werden. Als
solche ist zu verstehen, die von Hand geführte Fischrute mit Schnur und
auf dem Wasser treibendem Kork, mit. mindestens 10 Gramm schwerem Blei,
einfacher Angel ohne natürliche Fischchen oder künstlichen Köder. Es
darf nur vom Ufer aus und nur von morgens 4 Uhr bis abends 10 Uhr
gefischt werden.

g 22. Dem Freiangler ist verboten, 'die Fische durch Ani'iittern,
d. h. streuen und Legen von Köder anzulocken. .

§ 23. Vom Freiangeln sind ausgeschlossen :

· 1. Kinder unter 12 Jahren.

2. Diejenigen, denen die Fischereiberechtigung g richtlich entzogen ist
(Art. 32 des BundesgesetzeS).

5 24. Wer die Freiangelfischerei ausüben will, hat sich beim
Bezirksamt durch ein Zeugnis der Wohnortsbehörde über die Erfüllung der
vorgeschriebenen Bedingungen auszuweisenv Das Bezirksamt verabfolgt ihm
als Ausweis eine für je ein Kalenderjahr gültige Fischerkarte

gegen Erlegung einer mässigen Kanzleigehühr.

§ 25. Im Hallwiler See ist das Fischen mit der fliegenden Angel jedermann
gestattet und gelten hiel'ür nur die Vorschriften der §§ 21 und 22.

Schon im Jahre 1909 hatte der Regierungsrat neuerdings den Versuch
gemacht, die Freiangler einer Kontroll-

290 Kantonales Recht. N° 52.

gebühr zu unterwerfen. Der Grosse Rat trat jedoch am 26. Januar 1909
auf die bezügliche Vorlage nicht ein. Die Vollziehungsverordnung vom
18. August 1913 rief wie-_ derum mehreren Eingaben von Anglerverbä nden
an den Grossen Rat, worin gegen die über das Bundesgesetz hinausgehende
Ausdehnung der Schonzeiteu, sowie die einengende Begriffsbestimrnung der
fliegenden Angel Klage geführt und angeregt wurde, es möchten zwei Angel.
karten eingeführt werden, eine zu 2 Fr., die das Fischen mit Schwimmer und
Blei, und eine zu 5 Fr., die das beliebige Angelfischen mit natürlichem
und künstlichem Köder erlaube. Der Grosse Rat gab diesem Begehren insoweit
Folge-als er den Regierungsrat einlud, den Begriff der fliegenden Angel
in § 21 etwas anders zu umschreiben ( von Hand geführte Angelrute mit
Schnur, schwimmendem Kork und einfacher Angel mit untergetauchtem Köder
; das Flugangeln und die Verwendung von Köderfischchen und künstlichen
Ködern ist verboten ), lehnte dagegen die weiteren Ansinneu ab. Eine
besondere Diskussion darüber, ob die freie Angelfischerei nur in den
Staatsfischenzen oder auch in denjenigen Flussstrecken gestattet sei,
an welchen private F ischereiz'echte bestehen, fand bei diesem Anlass
wie auch bei der Beratung von 1909 nicht mehr statt. Doch ist aus
ler Bemerkung im regierungsrätlichen Bericht zu den Petitionen von
1915-16 und im Votum des grossrätliehen Kommissionsreferenten dazu eine
Ausdehnung der Preianglerei in dem Sinne, dass gegen Entrichtung einer
höheren Gebühr auch das Angeln mit Köderfischchen oder künstlichen
Ködern usw. gestattet würde, müsste zu schadenersatzbegehren der
geschadigten Fischereirechtsinhaber führen -zu entnehmen, dass man die
"Geltung der Bestimmungen über die Freiauglerei auch für das Gebiet
der Privatfischenzen im Anschluss an die Schlussnahme von 1890 als
selbstverständlich ansah.

B. Nach Inkrafttreten des kantonalen Gesetzes vom 15. Mai 1862 hatte
der Regierungsrat durch öffentlichKantons-ups Recht. N° 52. 291

bekanntgemachten Beschluss vom 2; Brachmonat 1862 diejenigen Privaten,
Korporationen oder Gemeinden, welche eigentümliche Rechte auf die
Fischerei in öffentlichen Gewässern geltend machen wollen , aufgefordert,
diese Rechte bis zum 1. Januar 1863 genau zu bezeich-nen und unter Vorlage
besitzender Urkunden beim Regierungsrat zur Anerkennung zu bringen.
Zu den Ansprechern, welche sich darauf meldeten, gehörte auch die
Korporation Luzern, die unter Beilegung ihrer Erwerbstitel das private
Fischereirecht in der oberen Reuss zu Sins und ReuSSegg in einer näher
angegebenen (unten zu erwähnenden) geographischen Umgrenzung beanspruchte.

Am 27. Dezember 1865 stellte dann der Regierungsrat der Korporation Luzern
eine Urkunde aus, worin er das fragliche Fischereirecht auf geleisteten
Ausweis im Sinne von § 1 Absatz 1 des Gesetzes vom 15. Mai 1862 unter
Vorbehalt von Drittmannsrechten und unter dem weiteren Vorbehalt der
Befugnis des Staates, die Fischenzen jederzeit in polizeilicher Beziehung
zu ordnen, anerkannte. In der Folge ging die Fischen-r durch Kauf von
der Korporatien Luzern auf Josef Meier in Reussegg und Jakob Bachmann
in Mühlen und von diesen auf den Sohn des ersteren, den heutigen Kläger
Jakob Meier in Reussegg über. Im Zusammenhang damit erh'ielt derselbe
vom Regierungsrat des Kantons Aargau am 9. September 1910 eine neue
Anerkennungsurkunde, lautend : si

§ ]. Gestützt auf die der Korporationsgemeinde Luzern unterm 27. Dezember
1865 ausgestellte Anerkennungsurkunde und die vorgelegten Erwerbstitel
sowie Teilungsvertrag mit Jakob Bachmann in Mühlau wird das Fischereirecht
in der Reuss vom Sehingelnbächli bei der Ziegelhütte oberhalb der Sinser
Renssbrüeke bis hinab im rechten Winkel zur Burgruine Reussegg und von da
noch abwärts bis an die nördliche Grenze der dem Jakob Meier gehörenden
Hubelsmatte dem Jakob Meier,

292 Kantonaies Recht. N° 52.

Josefs in Reussegg zuerkannt und ihm hiefür diese Urkunde ausgestellt.

§ 2. Drittmannsreehte bleiben vorbehalten, insbesondere dasjenige des
Jakob Bachmann, Fischer in Miihlau, der nach Belieben das Fischereirecht
von der Burgruine Reussegg bis an die nördliche Grenze der oben erwähnten
Hubelsmatte ausüben darf.

sg 3. Gegenwärtige Urkunde wird ausgestellt unter dem Vorbehalt für
den Staat, anfällig bestandene Abgaben nach wie vor zu beziehen, sowie
unter dem weiteren Vorbehalt für denselben, die Fischenzen jederzeit in
polizeilicher Beziehung zu ordnen.

Schon vorher hatte der Kläger die kantonale Finanzdirektion
über das Verhältnis seines Fischereirechts zu der in § 15 der
Vollziehungsverordnung von 1905 vorgesehenen freien Angelfischerei
angefragt. Die Finanzdirektion hatte darauf in zwei Schreiben vom
31. März und 10. August 1910 unter Widerspruch des Klägers den Standpunkt
eingenommen, dass sich jener die Freianglerei auf Grund des Gesetzes
von 1852 auch in seiner Fischenz gefallen zu lassen habe. Als der
Kläger im Jahre 1910 einen solchen Freiangler, Bärtschi aus Luzern, in
seiner Reusstrecke betraf, erstattete er gegen denselben beim Bezirksamt
Muri Strafanzeige wegen unbefugten Fischens. Das Verfahren wurde jedoch
eingestellt, nachdem sich der kantonale Fischereiaufseher Schmid in Baden
in einem Berichte an die Staatsanwaltschaft dahin ausgesprochen hatte,
die Frage, ob sich § 9 Abs. 3 des Gesetzes von 1862 auch auf die privaten
Fischenzen beziehe, bezw. oh der Staat die privaten Fischereirechte derart
hätte beschränken dürfen, sei zwar nach Ansicht des Fischereiaufsehers
eine offene, doch handle es sich dabei um einen Streit zivilrechtlicher
Natur, der vom Fischereiberechtigten auf dem Wege des Zivilprozesses,
dadurch dass er in einem solchen sein Recht als ein a u ss c h l i e s
s l i c h e s geltend mache, ausgetragen wer-den sollte. Solange dies
nicht geschehen sei, erscheine

ag, ;,Kantonales Recht. N° 52. ss 293

angesichts des § 15 der Vollziehungsverordnung und der bisherigen Praxis,
welche denselben nicht in dem vom Kläger behaupteten einengenden Sinn
aufgefasst habe, eine Bestrafung des F reiangelns in der betreffenden
Stromstrecke, wenn dabei keine verbotenen F angmittel verwendet würden,
nicht als angängig. Infolgedessen versuchte der Kläger zunächst,
die Streitfrage im summarischen Verfahren zum Austrag zu bringen,
indem er ein amtliches Verbot des Angelfischens in der von seinem
Fischereirecht betroffenen Flusstrecke erwirkte. Auf Rechtsverschlag
des Gemeinderates Meienberg hoben indessen sowohl das Bezirksgericht
Muri als das Ober-gericht des Kantons Aargau, letzteres durch Urteil vom
22. September 1911 dieses Verbot mit der Begründung auf : Der in Betracht
kommende § 15 der Vollziehungsverordnung vom 7. August 1905 entspreche dem
§ 9 Abs. 3 des kantonalen Fischereigesetzes von 1862 und sei in alien zur
Vollziehung der Bundesgesetze von 1875 bezw. 1888 erlassenen kantonalen
Verordnungen enthalten gewesen, nachdem ein Versuch diese Angelfischerei
überhaupt zu beseitigen, misslungen sei. Immer und überall seien dabei
der See und die öffentlichen Flüsse als Ganzes in Betracht gefallen ohne
Rücksicht auf die daran bestehenden Privatl'ischenzen. Niemand habe denn
auch bisher dagegen Einspruch erhoben als der Kläger. Er habe aber nicht
dargetan, dass sein Recht in diesem Umfang, (1. h. mit Ausschluss der
Angelfischerei, anerkannt und hergebracht worden sei.

C. Mit Klageschrift vom 20. Juli 1918 hat darauf Jakob Meier beim
Bundesgericht gegen den Kanton Aargau folgende Begehren aus Recht
gestellt:

I. A. Der Beklagte habe anzuerkennen und es sei richterlich festzustellen:

(1) dass die private Fischereigerechtigkeit des Klägers in der diesem
gemäss Anerkennungsurkunde vom 9. September 1910 zugeschiedenen Strecke
der Reuss vom Schinggelnbachli bei der Ziegelhütte oberhalb der sinser

294 Kantonales Recht. N° 52.

Reussbrücke bis hinab im rechten Winkel zur Burgruine Reussegg
die Ausübung der Fischerei durch den Staat und ebenso die freie
Angeliischerei, insbesondere auch diejenige nach §§ 20 bis 24 der
aargauischen Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend die
Fischerei ausschliesse;

11) dass diese Strecke der freien Angelfischerei entzogen sei und in
derselben das Recht zu derartiger oder irgendwelcher anderer freier
Angelfischerei vom Staate niemandem zuerkannt werden dürfe,

c) eventuell, dass jedenfalls der beklagte Kanton nicht befugt sei,
in der fraglichen Strecke das Freiangeln im Sinne der aargauischen
Vollziehungsverordnung oder in irgend einer anderen Weise zu gestatten
und dafür Bewilligungen irgendwelcher Art auszustellen, sowie dass durch
solche Bewilligungen keine das klägerische Recht einschränkenden Rechte
begründet werden können;

d) ganz eventuell, dass die Bewilligungen zum Freiangeln gemäss § 21
ff. der aargauischen Vollziehungsverordnung zum mindesten nicht irgendwie
erweitert oder erleichtert. insbesondere keine Bewilligungen erteilt
werden dürfen, zum Freiangeln mit Flug-angeln oder mit Köderfischchen
oder mit künstlichen Ködern oder überhaupt auf andere Weise als durch
die geltende Vollziehungsverordnung §§ 20 bis 24 umschriebeu sei,

B. Der Beklagte sei zu uerurteilen, dem Kläger als Schadenersatz bis zur
Einreichung der Klage 4600 Fr. samt Zins zu 5 % seit Zustellung der Klage,
und überdies

C. alien von Einreichung der Klage bis zum ,Dahinfallen der angefochtenen
Gestattung der freien Angelfischerei, eventuell bis zur Zustellung des
bundesgerichtlichen Feststellungsurteils erwachsenden weiteren Schaden
zn vergüten. '

Il. Eventuell, falls das Bundesgericht erkennen sollte. dass die streitige
Reusstrecke in irgend einem Grade der freien Angelfischerei mit Recht
unterliege-, habe der Be-tst-z- sisiau...-'nni .

s ' "M=.Kantonales Recht. N° 52. 295

klagte dem Kläger für'dauernde Beschränkung seines Fischenzrechtes
10,000 Fr. als Schadenersatz samt Zins zu 5% seit Zustellung der Klage
zu bezahlen, zum mindesten sei dieser Schadenersatzanspruch dem Kläger
Vorzuhehaiten, ·

Unter Kostenund Entschädigungsfolge.

in der Klagebegründung wird der Schaden, der dem Kläger aus der
Freianglerei jährlich erwachse (Begehren 1 C), auf mindestens 500
Fr. angegeben und zur Sache selbst unter Berufung auf ein heigelegtes
Bechtsgutachten des Prof. Fieiner in Zürich ausgeführt : das streitige
Fischereirecht habe ursprünglich als anehörde zur Herrschaft Reussegg
gehört und sei im Jahre 1429 mit dieser Herrschaft durch Hermann
von Reussegg an den Luzerner Bürger Hans Iberg den Aelteren verkauft
worden. Von diesem sei es durch Kauf an den Stadtschreiher Melchior
Rus, Albin von silenen und schliesslich zwischen 1495 und 1503 an die
Stadt Luzern gekommen. Als unter der Helvetischen Republik auf Grund
des helvetischen Gesetzes vom 3. April 1799 die Sünderungskonvention
vom 4.Wintermonat 1800 u. 14. Herbstmonat 1803 über die Trennung des
Staatsund des Stadtgemeindegutes zustande gekommen sei, seien der
Stadtgemeinde Luzern in § 8 u. a. eigentümlich zugeteilt worden: die
Fischenzrechte in den Grenzen, in welchen sie die Gemeinde zur See und in
der Reuss schon als Municipium besessen hat. Bei der Ausscheidung des
gesamten Dotationsgutes der Gemeinde Luzern zwischen Bürgergemeinde ,
Einwohnergemeinde und

Korporation Luzern durch Schultheiss und tägliche

Räte der Stadt Luzern am 16. Januar 1820 seien die Fischenzen dann
als Korporationsgut erklärt worden. Es handle sich demnach um eine
Berechtigung, die sich nach ihrer ganzen Entstehung und Geschichte
als ausschliessliche, die gleichzeitige Ausübung der Fischerei durch
irgendwelche andere Personen als die vom Rechtsinhaher dazu Ermächtigten
nicht zu-

296 Kantonaies'neeht. N° 52.

Iassende darstelle und die, nachdem das aargauische Fischereigesetz von
1862 in § I die bisher vorhandenen privaten Fischereirechte grundsätzlich
als weiterbestehend anerkenne, nicht oder doch nur gegen Entschädi-gung
hätte eingeschränkt werden können. In Wirklichkeit habe das Gesetz
von 1862 dies auch gar nicht tun wollen.. Sowohl der Wortlaut des §
9, Abs. 3 als sein Zusammenhang und der ganze Aufbau des Gesetzes
zeigten unzweideutig, dass die Bestimmung sich nur auf das Gebiet der
Staatsfischenzen beziehe, sich also nur als Einschränkung der Regalität
und nicht der privaten Fischereirechte darstelle. Ob der Regierungsrat
und der Grosse Rat bei Erlass "und Behandlung der verschiedenen
Vollziehungsverordnungen zum eidgenössischen Fischereigesetz von 1888
anderer Ansicht gewesen seien, spiele

keine Rolle; da eine Erweiterung der Angelfischerei über .

den ihr durch das Gesetz von 1862 gezogenen Rahmen nicht durch derartige
Schlussnahmen, sondern nur durch ein neues Gesetz und auch dann wiederum
nur gegen Entschädigung hätte geschehen können. Tatsächlich habe man in
der oberen Reuss, auf welche sich das Fischereirecht des Klägers beziehe,
bis vor etwa zehn Jahren nichts von der freien Angelfischerei gewusst. Als
der Kläger im Jahre 1910 den ersten Freiangler in seinem Reviere
angetroffen, habe er sofort den staatlichen Rechtsschutz nachgesucht,
der ihm indessen von den kantonalen (Gen'chtsund Verwaltungs-Behörden
verweigert werden sei, sodass ihm nur noch der Weg der Zivilklage nach
Art. 48 OG an das Bundesgericht übrig bleibe. Seitdem dann auf Grund der
Vollziehungsverordnung von 1913 noch besondere Anglerkarten ausgestellt
würden, habe die Freianglerei auch im Bezirk Muri immer mehr zugenommen
und drohe bei der grossen Zahl der Angler und der Unbedenklichkeit
ihres Vorgehens die Fischenzen gänzlich zu entwerten, wenn ihr nicht
gesteuert werde.

D. Der Beklagte Kanton Aargau hat in seiner Antwort den Antrag gestellt,
auf die Klage sei nicht einzu-i

sie-dIesV-eKantonales Recht N° 52. 297

treten, eventuell sei sie endgültig oder doch angebrachtermassen
abzuweisen. Er bestreitet das Vorliegen einer zivilrechtlichen
Streitigkeit, die Zulässigkeit einer Feststellungsklage und die
Legitimation der Parteien, insbesondere die Passivlegitimation des
Staates. Die Klage hätte sich, ihre Zulässigkeit vorausgesetzt, gegen
den oder die einzelnen Freiangler richten müssen. Zur Sache selbst wird
im wesentlichen eingewendet : das Recht in den öffentlichen Gewässern
des Kantons frei zu fischen, sei ein uraltes Volksrecht . Durch das
Gesetz von 1862 sei das Fischereiregal eingeführt worden, dabei aber der
bisherige Rechtszustand nach zwei Richtungen gewahrt worden , nämlich a)
einmal das Privaten oder Korporationen erweislichermassen zustehende
Recht in den öffentlichen Gewässern zu fischen, b) andererseits die
Befugnis jed es Volksgenossen, im Hallwiler See, dem Rhein, der Aare,
Limmat und Reuss dem Fischfang mit der fliegenden Angel obzuliegen. Es
liege darin die ausdrückliche gesetzliche Anerkennung des erwähnten
alten Volker-echtes. Irgendwelche Unterscheidung zwischen den dem
Regal unterliegenden Flusstrecken und denjenigen, an welchen private
Fischereirechte bestehen, mache das Gesetz in § 9 Abs. 3 nicht:
sie werde ,vom Kläger willkürlich in dasselbe hineingelegt und sei
abzulehnen. Dieser gesetzliche Rechtsaustand sei bis heute bestehen
geblieben. Insbesondere hätten die Bundesgesetze über die Fischerei
von 1875 und 1888 nichts daran geändert, da sie die Verleihung
und Anerkennung des R e c h t s zum Fischfang ausdrücklich den
Kantonen 'vorbehielten und den Gebrauch der Angel als Fangmittel nicht
untersagten, sondern ausdrücklich vorsehen. Auk demselben Boden stünden
auch die internationalen Uebereinkünfte über die Fischerei, die der Bund
abgeschlossen habe, wofür besonders auf die Uebereinkunft mit Baden vom
25. März 1875 und mit Frankreich vom 28. Dezember 1880 verwiesen wird,
wo eine ausdrückliche Sanktion der freien Angelfischerei und zugleich eine

298 Kantonales, Recht. N ° 52.

Begriffsbestimmung derselben enthalten sei. Die Gewährleistung des alten
Volksrechtes finde sich aber nicht nur im Gesetze von 1862, sondern es
hätten die aargauischen vollziehenden und gesetzgebenden Behörden den
Willen, es zu. wahren, auch seither bei einer Reihe von Gelegenheiten
zum Ausdruck gebracht, wie aus der Abweisung einer von der Gemeinde
Bremgarten gegen § 13 des Gesetzes von 1862 erhobenen Einsprache bei der
Schlussberatung des Gesetzes, verschiedener Begehren um Revision des
Gesetzes im Jahre 1885 und der (oben Fakt. A erwähnten) Stellungnahme
der Regierung und des Grossen Rates anlässlich der Bewegungen gegen die
Vollziehungsverordnung von 1888, den Dekretsentwurf von 1909 und die
Vollziehungsverordnung von 1913 hervorgehe. Auch die Gerichte hätten im
Straffalle des Klägers gegen Bat-tschi sowie im Verbotsprozesse desselben
von 1911 und in einem früheren Urteile des Obergerichts von 1889 denselben
Standpunkt eingenomnen. Dazu komme, dass in den der Korporation Luzern und
dem Kläger in den Jahren 1865 und 1910 ausgestellten Anerkennungsurkunden
wie überhaupt in allen derartigen Anerkennungsakten Drittmannsrechte
n ausdrücklich vorbehalten worden seien, worin auch das gesetzliche
Recht eines jeden zum Fischen mit der fliegenden Angel als inbegriffen
betrachtet werden'müsse. In diesem Sinne sei der Vorbehalt von der
Regierung und vom Grossen Rate denn auch schon im Jahre 1890 ausgelegt
worden. Gesetzt selbst, es wäre dem Kläger gelungen, nachzuweisen, dass
sein Fischereirecht an der Reuss ursprünglich ein ausschliessliches,
die Mitnutzung durch andere nicht zulassendes gewesen sei, was, wie die
Ausführungen der Klage über Inhalt und Natur des Rechts überhaupt nicht
anerkannt werde, so könnte es doch heute nicht mehr als solches geltend
gemacht werden, weil es eben durch die Anerkennungsurkunde auf Grund
des Gesetzes in der gedachten Weise eingeschränkt worden wäre und der
Kläger bezw. seine Rechtsvorgänger ein Rechts-Kantonales Recht. N° 52. 299

mittel hiegegen bezw. gegen das Gesetz von 1862 nicht ergriffen
hätten. Darauf, in welchem Umfange die Freianglerei in der oberen
Reuss früher betrieben werden sei, komme nichts an. Im übrigen werde
zum Beweise verstellt, dass dieselbe auch auf der Strecke des Klägers
seit jedenfalls zehn Jahren von 1918, eventuell 1913, eventuell 1911
zurück ausgeübt werden sei, sodass das Recht darauf eventuell auch
durch Acquisifivverjährung erworben wäre. Eine unbillige Beschweng der
Fischenzpächter und Privatfischereiberechtigten dadurch sei nach den
Vorschriften der Vollziehungsverordnung von 1913 §§ got-is 24 im Ernste
nicht mehr zu befürchten. Die ' danach den Freianglern noch bleibenden
Fangmittel seien das Minimum dessen, was das Gesetz von1862 unter
der fliegenden Angel habe verstanden wissen wollen und was nötig sei,
um überhaupt noch angeln zu können. Zum Schluss wird auf alle Fälle
jede Schadenersatzpflicht des Staates grundsätzlich und dem Masse nach
bestritten. E. Die Replik bestreitet, dass die Voraussetzungen eines
Rechtserwerbes durch Verjährung gegeben wären, das der Vorbehalt von
se Drittmannsrechten in den Anerkennungsurkunden in der vom Beklagten
versuchten Weise ausgelegt werden könne, und dass das Fächer: in den
öffentlichen Gewässern vor dem Gesetze von 1862 frèi gewesen sei. Eine
solche Freiheit der Nutzung habe jedenfalls nicht für diejenigen Gebiete
bestanden, die Gegenstand privater Fischereirechte gewesen seien,
wie ohne weiteres aus den von der Korporation Luzern mit staatlicher
Genehmigung in den Jahren 1846 und 1852

erlassenen Verboten hervorgehe. Im übrigen ergibt sich

der wesentliche Inhalt der Replik und Duplik bereits aus der oben unter
C und 1) enthaltenen Darstellung der Parteivorbringen.

F. An der Rechtstagverhandlung vom 4. Juli 1919 hat der Vertreter des
Klägers inbezug auf die einzelnen Klageanträge erklärt :

a) Begehren I A e sei schon in den Begehren IA a and I;

ASUR 1920 Il

300 Kantonale; Recht. N° 52.

inbegriffen in dem Sinne, dass es nur eine konkretere und engere
Formulierung derselben darstelle.

b) Begehren II werde nur für den Fall gestellt, als ein hergebrachtes
Recht zur Freiangelei nicht anerkannt, sondern angenommen Würde, dass
es erst durch das Gesetz von 1862 eingeführt worden sei. Es handle sich
also dabei um eine Entsehädigungsforderung für hoheitliche Beschränkung
des Fischereireehtes.

Der Vertreter des Beklagten erklärte auch für diesen Fall eine
Entschädigungspflicht nicht anzuerkennen.

G. Im Anschluss darin sind zu den erheblichen Parteihehauptungen die
beantragten Beweise abgenommen worden, insbesondere der Zeugenbeweis
über Art und Umfang der Freianglerei in der streitigen Reussstrecke in
den letzten Jahrzehnten. Ueber den Stand der Privatfischereirechte in
den öffentlichen Gewässern des Kantons Aargau im Vergleiche zu den der
Regalität unterworfenen strecken und über die Zahl der Bewilligungen zum
Freiangeln in den letzten Jahren wurde ein Amtshericht der aargauischen
Finanzdirektion eingeholt. Ferner üher die Angelfischerei in den
öffentlichen Gewässern anderer Kantone und insbesondere ihr Vers hältnks
zu den privaten Fischereirechten an solchen Gewässern ein Bericht des
eidgenössischen Fischereiinspektors. si

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

l. Mit den Begehren I A a bis c der Klage Will der Kläger sein
ausschliessliches Recht zum Fischfang in der darin bezeichneten
Strecke der Reuss feststellen lassen. Er leitet dieses Recht her von
der Korporation Luzern und weiter der Stadtgemeinde Luzern, welche
es im Mittelalter mit der Herrschaft Reussegg als Zubehör erworben
habe. Ursprünglich grundherrschal'tliche Recht-sanken dieser Art gelten,
Soweit sie anerkannt sind, als Privat. rechte und geniessen gegen
Störungen und Anfechtungen den gerichtlichen Schutz (AS 23 S. 1242,
24 II S. 498,W-Kantonales Recht. N° 52. 301

27 II S. 328, 43 I S. 207 Erw. 2; ferner für den Kanton Aargau,
Vierteljahr-schritt für aargauische Rechtsprechung Bd. 3 S. 91, Bd. 13
S. 77, Bd. 14 S. 91, Bd. 15 S. 94; SEUFFERT, Archiv 28 Nr. 164, 23
N. F. Nr. 242; Reichsgericht in Zivilsachen 75 S. 397). Dass sich hier der
Staat der Klage nicht wegen Nichthestandes des behaupteten Privatrechts
als solchen, sondern um gegenüber demselben einen beschränkten
Gemeiugebrauch aller Einwohner in Gestalt der Befugnis zum Fischen mit
fliegender Angel zu wahren, mit der Begründung widersetzt, dass es diesen
nicht zu hindern vermöge, ist unerheblich. Denn zu entscheiden ist dabei
nicht, inwieweit das kantonale Recht an sich dem einzelnen Bürger einen
solchen Nutzungsanspruch als Ausfluss des öffentlichen Charakters des
Gewässers dem Staate gegenüber gehe, in welchem Falle allerdings eine
Verwaltungssache vorliegen würde, deren Beurteilung den kantonalen
Administrativbehörden zukäme, sondern ob dieses gemeine Nutzungsrecht
sich auch auf Flusstrecken erstrecke, an denen an sich anerkannte, aus
der Zeit vor Einführung der Regalität der Fischerei stammende private
Fischereigerechtigkeiten bestehen. Den Streitgegenstand bildet demnach in
Wirklichkeit gleichwohl das Privatrecht des Klägers, nämlich der Inhalt
und Umfang der daraus ent-' sp'ringenden Verbietungsbefugnisse, indem
dasselbe nach der Auffassung des Staates im Gegensatz zu derjenigen des
Klägers kein ausschliessliches, sondern durch ein bestimmt umgrenztes
Mitnutzungsrecht aller Volksgenossen beschränktes sein soll, sodass die
Art der Ver-. teidigung auf die Klage an dem zivilrechtlichen Charakter
der Streitigkeit im Sinne von Art. 48 OG nichts ändert. Ebenso ist die
weitere in Ziff. 4 ebenda hinsichtlich des Streitwertes aufgestellte
Voraussetzung, deren Zutreffen für die mit Rechtsbegehren I B und C und II
eingeklagten Schadensbeträge ohnehin keinem Zweifel unterliegen könnte,
erfüllt, nachdem der Vertreter des beklagten Kantons am Rechtstage vom
4. Juli 1919. er-

302 Kantonales Recht. N° 52.

klärt hat, gegen die Schätzung der dauernden Entwertung der klägerischen
Fischenz bei Gestattung der Freianglerei auf über 3000 Fr., soweit
sie für die Bestimmung des Streitinterosses von Bedeutung sei, keinen
Einspruch zu erheben. Endlich wird auch die Passivlegitimation des
Staates Aargau zu Unrecht geleugnet. Sie muss mit dem Augenblicke als
gegeben betrachtet werden, wo seine Behörden sich nicht mehr mit der
blossen passiven Duldung der Freianglerei begm'igt, sondern dieselbe
durch die Vollziehungsverordnungen zum eidgenössischen Fischereigesetz
von 1888 auch für das Gebiet der Privatfischenzen positiv als Recht
für die Gemeinschaft beansprucht und zudem noch durch die Ausstellung
besonderer Anglerkarten den nach Ansicht des Klägers rechtwidrigen
Eingriff in seine Privatrechtssphäre begünstigt haben.

2. In der Sache selbst ist nicht bestritten, und. ja

überdies vom Staate noch im Jahre 1910 durch Ausstellung einer besonderen
Urkunde anerkannt werden, dass dem Kläger das geltend gemachte private
Fischerei-

recht in der betreffenden Reusstrecke in der Tat zu _

kommt. Die zu heantwortende Frage geht demnach lediglich dahin, ob
dasselbe die Gesamtheit der denkbaren Nutzungen in sich begreife oder
ob daneben auch noch das Recht des freien Fischfangs mit der fliegenden
Angel für jedermann, d. h. für jeden vom Staate Zugelassenen bestehe.

Der Staat Aargau nimmt dieses Recht als altes Volksrecht m. a. W. als
Ueberrcst früherer gemeiner Nutzung der Flüsse in Anspruch. Nun hat aber
nicht in Abrede gestellt werden können und ergibt sich aus den vorgelegten
Urkunden, dass die heute dem Kläger zustehende Fischereigerechtigkeit
an der fraglichen Reusstrecke

,ursprünglich ein grundherrschaktliches Recht war, das vom Grundherrn
jeweilen weiter verliehen wurde. Solche aus grundhensehat'tlichen
Verhältnissen hervorgegangene Nutzungsrechte sind aber ihrer Natur nach
ausschliess--Kantonales Recht. N° 52. , 303

liebe und stehen dem Gemeingebrauch, in dessen Be-

seitigung sie ja gerade entstanden sind, entgegen, auch

da, wo die mit der Grundherrschaft verbundenen nutz-

bar-en Rechtsamen sonst in der Folge zu landesherrlichen Regalien
geworden sind (vgl. GIERKE, Deutsches Privatrecht H S. 403; RG in
Zivilsachen 22 S. 214; SEUFFERT, Archiv 28 S. 632 am Schlusse; 23
N. F. 441). So hat denn auch noch die Rechtsvorgängerin des Klägers,
die Korpcration Luzern, über das fragliche Fischereireeht verfügt wie
über ein ihr ausschliesslich zustehen-les Recht. Sie hat es verpachtet
und wenn sie das Fischen und Angeln jemandem gestatteta geschah es nicht
in Anerkennung eines neben ihrem Rechte bestehenden Gemeingebrauches,
sondern als Ausfluss ihres Rechtes bezw. ihrer Herrschaft. Es genügt
hiefür auf die von der Korporation in den Jahren 1846 und 1852 mit
behördlicher Genehmigung erlassenen Verbote zu verweisen, aus denen dies
ohne weiteres hervorgeht. Der Beklagte war denn auch nicht in der Lage,
irgendwelche positive Anhaltspunkte dafür anzuführen, dass in früheren
Zeiten die Angelfischerei in der betreffenden Reussstrecke von jedermann
frei ausgeübt worden wäre.

Das kantonale Gesetz vom 15. Mai 1862 über Ausübung der Fischerei
hat diesen ausschliesslichen Charakter des klägerischen Rechts nicht
angetastet. § 1 Abs. I desselben erklärt allerdings die Fischerei in
den öffentlichen Gewässern des Kantons als Regal, d. h. als nutzbares
Recht des Staates, aber nur insoweit, als nicht das Fischereirecht darin
Korporationen oder Privaten erweislichennassen zusteht. Die bestehenden
privaten Fischereirechte an öffentlichen Gewägsern sind demnach in ihrem
Bestande und Umfange ausdrücklich vorbehalten worden. Daran ändert auch §
9 Abs. 3 nichts. Er enthält entgegen der Auffassung der Klagebeantwortung
keine allgemeine, für die darin erwähnten Flüsse als Ganzes geltende
Regel, sondern kann nach seiner Fassung und Stellung im Gesetze nur
diejenigen Strecken

304 Kantonales Recht. N° 52.

derselben im Auge haben, welche dem Fischereiregal des Staates,
der Verpachtung durch ihn unterliegen. Dies erhellt ohne weiteres
aus den Abs. 1 und 2, wo in Verbindung mit der Vorschrift des § 8,
dass dem Fischenzpächter vom Staate cin Patent auszustellen sei, die
im letzteren hinsichtlich des Fischfangs in der gepachteten Strecke
inbegriffenen Befugnisse umschrieben werden. Wenn dann im Anschluss an
diese Umschreibung § 9 Abs. 3 erklärt, dass im Hallwiler See, dem Rhein,
der Aare, der Reuss und der Limmat der Gebrauch der fliegenden Angel auch
dem Nichtpächter gestattet sei , so zeigt schon die Ordnung in diesem
Zusammenhang und der Ausdruck Nichtpächter (im Gegensatz zu Pächter), dass
dabei nur an eine Beschränkung der Fischereirechte gedacht war, die der
Staat verpachtet und über die ihm als Regalherrn die Verfügung zusteht,
und die Bestimr'r-fung auf die in § 1 vorbehaltenen, das Regal für die
betreffende Strecke ausschliessenden privaten Fischereigerechtigkeiten
nicht bezogen werden kann. Wäre darüber noch ein Zweifel möglich, so
müsste er durch die Tatsache gehoben werden, dass g 13 des Gesetzes als
Anhang zu den hier vorgesehenen p o l i z e il i c h e n Einschränkungen
in der Ausübung der Fischerei im letzten Absatz ausdrücklich bemerkt,
dass die Bestimmungen dieses Paragraphen also nicht diejenigen der
vorhergehendenauch für diejenigen gelten, welche sich im eigentümlichen
und a u s s e hli e s s li c h e n Besitze des Fischereirechts befinden.
Gegen diese aus Wortlaut und Zusammenhang des Gesetzes sich ergebenden
zwingenden Folgerungen vermag auch das Argument nicht aufzukommen,
dass bei der gedachten Auslegung der § 9 Abs. 3 praktisch annähernd
bedeutungslos wäre, weil tatsächlich beinahe am ganzen Laufe der Aare,
der Reuss und der Limmat mit Ausnahme weniger kleiner Strecken private
Fischereigerechtigkeiten bestehen. Es könnte ihm ein gewisses Gewicht
vielleicht nicht abge-sprochen werden, wenn jene Tatsache schon bei
Erlass Kantonales Recht. N° 52. , 305

des Gesetzes bekannt gewesen wäre. Dies steht aber keineswegs fest,
vielmehr scheint schon aus der allgemeinen Aufforderung zur Anmeldung
aller privaten Rechtsamen, welche die Regierung nach dessen Inkraft-treten
erliess, zu folgen, dass man sich über den wirklichen Umfang jener
anfänglich nicht im Klaren war und darüber erst noch Gewissheit schaffen
musste.

Auch will die Klageantwort sich zu Unrecht demgegenüber auf den Wortlaut
der als Folge des erwähnten Bereinigungsverfahrens ausgestellten
Anerkennungsurkunden berufen. Wenn darin neben der grundsätzlichen
Anerkennung des angemeldeten Rechts Drittmannsrechte vorbehalten
werden, so kann der Sinn dieses Vorbehalts nur der sein, dass der Staat
zwar, soweit an ihm liegt, das angemeldete Recht nicht bestreite und den
daraus folgenden Ausschluss der Regalität für die betreffende Flusstrecke
anerkenne, dass damit aber die Frage, ob nicht einem anderen Privaten
auf Grund zur Zeit nicht bekannter Rechtstitel ein noch besseres Recht
zustehe, nicht präjudiziert sein solle. Nur solche aus einem besonderen
Erwerbstitel hervorgehonde, zu Gunsten einer bestimmten Person bestehende
Rechte werden nach dem Sprachgebrauch als Drittmannsrechte bezeichnet. Der
unmittelbar auf Grund des Gesetzes jedem Bürger zukommende Gemeingebraueh
an einer öffentlichen Sache kann darunter nicht verstanden werden. Dass
er nicht gemeint war, ergibt sich auch aus § 2 der Urkunde von 1910,
wo im Anschluss an den Vorbehalt von Drittmannsrechten als Beispiel
eines solchen die Berechtigung des Jakob Bachmann, Fischers in Mühlau,
von der Burgruine Reussegg abwärts bis zur Hubelmatte nach Belieben
zu fischen, also eine unzweifelhaft auf einem privatrechtlichen
Titel, nämlich dem Teilungsvertrag zwischen dem Kläger und Bachmann
über die von der Korporation Luzern gemeinsam erworbene Fischenz
beruhende Sonderberechtigung angeführt wird. Der weitere Vorbehalt der
Anerkennungsurkunden sodann, die Fisch-

306 Kantonales Recht. N° 52.,_

enzen in polizeilicher Beziehung zu ordnen, ist schon deshalb ohne
Bedeutung, weil es sich bei der polizeilichen

Einschränkung des Fischfangs um im Interesse der EF

haltung des Fischstands getroffene Massregeln handelt, die ihren Grund
in der allgemeinen volkswirtschaftlichen Bedeutung der Fischerei haben,
deshalb alle überhaupt zur Fischerei Berechtigten treffen und die Frage,
wer zu ihnen gehöre, nicht berühren. Solche polizeiliche Vorschriften
enthielt der § 13 des Gesetzes von 1862, weshalb auch aus der Ablehnung
der Einsprache der Gemeinde Bremgarten, welche sich gegen dessen
Eistreekung auf das Gebiet_ der Privatfischenzen richtete, anlässlich
der Schlussberatung der Gesetzesvorlage für die heutige Streitfrage
nichts hergeleitet werden kann.

Damit erledigt sich auch die Heranziehung der Bundesgesetze über
die Fischerei von 1875 und 1888. Beide sind reine Polizeigesetze. Sie
enthalten ausschliesslich gewisse Bestimmungen über die Art der Ausübung
der Fischerei, während die Verleihung und Anerkennung des R e ch ts zum
Fischfang in § l ausdrücklich als in die Kompetenz der Kantone fallend
bezeichnet wird. Wenn darin vom Gebrauch der Angel gehandelt wird, so
soll damit lediglich festgestellt werden, unter welchen Voraussetzungen
und Beschränkungen dieselbe als Fangmittel zugelassen sein soll. Mit
der Frage, w e r so zu fischen berechtigt sei, haben diese Vorschriften
nichts zu tun. Dasselbe gilt für die Fischerei-Uebereinkünfte des Bundes
mit Nachbarstaaten, die aus demselben Grunde in diesem Zusammenhange
unerheblich sind.

Dass die Vollziehungsverordnungen des Regierungsrates zum noch geltenden
eidgenössischen Fischereigesetze von 1889, 1905 und 1913 auf einem
anderen Boden stehen und in dem § 9 Abs. 3 des Gesetzes von 1862 eine
allgemeine, auch die privaten Fischereirechte an den aargauischen Flüssen
einschränkende Regel erblickten, und dass auch der Grosse Rat bei der
Behandlung der gegen jene Verordnungen gerichteten PetitionenKantonales
Recht. N° 52. 307

in den Jahren 1890, 1909 und 1916 diese Auffassung teilte, ist richtig,
vermag aber für sich allein an dem Rechtszustande, wie er sich aus
dem Gesetze von 1862 in Wirklichkeit ergibt, nichts zu ändern, da eine
Aufhebung desselben nur durch ein neues Gesetz und nicht durch solche
einfache Vollziehungsmassnahmen hätte erfolgen können. Die unrichtige
Auslegung des Gesetzes welche darin zu Tage tritt, hätte höchstens dann
zum Rechtssatz werden können, wenn sich daraus im Laufe, der Zeit ein
eigentliches Gewohnheitsreeht entwickelt hätte. Hievon kann aber nach
den vorliegenden Akten offenbar nicht die Rede sein. Abgesehen davon, oh
ein solches Gewohnheitsrecht nach der dafür mas'sgebenden aargauischen
Gesetzgebung, wenn es nicht bloss zur Ergänzung des Gesetzes dient,
sondern gegen es (contra le-

gem) gerichtet ist, überhaupt Anerkennung finden könnte

(vgl., § 16 des aargauisehen bürgerlichen Gesetzbuches), wären auch die
dazu gehörenden materiellen Voraussetzungen nicht dargetan. Müsste
es nach den oben Fakt. A mitgeteilten Vorgängen der Eingabe des
Fischereivereins an den Grossen Rat von 1890, dem Berichte des kantonalen
Fischereiaufsehers an die Staatsanwaltschaft von 1910 und den Schritten,
welche der Kläger 1910 und 191,1 zur Wahrung seiner ausschliesslichen
Fischereibefugnis unternahm schon als sehr zweifelhaft betrachtet werden,
ob wirklich von einer allgemeinen Rechtsüberzeugung (opinio necessitatis,
juris) im Sinne der Verpflichtung auch der Inhaber aller Privatfischenzen
zur Duldung der Freianglerei gesprochen werden könnte, so würde es
jedenfalls an dem Nachweise des anderen Erfordernisses, nämlich der
Betätigung jener Ueberzeugung durch langjährige allgemeine Ausübung
der entsprechenden Berechtigung zum wenigsten für die hier in Betracht
fallende Gegend fehlen, da die Angelfischerei in der oberen Reuss erst in
den letzten Jahren einen irgendwie erheblichen Umfang angenommen hat. Auch
ein objektives Recht schaffender fester Gerichtsgebrauch nach der er--

308 Kantonale: Recht. N° 52.

wähnten Richtung ist nicht nachgewiesen. Von den beiden Urteilen des
Ohergerichts, die angeführt werden, hat das eine, nämlich dasjenige von
1889 mit der Frage über-

· 'haupt nichts zu ,tun, und das andere, im Jahre 1911 im

Verbotsprozess des heutigen Klägers ergangene ist für sich allein
natürlich noch nicht geeignet, eine gesicherte allgemeine Praxis der
aargauischen Gerichte darzutun. Es kann auch für den vorliegenden Fall
darum nicht irgendwie präjudiziell sein, weil es sich damals lediglich
um eine pos'sessorische Streitigkeit (Schutz des Besitzstandes) handelte,
während heute das Recht selbst in Frage steht. _

Endlich geht auch die Berufung auf den Erwerbstitel der Ersitzung
(Aequisitivverjährung) fehl. Es scheint dabei ausdrücklich wird es nicht
gesagt die Bestimmung des § 852 des aargauischen bürgerlichen Gesetzbuchs
ins Auge gefasst zu sein, wonach wer während zehn Jahren ununterbrochen
und weder heimlich noch bittweise eine Sache besitzt oder ein dingliches
Recht ausübt, die Sache oder das Recht durch Verjäh-

rung erwirbt. Nun erhellt aber schon aus dem Wortlaut.

dieser Vorschrift, dass derjenige, welcher in der gedachten Weise ein
Recht während der erforderlichen Zeit ausübt, es damit nur für sich
selbst und nicht für andere erwirbt, sodass dieselbe schon deshalb hier,
wo es sich nicht um den Erwerb der individuellen Berechtigung zum Angeln
durch einzelne Personen, sondern einer allgemeinen Befugnis dazu für
jedermann handelt, nicht in Betracht fallen kann. In Frage könnte somit
höchstens die Entstehung einer solchen Befugnis durch die allgemeine
Ausübung während unvordenklicher Zeit kOmmen, sofern man den Erwerb
eines Gemeingebrauchs auf diesem Wege für möglich halten wollte, was
nicht untersucht zu werden braucht. In dieser Richtung mangelt es aber.
wie schon angedeutet, wiederum, an der ersten Voraussetzung, nämlich an
dem Nachweise, dass man es bei der freien Ausübung der Angelfischerei
in der betreffenden.Kantonales Recht. N° 52. 809

dem Fischereirechte des Klägers unterworfenen Flussstrecke mit einem seit
Menschcngedenken bestehenden Zustande zu tun habe. Die Zeugeneinvernahmen
haben ergeben, dass darin wohl schon früher gelegentlich von anderen als
dem. Fischereiberechtigten geangelt wurde. Von einer allgemeinen oder
auch nur in grössere-m Umfange betriebenen Uebung der Freianglerei
im Sinne der Ausübung eines Rechts kann indessen nach denselben
schlechterdings nicht gesprochen werden. Wenn in der letzten Zeit
seit dem Inkrafttreten der Vollziehungsverordnung von 1913 die Zahl
der Freiangler auch in der betreffenden Gegend etwas zugenommen hat,
so genügt dies natürlich nicht, um eine Rechtsentstehung durch Ablauf
unvordenklicher Zeit darzutun.

3. Aus dem Gesagten folgt, dass die streitige Frage über den Umfang des
klägerischen Fischereirechts im Sinne der Klage zu entscheiden und demnach
zu erklären ist, dass dem Kläger auf der in Betracht kommenden Strecke
der Reuss das Recht zum Fischfang als ein ausschliessliches zusteht,
dass er sich der Ausübung der freien Angelfischerei darin widersetzen
kann und dass die Staatsbehörden verpflichtet sind, bei der Aufstellung
von Bewilligungen zur Freianglerei das erwähnte Gebiet auszunehmen. In
diesem Sinne sind die Begehren I A a bis r der Klage zu schützen, womit
das eventuelle Begehren I A d gegenstandslos wird.

Dagegen können die weiteren Begehren IB und C nicht gutgeheissen
werden. soweit sie sich auf den Ersatz des Schadens beziehen, der bisher
dem Kläger durch die freie Angelfischerei entstanden sein soll, müssen
sie schon deshalb verworfen werden, weil in dieser Beziehung dem staate
die Passivlegitimation fehlt. Wenn schon die staats-behörden allerdings
sich nicht darauf beschränkt haben, die Freianglerei nicht zu verhindern
und zu verbieten, sondern dieselbe durch positive Erlasse ausdrück-lich
als zulässig erklärt und diese ihre Auffassung auch durch die Ausstellung
vorhehaltsloser Angelbewilligungen

310 Kantonales Recht. N° 52.

für das ganze Flussgebiet zum Ausdruck gebracht haben", so haben sie
doch damit noch nicht schädigend in das

_ Fischereirecht des Klägers eingegriffen. Der Schaden, ' wenn ein
solcher entstanden ist, ist vielmehr erst verursacht worden durch die
Tätigkeit der einzelnen AngLer, welche von der ihnen durch die kantonale
Vollziehungsverordnung eingeräumten Möglichkeit zum freien Angeln
auch in der Reusstrecke des Klägers Gebrauch machten. Diesen gegenüber
hätten aber dem Kläger die Mittel zu Gebote gestanden, um sich gegen
einen solchen Einbruch in seine Rechte zur Wehre zu setzen. Dazu kommt,
dass die Staatsbehörden auf Grund einer wenn schon irrtümlichen Auslegung
des Gesetzes von 1862 offenbar in gutem Glauben der Auffassung waren und
sein durften, dass die Befugnis zum Fischen mit der fliegenden Angel in
den öffentlichen Flüssen auch auf dem Gebiet der Privatfischenzen als
Beschränkung dieser jedermann zustehe. Wenn nur der bösgläubige Be--

sitzer einer fremden Sache zum Schadenersatze verpflich_

tet ist, so darf umsoweniger der Staat, der in guten Treuen die Interessen
der Gemeinschaft hinsichtlich der Nutzung an einem seiner Natur nach an
sich öffentlichen Gute vertritt, mit einer Schadenersatzpflicht belastet
werden. Eine solche für zukünftigen Schaden auszusprechen ver-" bietet
schon die Erwägung, dass nicht anzunehmen ist, der Staat werde sich,
nachdem das Verhältnis klar-gestellt ist, dem Urteile nicht unterziehen.

Das Rechtshegehren II der Klage sollte sich nach der Erläuterung am
Rechtstage nur auf den Fall beziehen, dass das Recht zur Freianglerei
auf Grund des Gesetzes von 1862 anerkannt Würde, trotzdem es nicht
'als ein althergebrachtes, schon vor jenem' Gesetz bestehendes
und durch es'lediglich bestätigtes angesehen bezw. trotzdem die
Fischereigerechtigkeit des Klägers an sich nach ihrem Inhalte als eine
ausschliessliehe betrachtet werde. Diese Eventualität liegt nun aber
nicht vor, womit auch die darauf gestützten rechtlichen Folgerungen und
An-Kantonales Recht. N° 52. 311

sprüche dahinfallen. Durch das Fischereigesetz von 1862 ist, wie gezeigt,
das Recht des Klägers im alten Umfange als ein aussehliessliches
anerkannt und es ist dasselbe auch seither durch keinen verbindlichen
Hoheitsakt beschränkt worden. Es könnte dies nur durch ein neues Gesetz
geschehen. Erst dann wäre die Grundlage für einen Schadenersatzansprueh
wegen hcheitlichen Eingriffs in bestehende Privatrechte gegeben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Klagebegehren I A a, b und c werden im Sinne der

Erwägungen gutgeheissen, Klagebegehren I B und C dagegenabgewiesen.

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Document : 46 II 283
Date : 01. Januar 1920
Published : 31. Dezember 1920
Source : Bundesgericht
Status : 46 II 283
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 282 Kriegsverordnuugen. N° öd Grundsätzen des Expropriationsrechts nicht angenommen


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OG: 48
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