230 Staatsrecht.

vom Fabrikanten übernommenen Arbeiten selbst betrifft, trotz der
getrennten Arbeitsstellen doch ein bestimmter technischer und
organisatorischer Zusammenhang beste, der sie als Glieder
eines umfassenderen Organismus erscheinen liesse. Dies ist aber
nnbestrittener-messen nicht der Fall. Vielmehr arbeitet jeder durchaus
für sich und unabhängig vom anderen.

Bilden demnach die Wehstühle in den Wohnungen der Posamenter mit den
dazu gehörenden Vorrichtungen für den Antrieb Betriebsstätten nicht des
Fabrikanten sondern des Posamenters als selbständigen Gewerbetreibenden,
so ist aber die Steuerhoheit des Kantons Basel-Land gegenüber der
Rekurrentin schon aus diesem Grunde zu verneinen. Die weitere Frage,
ob unter der entgegengesetzten Voraussetzung die Arbeitsleistung des
einzelnen Stuhls als ein nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ
wesentlicher Teil des Gesamtbetriebes

der Rekurrentin betrachtet werden könnte, braucht

deshalb nicht erörtet zu werden.

2. Da die Rekurrentin mit ihrem Hauptbegehren auf Verteilung der
Steuerhoheit unter beide Kantone unterliegt, sind die Kosten zu einer
Hälfte ihr, zur anderen aus dem gleichen Grunde dem Kanton Basel Land
aufzuleg'en. _

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Beschwerde wird im Sinne des Eventuaibegehrens gutgeheissen
und festgestellt, dass der Kanton BaselLandschaft nicht berechtigt
ist, die Rekurrentin der Vermögensoder Einkommensbesteuerung zu
unterwerfen. 'Doppelbesteuerung. N° 32. 237

32. Urteil vom 24. April 1920 i. S. Gasser gegen Solothurn, eventuell
Basel-Land. Bestätigung der Praxis, wonach die Steuerhoheit inbezug auf
Liegenschaften für den dadurch dargestellten Vermögens-

wert wie für das daraus fliessende Einkommen ausschliesslich dem Kanton
zusteht, in dem sie gelegen sind.

A. Der Rekurrent Gasser betreibt an seinem Wohnsitze Dornachbrugg, Kanton
Solothurn, eine Metzgerei und Wirtschaft und daneben Landwirtschaft. Die
ihm gehörenden landwirtsehaftlich beworbenen Grundstücke liegen teils
auf solothurnisehem Gebiet in der Gemeinde Dornaeh, teils in der
angrenzenden basellandschaftlichen Gemeinde Aesch. Der Grundbesitz in
Dornach, auf dem auch Scheune und Stellung stehen, umfasst nach den
Angaben des Regierungsrates von Solothurn im heutigen Verfahren eine
Flä he von etwa 20 Jucharten mit einer Katasterschatzung von 21,400
Fr., derjenige in Aesoh eine solche von etwa 7 Jucharten mit einer
Katasterschatzung ,von 23,240 Fr. Die höhere Schatzung in BaselLand soll
darauf zurückgehen, dass dabei auch die Eignung des Bodens als Bauland
in Anschlag gebracht ist. Für das Jahr 1919 ist der Rekurrent von der
Bezirkssteuerkommission Dorneck Thjerstein mit einem Grundstückertrag von
3765 Fr. zur solothurnischen Einkommenssteuer eingeschätzt worden, wovon
1200 Fr. (= 12% eines für die Besteuerung angenommenen Kapit lwertes'
von 10,000 Fr.) auf die Grundstücke in Basel-Land entfallen. Gleichzeitig
forderte von den letzteren auch der KantonBasel Land die Einkommenssteu'er
für den zu 1000 Fr. angeschlagenen Ertrag. Einen gegen die Besteuerung
in Solothurn gerichteten Rekurs wies der solothurni'sche Regierungsrat
am 24. Februar 1920 mit der Begründung ab, dass das landwirtschaftliche
Einkommen am Wohnorte des Erwerbenden zu versteuern sei, soweit es sich
nicht um einen ausserhalb des Wohn--

238 Staat srecht.

Sitzes stattfindenden selbständigen Geschäftsbetrieb handle. Dies könne
aber von der Arbeit, welche Gasser auf seinem Lande in Aesch leiste,
nicht gesagt werden.

B. Gegen diesen Entscheid hat Gasser die staatsrechtliche Beschwerde
wegen Doppelbesteuerung an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrage,
es sei festzustellen, dass der Kanton Solothurn die Einkommenssteuer nur
vom Ertrage der auf seinem Gebiete gelegenen Grundstücke des Rekurrenten,
also von einer Summe von 2568 Fr. (12% der Katasterschatzung von 21,400
Fr.) erheben dürfe.

C. Der Regierungsrat von Basel-Land hat sich den Ausführungen und
dem Antrage der Beschwerde angeschlossen. Der Regierungsrat von
Solothurn trägt auf deren Abweisung an. Er_ gibt zu, dass nach der
bundesgerichtlichen Praxis der Ertrag der Grundstücke in Auch dort
zu versteuern wäre, glaubt aber, dass diese Praxis zu Gunsten des
Steuerrechts des Wohnsitzkantons verlassen werden sollte. Auch dürfe
nicht übersehen werden, dass das Erträgnis der Landwirtschaft nur zum
Teil Grundrente, zum anderen 'das Ergebnis der persönlichen ' Arbeit
des Eigentümers darstelle. Es müsste daher eventuell mindestens eine
Teilung der Steuerhoheit in dem 'Sinne eintreten, dass. nur die erstere
Quote dem Grundstückkanton, die letztere dagegen dem Wohnsitzkanton zur
Besteuerung zugewiesen würde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

l. Grundstücke unterstehen bundesrechtlich der Steuerhoheit des Kantons,
wo sie gelegen sind. Und zwar, wie wiederholt (AS 29 I S. 143 ff., 32
I S. 276 f.) in dem Beschwerdefalle Spring aus dem Jahre 1915 (AS 41 I
s. 181 ff.) gerade auch dem Kanton Solothurn gegenüber entschieden worden
ist, für den durch sie dargestellten Vermögenswert, wie für das daraus
fliessende Einkommen, den Grundstückertrag. In dem zuletzt angeführten
Urteil ist auch nachgewiesen worden, dass Doppelbesteuerung. N° {.-?. 239

gleich der bundesgerichtlichen Praxis auch die sämtlichen Gesetzesentwürfe
für ein Bundesgesetz über Doppelbesteuerung seit dem Jahre 1862 auf
diesem Boden stehen. Die vom Regierungsrate von Solothurn dagegen
vorgebrachten Einwendungen enthalten keine Argumente, die nicht schon in
den früheren Fällen berücksichtigt und als nicht durchschlagend erkannt
worden wären. Wenn dabei der Satz aufgestth wird, dass alles Einkommen
em Wohnsitze zu versteuern sei, wo es der Pflichtige verzehre und wo
er die staatlichen Institutionen geniesse, so liegt darin eine petiiio
principii. Die Beschwerdeantwort ist selbst genötigt, den Satz nach
einer Richtung einzuschränken und zuzugestehen, dass für die Anknüpfung
der Steuerhoheit daneben auch noch andere Momente in Betracht kommen,
indem sie für Einkommen aus einem ausserhalb des Wohnsitzes vor sich
gehenden selbständigen Geschäftsbetrieb eine Ausnahme macht. Jenes
andere Moment liegt aber eben bei Grundstücken in der territorialen
Beziehung, der Eigenschaft als Teil des Staatsgebietes des Kantons,
wo sie sich befinden, die wegen ihrer Stärke und Unveränderlichkeit'
auch die Besteuerung hier als das'Gegcbene und allein Natürliche
erscheinen lässt. Die Tatsache aber, dass sich aus der geltenden Praxis
in ganz besonders gearteten Fällen, wie sie die Antwort aufführt,
möglicherweise gewisse Unbilligkeiten ergeben,' kann deshalb nicht
ent ,' s scheidend sein, weil für die interkantonale Ausscheidung des
Besteuerungsrechts natürlich nicht auf derartige Ausnahmetatbestände
abgestellt werden darf, sondern massgebend der Durchschnitt der Fälle sein
muss. Fraglich könnte nur sein, ob nicht wenigstens bei landwirtsehaftlich
beworbenem Boden im Gesamtertrage zwischen der Grundrente im engeren
Sinne einschliesslich der Verzinsung auf den Grundstücken stehender
Einrichtungen mit Immobiliarchrrakter einerseits, und dem Ueberschuss,
der sich als Arbeitslohn und Unternehmergewinn darstellt, andererseits
zu unterscheiden und nur

AS 4-6 l ...A)

240 Staatsrecht

der erste Bestandteil den besonderen Regeln der Grundstücksbesteuerung,
der zweite dagegen den allgemeinen Regeln über die Stenerhoheit für
bewegliches Einkommen zu unterstehen sei. Indessen könnte auch diese
Ordnung nicht einfach zu der von Solothurn erwarteten Folge, nämlich
der Zuweisung der als Arbeitslohn und Unternehmergewinn zu betrachtenden
Quote des Gesamtertrages an den Wohnsitzkanton führen. Wollte man in der
gedachten Weise den gewerblichen Charakter des Landwirtschaftsbetriebes
betonen und steuerrechtlich verwerten, so müssten folgerichtig auch für
die interkantonale Abgrenzung des Besteuerungsrechts hinsichtlich jenes
Einkommensteiles die für die Besteuerung von Einkommen aus einem vom
Pflichtigen betriebenen gewerblichen Unternehmen geltenden Grundsätze
Anwendung finden, wonach bei völlig ausserhalb des Wohnsitz kantons
sich abspielendem Geschäftsbetriebe die Steuerhoheit ausschliesslich
dem Kanton der Géschäftsnieder--

lassung, da, wo das Unternehmen als einheitlicher Orga

nismus mit ständigen, für den Betrieb qualitativ und quantitativ
wesentlichen körperlichen Anlagen und Einrichtungen auf mehrere Kantone
übergreift, dagegen anteilmässig all diesen Kantonen nach der Bedeutung
der in ihrem Gebiet lokalisierten und wirksamen Erwerbsfaktoren
zusteht. Der erstere Tatbestand wäre gegeben, wenn die Grundstücke
ausserhalb des Wohnsitzkantons selbständig, für sich beworben würden,
der zweite, wenn sie zusammen mit den im Wohnsitzkanton gelegenen Teile
eines einheitlichen landwirtschaftlichen Gewerbes bilden. Das praktische
Ergebnis wäre demgemäss ungefähr dasselbe wie nach der bisher befolgten
Rechtsprechung. Eine fühlbare Verschiebung würde nur bei denjenigen
Fällen der zweiten Kategorie eintreten, wo die ausser des Wohnsitzkantons
gelegenen Teile des einheitlichen Heimwesens zu geringfügig sein sollten,
um noch als quantitativ wesentlicher Betriebsfaktor gelten und ein
sekundäre-s Steuerdomizil begründen zu können.

Doppeibesteuerung. N° 32. 2 11

Wegen dieser seltenen Fälle rechtfertigt es sich aber nicht, das
bisherige einfache Prinzip, welches den Grundstücksertrag in seiner
Gesamtheit dem Kanton der gelegenen Sache zurBesteuerung zuweist,
zu Gunsten einer Ordnung aufzugeben, die, wie auch der Regierungsrat
von Solothurn zugesteht, in der Anwendung notwendigerweise erheblichen
Verwicklungen und Schwierigkeiten rufen müsste.

2. Der Umstand, dass die solothurnischen Behörden trotz des ihnen
aus dem Falle Spring bekannten und damals ihnen gegenüber erneut
eingehend dargelegten Standpunktes des Bundesgerichts beharrlich an
ihrem abweichenden Vorgehen festhalten und damit den Pflichtigen zur
Wahrung seiner verfassungsmässigen Rechte auf den Beschwerdeweg drängen,
lässt es am Platze erscheinen, von der Bestimmung des Art. 221 , Abs. 2
OG Gebrauch zu machen.

Demnach erkenni das Bundesgericht :

l. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates
von Solothurn vom 24. Februar 1920, soweit er sich auf die Besteuerung
des Ertrags der in Aesch gelegenen Grundstücke des Rekurrenten bezieht,
aufgehoben.

2. Die bundesgeriehtlichen Kosten, bestehend in . . . . werden dem
Kanton Solothurn auferlegt. Er hat ferner den Rekurrenten mit 40 Fr. zu
entschädigen.

Vgl. auch Nr. 25. Voir aussi n° 25.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 46 I 237
Datum : 24. April 1920
Publiziert : 31. Dezember 1920
Quelle : Bundesgericht
Status : 46 I 237
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 230 Staatsrecht. vom Fabrikanten übernommenen Arbeiten selbst betrifft, trotz der


Gesetzesregister
OG: 221
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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