54 . Staatsrecht.

IV. DEROGATORISCHE KRAFT DES BUNDESRECHTS

FORCE DÉROGATOIRE DU DROIT FEDERAL

7. Auszug aus dem Urteil vom 9. Mai 1919 i. S. Riklin gegen St. Gallen.

Anerkennung eines gewobnheitsrechtlich begründeten kantonalen Bergregals.

In der Hauptsache beschwert sich der Rekurrent darüber, dass durch
die in der Konzessionscrteilung liegende Feststellung und Ausübung
eines kantonalen Berghauregals die veriassungsmässige Garantie seines
Eigentumsrechtes beeinträchtigt werde ; auch handelt es sich dabei,
da die Art. 655
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 655 - 1 Gegenstand des Grundeigentums sind die Grundstücke.
1    Gegenstand des Grundeigentums sind die Grundstücke.
2    Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind:
1  die Liegenschaften;
2  die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte;
3  die Bergwerke;
4  die Miteigentumsanteile an Grundstücken.
3    Als selbstständiges und dauerndes Recht kann eine Dienstbarkeit an einem Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden, wenn sie:
1  weder zugunsten eines berechtigten Grundstücks noch ausschliesslich zugunsten einer bestimmten Person errichtet ist; und
2  auf wenigstens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet ist.570
und 667
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 667 - 1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht.
1    Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht.
2    Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen.
ZGB angerufen werden, um eine Beschwerde wegen
Verletzung des Grundsatzes der derogatorisehen Kraft des Bundesrechts
gegenüber dem kantonalen Rechte. In dieser Beziehung ist zunächst auf
den Entscheid des Bundesgerichts in Sachen Weinmann gegen Luzern (AS 44
I S. 1 67 ff.) zu verweisen, worin festgestellt wurde, dass nach dem ZGB
die Kantone berechtigt sind, durch ein Gesetz das Bergregal einzuführen
und damit dem Staate das Recht zur Ausbeutung von nutzbaren Mineralien und
Fossilien im Erdinnern zu sichern. Was hier von einem kantonalen Gesetze
gesagt ist, gilt aber für das kantonale Recht überhaupt, also auch für ein
in einem Kantone bestehendes Gewohnheiterecht, das grundsätzlich gleich
der Gesetzgebung gültige Normen enthalten kann. Demnach hält auch ein
gewohnheitsrechtlich begründetes kantonales Bergregal vor den Bestimmungen
des ZGB und einer verfassungsmässigen Eigentumsgarantie stand.

U' Cl

Gewaltentrennung. N° 8.

V. GEWALTENTRENNUNG si SÉPARATION DES POUVO'IRS

8. Urteil vom 17. Februar 1919 i. S. Fischer und Mumm gegen Bern.
Legitimation einer kantonalen Regierung, im staatsrechtlichen
Beschwerdeverfahren für den Grossen Rat aufzutreten. Verhältnis der
gesetzausführenden Verordnung zum Ge setz. Umfang und Inhalt der Befugnis
des berniSchen Grossen Rates zum Erlass von Dekret'en. Zulässige Aus
führung des von einem Gesetze aufgestellten Grundsatzes der amtlichen
Inventarisation zu Stenerzwecken auf dem Dekretswege.

A. Das durch Volksabstimmung vom 7. Juli 1918 angenommene bernische Gesetz
über die direkten Staatsund Gemeindesteuern bestimmt in § 41 Abs. 2bis
4 u. 6: Stirht eine im Kanton Bern steuerpflichtige Person, so ist
über ihren Nachlass ein amtliches Inventar auf zunehmen. Zur Sicherung
desselben ist der Nachlass innerhalb 24 Stunden nach dem Todesfall unter
Siegel zu legen. Die amtliche Inventarisicrung unter-bleibt in den
Fällen; wo ein Erbschaftsinventar (Art. SO'

' Einführungsgesetz zum ZGB) oder ein öffentliches

Inventar (Art. 580 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 580 - 1 Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen.
1    Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen.
2    Das Begehren muss binnen Monatsfrist in der gleichen Form wie die Ausschlagung bei der zuständigen Behörde angebracht werden.
3    Wird es von einem der Erben gestellt, so gilt es auch für die übrigen.
. ZGB) aufgenommen wird. Die Erben sind jedoch
verpflichtet, der Steuerbehörde dieses Inventar vorzulegen.

Das amtliche Inventar ist durch einen Bezirksbeamten , aufzunehmen. In
grösseren Gemeinden kann mit Ge nehmigung des Regierungsrates die
Aufnahme den Gemeindebehörden übertragen werden. Die Kosten der .
amtlichen Inventarisation trägt der Staat.

Der Regierungsstatthalter kann auf den Vorschlag der Erben einen Notar
mit der Inventaraufnahme be auftragen; in diesem Falle tragen die Erben
die Kosten.

Die Ausführungsbestimmungen uber das amtliche

56 ' . staatsrecht.

Inventar bleiben einem Dekret des Grossen Rates mbehalten . ss,

Auf Grund dieser Gesetzeshestimmung erliess der Grosse Rat des Kantons
Bern am 10. Dezember 1918 ein Dekret betreffend die amtliche Inv
eutarisation des Nachlasses von Steueryflichtigen, aus dem folgende
Vorschriften Hervor-unwert sind: § ti: Die Versiegelung

Wird dnkeh den PMdenien des Einwohneigemeiude rates oder des Gemeinderates
der gemischten Ge meinde oder durch ein Mitglied des Gemeinderates
vorgenommen.

Mit Genehmigung des Regierungsrates kann das Ge meindereglement die
Vornahme der Versiegelung auch andern Organen übertragen. '

In jedem Falle ist die Gemeinde für die richtige

Ausführung ihrer Organe verantwortlich ; ihr bleibt der Rückgriff gegen
den fehlbaren Beamten vorbehalten.

§ & DerVersiegelungsbeamte hat festzustellen; ob Wertschriften
irgendwelcher Art, mit Einschluss von Lebensversicherungsund
Unfallversicherungspolieen, . Bargeld, sowie Hausund Geschäftsbücher
oder andere Aufzeichnungen, Welche sich auf Vermögen oder Ein kommen des
Verstorbenen beziehen, vorhanden sind und . wo sich solche befinden. ' _

.Sämtliche Familienangehörigen und Angestellten des Verstorbenen sind,
unter Straffelge, zur wahrheits getreuen Auskunttserteilung hierüber
verpflichtet. Sie werden durch den Versiegelungsbeamten ausdrückiich auf
diese Pflicht, sowie auf die Folgen ihrer Verletzung aufmerksam gemacht.

. Dem Vers1egelung. heamten sind auf Verlangen alle-

Räumlichkeiten und. Behältnisse zu öffnen; Räumlich keiten
.und? Behält'nisse, deren Öffnung _.verWeigert wird, sind in jedem
Fälle zu versiegeln. . . § 13.1135 amtliche Inventar wird regeimässig
durch . den Amtssch'reiber, ankgisnoneinenxi ss ,

In grösser-i Gemeinden kann mit Genehmigung des

Gewaltentrennnng. N° 8. 57

Regierungsrates die Aufnahme des Inventars den Ge meindebehörden
übertragen werden (Art. 41 Abs. 3des Steuergesetzes). Das zuständige
Organ ist im Gemein dereglement zu bezeichnen. Die Gemeinde ist
für. ord-. nungsgemässe Durchführung seiner Funktionen verant wortIich. -

§ 17. Das Inventarisationsergan hat den gesamten Vermögensbestand des
verstorbenen Steùerpflichtigen festzustellen und darüber ein Verzeichnis
...... aufzu nehm'en.

sämtliche Erben, Familienangehörigen und Ange stellten des Verstorbenen
sind unter Straikolge ver-. pfliehtet, dem; Inventarisationsorgan
die Vermögens stüeke des Verstorbenen zu bezeichnen, Behältnisse und
Räumlichkeiten zu öffnen sowie ihm jede verlangte Auskunft nach bestem
Wissen und Gewissen zu er teilen. Die gleiche Verpflichtung liegt auch
Dritten ob, welche in der Lage sind, über die" Vermögensverhäit nisse
des Verstorbenen Auskunft zu erteilen oder Vermögensstücke desselben
anfzubewahren. Handelt es sich 11m Dritte, für welche die Wahrung eines
Berufs oder Geschäftsgeheimnisses in Frage kommt, so haben die Erben
ihre Einwilligung zur Auskunftserteilnng zu

geben.

Das Inventarisationsorgan hat die in Absatz 2 genannten Personen auf
ihre Pflichten aufmerksam zu machen...

§ 27 Erben, Hausgenossen und Angestellte des ver storbenen
Steuerpflichtigen, welche der ihnen durch §§ 8 und 17 dieses Dekretes
auferlegten Verpflichtung zur Vermögensangabe, zur Öffnung von
Räumlichkei ten und Behältnissen und zur Anskunitserteilung [nicht
nachkommen, werden mit Geldbussen bis zusi5000 Fr. bestraft. In die
nämliche Busse verfallen Dritte, welche gemäss § 17 dieses Dekretes zur
Auskunitserteilnng verpflichtet sind, sofern sie dieser Verpflichtung
nicht nachkommt-In si . .

58 staatsrecth

B. Gegen diese Dekretsbestimmung haben die Fürsprecher-F. v. Fischer und
Dr. H. Dürrenmatt am 28. Dezember 1918 die staatsrechtliche Beschwerde
an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrage auf Aufhebung.

. Zur Begründung wird im allgemeinen geltend gemacht : ' Der Grosse Rat
habe sich nicht darauf beschränkt, lediglich Ausführungsbestimmungen
über die Art und Weise der Durchführung des Inventars aufzustellen,
sondern neue, selbständige und weitgehende Normen festgesetzt, die ihrer
Natur nach Gegenstand eines der Genehmigung des Volkes unterliegenden
Gesetzes bilden müssten. Darin liege eine. Verletzung von Art. 6 und
26 KV. Di'e in diesen Bestimmungen enthaltene Kompetenzausscheidung sei
aus einem Gesetz in die Verfassung übernommen worden und zwar offenbar
deshalb,-um eine höhere Garantie dafür zu schaffen, dass nicht alles
mögliche, worüber ein Gesetz nichts bestimme, nachträglich in Dekreten
untergebracht werde. Grund.s'ätze aller Art, insbesondere Eingriffe in
die persönlichen Rechte und Freiheiten der Bürger, könnten jedenfalls
nur in Gesetzen niedergelegt werden, während ' in den Dekreten bloss
reine Ausführungshestimmungen über organisatorische, oder formelle und
dergl. Fragen Aufnahme finden dürften. .

§6 Abs. ,3 des Dekretes wird speziell noch aus folgenden Gründen
angefochten : Art. 41 des steuer-gesetzes habe die Gemeinden nicht
verpflichtet, durch ihre Organe die Versiegelung des Nachlasses
vorzunehmen. UmsOweniger lasse sich ihnen die Verantwortlichkeit
für Fehler ihrer Organe bei Versiegelungen durch Dekret überbinden.
Art. 61
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
1    Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
2    Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden.
OR behalte den Erlass abweichender Bestimmungen über die
Verantwortlichkeit öffentlicher Beamter der eidgen. und kantonalen G e
s e t 2 g e b u n g vor. Da eine gesetzliche Bestimmung fehle, die dem
Grossen Rate das Recht einräume, eine Verantwortlichkeit der Gemeinden
einzuführen, so sei die angefochtene Bestimmung des g 6 willkürlich.

Gewaltentrennung. N° 8. 59

Mit der nämlichen Begründung wird è. 13 Abs. 2. des Deine-teangefochten,
aber dabei zugegeben, dass das Steuergesetz die Aufnahme des lnventars
durch. Gemeindeorgane vorsieht. ' , ' -

Zu § 8 wird bemerkt : Abs.! macheden'Versiegeiungsbeamten teilweise
zum Inventarisationsorgan, indem er ihm Feststellungen aller Art über
Vermögen oder Einkommen des Erblassers übertrage. DurehsssiA-bs. 2 und
3 werde aus ihm sogar ein eigentliches lnquisitionsorgan . Damit werde
in Verbindung mit § 6die Verantwortlichkeit der Gemeinde in weitgehender
Weise verschärft, was ebenfalls gegen-5 die Zulässigkeit .derRegelung
dieser Verantwortlichkeit durch Dekret spreche. Ausserdem greife
Abs. l des s§ 8 in willkürlicher Weise in das Recht der Erben ein, die
Inventaraufnahme durch einen Notar besorgen zu lassen, und stehe daher
geradezu im Widerspruch mit Art. 41 des Stenergesetzes. _ .

Abs. 2 des § 8 bedeute sodann einen-Eingriff m die persönliche
Freiheit, die durch Art. 73KV garantiert sei. Zürich habe eine solche
Auskunftspt'licht, wie Sie hier in Frage stehe, im Steuergesetz (vom
25. November 1917) selbst festgestellt. Das bernische Steuergesetz
verpfhchte 'in Art. 27 und 29 bloss den Steuerpflichtigen zur
Auskunitserteilung. Der erwähnte, durch ein Dekret

,herbeigeführte Eingriff in die persönliche Freiheit sei um

so weniger zulässig, als für die Verletzung der Auskunftspflicht in §
27 weitgehende Straifolgen angedroht wurden. Nach Art. l StPO dürfte
eine Strafe nur in Anwendung eines G e s e t z e s ausgesprochen
werden. Strafen, insbesondere Freiheitsstrafen, liessen sich nicht durch
Dekret einführen. 58 Abs. 2 sei daher auch willkürlich. _, Gegenüber
§ 17 führen die Rekurrenten ebenfalls aus, dass der darin liegende
Eingriff in die persönliche Freiheit nicht durch blosses Dekret normiert
werden könnesondem zum mindesten der Sanktion durch eine ausdrückliche
Gesetzesbestirnmung bedürfe. Die Auffassung der Regierung, dass das Volk
zur Durchführung der amt-

60 Stats:-edit.

lichen InventarisatiOn dem Grossen Rate gewissermassen eine
Blankovollmacht erteilt habe, sei willkürlich. Der Gesetzgeber sei sich
bewusst gewesen, dass es nicht

. genüge, im Gesetz nur den Grundsatz aufzustellen und '

alles übrige einem Dekret zu überlassen. Deshalb habe er im
Steuergesetz selbst den Erben die Pflicht auferlegt, der Steuerbehörde
ein Erbschafts-oder öffentliches Inventar vorzulegen. Es sei daher
nicht einzusehen. wieso es zulässig sein sollte, vie} weitergehende
Bestimmungen wie die 55 8 und 17 durch Dekret festzusetzen. Einen
völlig neuen Grundsatz enthalte § 17 Abs nämlich die Ausdehnung der
AuskunftSpflicht auf Dritte, für welche die Wahrung eines Berufsoder
Geschäftsgeheimnisses in Frage komme. Dieses Geheimnis habe bisher einen
besonderngesetzlichen Schutz genossen. Die bernische Straiprozessordnung
verbiete in Art. 219 ausdrücklich, dass Personen, denen infolge ihres
Standes Geheimnisse anvertraut worden seien, hierüber als Zeugen
abgehört werden. Ebenso schreibe Art. 246 der 'Zivilprozessordnung
von 1918' vor, dass ein Zeuge die Auskunft über Remis-, Geschäftsoder
Dienstgeheimnisse verweigern dürfe. Im Anschlusshieran bestimme Art. 31.3
des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vomssl. Oktober 1909,
dass zur Erwahrung von Tatsachen alle in der Zivilprozessgesetzgebung
vorgesehenen Beweismittel mit Ausnahme, des Eidos ,zulässig seien
und deren Beschaffung nach den dort aufgestellten Regeln geschehen
solle. Hieraus ergehe sich die Pflicht. auch im Inventafisationsveriahren
das Berufsund Geschäftsgeheimnis zuaehten Die Organe, denen die
Durchführung der amtlichen Inventarisation am ertraut sei, stellten
sich als Verwaltungsjustizbehörden dar, weshalb die Vorschriften des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes auf sie anwendbar seien. Diese könnten
durch ein

Dekret nicht abgeändert werden; Das bernische Nota-'

riatsgesetz verpflichte ebenfalls in Art. 20 den Notar zur

Wahrung des Bemfsgeheimnisses, und Art. 26;des Kanto ·

Gewaitentrennung. N° 8. 61

nalbankgesetzes vom 5. Juli 1914 lege ausdrücklich den

Beamten und Angestellten der Kantonalbank die Pflicht auf, über
die geschäftlichen Beziehungen der Bank zu ihren Kunden und deren
persönliche und geschäftliche Verhältnisse Verschwiegenheit zu
bewahren. Es sei in-' zulässig, den allgemein anerkannten Grundsatz
der Wahrung des Berufsoder Geschäftsgeheimnisses durch ein blosses
Dekret für gewisse Personen -ausser Kraft zu setzen. Hieran könne
der Umstand nichts ändern, dass die Erben ihre ,Einwilligung zur
Auskunftserteilung geben müssten. 'Diese Einschränkung ,könne ebenfalls
nicht durch Dekret eingeführt werden,-. zumal da ein Vertrauensverhältnis
höchstpersön'licher Art in Frage stehe, das mit dem Tode des Erblassers
nicht einfach erlöscheoder auf die Erben übergehe. Insbesondere genüge
deren Einwilligung nicht, um die Beamten der Kantonalbank von der
öfientlichrechtlichen Verschwiegenheitspllicht

zu entbinden. Es handle sich insofern urn eine willkür-

liche Gesetzesänderung. Dem amtlichen Inventar würden in Bedeutung und
Wirkung gleichgestellt das Erbschaftsinventar nach Art. 60 EG z. ZGB
und das öffentliche Inventar nach Art. 580
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 580 - 1 Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen.
1    Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen.
2    Das Begehren muss binnen Monatsfrist in der gleichen Form wie die Ausschlagung bei der zuständigen Behörde angebracht werden.
3    Wird es von einem der Erben gestellt, so gilt es auch für die übrigen.
ZGB. Es finde sich nun keine
Vorschrift, Wonach bei der Aufnahme dieser beiden Inventare gewisse
Personen unter Androhung von Strai--

,folgen zur Auskuniterteilnng angehalten werden. Ein

Dekret über die amtliche Inventarisation könne aber nicht über das
hinausgehen, was für die andern beiden Inventar-e gesetzlich festgelegt
sei; sonst schaffe es zweierlei Recht und verletze damit den Grundsatz
der Reehtsgleic'hh'eit.

Zu g27 wird bemerkt : Eine solche Strafsanktion könne nur durch ein Gesetz
aufgestellt werden. Das Dekret betr. Massnahmen gegen die Tuberkulose Vom
3. Februar 1910 enthalte allerdings auch eine Strafbestimrnung , diese
stütze sich aber auf einen Erlass mit Gesetzescharakter, das Dekret
betr. Strafbestirnmungen über Widerhandl'ungen gegen Beschlüsse des
Regierungsrates Vom 1. Màssrz ssl'858. Zudem könne aus der Aufnahme von

RL Staatsrecht.

Strafandrohungen in andere Dekrete nicht auf die Veriassung'smässigkeit
eines derartigen Vorgehens geschlossen . werden.

In einer weitem Eingabe vom 15. Januar 1919, die sich in der Hauptsache
auf ein Sistierungsgesuch bezieht, wird zur Anfechtung des g 8 des
Dekretes noch vorgebracht: Das in dieser Bestimmung vorgesehene Verfahren
verletze auch die in Art. 76 KV enthaltene Garantie des Hau. rechts. Die
Anordnung der Einvernahme von Personen und der Durchsuchung von
Räumlichkeiten und Behältnisse bedeute eine Einschränkung des genannten
veit'assungsmässigen Rechtes, die einer gesetzlichen Sanktion bedürfe.

Endlich wird in der erwähnten nachträglichen Eingabe noch darauf
hingewiesen, dass die Anträge des Regierungsrates zum Sistierungsgesuch
nicht auf einem Beschlusse des Grossen Rates beruhten und diesem überhaupt
von der Beschwerde keine Kenntnis gegeben worden sei, obwohl vom 6. Januar
an eine Sitzung des Grossen Rates stattgefunden habe. Doch erklären die
Rekurrenten, daraus keinen Bese11Werdegrund herleiten zu Wollen.

C. Der Regierungsrat beantragt namens des Grossen Rates die Abweisung
der Beschwerde. Seinen Ausführungen ist folgendes zu entnehmen :
Die frühere Staatsverfassung von 1846 habe den Erlass von Gesetzen
grundsätzlich dem Grossen Rate zugewiesen. Durch g 1 eines Gesetzes
vom 4. Juli 1869 sei dann vorgeschrieben worden: Alle Gesetze sind
dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorzulegen. In jedem Gesetz sind
die Bestim mungen zu bezeichnen, deren Vollziehung durch ein Dekret des
Grossen Rates oder eine Verordnung des Regierungsrates zu ordnen ist.
Diese Vorschrift unterscheide sich insofern wesentlich von Art. 6
Ziff. 2 KV, als damals die dekretsmässige Zuständigkeit des Grossen
Rates auf blosse Vollziehungsvorschriften beschränkt werden sei. Nach
der Staatsverfassung von 1893 habe

Gewaltentrennung. N° 8. 63

aber nur noch der Regierungsrat, nicht auch der Grosse Rat
Vollziehungsverordnnngen zu erlassen. Die grossrätlichen
Dekrete bezweckten nunmehr die nähere Ausführung gesetzlicher
Vorschriften. Damit sei ' die Ausführungskompetenz des Grossen Rates von
der Vollziehungskompetenz des Regierungsrates geschieden und zwar in dem
Sinne, dass die nähere Ausführung von Gesetzen etwas anderes sein müsse
als eine blosse Vollziehung. Der Inhalt eines Ansführungsdekretes richte
sich von Fall zu Fall nach dem tatsächlichen Bedürfnis. Der Grosse Rat
wirke dabei als Gesetzgeber. Im vorlie-genden Falle habe man es in der
Hauptsache mit einem unbeschränkten Dekretsauftrag zu tun, indem ein
Rechtsinstitut fast ganz durch Dekret habe geregelt werden müssen.

Nach Art. 67 KV und Art. 2 Ziiî. 1 litt. f des Ge-· setzes vom
9. Dezember 1917 _über das Gemeindewesen sei der Grosse Rat befugt
gewesen, die Vornahme der Versiegelung einem Mitglied des Gemeinderates
zu übertragen. Nach Art. 39 Abs. l des Gemeindegesetzes müssten die
Mitglieder der Gemeindebehörden und die Gemeindebeamten bei der Ausübung
ihres Amtes die

' Regeln einer sorgfältigen Verwaltung beobachten und

hefteten für den Schaden, _ den sie infolge Verletzung dieser Pflicht
verursachten. Sodann bestimme Abs. 3

des Art. 39 ausdrücklich, dass die Schadenersatzklage

auch gegen die Gemeinde direkt geltend gemacht Werden könne und
dieser der Rückgriff auf den Fehlbaren zustehe- Die in § 6.Ahs. 3 des
Inventarisationsdekretes geregelte Verantwortlichkeit bestünde ,daher
selbst dann, Wenn das Dekret sie nicht erwähnt hätte. Dasselbe gelte für§
13 Abs. 2 des Dekretes. Die bernische Verfassung schliesse die Aufstellung
von Strafbestimmungen durch andere Erlasse als Gesetze nicht aus, wie
sich aus Ar.t 71 Abs. 2 ergebe, der die Aufnahme solcher Bestimmungen
in Gemeindereglemente vorsehe. Der Grosse Rat habe sich denn auch in,
einer ganzen Reihe on Dekreten die

ei ' Staatsrecht.

Befugnis zur Aufstellung von Strafandrohungen eingeräumt, so im Dekret vom
30. August 1918. betr. den Vollzug der Vorschriften über Niederlassung
(Art. 31-37), im Dekret vom 1. Februar 1897 betr. die Feuerordnung (§
111), im Dekret vom 10. März 1914 betr. das interkantonale Konkordat über
den Verkehr mit Motoriahrzeugen und Fahrrädern (EUR 7), im Dekret vom
18. November 1914 über das Schätzungswesen ( § 27). Alle diese Dekrete
stellten Strafbestimmungen auf, deren Erlass in keinem Gesetze vorgesehen
sei. Die Angaben der Rekurrenten über die gesetzliche Grundlage der
Strafandrohungen im " Tuberkulosedekret seien irrtümlich ; das Dekret
vom 1. März 1858 beziehe sich nur auf Beschliisse des Regierungsrates.

Daran, dass diese Behörde zur Beantwortung der Beschwerde im Namen
des Grossen Rates legitimiert sei, könne kein Zweifel bestehen. Zur
Vollziehung der Dekrete im Sinne des Art. 38 KV gehöre auch die Sorge
für ihre lnkraftsetzung, also die Verteidigung gegen die Anfechtung
eines Dekretes durch staatsrechtliche Beschwerde. '

Das Bundesgericht zieht i_n Erwägung :'

l. Die Rekurrenten sind als Staatsbürger legitimiert, sich über
Eingriffe in das verfassungsmässige Mitwirkungsrecht der Gesamtheit der
stirnmberechtigten Bürger bei der Gesetzgebung vor dem Bundesgericht
nach Art. 175 Ziff. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 580 - 1 Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen.
1    Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen.
2    Das Begehren muss binnen Monatsfrist in der gleichen Form wie die Ausschlagung bei der zuständigen Behörde angebracht werden.
3    Wird es von einem der Erben gestellt, so gilt es auch für die übrigen.
OG zu beschweren.

'2. Sie haben angedeutet, dass der Regierungsrat nicht berechtigt sei,
im vorliegenden Verfahren von sich aus namens des Grossen Rates Anträge
zu stellen, aber nicht formell seine Legitimation, für den Grossen
Rat zu handeln, bestritten. Es mag denn auch festgestellt werdeh, dass
das Bundesgericht in solchen Beschwerdesachen nach der Praxis stets"
die Regierung als zuständig zur Vertretung des kantonalen Parlamentes
angesehen und ihr daher die Rekursschrift regelmässigGewaltent'rennung. N°
8. 65

zur Beantwortung zugestellt hat. Kraft ihrer allgemeinen Yollzrehuugs-und
Vertretungsgewalt hat'die Regierung un allgemeinen dieProzessführung
instaatlichen Angelegenheiten zu besorgen. Den Parlamenten fehlen für
eine solche Tätigkeit geeignete besondere Organe.

3. _Die Beantwortung der Frage, ob die angefochtenen ' Bestimmungen des
grossrätliehen Dekretes deshalb verfassungswidrig seien, weil sie zur
Gesetzgebung im engem, formellen Sinn gehören, hängt von der Auslegung
der Vorschriften ab, die Verfassung und Gesetz über die Ausscheidung
der rechtsetzenden Tätigkeit der Aktiv-' bürgersehaft; des Grossen
Rates und der Regierung, insbesondere der beiden zuerst genannten
Staatsorgane, enthalten. Nach Art. 6 Ziff. 2 KV unterliegen alle G
e setze der Volksabstimmung; doch sollen in jedem Gesetze diejenigen
Bestimmungen bezeichnet werden, deren nähere Ausführung einem Dekret
des Grossen Rates vorbehalten wird. Art. 26 Ziiî. 2 KV überträgt
denn auch dem Grossen Rat die Befugnis zum Erlass von Dekreten. Dem
Regierungsrat ist sodann in Art. 38 KV die Vollziehung aller Gesetze,
sowie aller Dekrete und Beschlüsse des Grossen Rates zugewiesen. Hiezu'
gehört unbestreitbar auch der Erlass von Vollziehungsverordnungen, eine
Massnahme, zu der die Regierung häufig greift. Im Kanton Bern existieren
danach 2 w ei Staats ' organe, die das Verordnungsrecht besitzen, der
Grosse' Rat, dessen Verordnungen technisch als Dekrete bezeichnet werden,
und der Regierungsrat, der dieVollziehungsverordnungen im engem Sinne
erlässt. Offenbar muss nach 'der'Meinung des Verfassungsgesetzgebers
zwischen den Verordnungsbefugnjssen dieser beiden staatsorgane ein
Unterschied in Beziehung auf ihren-materiellen Umfang und Inhalt bestehen
; das folgt schon aus dem staatsrechtlichen Verhältnis der Unterordnung
des Regierungsrates unter den Grossen Hat, das jedenfalls in Beziehung
auf die rechtsetzende Gewalt besteht. Eine positive Bestimmung, die die
Kompetenzausscheidung nach be-

lssz l 1919 5

66 ' Staatsrccht.

stimmten Merkmalen vornehmen Würde, enthält nun aller-

dings weder die Verfassung noch irgend eianesetz. Die _

Verfassung geht davon aus, dass es beim Erlass eines jeden Gesetzes Sache
des Grossen Rates sei, diesessdurch Dekret näher auszuführen, soweit
eine solche nähere Ausführung im Gesetze nach Art. 6 KV vorgesehen ist.
Der Vollzug solcher Dekrete steht aber in allen Fällen der

Regierung zu ; diese ist dabei befugt, die Dekretelnicht

nur durch Einzelverfügungen im konkreten Fall, sondern auch durch
allgemeine Regelung, also durch rechtsetzende Verordnungen zu
vollziehen. Demnach muss nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers
der Begrifi der nähern Ausführung in Beziehung auf den materiellen
inhalt weitergehen als derjenige der Vollziehung nach Art. 38 KV,
die ausschliesslich Sache ,der Regierung ist. Im, wissenschaftlich
-technischen Sinn ist das grossrätliche Dekret allerdings auch eine
Verordnung gleich einem allgemeinen Vollziehungserlass der Regierung ;
denn jede Festsetzung objektiven Rechtes, die nicht in Gestalt eines
Gesetzes im formellen Sinn erscheint, wird als Verordnung oder allenfalls
als Reglement bezeichnet. Da die Befugnis des Grossen Rates zum Erlass
von Dekreten in der Verfassung selbst auf die Fälle beschränkt ist,
in denen das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht, so bilden die Dekrete
nicht sog. verfassungsmässige, sondern gesetzausführende Verordnungen,
die stets ein spezielles Gesetz zur Grundlage haben (J Eumex, Gesetz und
Verordnung S. 378). Es liegt nun nicht im Begriff dieser Verordnungen,
dass sie überhaupt keine neuen Rechtssätze enthalten dürften; denn jede
allgemein verbindliche Vorschrift, die nicht als blosse Instruktion
nur für , das interne Verhältnis von Staatsorganen unter sich gilt,
ist ein Rechtssatz. Auch blosse Vollziehungsregeln können sich als neue
Bechtssätze darstellen. Die Gesetzgebung kann sich darauf! beschränken,
in einer bestimmten Materie bloss eine grundsätzliche Ordnung zu treffen,
und deren näherer Ausgestaltung, die Regelung im ein-Gewaltentrennung. N°
8. 67

zelnen, einer Verordnung überlassen. Hierin liegt rechtlich
eine Delegation der Gesetzgebungshei'ugnis im weitem Sinn an ein
für Verordnungen zuständiges Staatsorgan, und mit einer solchen
Übertragung von der Aktivbürgerschaft auf den Grossen Rat hat man es
im vorliegenden Falle zu tun. Diese Behörde erhält dadurch ein sele
ständiges Recht zur Rechtsetzung innert den ihr von der Aktivbürgerschaft
gezogenen Grenzen. Verschiedene Gründe lassen eine solche Delegation
als gerechtfertigt erscheinen (vergl. FLEINER, Institutionen des
Verwaltungsrechts § 5). Das Bundesgericht hat sich schon wiederholt
mit der Frage beschäftigt, wie weit die Ausführung eines Gesetzesdurch
Verordnung gehen dürfe, und sich dabei im wesentlichen dem Standpunkt von
Lahand, Rosin und Anschütz angeschlossen, dass Ergänzungen des Gesetzes
zulässig seien, wenn sie nicht nach der seite der Zwecksetzung gehen,
sondern lediglich die Durchführung des Gesetzeswillens in der Praxis,
die Beschallung der hiefür erforderlichen Mittel im Auge haben (LABAND,
Reichsstaatsrecht 3. Aufl. 1 S. 565; Rosm, Polizeiverordnungsrecht S. 35
N. 5; Anscnü'rz, Begriff der gesetzgebenden Gewalt S. 18). Danach darf
eine gesetz-ausführende Verordnung zweifellos nicht im Widerspruch mit
Wortlaut und Inhalt der zu ergänzenden Gesetzesbestimmungen stehen,
diese also weder aufheben noch abändern, sondern nur im Sinn und Geist
des Gesetzes da eintreten, wo das Gesetz stillschweigt oder eine Lücke
enthält, und zudem kann diese Ergänzung sich nicht auf etwas beziehen,
das zur Durchführung des Gesetzes unzweifelhaft überflüssig ist,
und damit über d'en Zweck der zu ergänzenden Gesetzesbestimmungen
hinausgehen (vergl. AS 26 I S. 476, 29 I S. 151 f., 32 I S. 112, 36 I
S. 86 und 94). Das muss nun auch sii'iir die vom bernischen Grossen Rat
zu erlassenden Dekrete gelten. Diese dürfen auf Grund der Delegation
der Gesetzgebungsgewalt innert den erwähnten Schranken neue, ergänzende
Rechtssatzes enthalten, indem der Grosse

68 staatsrecht-

Rat nach freiem Ermessen die Vorschriften aufstellen kann, die nach
seiner Auffassung zur nähern Ausführung der vom Gesetz in den Grundzügen
geregelten Ordnung erforderlich sind. Es handelt sich dabei um die
Ausübung einer eigentlichen gesetzgeberischen Funktion, während die
Regierung, die das Verordnungsrecht nicht kraft besonderer Delegation,
sondern lediglich als Vertreterin der staatlichen Vollziehungsgewalt
ausübt, mehr nur den Vollzug der Gesetze im engern Sinn, wie etwa deren
unumgänglich notwendige Detaillierung, besorgt.

Da im vorliegenden Fall der Erlass der Ausführungsbestimmungen über
das amtliche Inventar dem Grossen Rate übertragen wurde und Art. 41
des Steuergesetzes das Versiegelungsund Inventarisationsverfahren. nur
grundsätzlich eingeführt hat, ohne es irgendwie im einzelnen zu regeln,
so musste dies in einem Dekret des Grossen Rates geschehen, indem diesem
die Aufgabe zufiel, alle zur wirksamen Durchführung des Verfahrens
erforderlichen Vorschriften aufzustellen.

Damit erweist sich der hauptsächliche Standpunkt der Rekurrenteu, dass
das angefochtene Dekret Rechtssätze enthalte, die ihrer Natur nach in
ein eigentliches Gesetz gehörten, als unbegründet. -

4. Was die gegen die einzelnen Dekretsbestimmungen im übrigen
gerichteten Angriffe betrifft, so greift § 8 keineswegs in das Recht
der Erben ein, einen Notar für die Inventaraufnahme vorzuschlagen. Der
Versiegeluugsbeamte muss sich, bevor er zur Siegelung schreitet, über
die zu versiegelnden Gegenstände orientieren und sich zu diesem Zwecke
die in § 8 Abs. 1 genannten Objekte vorlegen lassen. Es kann ihm nicht
zugemutet werden, ohne solche Hun e von sich aus deren Vorhandensein
festzustellen, und wenn er dies tun müsste, so Wäre es nur durch eine
eigentliche Hausdurchsuchung möglich. ein Verfahren, das die Rekurenten
gerade verpönen. Die

dem Versiegelungsbeamten zugewiesene Tätigkeit bildet

keineswegs eine eigentliche Inventarisation ; er hat
nichtGewaltentrennung. No 8. w

Umfang und Wert des Nachlasses festzustellen, auch nicht einmal,
wie die Regierung feststellt, ein Verzeichnis über die versiegelten
Gegenstände aufzunehmen und deren Wert zu bestimmen, sondern lediglich
die zur Aufnahme eines möglichst richtigen Inventars erforderlichen
Sicherungsmassregeln zu treffen.

Davon, dass durch § 8 des Dekretes Art. 73 KV, der die persönliche
Freiheit des Bürgers garantiert, verletzt werde, kann sodann keine Rede
sein. Allerdings mag die Nachforschung des Versiegelungsheamten nach den
in § 8 Abs. 1 genannten Gegenständen und der auf die Familienglieder und
Angestellten ausgeübte Zwang zur Auskunfterteilung eine Beeinträchtigung
der privaten Geheimsphäre des Bürgers bilden ; aber diese wird nicht
erst durch das Dekret verursacht, sondern liegt schon in dem durch das
Gesetz eingeführten System der amtlichen Siegelung und inventarisation,
die nicht anders ausgeführt werden kann, als dadurch, dass im Hause des
Erblassers von öil'entlicheu Beamten Handlungen vorgenommen Werden, die
eine möglichst ges-treue Feststellung des Nachlasses bezwecken Dieses
System rechtfertigt sich staatsrechtlich und grundsätzlich durch das
öffentliche Interesse an einem geordneten Staatshaushalt und an der
Vermeidung einer Begünstigung des unehrlichen Steuerzahlers vor dem
ehrlichen. Der Gesetzgeber stützt 'sich dabei auf die Erfahrung, dass die
Steuermoral häufig mit den allgemeinen Grundsätzen der Ehrlichkeit und
Redlichkeit nicht im Einklang steht und der Staat infolgedessen genötigt
ist, die persönliche Freiheit durch besondere Zwangsmittel einzuschränken,
um Recht und Gerechtigkeit in Steuersachen zu wahren. Die Pflicht zur
Edition von Urkunden oder andern Gegenständen und zur Zeugnisabgabe findet
sich oft mit Strafandrohungen oder andern Zwangsmitteln verknüpft auch
auf anderm Gebiete, ohne dass in den hierüber aufgestellten gesetzlichen
Vorschriften ein staatsrechtlich anfechtbarer Eingriff in die persönliche
Freiheit gesehen würde. Darin,

'in Staatsrecm.

dass die Familienangehörigen und Angestellten verpflichtet werden,
alle zur Feststeilung'des Nachlasses dienenden Urkunden und das
Bargeld vorzuweisen, liegt keine unnötige Verschärfung des Eingriils,
sondern eine durch den Zweck der Siegelung und Inventarisation
ge-botene Massregel. Wenn die Rekurrenten diesen Zweck als berechtigt
anerkennen, so können sie dem staate nicht das Recht zur Anwendung der
Mittel bestreiten, die zu dessen Erreichungunumgänglich notwendig sind.
Die Auskunitspflicht der Familienangehörigen erweist sich hiefür ebenfalls
ais nötig, da diese in erster Linie mit den Vermögensverhältnissen
des Erblassers bekannt sein müssen, und auch der für die Angestellten
bestehende Auskunftszwang rechtfertigt sich mit Rücksicht darauf, dass
solche regelmässig über die Verhältnisse ihres Dienstherrn mehr oder
weniger orientiert sind und daher unter Umständen wichtige Aufklärung
verschaffen können. Ebenso ist das dem Versiegelungsbeamten erteilte
Recht, die Öffnung von Räumlichkeiten und Behältnissen zu verlangen,
und diese, wenn dem Begehren nicht Folge geleistet wird, zu versiegeln,
ein notwendiges Hülksmittel zur Erforschung des wahren Tatbestandes. Ein
körperlicher'Zwang zur Öffnung ist dabei ausgeschlossen.

Unter diesen Umständen kann in § 8 des Dekretes auch keine Verletzung der
Garantie des Hausrechts, auf die sich die Rekurrenten noch rechtzeitig
berufen haben, gesehen werden.

5. Was soeben über die Beschwerde gegen § 8 Abs. 2 ausgeführt worden ist,
gilt in noch höherem Masse gegenüber der Anfechtung der Vorschrift des §
17 über die Auskunftspflicht ; denn bei der Inventarisation handelt es
sich nicht bloss urn eine provisorische Sicherungsmassnahme, sondern um
die endgültige Feststellung des wahren Vermögensbestandes, bei der den
Angaben der mit den Vermögensverhältnissen vertrauten Personen eine viel
grössere Bedeutung zukommt als bei der Siegelung.Gewaltentrennung. X°
S. ?î

Deshalb hat auch der Grosse Rat die Auskunftspilicht für die
Inventaraufnahme über den Kreis der Familienangehörigen und Angestellten
hinaus auf die Erben und gewisse dem Erblasser ferner stehende Dritte
ausgedehnt. Dabei hat er sich hier wie bei der Siegelnng zweifellos
innerhalb des Zweckes gehalten, den Art. 41 des steuergesetzes mit
der Im entarisation erfolgt, und in dieses Hinsicht mit den von ihm
aufgestellten neuen, ergänzenden Rechtssätzen die ihm gesetzten Schranken
nicht überschritten.

Die Beschwerde ist aber auch insoweit nicht begründet, als die Rekurrenten
behaupten, dass der Dritten auferlegte Auskunftszwang mit geltendem
Gesetzesrechte im Widerspruch stehe. Die von ihnen angeführten Art. 219
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 219 Vorgehen der Polizei - 1 Die Polizei stellt nach der Festnahme unverzüglich die Identität der festgenommenen Person fest, informiert diese in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe der Festnahme und klärt sie im Sinne von Artikel 158 über ihre Rechte auf. Danach informiert sie unverzüglich die Staatsanwaltschaft über die Festnahme.
1    Die Polizei stellt nach der Festnahme unverzüglich die Identität der festgenommenen Person fest, informiert diese in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe der Festnahme und klärt sie im Sinne von Artikel 158 über ihre Rechte auf. Danach informiert sie unverzüglich die Staatsanwaltschaft über die Festnahme.
2    Anschliessend befragt sie die festgenommene Person in Anwendung von Artikel 159 zu dem gegen sie bestehenden Verdacht und trifft unverzüglich die geeigneten Abklärungen, um den Tatverdacht und die weiteren Haftgründe zu erhärten oder zu entkräften.
3    Ergeben die Abklärungen, dass Haftgründe nicht oder nicht mehr bestehen, so lässt sie die festgenommene Person sofort frei. Bestätigen die Abklärungen den Tatverdacht und einen Haftgrund, so führt sie die Person unverzüglich der Staatsanwaltschaft zu.
4    Entlassung oder Zuführung erfolgen in jedem Falle spätestens nach 24 Stunden; ging der Festnahme eine Anhaltung voraus, so ist deren Dauer an die Frist anzurechnen.
5    Hat die Polizei eine Person im Sinne von Artikel 217 Absatz 3 vorläufig festgenommen und soll die Person länger als 3 Stunden festgehalten werden, so muss dies von Polizeiangehörigen angeordnet werden, die dazu vom Bund oder vom Kanton ermächtigt sind.

StPO und Art. 246
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 246 Prozessleitende Verfügungen - 1 Das Gericht trifft die notwendigen Verfügungen, damit die Streitsache möglichst am ersten Termin erledigt werden kann.
1    Das Gericht trifft die notwendigen Verfügungen, damit die Streitsache möglichst am ersten Termin erledigt werden kann.
2    Erfordern es die Verhältnisse, so kann das Gericht einen Schriftenwechsel anordnen und Instruktionsverhandlungen durchführen.
ZPO gelten nur für das Strafund Zivilprozessverfahren
und werden durch das Inventarisationsdekret nicht berührt. Es lässt sich
auch nicht sagen, dass für den Steuerprozess, insbesondere das amtliche
Steuerinventar dieselben Grundsätze analog Anwendung finden müssten ;
denn es handelt sich hier um andere Verhältnisse und einen Zweck anderer
Art, die sehr wohl eine Abweichung von den sonst geltenden Regeln über
das Berufsoder Geschäftsgeheimnis rechtfertigen; Zudem wird dieses für das
Inventarisationsverfahren dadurch gewahrt, dass Dritte über Dinge, für die
ein Berufsoder Geschäftsgeheimnis besteht, erst dann Auskunft erteilen
miissen, wenn die Erben als Träger des Anspruchs auf Geheimhaltung sie
von der Pflicht hiezu entbunden haben. Seibst wenn daher auf Grund
des Verwaltungsrechtspsiege-gesetzes die Wahrung des Berufs-. oder
Geschäftsgeheimnisses auch als Grundsatz des Inventarisationsverfahrens
gelten müsste, so wäre doch dieser durch § 17 des Dekretes nicht verletzt.
Übrigens ist das Verwaltungsrcchtspflegegesetz nach Art. 16 nur auf
Verwaltungs streitig keit en anwendbar-, könnte sich also z. B. nicht
wohl auf die Siegelung beziehen-, und sodann wird in der genannten
Gesetzesbestim--

72 Staatsreeht.

mung ausdrücklich die Steuergesetzgebung vorbehalten. Auch der Hinweis
auf Art. 26 des Kantonalbankgesetzes kann die Beschwerde gegen}
17 Abs. 2 des Dekretes nicht stützen. Diese Bestimmung schliesst
die Anwendung des erwähnten Gesetzesartikels nicht allgemein aus. Es
könnte sich allerdings fragen, ob die Kantonalbankbeamten trotz des
Art. 261. c. in einem konkreten Falle verpflichtet werden könnten,
die vom Inventarisationsorgan verlangte Auskunft zu erteilen. Allein
hierüber ist heute nicht zu entscheiden, ganz abgesehen davon, dass auch
die Kantonalbankbeamten nach § 17 des Dekretes ohne Einwilligung der Erben
keine Auskunft geben müssen. Diese Bestimmung könnte auf jeden Fall nicht
gegenüber einer bestimmten Person, die sich gar nicht beschwert hat,
als ungültig erklärt werden. Entgegen der Auffassung der Rekurrenten
bildet endlich auch der Umstand, dass in Art. 41 des Steuergesetzes das
öffentliche und das nach Art. 60 EG z. ZGB errichtete Erbschaftsinventar
dem amtlichen steuerinventar gleichgestellt werden, keinen Grund zur
Aufhebung der durch § ]? des Dekretes eingeführten Anskunftspflicht,
speziell der damit verbundenen Strafandrohung. Ein Auskunftszwang
besteht wohl auch bei der Aufnahme der erwähnten Erbschaftsinventare,
und wenn seine Durchführung nur beim amtlichen Steuerinventar,
dagegen nicht bei den andern beiden durch Strafandrohung gesichert
wird, so'erscheint das deshalb als gerechtfertigt, weil die beiden
vom Zivilrecht vorgesehenen Erbschaftsinventare ausschliesslich den
privaten Interessen der Beteiligten dienen, während beim steuerinventar
das öffentliche Interesse im Vordergrund steht. Es muss dem Gesetzgeber
erlaubt sein, in den Gesetzen je nach den verschiedenen Bedürfnissen
und Zwecken, denen sie dienen, auch auf verschiedene Weise, je nachdem
durch besondere Zwangsmittel, für die Erfüllung gesetzlicher-Pflichten zu
sorgen. Und es liegt auch insofern keine Verletzung der Rechtsgleichheit
vor, als nicht jedeGewaltentrennung. N° 8.

Erbschaft nach Art. 41 des Steuergesetzes amtlich inventarisiert wird
; denn es steht alle n Erben frei, diese Massregel dadurch zu umgehen,
dass sie die Anordnung eines Erbschaftsinventars im Sinne des Zivilrechts
verlangen-

6. Die Beschwerde gegen § 27 des Dekretes erweist sich ebenfalls als
unbegründet. Ohne Zwangsrnassnahm en, wie die dort aufgestellten
Strafandrohungen, lässt sich nicht durchwegs eine genügende und
wahrheitsgetreue Auskunftserteilung erreichen ; man würde es dann mit
der Pflicht hiezu nicht streng nehmen, und das Institut der amtlichen
Siegelnng und Inventarisation könnte damit leicht-illusorisch werden. Das
Verwaltungsstrafrecht hat denn auch einen immer grossem Umfang angenommen,
weil der Staat die Erfahrung machte, dass er zur Durchführung der
Verwaltung auf Strafandrchungen, die die Erfüllung Öffentlichrechtlicher
Pflichten erzwingen sollen, nicht verzichten kann. Die in § 27 des
Dekretes aufgestellten strafbestimmnngen erweisen sich demgemass als
wirksames, notwendiges Mittel zur Erreichung des lnventarisaticnszweckes
und bilden daher eine durchaus zulässige Gesetzesergänzung.

Art. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 1 Geltungsbereich - 1 Dieses Gesetz regelt die Verfolgung und Beurteilung der Straftaten nach Bundesrecht durch die Strafbehörden des Bundes und der Kantone.
1    Dieses Gesetz regelt die Verfolgung und Beurteilung der Straftaten nach Bundesrecht durch die Strafbehörden des Bundes und der Kantone.
2    Die Verfahrensvorschriften anderer Bundesgesetze bleiben vorbehalten.
bern. StPO bezieht sich wohl nicht auf die Handhabung des
Verwaltungsstrafrechtes; selbst wenn dies aber der Fall wäre, so versteht
er doch jedenfalls unter Gesetz nicht das Gesetz im formellen Sinne,
sondern jeden gesetzlich aufgestellten Rechtssatz, also auch diejenigen,
die sich kraft gesetzlicher Delegation in einem Dekrete des Grossen
Rates befinden (vergl. AS 32 I S. 106).

?. Was die besondere Anfechtung der §§ 6 Abs. 3 und 13 Abs. 2 des Dekretes
betrifft, so bezieht sich Art. 61 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
1    Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
2    Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden.
OR nur auf die Verantwortlichkeit
von öffentlichen Beamten oder Angestellten gegenüber Privatpersonen
; die öflentlichrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten gegenüber
dem Gemeinwesen konnte und wollte das Obligationenrecht nicht regeln
(Art. 362
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 362 - 1 Durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag darf von den folgenden Vorschriften nicht zuungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers abgewichen werden:233
1    Durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag darf von den folgenden Vorschriften nicht zuungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers abgewichen werden:233
2    Abreden sowie Bestimmungen von Normalarbeitsverträgen und Gesamtarbeitsverträgen, die von den vorstehend angeführten Vorschriften zuungunsten des Arbeitnehmers abweichen, sind nichtig.
OR). Zudein wollte wohl Art. 61
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
1    Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
2    Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden.
OR nicht 'orschreiben, dass
abweichende Bestimmungen der Kantone über die Verant-

74 Staatsrcch .

wortlichkeit nur durch ein eigentliches Gesetz aufgestellt. werden
dürfen, sondern die Form des Erlasses in dem Sinne den Kantonen
überlassen, dass diese die Aufstellung der in Frage kommenden
Vol-schritten durchverfassungsmässige Kompetenzdelegation auch dem
nicht speziell als Gesetzgeber funktionierenden Staatsorgan übertragen
können. Die bernische Kantonsverfassung enthält jedenfalls keine
ausdrückliche Bestimmung, die für die Ordnung der Verantwortlichkeit der
Beamten ausschliesslich den Weg der formellen Gesetzgebung vorschriebe.

Es kann sich nur fragen, ob die erwähnten Dekretsbestimmungen noch
als zur näheren Ausführung des Art. 41 des Steuergesetzes gehörig
betrachtet werden können. Sie haben allerdings direkt mit dem Verfahren
der sie-gelang und lnventarisation nichts zu tun. Aber darin, dass die
Gemeinde für dieTätigkeit ihrer bei der Siegelung und Inventarisation
amtenden Organe verantwortlich erklärt wird, liegt doch auch ein
deren richtige Amtsführung förderndes Mittel, so dass diese Regelung
nicht als über den Zweck des Steuergesetzes liinausgehend betrachtet
werden kann. Zudem lässt sich die Kompetenz des Grossen Rates zur
Aufnahme der erwähnten Verantwortlichkeitsbestimmung in das Dekret auf
Grund der Gesetzesdelegation um so weniger bezweifeln, als er, wie die
Regierung mit Recht hervorhebt, damit nicht etwa neue, in der bernischen
Gesetzgebung bisher unbekannte Grundsätze aufgestellt, sondern nur das
über die Verantwortlichkeit der Gemeinden allgemein geltende Recht auf die
Siegelung und Inventarisation durch ihre Organe ausdrücklich als anwendbar
erklärt und damit lediglich etwas ausgesprochen hat, was auch sonst
hätte gelten müssen. Die Rekurrenten haben daher auch kein rechtliches
Interesse an der Streichung der in Frage stehenden Dekretsbestimmungen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt : Der Rekurs wird
abgewiesen.Garantie der personlienen Freiheit. Eigentum ,um

VI. GARANTIE DER PERSÖNLICHEN FREIHEIT'GARANTIE DE LA LIBERTÉ INDIVIDUELLE
Siehe Nr. 8. Voir N° 8.

VII. EIGENTUMSGARANT IEGARANTIE DE LA PROPRIÉTÉ

Siehe Nr. 7. Voir N° 7.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 45 I 55
Date : 09. Mai 1919
Published : 31. Dezember 1920
Source : Bundesgericht
Status : 45 I 55
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 54 . Staatsrecht. IV. DEROGATORISCHE KRAFT DES BUNDESRECHTS FORCE DÉROGATOIRE DU


Legislation register
OG: 175
OR: 61  362
StPO: 1  219
ZGB: 580  655  667
ZPO: 246
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inventory • heir • cantonal council • question • hi • municipality • federal court • individual freedom • seal • separation of powers • constitution • testator • duty to give information • 1919 • fiscal inventory • notary • municipal council • sanction • main issue • correctness • mining right • hamlet • authorization • standard • decision • appeal relating to public law • function • legitimation • egg • value • administrative criminal law • witness • cantonal law • meeting • cantonal bank • within • regulation • guideline • cantonal parliament • forfeit • truth • position • private person • knowledge • constitution of the canton • decree • parliament • delegation by law • house search • extent • directive • objection • clarification • sealing • dismissal • protective measures • subsequent filing • execution • secrecy • legislature • nullity • berne • pressure • personal interest • transfer of competence • statement of reasons for the adjudication • form and content • supremacy of federal law • law • obligee • declaration • labeling • cantonal remedies • voters • violation of fundamental rights • dimensions of the building • object • state organization and administration • discretion • personal right • property guarantee • knowledge • damage • measure • medal • tuberculosis • intention • minority • circle • municipal law • evidence • death • term of imprisonment • descendant • doubt • presentation • property
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