IH 6 ' staatsrecht-

sicht gestellt wird, wenn ei das Gutachten nicht inneit drei Tagen
abliefere. Zwar hat der Gerichtspräsident in seiner Vernehmlassung vom 30
April behauptet, er sei auch beim Rekurrenten voistellig geworden. Aber
dass diesem eine Frist angesetzt oder eine Busse angedroht wordenwäre,
geht daraus nicht hervonund die Eingabe der Obergerichtskanzlei lässt
klar erkennen, dass eine solche Massnahme unterlassen werden ist. Für die
Annahme aber, dass ,Hausammann beauftragt gewesen wäre. den Mitexperten
von den an ihn ergangenen Mahnungen in Kenntnis zu setzen und dass er
diesen Auftrag ausgeführt hätte, bieten die Akten keinen Anhaltspunkt.
Aus dem Stillschweigen, das die Rekurskommission gegenüber der Anfrage
des Instruktionsrichters in diesem Punkte beobachtet, ist das Gegenteil
zu folgern.

ist somit die Bestrafung des Rekurrenten unter offensichtlicher
Missachtung einer für das Disziplinen-erfahren gegenüber Sachverständigen
grundlegenden Gesetzesvorschrift erfolgt, so kann der angefochtene
Beschluss vor Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV nicht bestehen. Mit der Aufhebung des Bussurteils
aber fällt auch der darauf beruhende Kostenentscheid dahin.

Demnach erkennt das_Bundrsgericht :

Der Rekurs wird gutgeheissen und der Beschluss der Rekurskommission
des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 5. August 1919 Ziff. 2 und 3,
soweit davon der Rekurrent betroffen wird, aufgehoben.

Handelsund Gewerbeireiheit. N° ln. ' 347

'IL HANDELSUND GEWERÈEFREIHEIT

LIBERTÉ DU COMMERCE ET DE L'INDUSTRIE

49.111911 vom 27. September 1919 . S.!fiagazino zum Globus A..-5.11.1111
mcbeteiZizt'e gegen St. Gallen. Bedeutung und. Tragweite der Garantie
der Handelsund ("xewerbefreiheit. Ist die Einführung besonderer
Gewerbesteuern, insbesondere einer speziellen Besteuerung von

Warenhäusern und Zweigverkaufsgeschäft'en verfassungswidrig 'I , '

A. Am 19. Februar 1919 hat der. Grosse Rat des Kantons St. Gallen
ein Gesetz, über , die Sonderhesteuerung der Warenhäuser und der
Zweigverkaufsgest-hätte erlassen, das infolge Nichthenutzung des
Referendums am ?. April. 1919 in Kraft getreten und im kantonalen
Amtsblatt vom ll. April 1919 veröffentlicht 1o1den ist. Es enthält
folgende, vorliegend in Betracht iallende Bestimmungen.

I. Warenhaussieucz -

A r t. 1. Kleinverkaufsgeschäfbe, welche an einer oder mehreren ständigen
Verkaufsstellen des Kantons ss zusammen einen J ahres-Warenumsatz
(Bruttoeinnahme aus dem gesamten Warenverkauf) von mehr als 200,000
F r. erzielen und zugleich mehr als 8 der in Art. 2 bezeichneten
Warengruppen führen, sind nach den Bestimmungen dieses Gesetzes
als Warenhäuser zu behandeln. Ein Warenhaus hat auf den im Kanton
St. Gallen erzielten Jahresumsatz, soweit er 200, 000 F1. übersteigt,
eine Grundtaxe von 1%, mindestens aber _si 500 Fr. ., zu entrichten. Zur
Grundtaxe tritt eine zuschlagstaxe von 10% von dieser Taxe für, jede

If

348 Staatsrecht.

Warengruppe über die Anzahl von 8 hinaus. Die Zuschlagstaxe darf jedoch
die Grundtaxe nicht über steigen. , .

A r t. 2. Als massg'ebende Warengruppen fallen in Betracht : ... (folgt
eine Aufzählung von 24 Gruppen : ) I bis XXIV).

I I . Zweiggeschäjtssteuer.

ART. 4. Kleinverkaufsgeschäfte, welche in oder ausser dem Kanton neben
dem Hauptgeschäft mehrere Zweiggeschäkte mit einem Gesamtjahresumsatz
von über 100,000 Fr. führen, haben auf dem Warenumsatz der im Kanton
St. Gallen gelegenen Zweigverkaui'sstellen eine Sondersteuer von 1%
zu entrichten. Für die Berech-

nung der Steuer ist der Umsatz des jeweils abgelaufenen Geschäftsjahres
massgebend. Warenhäuser, die zugleich Zweiggeschäkte sind, haben die
Zweigge schäftssteuer nicht zu leisten ; dagegen wird die Waren haussteuer
vom Gesamtumsatz erhoben.

III. Gemeinsame Bestimmungen.

ART. 10. Die auf Gegenseitigkeit beruhenden Unternehmungen
(Konsumvereine, landwirtschaftiiche Vereine u. dergl-) werden von diesem
Gesetze nicht betroffen. -·

Der regierungsrätlichen Botschaft zum Entwurf dieses Gesetzes und der
Gesetzesberatung im Grossen Rate ist zu entnehmen, dass die Vorlage auf
die Forderungen der sogenannten Kleinhandelsgeschäfte, die sich zu einem
Detaillis'tenverband zusammengeschlossen haben, zurückgeht.

Aus der Botschaft sind folgende Stellen hervorzuheben : Die Besteuerung
der Warenhäuser ist in Doktrin und Praxis eine vielumstrittene Frage ;
sie hat ihre eifrigen Befürworter und Gegner. In Frankreich durch Gesetz
vom 2. 17. März 1791 als Mietwertsteuer eingeführt und nach kurzer
Unterbrechung während der Revolu tionszeit durch Gesetz vom IV. Themiidor
des Jahres III der Revolutionszeitrechnung und dann wieder durch

Haudelsund Gewerbefreiheit. .'° {Si. 343:

Gesetz vom 25. April 1844 als so n derbesteueru ng der Magasins de
plusieurs espèces de marchandises wieder bestätigt, machte sie ihren
Weg auch durch andere europäische Staaten, jedoch mit wechselndem
Erfolg. In England und Frankreich fasste sie keinen Boden; dagegen
wurde sie gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in einigen Staaten
Deutschlands, so in Bayern, Preussen, Württemberg (in letzterem
Staate spöttisch Zwölf-Häuser-Gesetz genannt), eingeführt und zwar
als U m s a t z s t e u e r ; in Hamburg, Anhalt und Braunschweig
wurden bezügliche Gesetzesentwiirfe von den gesetzgebenden Behörden
abgelehnt und nicht wieder eingebracht. In der Schweiz hatten die
Bestre bungen zur Einführung der Besteuerung der Waren häuser bis. heute
keinen Erfolg. Im Kanton Zürich wurde der Verhandlungsgegenstand im
Kantonsrate anhängig gemacht, dann aber im Jahre 1913 durch Botschaft
und motivierten Antrag des Regierungsrates wieder ab der Liste der
Verhandlungsgegenstände genommen, im wesentlichen mit der Begründung,
dass die Besteuerung der Warenhäuser nicht als ein Bedürfnis empfunden
werde, da die Grossbazare im wirtschaft lichen Gesellschaftskörper sogar
eine nicht zu unter'schätzende Funktion ausübten, indem sie namentlich
dem kleinen Manne, überhaupt den sogenannten untern Volksschichten
mit geringem wirtschaftlichem Vermö gen, Waren und Bedarfsartikel
zu billigem Preise anb'öten, deren Anschaffung in besserer Qualität
und _ in höherer Preislage diesem sonst nicht möglich Wäre. Aus dem
Streite über den volkswirtschaftlichen und sozialen Wert oder Unwert
der Varenbazare und über die rechtliche Zulässigkeit der Bazarsteuer
als einer S p e z i a l s t e u e r , scheint immerhin auf Grund der
selbstgemachten Erfahrungen soviel hervorzu. gehen, dass die sogenannten
Warenhäuser, Versand geschäfte, Zentralgeschäite usw,. und andere Gross
unternehmungen-in Handel und Gewerbe dazu führen

350 sisi staatsrecht-

können, die ,mittleren und kleinen Betriebe empfindlich zu schädigen
und deren Existenzmöglichkeit zu be · drohen. Von, diesem Gesichtspunkte
aus und im Sinne . einer mässigen Forderung der Mittelstandspolitik
und gleichzeitig inBerücksichtigung eines seit Jahren und , Jahren
immer wiederkehrenden und in Versammlungen, in der Presse, in Fachund
Zeitschriften und in unab. lässigen Eingaben des Detaillistenverbandes
an die ' Behörden mit Nachdruck vertretenenPostulates, sahen wir
uns veranlasst, die Frage der Sonderbesteuerung der Gressbazare einer
nähern Prüfung zu unterziehen ; das Resultat dieses Untersuches ist der
vorliegende Gesi setzesentwurf... Der Grundcharakter der Warenhäuser -.
besteht in ihrer Kapital-Konzentration, in ihrem Gross betriebe, in der
gleichzeitigen Führung einer ganzen Reihe verschiedener, innerlich nicht
verwandter Waren gruppen und in einer eigenartigen Geschäftsführung,
die ihnen gegenüber den Kleinhetrieben namhafte lukra tive Vorteile
bringt... Die Spezialgeschäfte beschweren sich, dass sie durch diese
Warenhäuser und die von ihnen befolgte Geschäftspraxis in ihrer Existenz
bedroht und dem finanziellen Ruin entgegengeführt werden;

mit Rücksicht auf die U-ngle'ichartigkeit

der finanziellen Kräfte und bei der Soliditäi ihrer Geschäitsart
können sie den Wettbewerb mit den Grossbazaren auf die Dauer nicht
mehr aushalten... Es handelt sich im Kamfife zwischen Grossbazar
und Spezialgeschäft um das Gedeihen eines ganzen Standes, . um die
Selbständigkeit zahlreicher Existenzen und

' mit Rücksicht auf die Solidarität aller Erwerbsund

Volksklassen und die A l l g e m ei 11 h e i t selbst... Der Staat hat
ein Interesse daran, zwischen den vielen Erwerbsklassen, die auf seinem
Gebiete den. Waren verkehr pflegen und darin ihre Existenz suchen, ein ge
wisses· Gleichgewicht der Kräfte und der Existenzmöglichkeit herzustellen
und der Erdrückung und Verödung einzelner Wirtschaftsgruppen durch

Handelsund Gewerbefreiheit. N° 49. 351

Ueberwucherung der andern einen Halt entgegenzusetzen; hierin liegt die
Begründung u nd der Kernpunkt der Vorlage; es ist freilich möglich,
dass die Einführung der Warenhaus steuer den Zweck kaum voll und ganz
erreichen wird ; allein mangels anderer Mittel zur Herstellung des
relativen wirtschaftlichen Ausgleiches der Handels-und
Gewerbetreibenden erscheint die Bazarsteuer wenigstens als
ein Notbehelf und Anfang zur H e i l u n g; von diesem Gesichtspunkte
aus ist die N o t w e n d i g k e i t der Gesetzesnovelle gegeben...
n Ausser der Sonderhesteuerung der eigentlichen Waren . häuser ist
auch eine Zweiggeschäftssteuer vorgesehen... , Es handelt sich hier um
gewerbliche Unternehmungen, weiche durch Errichtung einer Mehrzahl von
Zweig verkaufsstellen ihrem Geschäftsbetriebe eine ausser'rordentliche
Ausdehnung geben, die zu einer empfind. liehen Schädigung und Bedrohung
der Existenzmöglich keit der mittleren und kleinen Betriebe führen
kann... .. Die Besteuerung der Warenhäuser verfolgt einen sozi
alpolitischen Zweck, die Unterstützung des Kleingewerbes und des
bedrohten Mittelstandes-, um sie vor Ruin und Verfall zu schützen. Die
Steuer soll aber keine Erdrückungsund keine Erdresselungs Steuer ':
gegen die Warenhäuser sein ; diesen Zweck verfolgt sie nicht. Nicht
die Stärkung des Schwachen durch Druck auf den Starken ist ihr Ziel,
sondern nur die Ausschal tung der Alleinherrschaft des Grosskapitals
und die .. Beschneidung des wirtschaftlichen und sozialen Schädlings
der Mittelund Kleinbetriehe. Sie bezweckt die V e rl a n g s a m u n g
der ungesund gewordenen Ent wicklung der Grossbetriebe und dadurch die
Schaffung sss eines gewissen A u s gl e i c h e s zwischen allen Wirt
schaftsgruppen und Volksteilen; das ist Aufgabe des :Gesetzes

Im Grossen Rate, dessen Verhandlungen in stenographischer Aufnahme
vorliegen, wurde der Entwurf,

A8 45 l MIS) 24

352 ' staatsrecht-

ausser mit dem sozialpolitischen Zweck des Schutzes der
Kleinhandelsgeschäfte, auch mit steuerpolitischen Erwägungen, der
Notwendigkeit, neue Steuerquellen zu erschliessen, begründet. Der
Vertreter des Regierungsrates führte unter anderem aus : Was wollen
wir mit diesem Gesetze '? Wir wollen den Schutz des Mittel standes;
wir wollen den Schutz der vielen und vielen kleineren, nicht bloss
der kleinsten Geschäfte, gegen über jenen gewaltigen Unternehmungen,
die in der Lage sind, die andern Miterwerbenden zu Boden zu drücken.
Der Staat hat den Zweck, im wirtschaftlichen Leben ausgleichend zu
wirken und allen seinen Bürgern die Existenz zu sichern, speziell
auch da, wo Ueberwucherung und eigenmächtige Uebergrikfe stattfinden ;
da, wo der Kleine auch nicht mehr im Schatten des Grossen ge deihen
kann, wo er noch weiter heruntergedrückt werden soll, muss der Staat
mit seiner schützenden Hand einsetzen und dem Kleinen gegenüber der
Uebermacht des Grossen unterstützend beistehen. Unsere Vorlage ist
daher-sozialpolitischer Natur; ihr Zweck liegt bei nahe einzig auf diesem
Gebiete... Die Vorlage hat zweitens allerdings auch noch eine nicht
ganz bedeu tungslose kiskalische Nebenseite... Die Frage ist nur die:
Ist diese fiskalische Seite ihrerwuchernd, ist sie hauptsächlich und
hat sie einen prohibitiven Charakter oder nicht?... Davon ist 'keine
Rede... Die Vorlage wurde namentlich von Vertretern des Mittelstandes
unterstützt, deren einer, Schirmer, sich unter anderem dahin äusserte: Die
Warenhäuser existieren, weil sie eine über das normale Mass hinausgehende
Anreizung der Kauflust des Publikums bedeuten... ' Auch die Reklame,
die Lockartikel, das ganze Geschäftsgebahren dieser Warenhäuser, alles
ist darauf zugeschnitten, das Publikum anzulocken. Man muss sich deshalb
durchaus keine Gewissensbisse machen, diese Waren häuser besonders zur
Deckung der Finanzlasten des staa tes herauszuziehen... Ich bin mir
bewusst, dass wegen Handelsund Gewerbefreiheit. N° 49. ; 353

dieser steuer weder die Warenhäuser zurückgehen sie werden weiter
bestehen! noch der Detailhandel einen wesentlichen Nutzen daraus
ziehen wird ; der Detailhandelmuss sich mehr oder weniger selbst
helfen.. . Bekämpft wurde die Vorlage einerseits mit der Begrün-dung, dass
der angestrebte Schutz den Detaillisten nicht nötig sei, und anderseits
vom lnteressenstandpunkte der Konsumenten aus besonders von Vertretern
derArheiterschaft , weil die Warenhäuser eine Art Preisregulator bildeten,
weil sie gewisse Bedarfsgegenstände bequemer erhältlich machten und
weil überdies die vorgeschlagene Steuer doch wesentlich wieder auf
die Konsumenten abgewälzt würde. Auch wurde die Verfassungsmässigkeit
der Steuer bezweifelt und namentlich der Grundsatz ihrer Erhebung vom
Umsatz beanstandet.

B. Gegen den Gesetzeserlass hat Advokat Dr. Lehmann in St. Gallen mit
Eingaben vom 19. April 1919 einerseits für die Firmen Magazine zum Globus
A.-G. , Julius Brann & Cie und May & Cie in st. Gallen, als Warenhäuser,
und anderseits für die Firma Binder & Richi, Installationsgeschäft,
und 16 Mitbeteiligte, als steuerpflichtige Inhaber von Zweiggeschäkten
mit Hauptsitz teils im Kanton St. Gallen, teils in andern Kantonen,
rechtzeitig beim Bundesgericht staatsrechtlichen Rekurs erhoben und
folgende Anträge gestellt :

a) für die Warenhäuser:

Das angefochtene Gesetz, insbesondere dessen Art. 1, sei aufzuheben ;
eventuell sei die Grundtaxe gemäss Art. 1 Abs. 2 auf höchstens 1/2
% anzusetzen und die Zuschlagstaxe gemäss Art. 1 Abs. 3 aufzuheben,
eventuell auf die Hälfte zu reduzieren und nur von den Warengruppen über
die Zahl 12 hinaus zu erheben.

b) für die Inhaber von Zweiggeschäften:

Das angefochtene Gesetz, insbesondere dessen Art. 4, sei aufzuheben ;
eventuell sei der Steueransatz auf höch-

stens 1/2 % anzusetzen. Die beiden Rekurse sind wesentlich wie folgt
begründet:

354 Staatsrecht.

Das angefochtene Gesetz verletze die in Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV und Art. 27
st. gall. KV gewährleistete Handelsund Gewerbefreiheit; es bedeute eine
unzulässige Erschwerung eines an und für sich erlaubten gewerblichen
Aktes, des Warenhausbetriehes. Die Kantonsveriassung sehe allerdings
gesetzliche Massnahmen vor, um einem unreellen und gemeinschädlichen
Geschäftsverkehre wirksam zu begegnen. Ein Beweis dafür, dass der
Warenhausbetrieb, speziell im Kanton St.Gallen, ein unreeller sei, sei
jedoch nicht erbracht. Um einem allfälligen unreellen Geschäftsbetriebe
vorzubeugen, habe der Kanton St. Gallen übrigens das Gesetz über
den Marktverkehr und das Hansieren vom 17. Mai 1887 mit Nachtrag vom
23. November 1894. Und dass der Warenhausbetrieb kein gemeinschädlicher
sei,_sondern im Gegenteil, und zwar heute mehr als je, der grossen
Masse des Volkes Wirtschaftliche Vorteile sichere, sei unbestreithar
und insbesondere von den Behörden des Kantons Zürich seinerzeit unver-

hohlen zugegeben worden. Das Gesetz wolle einfach den"

N o r m a lbetrieh der Warenhäuser treffen. Dieser sei aber aus allgemein
rechtlichen oder polizeilichen Gründen nicht zu beanstanden und dürfe
deshalb auch nicht auf dem Umwege einer Sondersteuer beeinträchtigt
werden. Die veriassungswidrige Tendenz des Gesetzes, die freie
Konkurrenz auf dem'Gebiete des Kleinverkaufs von Waren zugunsten der
sog. Detaillisten einzuschränken, liege offen zutage. Zudem Seien
die dann vorgesehenen Steuern so geartet und bemessen, dass sie
(wie näher darzulegen versucht wird) die Erzielung eines billigen
Ge-schäftserträgnisses verunmöglichen, also prohibitiv wirken Würden .....

Ferner verletze das angefochtene Gesetz auch den Grundsatz der Gleichheit
vor dem Gesetz nach Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. Die Warenhäuser, die Kleinverkaufsgeschäfte
mit Zweiggeschäften und die sog. Detaillisten gehörten der gleichen
Berufsgruppe, dem Betrieb des Kleinverkaufs von Ware in Ladenlokalen,
an. Dass die Warenhäuser regelmässigr

'Handelsund Gewerbefreiheit. N° 49. 35.3

mehrere Warengruppen führten, die Detaillisten nicht immer, und dass
die Unternehmungen mit Zweiggeschüften im Gegensatz zu den Detaillisten
ihren Betrieb auf mehrere Verkaufsstellen verteilt hätten, bcrühre das
Wesen des Gewerbes nicht und dürfe daher nicht als Kriterium für eine
grundsätzlich verschiedene Besteuerung verwendet werden, abgesehen
davon, dass speziell die Voraussetzungen der Zweiggeschäftsstener im
Gesetze durchaus unklar geregelt seien. Wenn es richtig sei, dass die
Betriebsformen der Warenhäuser und Unternehmungen mit Zweiggesehäften
einen höheren Geschäftsertrag sicherten, so werde dieser schon durch die
n o r m al e n Steuern, insbesondere durch die intensive Progression
des st. gallischen Steuerrechts, genüglich erfasst. Eine offenkundige
Rechtsungleichheit schaffe. das Gesetz , speziell noch durch die
Bestimmung des Art. 10, wonach die auf Gegenseitigkeit beruhenden
Unternehmungen, mögen sie auch Warenhäuser oder Zweiggeschäfte betreiben,
von der sonderbesteuerung ausgenommen seien. Diese Ausnahme sei nur
gemacht worden, um der Gesetzesvorlage die Gegnerschaft der Mitglieder der
Konsumvereine und ähnlicher Genossenschaften (wie der christlich-sozialen
Concordia mit Hauptsitz in Zürich und zahlreichen Filialen im Kanton St,
Gallen) zu ersparen, da sie sonst sicherlich Schiti'hrnch gelitten hätte.

C. Als verfassungsniässiger Vertreter des Kantons hat der Regierungsrat
von St. Gallen Abweisung der beiden Rekurse beantragt.. Er verweist
auf die in seiner Botschaft und in der grossrätlichen Beratung
entwickelten Gründe sozialpolitischer und steuer-politischer Natur für
den Gesetzeserlass, und führt gegenüber den rechtlichen Argumenten der
Rekurrenten wesentlich aus: Bei der Auslegung des Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV, der die
Besteuerung des Gewerbebetriebes unter Wahrung allerdings des Grundsatzes
der Handelsund Gewerbefreiheit in litt. e ausdrücklich vorbehalte,
sei zu beachten, dass die Steuergesetzgebung

356 Staatsrecht

der Kantone {wie übrigens auch des Bundes) jetzt ganz andere Wege
einschlagen müsse, als in früheren Zeiten. Die Bedürfnisse der
steuerherechtigten Gemeinwesen hätten sich gewaltig gesteigert und
nötigten immer mehr. nach neuen Steuereinnahmen zu suchen. Hieran dürfe
die Gesetzgebung der Kantone nicht durch eine falsche oder auch nur
engherzige Auslegung des Verfassungsrechts gehindert werden. Uebrigens
habe das Bundesgericht den Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV bisher nicht engherzig ausgelegt,
sondern erklärt, dass eine Steuer nur dann gegen den Grundsatz der
Handelsund Gewerbefreiheit verstosse, wenn sie so hoch bemessen sei,
dass ihre Erhebung jede Rentabilität und damit die Wirtschaftliche
Existenzmöglichkeit des betreffenden Unternehmens ausschliesse (AS 39
I S. 564,i. S. Meier gegen Aargau), oder dass durch die Steuer für das
betreffende Gewerbe die Realisierung eines angemessenen Geschäftsgewinnes
allgemein verunmöglicbt und so dessen Ausübung in Frage gestellt oder
zum mindesten wesentlich erschwert Würde (AS 43 I S. 257, i. S. Karg
gegen Luzern). Es sei aber keine Rede davon, dass das angefochtene
Gesetz oder einzelne Artikel desselben diesen Auslegungsgruudsätzen
Widersprz'ichen ; denn die fraglichen Umsatzsteuern hätten an sich
und in den festgesetzten Beträgen die vom Bundesgericht umschriebene
Wirkung offenbar nicht. Der Art. 27 sl. gall. KV sodann garantiere die
Freiheit von Handel und Gewerbe nur im Umfange der Bundesverfassung.
Endlich sei auch Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV nicht verletzt. Die Gleichheit vor dem
Gesetze sei von jeher nur in dem relativen Sinne verstanden werden,
dass sie mit Erfolg bloss angerufen werden könne im Falle ungleicher
Behandlung bei vollständig gleichen tatsächlichen Verhältnissen. Ein
solcher Fall liege jedoch hier nicht vor; denn die Gründe, aus denen die
Warenhäuser und die Zweigverkaufsgeschäfte der besonderen Besteuerung
unterstellt worden seien, trafen bei den einfachen Detailgeschäften eben
nicht zu. Warenhäuser und Z'weigverkaufsgeschäfte stelltenHandelsund
Gewerbcfreiheit. .'° 433. ::...--

aussergewöhnlich kapitalkräftige, stark frequentierte und daher
besonders rentable Unternehmungen dar, die wegen ihrer aussergewöhnlichen
Ausdehnung, sei es zufolge vieler, zweckmässig mit einander verbundener
Verkaufslokalitäten eines einheitlichen Baues, sei es zufolge einer mehr
oder weniger grossen Zahl von örtlich getrennten, aber für Rechnung
eines Gesamtunternehmens arbeitenden Verkaufsstellen, den einfachen
Detaillistenbetrieben, die früher und auch heute noch die Regel bildeten,
in hohem Grade gefährlich seien. Speziell auch durch Art. 10 des Gesetzes
werde keine Ungleichheit geschaffen, weil ja die Sonderbesteuerung sich
nur gegen ausgesprochene Spekulationsbetriebe und aussergewöhnliche
Betriebsformen richte, Während die dort ausgenommenen Geschäftsbetriebe
in gewissem Sinne einen gemeinnützigen Charakter hätten und auch gewissen
Berufsständen wesentlich dienten. Die Garantie der Rechtsgleichheit
schätze nur vor willkürlich ausnahmsweiser Behandlung; um einen Akt
willkürlicher Ausnahmegesetzgebung aber handle es sich hier keineswegs.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

L Der Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV, neben dem der darauf Bezug nehmende Art. 27 st. gall. KV
keine selbständige Bedeutung hat (vergl. AS 38 I S. 71 f.), steht mit
seiner Gewährleistung der Freiheit des Handels und der Gewerbe auf dem
Boden des wirtschaftlichen Systems der freien Konkurrenz. Von dem Gedanken
getragen, dass grundsätzlich die freie Entfaltung der individuellen
Wirtschaftlichen Kräfte und der sich daraus ergebende Wettbewerb aus
dem Gesichtspunkte der allgemeinen Volkswohlfahrt die zweckmässigste
Ordnung des Wirtschaftslehens darstellt, gewährt er dem Einzelnen als
persönliches Freiheitsrecht die Befugnis, seine persönlichen Fähigkeiten
und materiellen Mittel auf dem wirtschaftlichen Gebiete ungehindert zur
Geltung zu bringen, soweit diese Betätigung nicht gegen die höheren Inte-

358 Staatsrecht.

ressen der Volksgemeinschaft verstösst. Eine staatliche Regelung
des Handelsund Gewerbebetriebes darf daher nur zur Wahrung dieser
Allgemeininteressen, des öffentlichen Wohles, erfolgen, sei es,
dass die freie Konkurrenz selbst gegenüber sie gefährdenden privaten
Monopolisierungsbestrebungen (im Gegensatz zu den im öffentlichen
Interesse eingeführten staatlichen Monopolen) gesichert, sei es,
dass gemeinschädlichen Missbräuchen der wirtschaftlichen Freiheit
entgegengetreten werden muss. Niemals aber darf das freie Spiel des
individuellen Wettbewerbs, soweit dieser seiner Art nach aus öffent-lichen
Interessen nicht zu beanstanden ist, durch staatliche Massnahmen
gestört werden. Was speziell die B e s t e u e r u n g von Handel und
Gewerbe betrifft, sind, wie die Praxis schon längst festgestellt hat,
gemäss Art. 31 litt. EUR auch Sondersteuern, die nur den Handelund
Gewerbetreibenden als solchen auferlegt werden, zulässig, sofern sie nicht
nach der Art ihrer internen Verlegung in das freie Spiel des Wettbewerbs
aus andern Gründen, als solchen des Gemeinwohls und der öffentlichen
Ordnung, insbesondere der Gewerbepolizei, eingreifen und überdies nicht
durch ihre Höhe den damit belasteten Handelsund Gewerbebetrieb praktisch
überhaupt verunmöglichen, also in diesem Sinne prohibitiv ss wirken
würden. Grundsätzlich verfassungswidrig sind somit Steuern, die unter k
o n k u r r i e r e n d e n Handelsund Gewerbetreibenden U n g l e i c
h h e i t e n schaffen, durch die das System der freien Konkurrenz ohne
rechtmässigen Grund berührt wird; denn solche Steuern beeinträchtigen,
entgegen dem Vorbehalt in Art. 31 litt. c, den G r u n d s a t 2 der
Handelsund Gewerbefreiheit in seiner erörterten Bedeutung.

2. Die hier in Frage stehende st. gallische Sonderbesteuerung der
Warenhäuser und Zweiggeschäl'te

betrifft gewisse Erscheinungsformen der Warenabgabe' für den Konsum, des
sog. Kleinverkaufs, die sich inHandelsund Gewerbefreiheit. N° .... :::...

neuerer Zeit aus der Zusammenfassung der wirtschaftlichen Kräfte in
finanzieller und technischer Hinsicht herausgebildet haben. Als Kriterium
der Steuerpflicht werden behandelt : einerseits der Kleinverkauf von
Waren, die mehr als 8 von den im Gesetze unterschiedenen 24 Warengruppen
angehören, bei einem Jahresumsatz, im Sinne der Bruttoeinnahme aus
diesem gesamten Warenverkauf, von mehr als 200,000 Fr. ( Warenhaussteuer
), und anderseits der Kleinverkauf von beliebigen Waren durch eine
Unternehmung, die neben einem Hauptgeschäit mehrere Zweiggeschäfte hat,
bei einem Gesamtjahresumsatz von über 100,000 Fr. ( Zweiggeschäftssteuer
). Dieser Steuererlass verfolgt, wie aus der Botschaft des Regierungsrates
zum Gesetzesentwurf und aus den Verhandlungen des Grossen Rates über
die Vorlage hervorgeht, neben dem mehr beiläufig nur'erwähnten f is
k 3 li s c h e n Zweck der Erschliessung neuer Steuerquellen für die
heutigen Geldbedürfnisse des Staates, in erster Linie den w i r t s c
h a f ts und s o z i a l p o l i t i s c h e n Zweck des Schutzes der
nicht unter die gesetzliche Umschreibung der Steuerpflicht fallenden
gewöhnlichen Kleinverkäufer, der sogenannten Detaillisten oder Inhaber von
Spezialgeschäften, vor der Konkurrenz der steuerpflichtigen sogenannten
Grossunternehmungen. Es handelt sich also zugestandenerm'assen
darum, die freie Entfaltung der wirtschaftlichen Kräfte dieser
Grossunternehmungen zum Vorteil der kleineren oder wenigstens einfacher
organisierten Unternehmungen des gleichen Handelszweiges, nämlich des
Warenkleinverkaufs, durch eine finanzielle sonder-beisstung zu hemmen,
d. h. um einen offenkundigen und zielbewussten Eingriff _in das freie
Spiel des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Dabei

stützt sich diese Besteuerung nicht etwa darauf, dass die

Erscheinungsformen des Geschäftsbetriebes der Warenhäuser und
Zweiggesehäfte an sich den Allgemeininteressen der Bevölkerung
widersprächen; gegenteils

360 staatsrecht-

ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, dass diese
bequeme Art des Warenangebotes im Interesse weiter Kreise der Konsumenten
liegt. Jene Grossunternehmungen des Kleinverkaufes werden vielmehr
ausschliesslich im besondern Interesse der gewöhnlichen Kleinverkäuier,
zum Zwecke der Herabsetzung ihrer Konkurrenzfähigkeit diesen gegenüber,
mit den fraglichen Sondersteuern belastet. Die Zulässigkeit dieser
Massnahme vor Art. 31 litt
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
. e BV könnte naeh der vorstehenden allgemeinen
Erwägung nur in Frage kommen, falls anzunehmen wäre, dass wirklich,
wie der Regierungsrat mit den interessierten Kleinverkäufern behauptet,
der Stand dieser letztem durch die sehrankenlose, wenn auch an sich
rechtmässige Konkurrenz der Grossunternehmungen zugrunde gerichtet würde
und hieraus indirekt nachteilige Folgen für das gesamte Wirtschaftsleben
entstanden. Diese Behauptung steht aber völlig beweislos da. Insbesondere
liegt keinerlei statistisches Material vor, aus dem auf den Rückgang
der gewöhnlichen Kleinverkauisgeschafte zufolge des Aufkommens der
bekämpften Grossunternehmungen geschlossen werden könnte. Vielmehr
ist in einer von den Rekurrenten heigebrachten Eingabe, welche
die Grands Magasins Jelmoli S. A. in Zürich im Mai 1914 gegen das
damalige Projekt einer zürcherischen Warenhaussteuer an den Kantonsrat
ge-richtet hat, statistisch dargelegt, dass in den Jahren 1895 bis
{913 die Kleinverkaufsgesehälte in Zürich (das für Grossunternehmungen
wohl eher' günstigere Verhältnisse aufweisen dürf te, als St. Gallen)
im'Konkurrenzkampk mit den Warenhäusern nicht zurückgegangen sind, sondern
im ganzen und in der Mehrzahl der Branchen mit der Bevölkerungszunahme
mindestens Schritt gehalten haben. Die gleiche, noch allgemeiner gehaltene

Feststellung findet sich auch im Bericht des zürehe '

rischen Regierungsrates an den Kantonsrat über die Besteuerung
der Warenhäuser vom 15. Juli 1914 (S. 3, 4 und 6).Handelsund
Gewerbefrciheil. N° iii. Bm

Uebrigens wird die Zweckmässigkeit und Wirksamkeit einer solchen
Steuer durch die anderweitige praktische Erfahrung widerlegt
(vergl. aus der einschlägigen Literatur z. B. B. FUISTING, Grundzüge der
Steuerlehre, S. 340 ; MAX V. HECKEL, Das Problem der Warenhäuser und der
Warenhaussteuer [Bd. VIII, Heft 3 des Jaln'buchs der . Gehe-Stiftung in
Dresden], S. 43 if. ; Jon. STEINDAMM, Die Besteuerung der Warenhäuser
[Heft XXI der von Dr. E. Ehering veröffentlichten Rechtsund
staatwirtschaftlichen Studien ], S. 7 fl'. ; TH. VON EHEBERG,
Finanzwissensehaft, 12. Aufl., S. 261 ; EMIL LEICHT, Die Warenhäuser,
in der von Reichesberg heraus-

si gegebenen Halbinonatsschrikt Schweizerische Blätter

für Wirtschaftsund Sozialpolitik, 1915, I S. 245). So hat denn auch
in den Verhandlungen des st. gallischen Kantonsrates der Vertreter der
Detaillisten, Schirmer, selber erklärt, der Detailhandel werde aus den
vorgeschlagenen Steuern keinen wesentlichen Nutzen ziehen. Erweisen sich
demnach die streitigen Steuern als vor Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV grundsätzlich unhaltbar,
so ist das angefochtene Gesetz schon aus diesem Grunde aufzuheben und
braucht deshalb auf eine Erörterung der weitem Rekursstandpunkte nicht
mehr eingetreten zu werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

In Gutheissung der Rekurse wird das vom Grossen Rat des Kantons St. Gallen
am 19. Februar 1919 erlassene Gesetz über die Sonderbesteuerung der
Warenhäuser und der Zweigverkaufsgeschäfte aufgehoben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 45 I 347
Date : 05. August 1919
Published : 31. Dezember 1920
Source : Bundesgericht
Status : 45 I 347
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : IH 6 ' staatsrecht- sicht gestellt wird, wenn ei das Gutachten nicht inneit drei


Legislation register
BV: 4  31
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