60 Obligationenrecht. N° 12.

diesem Falle wird dem Dienstnehmer sein Einblick inden Kundenkreis
nichts nützen, denn dieser Kenntnis an sich wird er noch nicht die
Mittel entnehmen können, um die Verbindung zwischen Prinzipal und
Kundschaft aufzulösen oder zu lockern. Der berühmte Arzt kann daher
seinem Assistenten, der bekannte Rechtsanwalt seinem Substituten, kein
Konkurrenzverbot auferlegen. Aehnlich liegen, von diesem Gesichtspunkt
aus, die Verhältnisse im vorliegenden Fall. Wer sich einen FeCht-,
Tanz-oder Turnlehrer aussucht, wird in erster Linie auf die persönlichen
Fähigkeiten und Leistungen desselben abstellen. Danach kann aber auch
ein Angestellter einer Anstalt nach Art der klägerischen ihr nicht schon
vermöge seines Einblickes in den Kundenkreis in einem nachfolgenden
Konkurrenzkampf Schaden zufügen. Dagegen ist das eventuell möglich
vermöge seiner eigenen Leistungsfähigkeit. Allein dann ist eben nicht
sein Einblick, wenigstens nicht in erheblichem Masse, für den Schaden
der Dientsgeberin kausal, sondern kausal sind dann seine persönlichen
Eigenschaften. Die Werbekraft dieser Eigenschaften aber, darf nach
Art. 356 Abs. 2 nicht unterbunden werden. --

Hiegegen hat sich die Klägerin zu Unrecht auf AS 41 I] S. 114
Erw. 5Iheruken. Jenem Urteil lagen ganz andere tatsächliche Verhältnisse
zu Grunde. Der in demselben in Frage stehende Bierdepothalter hat
zweifelsohne seiner ehemaligen Arbeitgeberin gerade durch seinen Einblick
in ihren Kundenkreis Schaden zufügen können. Denn da, wo es sich handelt
um die Lieferung von Waren, die ein Dritter in gleicher oder ähnlicher
Qualität liefern kann, ist naturgemäss der Zusammenhang zwischen Lieferant
und Kundsame ein sehr viel lockerer.

Auf die weiteren Einwendungen, die der Beklagte gegenüber seiner
Verpflichtung aus der Konventionalstrafklausel erhoben hat, ist, da das
Konkurrenzverbot als ungültig erklärt wird, nicht mehr einzutreten.

5. Hinsichtlich der Widerklage ist darauf zu ver-

, 0bligationenrecht, N° 13. 61

weisen, dass ihr Streitwert den für die Berufung an das Bundesgericht
erforderlichen Minimalbetrag nicht erreicht. Nach Art. 60 Abs. 3 könnte
daher nur dann auf sie eingetreten Werden, wenn Hauptklageanspruch
und Widerklageanspruch sich ausschliessen Würden. Das ist nicht
der Fall. Die Klägerin hat denn auch ihren Antrag auf Abweisung der
Widerklage unabhängig von der; Hauptklage darauf gestützt, dass ihr
aus einem Darlehen an den Beklagten noch ein gewisser Betrag zukomme,
den sie mit seiner Salärforderung verrechne. AS 38 II S. 746 f. Erw. 2.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Auf die Berufung wird, soweit sie sich auf die Widerklage bezieht,
nicht eingetreten. Im übrigen wird sie abgewiesen und das Urteil des
Appellationshofes des Kantons Bern vom 28. September 1917 bestätigt.

13. Urteil der I. Zivfla'bteilung vom 9. März 1918 i. S. Schweizerische
Volksbank gegen Gygax und Heumann.

B ü r g s c h a f t : Die Beifügung einer die Bürgenverpflichtung
beschränkenden Bedingung ist formlos zulässig.NachArt.177 ZGB gültige
Rückverbürgung als Bedingung der Gültigkeit der Bürgschaft.

A. Mit Urteil vom 4. Oktober 1917 hat das Kantonsgericht des Kantons
St. Gallen erkannt:

Die Klagebegehren 1 und 4 sind geschützt, womit die Begehren 2 und 3
gegenstandslos werden.

B. Hiegegen ergriff die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht mit
dem Antrag auf Abweisung der Klage. _ ss

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Wirt Oskar Mühleisen wollte Ende 1914

bei der Beklagten der Schweiz. Volksbank ein Darlehen

62 Ohligatiouenrecht. N ° 13.

von 5000 Fr. aufnehmen und bot als Bürgen hiefür die heutigen
Kläger an. Als Rückbürgin sollte gemäss Ab_ machungder Kläger mit dem
Hauptschuldner dessen Frau Lydia Mühleisen haften. Dementsprechend schrieb
der Kläger Gygax bevor man den Bürgschein der Beklagten einsandte unter
seine und des Mitkläg'ers Hohlmann Unterschrift : als Rückbürgin haftet
und fügte mit Bleistift den Namen der Frau des Hauptsehuldners bei,
In der Folge telephonierte dann einer der Kläger noch an die Beklagte,
das Geld dürfe an Mühleisen nicht ausbezahlt werden, solange nicht Frau
Mühleisen als Rückbürgin unterschrieben habe; Diesem Verlangen entsprach
die Beklagte und forderte, als der Hauptschuldner die Bürgschaftssumme
abheben wollte, zuerst die Unterschrift seiner Frau. Erstnachdem diese
herbeigerufen worden war und unterzeichnet hatte, gab sie ihm das Geld.

Am 4. Oktober 1915 kam der Hauptschuldner in Konkurs. Nunmehr belangte
die Beklagte die Kläger aus der Bürgschaft und diese haben ihr daraufhin
insgesamt 1789 Fr. 90 Cts. ausbezahlt. Ferner unterschrieben sie ihr
einen Schuldschein von 4000 H-

Als sich die Kläger bei der Rückbürgin decken wollten, erklärte
ihnen diese, sie zahle ihnen nichts, sie sei mangels einer
vor-mundschaftsbehördlichen Genehmigung ihrer Rückverbürgung aus derselben
in keiner Weise verpflichtet. . si

Für diese Nichteinholung der vormundschaftsbehördlichen Genehmigung
der Rückverbürgung haben die Kläger die Beklagte im vorliegenden
Prozess verantwortlich gemacht, indem sie verlangen, dass ihre
Bürgschaftsverpflichtung als ungültig erklärt und die Beklagte zur
Rückgabe der von ihnen bereits an sie bezahlten Beträge oder aber zum
Schadenersatz im Be trage ihrer eventuellen Haftung verpflichtet werde.

2. Die Vorinstanz hat die Klage in dem Sinne zugespro eben, dass sie
die Bürgschaftsverpflichtung der Kläger

Obligationenrecht. N°13. es

als ungültig erklärte und die Beklagte verurteilte, den Klägern die an sie
bezahlten Beträge mit insgesamt 1789Fr. 90 Cts. zurückzuerstatten. Sie
gingdavon aus, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, sei es aus
Auftrag oder auftragsloser' Geschäftsführung für die Beibringung der
vormundschaftsbehördlichen Genehmigung besorgt zu sein. Die Bürgschaft
sei durch eine gültige Rückverbürgung bedingt gewesen. Da diese nicht
zu Stande gekommen sei, sei auch die Bürgschaft selber nach Art. 497
Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 497 - 1 Mehrere Bürgen, die gemeinsam die nämliche teilbare Hauptschuld verbürgt haben, haften für ihre Anteile als einfache Bürgen und für die Anteile der übrigen als Nachbürgen.
1    Mehrere Bürgen, die gemeinsam die nämliche teilbare Hauptschuld verbürgt haben, haften für ihre Anteile als einfache Bürgen und für die Anteile der übrigen als Nachbürgen.
2    Haben sie mit dem Hauptschuldner oder unter sich Solidarhaft übernommen, so haftet jeder für die ganze Schuld. Der Bürge kann jedoch die Leistung des über seinen Kopfanteil hinausgehenden Betrages verweigern, solange nicht gegen alle solidarisch neben ihm haftenden Mitbürgen, welche die Bürgschaft vor oder mit ihm eingegangen haben und für diese Schuld in der Schweiz belangt werden können, Betreibung eingeleitet worden ist. Das gleiche Recht steht ihm zu, soweit seine Mitbürgen für den auf sie entfallenden Teil Zahlung geleistet oder Realsicherheit gestellt haben. Für die geleisteten Zahlungen hat der Bürge, wenn nicht etwas anderes vereinbart worden ist, Rückgriff auf die solidarisch neben ihm haftenden Mitbürgen, soweit nicht jeder von ihnen den auf ihn entfallenden Teil bereits geleistet hat. Dieser kann dem Rückgriff auf den Hauptschuldner vorausgehen.
3    Hat ein Bürge in der dem Gläubiger erkennbaren Voraussetzung, dass neben ihm für die gleiche Hauptschuld noch andere Bürgen sich verpflichten werden, die Bürgschaft eingegangen, so wird er befreit, wenn diese Voraussetzung nicht eintritt oder nachträglich ein solcher Mitbürge vom Gläubiger aus der Haftung entlassen oder seine Bürgschaft ungültig erklärt wird. In letzterem Falle kann der Richter, wenn es die Billigkeit verlangt, auch bloss auf angemessene Herabsetzung der Haftung erkennen.
4    Haben mehrere Bürgen sich unabhängig voneinander für die gleiche Hauptschuld verbürgt, so haftet jeder für den ganzen von ihm verbürgten Betrag. Der Zahlende hat jedoch, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, anteilmässigen Rückgriff auf die andern.
OR unverbindlich.

In der hundesgerichtlichen Verhandlung hat demgegenüber die Beklagte
ausführen lassen, die Bürgschaft sei nur in dem Sinne bedingt gewesen,
dass die Verbindlichkeit erst mit der Beibringung der Unterschrift
der Frau Mühleisen eintreten, dagegen nicht in dem Sinne, dass diese
Verbindlichkeit erst mit der g ü l t i g e n Rückverbiirgung perfekt
werden solle.

Die Kläger ihrerseits haben dieser Einwendnng der Beklagten gegenüber
sich auf den Standpunkt gestellt, man habe die Bürgschaft nicht von der
blossen Unterzeichnung der Frau Mühleisen abhängig machen und nicht durch
eine ungültige sondern durch eine gültige Rückbürgschaft bedingen wollen.

3. Die Parteien sind demnach darin einig, dass die Bürgschaft nach
ihrer' Meinung bedingt sein sollte, und die Akten bestätigen diese
Parteiabsicht. Zwar steht fest, dass anfänglich der Vertrag zwischen
der Gläubigerin und den Bürgen unbedingt geschlossen wurde, denn in der
Bürgschaftsurkunde findet sich lediglich der Rückbürgschaftsvermerk,
und es ist nicht dargetan, dass zur Zeit der Uebergabe der Urkunde
an die Bank irgend welche Bedingung abgemacht werden ist. Dagegen
hat nachträglich einer der Kläger der Beklagten mitgeteilt, sie dürfe
das Geld nicht ausbezahlen, so lange die Unterschrift der Rückbürgin
fehle. Dieser Anordnung hat sich die Beklagte dadurch unterzogen, dass
sie, als der Hauptschuldner dennoch ohne die Unterschrift seiner Frau

64 Obligationenrecht. N° 13.

beizubringen, das Geld abheben wollte, ihn ahwies und erst nach
vollzogener Unterzeichnung ihm das Darlehen * gewährte. Damit erklärte
sie sich mit der Einschränkung der absoluten Bürgschaftsverpfliehtung
einverstanden.

Nun ist allerdings diese Bedingung formlos in den Bürgschaftsvertrag
aufgenommen worden, und es fragt sich daher, ob sie vor Art. 493
gleichwohl Bestand hat. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich aus
dem Zweck dieses Art. 493, der einzig dazu bestimmt ist, den Burgen zur
Vorsicht zu mahnen. Wenn nun aber eine Bestimmung lediglich zum Schutze
des Bürgen aufgestellt ist, so darf sie natürlich nicht im Sinne einer
Erschwerung seiner Lage angewendet werden, d. h. jede Erleichterung seiner
Verpflichtung, und in casu liegt eine solche im Streit, muss daher auch
formlos gültig sein (vergl. spez. für ,die Aufnahme einer Bedingung
ÖRTMANN Nr. 1 bd zu § 766 u. RGE 65 Nr. 14). Das ergibt sich übrigens
indirekt schon aus Art. 115, der ausdrücklich erklärt, die Beschränkung
einer Verpflichtung, für deren Eingehung _die Schriftform gesetzlich
verlangt werde, sei auch mündlich möglich.

Es kann sich demnach nurnoch fragen, welchen Inhalts die Bedingung gewesen
ist, die die Parteien nachträglich in die Bürgschaftsverpfliehtung'
aufgenommen haben. Da sie nun hierüber nichts näheres abgemacht haben,
sind ihre bezüglichen Erklärungen so auszulegen, wie sie im Verkehr
normalerweise ausgelegt werden müssen. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es
aber ohne weiteres klar, dass die Kläger sich eine gültige und nicht eine
ungültige Rückhürgschaft haben vorbehalten wollen, und dass die Annahme
dieses Vorbehaltes seitens der Beklagten mangels einer ausdrücklichen
Einschränkung auch nur in diesem Sinne aufgefasst werden kann. Ob dabei
die Parteien an die Bestimmung des Art. 177 gedacht haben, ob sie diese
Bestimmung kannten oder nicht kannten, ist von diesem Standpunkte aus
irrelevant. si

Die Ver-bürgng der Kläger war somit durch das Zu--Obligationenrecht. N°
13. 65

standekommen einer gültigen Rückverhürgung bedingt. Diese Bedingung
ist nicht eingetreten, und demzufolge sind dieivKläger aus dem
Bürgschaftsvertrag nicht verpflichtet. Ihr Verbiirgungsakt ist daher
ohne rechtliche Verbindlichkeit geblieben und die Beklagte hat ihnen die
gemachten Zahlungen, da sie nicht geschuldet Waren, zurückzuerstatten. .

4. _ Ob die Beklagte auch nach den Grundsätzen des Mandates oder der
Geschäftsführung ohne Auftrag verantwortlich gemacht werden könnte,
und ob Art. 497 Abs. 3 im vorliegenden anwendbar wäre, wie die Kläger
auch noch behauptet haben, brauchtvdaher nicht mehr untersucht zu werden.

5. Die Beklagte hat allerdings noch den Standpunkt eingenommen, die
Kläger haben durch ihre Zahlungen die Bürgschaftsschuld anerkannt. Allein
diese Zahlungen haben stattgefunden, als die Unverbindlichkeit der
Rückhürgschaft den Klägern noch nicht bekannt war, es hat ihnen daher
zweifelsohne kein Anerkennungswille zu Grunde gelegen. -

Im weiteren hat die Beklagte behauptet, die Bürgschaftsschuld sei durch
die Ausstellung des eingangs erwähnten Schuldscheines seitens der Kläger
noviert werden. Auch dieser Standpunkt fällt mit dem oben Gesagten dahin,
denn eine nichthestehende Schuld konnten die Kläger auch nicht novieren.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 4. Oktober 1917 bestätigt.

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Decision information   •   DEFRITEN
Document : 44 II 61
Date : 09. März 1918
Published : 31. Dezember 1919
Source : Bundesgericht
Status : 44 II 61
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 60 Obligationenrecht. N° 12. diesem Falle wird dem Dienstnehmer sein Einblick inden


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OR: 497
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