500 Obligationenrecht. N° 91.

Demnach erkennt das ,Bundesgericht : Die Berufung wird abgewiesen unter
Bestätigung des Urteils des Handelsgerichts Bern vom 7. Juni 1918.

si 91. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1918
i. S. Officine Insubri gegen Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon.

Rücktritt vom Kauf ? Art. 109
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 109 - 1 Le créancier qui se départ du contrat peut refuser la prestation promise et répéter ce qu'il a déjà payé.
1    Le créancier qui se départ du contrat peut refuser la prestation promise et répéter ce qu'il a déjà payé.
2    Il peut en outre demander la réparation du dommage résultant de la caducité du contrat, si le débiteur ne prouve qu'aucune faute ne lui est imputable.
OR. Inhalt des n egativen
Vertragsinteresses.

A. Anfangs September 1915 trat der von der Firma Langen & Wolf in Mailand,
der Rechtsvorgängerin der Klägerin, mit dem Ankauf vo n Drehbänken in
der Schweiz beauftragte Ingenieur Armando Pesaro mit der Beklagten in
Verbindung. Er unterhandelte am 5. September mit einem ihrer Prokuristen
und unterbreitete diesem eine Bestellung von 30 Drehbänken, Model T,
Schweizerfabrikat. Die Beklagte bestätigte die Bestellung mit Telegramm
vom gleichen Tag und mit Schreiben vom 6. September. Der Preis ab
Fabrik wurde auf 1500 Fr. oder total 45,000 Fr. festgesetzt. Sowohl
im Telegramm wie im Schreiben ist Lieferung (fer ersten 15 Drehbänke
im Dezember 1915 und der res-tierenden 15 im Januar 1916 versprochen,
mit dem Unterschied, dass im Brief noch ein environ eingefügt ist. Auf
der Rückseite desselben finden sich sodann eine Anzahl Kaufbedingungen,
von denen im Prozess namentlich die Ziff. 12 von Bedeutung ist : Si de
notre propre fait un délai de livraison garanti est dépassé, le client ne
pourra en aucun cas demander ä titre d'indemnité plus que 15% du prix tout
net pour chaque semaine de retard entiere, ni en total de 3%, penn-'u que
les dommages subis par lui soient au meinsObligationenrccht. N° 91 . 501

d'autant. Ni les indemnités d'autre nature ni l'annulation de la commande
ne peuvent étre exigées. Die Klägerin erklärte sich mit der Bestätigung
im allgemeinen einver-

standen, wünschte aber, dass der Lieferungstermiu noch

genauer festgesetzt werde, und zwar derart, dass 15 Bänke spätestens am
15. Dezember und die restlichen 15 spätestens am 15. Januar abgeliefert
werden müssen, ansonst der Vertrag ohne weiteres aufgehoben würde.
Hierauf wollte die Beklagte jedoch nicht eintreten. Sie hielt daran
fest, es sollen 15 Bänke im Laufe Dezember und 15 im Laufe des Januar
expediert werden, ohne dass eine Verspätung ein Recht auf Annullierung
des Vertrages gebe.

Am 21. Dezember 1915 berichtete die Beklagte auf Anfrage Pesaros an
diesen, die ersten 15 Bänke könnten erst im April und die zweiten 15
erst April-Mai geliefert werden. Als Pesaro hierauf rekiamierte, machte
die Beklagte ihn unterm 23. Dezember darauf aufmerksam, er habe ja von
Anfang an Kenntnis davon gehabt, dass sie die Drehbänke nicht selber
ankertige und demgemäss von ihrem Lieferanten abhängig sei. Gegenüber
dieser letzteren Feststellung protestierte Pesaro nicht, verwies aber auf
die vereinbarten Lieferzeiten und erklärte, der Schaden werde sich bei
Nichterfüllung auf mehrere Hunderttausend Lire belaufen. Am 4. Januar
1916 stellte der Anwalt der Klägerin fest, dass die Beklagte mit der
Lieferung der ersten 15 Bänke im Verzug sei und ' erklärte sie für
allen Schaden haftbar. Die Beklagte ss antwortete, sie sei von ihrem
Lieferanten in so unverantwortlicber Weise im Stiche gelassen worden,
dass sich die Ablieferung voraussichtlich bis im Mai bezw. Juni verzögern
werde. Eine Schadenersatzforderung werde sie nicht anerkennen.

Nunmehr stellte der Anwalt der Klägerin am 13. Januar 1916 beim
Audienzrichter des Bezirksgerichtes Zürich das Gesuch um Ansetzung einer
Nachfrist in Anwendung

502 Obligationenrecht. N° 91.

von Art. 107
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 107 - 1 Lorsque, dans un contrat bilatéral, l'une des parties est en demeure, l'autre peut lui fixer ou lui faire fixer par l'autorité compétente un délai convenable pour s'exécuter.
1    Lorsque, dans un contrat bilatéral, l'une des parties est en demeure, l'autre peut lui fixer ou lui faire fixer par l'autorité compétente un délai convenable pour s'exécuter.
2    Si l'exécution n'est pas intervenue à l'expiration de ce délai, le droit de la demander et d'actionner en dommages-intérêts pour cause de retard peut toujours être exercé; cependant, le créancier qui en fait la déclaration immédiate peut renoncer à ce droit et réclamer des dommages-intérêts pour cause d'inexécution ou se départir du contrat.
OR, und es Wurde darauf mit Verfügung vom 17. Januar
der Beklagten für die Lieferung der ersten15 Bänke eine Frist bis zum
31. Januar und für die zweiten 15 eine solche bis zum 29. Februar 1916
angesetzt. Nachfruehtlosem Ablauf der ersten bezw. zweiten Frist erklärte
die Klägerin am 2. Februar für die ersten 15 Bänke und am 2. März 1916
für-die Zweiten 15 Bänke den Rücktritt vom ,Vertrag unter Rückforderung
der geleisteten An zahlung und Geltendmachung eines Anspruches auf Zahlung
einer grösseren Schadenersatzsumme. Die Beklagte erklärte sich mit der
Vertragsauflösung einverstanden und gab die Anzahlung heraus, bestritt
aber jede Schadenersatzpflicht, worauf die Klägerin beim Handelsgericht
Zürich Sehadenersatzklage erhob.

B. Sie begründet diese Klage wesentlich folgendermassen : Durch
Vertrag vom 1. September 1915 habe sie sich gegenüber der Cooperativa
fabbricanti proietti in Mailand zur Lieferung von 75,000 Granaten
bis Ende Juni 1916 verpflichtet. Diesen Vertrag hätte sie mit ihrem
Masehinenmaterial erfüllen können. Sie habe jedoch den Geschäftszweig
erweitern wollen und zu diesem Zwecke Spezialmaschinen für rund eine
Million Lire gekauft. Die von der Beklagten zu liefernden Bänke seien
als Bestandteil dieser Anlage gedacht gewesen, und es wäre damit möglich
gewesen, täglich 2000-2500 Granaten' zu erstellen. Um die neue Anlage
zu beschäftigen, habe sie mit dem italienischen Kriegsministerium einen
Vertrag auf Lieferung von 162,500 Granaten in der Zeit ' vom 1. Februar
bis 30. Juni 1916 abgeschlossen, ferner sei verabredet worden, der Vertrag
solle bei richtiger Erfüllung weitere sechs Monate laufen, wobei monatlich
60,000 Granaten hätten abgeliefert werden sollen. Die neue Anlage sei im
Januar 1916 fertig gewesen, abgesehen von den Oerlikoner Drehhänken. Die
Nichtlieferung dieser letzteren habe ihr schweren Schaden gebracht. Sie
mache geltend : (Zahlen nach den im Verlaufe des Prozesses vorgenommenen
Berichtigungen). --Obligationenrecht. N° 91. 503

a) Als negatives Vertragsinteresse einen Betrag von £ 217,853. 85. Urn
ihren Verpflichtungen nachkommen zu können, habe sie nämlich Granatköpfe
auswärts herstellen lassen müssen und ' zwar mit Mehrkosten im Betrage von
£ 149,000. . Zudem sei sie für den auf diese ausgegebenen Bestellungen
entfallenden Anteil an den Generalkosten nicht, wie das beieigener
Fabrikation geschehen wäre, gedeckt worden. Durch die Ausgabe der
Bestellungen sei ihr daher eine Verminderung der Generalkosten im Betrage
von £ 35,253. 85 entgangen. Sodann habe sie für die nicht gelieferten
Drehbänke der Beklagten Ersatzdrehbänke mit einem Mehraufwand von £
33,600. ansehaffen müssen. £ 217,853. 85.

b) Als positives Vertragsinteresse,d. h. als entgangener

Gewinn : ss

£ 112,600. .. Sie sei sowohl der Cooperativa fabbricanti proietti als
dem Kriegsministerium gegenüber mit Lieferungen im Rückstand geblieben,
weshalb ihr ein Gewinn von ,

£ 23,400. bezw.

£ 44,200. entgangen sei. sodann habe sie einen weiteren ihr von-der
Cooperativa erteilten Auftrag ohne Gewinn einer dritten Firma abtreten
miissen, woraus ihr ein weiterer Gewinn von £ 60,000 entgangen sei,
von denen sie aber nur

£ 45,000. ersetzt verlange.

£ 112,600. Zum Kurse von 77,60 bezw. 64,75 umgerechnet erge-

ben das eine Gesamtforderungshetrag von Fr. 236,338. Die Beklagte
beantragte Abweisung der Klage im,

504 Obligationenrecht. N° 91.

Wesentlichen aus folgenden Gründen: An der Nichterfüllung treffe sie
kein Verschulden, da sie von ihrem Lieferanten im Stiche gelassen worden
sei, eventuell habe die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag erklärt,
könne also nur das negative Vertragsinteresse verlangen, während alle
ihre Ansprüche aus dem positiven Interesse abgeleitet werden. Weiter
eventuell sei sie bei Ansetzung der Nachfristen nicht im Verzug gewesen,
und ganz eventuell könne die Klägerin nach Art. 12 der allgemeinen
Vertragsbestimmungen nicht mehr als 1/2% des Kaufpreises für jede Woche
Verspätung und höchstens 3% des Kaufpreises im Ganzenverlangen. Im übrigen
werde die Schadensbereehnung bestritten und Art. 99
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 99 - 1 En général, le débiteur répond de toute faute.
1    En général, le débiteur répond de toute faute.
2    Cette responsabilité est plus ou moins étendue selon la nature particulière de l'affaire; elle s'apprécie notamment avec moins de rigueur lorsque l'affaire n'est pas destinée à procurer un avantage au débiteur.
3    Les règles relatives à la responsabilité dérivant d'actes illicites s'appliquent par analogie aux effets de la faute contractuelle.
und 43
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 43 - 1 Le juge détermine le mode ainsi que l'étendue de la réparation, d'après les circonstances et la gravité de la faute.
1    Le juge détermine le mode ainsi que l'étendue de la réparation, d'après les circonstances et la gravité de la faute.
1bis    Lorsqu'un animal qui vit en milieu domestique et n'est pas gardé dans un but patrimonial ou de gain, est blessé ou tué, le juge peut tenir compte dans une mesure appropriée de la valeur affective de l'animal pour son détenteur ou les proches de celui-ci.26
2    Des dommages-intérêts ne peuvent être alloués sous forme de rente que si le débiteur est en même temps astreint à fournir des sûretés.
OR angerufen.

C. Das Handelsgerieht schützte die Klage in Betrage von 30,000 Fr. Es
ging davon aus, die Beklagte habe sich wegen der Nichtlieferung der
Bänke nicht exknlpiert, und anderseits sei die Klägerin formell nach
Art. 107 richtig vorgegangen. Gestützt hierauf habe sie entweder das
positive oder das negative Vertragslnteresse, nicht aber, wie sie es
getan, kumulativ beides, ersetzt verlangen können. Gehe man davon aus,
esgebühre ihr Ersatz des negativen Interesses, so komme diesbezüglich
inBetracht, dass sie die im Vertrauen auf die Lieferung der Beklagten
übernommenen Bestellungen nicht habe ausführen können und andere teurere
Bänke habe anschaffen müssen. Allein sie wäre verpflichtet gewesen, sich
in der Schweiz einzudecken, d. h. andere Bänke zu kaufen. Das gleiche
gelte aber auch, wenn man annehme, sie habe Anspruch auf Ersatz des
positiven Erfüllungsinteresses. Diese Eindeekung wäre in der Schweiz
zu einem Mehrpreis von 1000 Fr. pro Bank möglich gewesen, weshalb nur
30,000 Fr. an die Klage gutzusprechen seien.

D. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen, die Klägerin mit dem Antrag auf Gutheissung,
die Beklagte mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.

Obligationenrecht. N ° 91. 505

In der Berufungsverhandlung ergänzten die Vertreter der Parteien diese
Anträge durch Eventualanträge. Der Anwalt der Klägerin ersuchte eventuell
um Rückweisung der Akten zur Beweisabnahme, der Anwalt der Beklagten
eventuell um Reduktion der der Klägerin zugesprochenen Summe. '

Das Bundesgericht zieht in Erwägung ss:

1. Ablehnung delikt-ischer Haftung der Beklagten. 2. Ablehnung der
Einrede der Beklagten, wonach

die vertragliche Haftung mangels Verschuldens entfalle. 3. Gültigkeit
der Fristansetzung.

4. Die Voraussetzungen einer Rücktrittserklärung, wie sie die Klägerin am
2. Februar bezw. 2. März 1916 abgegeben hat, sind danach gegeben. Fraglich
bleibt dagegen, welche Wirkung dieser Erklärung zukam. Massgebend ist,
ob sie als Rücktritt im technischen Sinne oder aber als Verzicht auf die
nachträgliche Leistung unter Aufrechterhaltung des Vertrages (Art. 107
Abs. 2) aufzufassen ist. Î

In seinem Urteil vom 27. April 1917, in Sachen des mehr-erwähnten
Pesaro gegen die heutige Beklagte, hat das Bundesgericht eine analoge
Erklärung des Pesaro, bezw. seines Anwaltes, Dr. Wettstein, im letzteren
Sinne ausgelegt. Diese Auslegung kann jedoch im vorliegenden Falle
nicht aufrecht erhalten werden. Zwar ist nach wie vor von dem in
der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtes festgelegten Satz
auszugehen, dass die Wahlerklärung im Sinne von Art. 107 nicht nach
dem Wortlaut allein, sondern ihrem vernünftigen Sinne entsprechend
und unterBerü cksichtigung der besonderen Umstände desFalles ausgelegt
werden muss. (Vgl. Urteil vom 16. November 1918 in Sachen Goldschmid
gegen Menuiserie Basseeourt.) Allein gerade bei Anwendung dieser Regel
kommt man dazu, die streitige Rücktrittserklärung als eine solche im
technischen Sinne aufzufassen. Zunächst ist zu be-

ücksichtigen, dass mit der Rücktrittserklärung zugleich

506 Obligationenrecht. N° 91.

die geleistete Anzahlung zurückverlangt worden ist. Die Klägerin
machte also gerade dasjenige Recht geltend, das das Gesetz in seinem
Art. 109 als prinzipiellste Rücktrittsfolge festgelegt hat. Sodann ist
Zu beachten, dass bei Aufrechterhaltung des Vertrages nach Art. 12 der
gedruckten Vernangestinnnungen die Klägerin höchstens 3% der Kaufsnmme als
Schadenersatz verlangen durfte. Sie hatte also alle Ursache, die Aufhebung
' des Vertrages anzustreben, um diese einengende Bestimmung zu beseitigen,
die eine Geltendmachung ihres zweifelsohne viel erliebiicheren Schadens
verhinderte, oder wenigstens zu verhindern schien. 'Wichtiger als alle
diese Momente ist aber, dass die Beklagte ihrerseits die Erklärung der
Klägerin nach Treu und Glauben als eigentlichen Rücktritt aujkassen
durfte. Für sie handelte es sich, als sie die fragliche Zuschrift des
klägerischen Anwaltes erhielt darum, sich für Annahme oder Ablehnung des
Rücktrittes zu erklären und danach ihre Dispositionen, Vorbereitung einer
Ersatzleistung, An-bahnung eventueller Vergleichsverhandlungen u. s. w. zu
_ treffen. Sie hat sich für Annahme des Rücktrittes entschieden, hat
damit die ihr aus Art. 12 der allgemeinen Vertragsbestimmungen erwachsenen
(vielleicht nicht ganz sicheren) Rechte aufgegeben, im Vertrauen darauf,
dass nur Rücktrittsfolgen sie treffen können. Die ses Vertrauen, das
sich mit Fug auf den Wortlaut der Erklärung, auf die Rückforderung
der Anzahlung und auf das Interesse der Klägerin an der Aufhebung des
Vertrages bzw. des Art. 12 der allgemeinen Vertragsbestimmungen stützen
konnte, darf nun nicht nachträglich enttäuscht werden.

,5. _Die Folgen dieses Rücktritt-es sind in Art. 109 umschrieben. Der
Zurücktretende kann danach, abgesehen von einer allfälligen Rückleistung,
Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages entstandenen Schadens
beanspruchen. Diesem Ersatzanspruch hat der Gesetzgeber in Art. 107
denjenigen des auf Erfüllung, jedoch unter Aufrechthaltung des Vertrages,
Verzichtenden

Obiigationenrecht. N° 91. 507

gegenübergestellt, in der Meinung, dass, wie sich aus Art. 107 deutlich
ergibt, der Gläubiger den einen oder andern, nicht aber beide wählen
könne. Nachdem daher die Klägerin ihre Wahl getroffen, kann sie nur noch
die Ansprüche aus Art. 109 und nicht, wie sie es getan hat, ausserdem
auch noch das Erfüllungsinteresse geltend machen. '

Zu untersuchen ist daher nur, welche Rechte der Klägerin aus Art. 109,
abgesehen von demjenigen auf Rückleistung der Anzahlung, das nicht im
Streite liegt, zustehen. Nach der Doktrin kann es sich dabei nur um
das sogenannte negative oder Vertrauensinteresse handeln. In der Tat
lässt sich nur von diesem Gesichtspunkt aus die Gegenüberstellung von
Erfüllungsinteresse und Rücktrittsrecht in Art. 107 verstehen. Hätte der
Gesetzgeber auch dem vom Vertrag Zurücktretenden das positive Interesse
zuhilligen wollen, so wäre es zudem sinnlos gewesen, die Bestimmung des
Art. 109 aus dem Zusammenhang des Art. 107 loszureissen und in einen
speziellen Artikel aufzunehmen, und dazu noch in ganz besonderer, von der
im Hinblick auf das Erfüllungsinteresse sonst verwendeten, abweichender
Formulierung. (Zuzugeben ist allerdings, dass der Wortlaut des Art. 109
den Unterschied zwischen positivem und negative-m _Vertags-interesse nicht
mit der Wünschbaren Klarheit hervor hebt). Die gleiche Formulierung des
Anspruches auf das negative Vertragsinteresse findet sich übrigens im
Gesetz noch an verschiedenen Orten, wo über die Bedeutung ein Zweifel
nicht bestehen kann. (Vergl. Art. 26 und 39.) Namentlich aus Art. 39
Abs. 2 geht hervor, dass es sich dabei nicht um das Erfüllungsinteresse
handeln kann, denn sonst wäre nicht verständlich, warum dort aus Gründen
der Billigkeit der'Ansprueh auf Ersatz weiteren Schadens vorgesehen wird.

Als Inhalt dieses negativen Vertragsinteresses wird allgemein bezeichnet
das Interesse des nichtsäumigen Kontrahenten daran, dass der Vertrag
nie geschlossen

508 Obligationenrecht. N° 91 .

und daher sein Vertrauen auf ihnnicht getäuscht worden wäre. Mit andern
Worten: Der Anspruch des Zurücktretenden ist so zu berechnen; dass
man annimmt, der Vertrag wäre nie geschlossen worden, und dass-man die
bei dieser Annahme gegebene ökonomische Stellung des Zurücktretenden
vergleicht mit derjenigen, in die er zufolge des Vertrages bei dessen
Auflösung gekommen ist.

Im vorliegenden Falle ist daher festzustellen, um wie viel die Stellung
der Klägerin, wenn sie den Vertrag mit der Beklagten nicht abgeschlossen
hätte, besser Wäre, als sie es zufolge dieses Abschlusses geworden ist.

Diese Differenz würde mit dem Erfüllungsinteresse der Klägerin
zusammenfallen, wenn sie bewiesen hätte, dass sie ohne den Abschluss mit
der Beklagten in der Lage gewesen wäre, mit einer anderen Firma einen
entsprechenden Vertrag abzuschliessen., und dass dieser Vertrag dann
gehalten werden wäre. Ein solcher Beweis ist jedoch nicht geleistet und
die Klage ist gar nicht mit einer derartigen Behauptung begründet worden.

Durchgeht man nun die von der Klägerin in Rechnung , gesetzten Posten,
so scheiden nach dem über den Inhalt des negativen Vertragsinteresses
Gesagten zweifellos aus der Gewinn (£ 45,000), den dieKlägerin angeblich
gemacht hätte, wenn sie die Bestellung der Cooperativa, die sie einem
Dritten abtreten musste, selber hätte ausführen können, und ferner die
Mehrgewinne (£ 44,200 und £ 23,400), die sie gemacht hätte, wenn sie mit
den Lieferungen an das Kriegsministerium und die Cooperativa nicht in
Rückstand gekommen Wäre. Denn diese Gewinne hätte sie auch nicht gemacht,
wenn sie den Vertrag mit der Beklagten nicht abgeschlossen hätte, es sei
denn, was aber, wie bereits gesagt, nicht einmal behauptet wurde, dass
sie zu gleichen oder besseren Bedingungen wie mit der Beklagten mit einem
Dritten hätte abschliessen und von ihm Erfüllung des Vertrages erlangen
können. Aus den gleichen Gründen kann der Klägerin auch die Post von £
33,600 für Mehrauslagen bei An-

0bligationenrecht, N° 91 . 509

schaffung der Ersatzdrehbänke nicht zugesprochen werden. Auch diese
Auslagen wären der Klägerin nur erspart geblieben, wenn sie mit einer
dritten Firma zu gleichen Bedingungen hätte abschliessen können wie
mit der Beklagten, und wenn diese Dritte ihren Vertrag ihrerseits
erfüllt hätte. Schliesslich ist, Wiederum aus dem gl ziehen Grunde, die
Klägerin auch mit ihrem Begehren um Ersatz für die Nichtverminderung der
Generalunkosten abzuweisen-. Fraglich könnte dagegen in der klägerischen
Schadensberechnung die Post von £ 149,000 sein. Man möchte argumentieren,
die Klägerin habe im Vertrauen auf den Vertrag, bezw. auf die Ausführung
der Lieferungen der Beklagten, Bestellungen übernommen, die sie nur
dadurch habe eilektuieren können, dass sie einen Teil der Arbeit gegen
Bezahlung einem Dritten vergeben. Sie habe somit zufolge ihres Vertrauens
auf den Vertrag mit der Beklagten Auslagen gehabt. Allein auch diese
Argumentation ist nicht richtig. Wie sich aus der Klageschrift S. 15 und
1'9 ergibt, verdiente die Klägerin an einer ganz in ihren Werkstätten
hergestellten Granate £. 1.50 bis £ 2.50. Für die an Dritte vergebenen
Granatköpfe aber musste sie nur £ 0.925 mehr bezahlen, als sie sie
selber zu stehen gekommen wären. Danach hat sie an der ganzen Granate
trotz des Ankaufs der Granatköpfe noch einen Gewinn gemacht. Hätte sie
also mit der Be-'ss · klagten nicht kontrahiert und wäre deswegen die
Uebernahme der betreffenden Lieferpflichten unter-blieben, so würde sie
sich damit doch noch schlechter gestellt haben als dies bei Uebernahrne
der Bestellungen der Fall gewesen ist.

6. ...Zusprechung einer Summe von 10,000 Fr. für eigentliche, durch den
Vertragsschlag veranlasste Auslagen der Klägerin.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung der Klägerin wird abgewiesen, diejenige der Beklagten wird
in dem Sinne teilweise gutgeheissen,

510 Obligatienenrecht. N° 92.

dass der der Klägerin im Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich
vom 30. April 1918 zugesprochene Betrag von 30,000 Fr. auf 10,000
Fr. reduziert wird.

92. Urteil des I. Zivilahteilung vom 20. Dezember 1918 i. S. Pfister
gegen Hufschmid.

Kauf: L'eistungsunmöglichkeit oder blosse Lieferungserschwerung? Wer
innert Frist liefern muss, darf mit der Eindeckung nicht bis zum
Ende der Frist warten, falls er die Eindeckungsschwierigkeiten
voraussehen kann und eine Eindeckung im Verlaufe der Frist möglich
gewesen. Lieferungserschwerung als Grund der Ersatzreduktion. W'a h l e r
k l ä r u n g nach Art. 107 a unverzüglich abgegeben, wenn sofort nach
Erhalt eines gegen die Fristansetzung provozierten Rekursentseheides.
A. Am 15. Dezember 1915.bestellte der Kläger beim

Beklagten 10,000 kg Stahlspähne à 64 Fr. per 100 kg

Sorte mittel und 67 Fr. Sorte kein, und am 27. Dezember

1915 weitere 25,000 kg. Beide Bestellungen wurden vom

Beklagten nur unter Vorbehalt richtigen Rohmaterial-

eingangs akzeptiert. Nachdem an den ersten Vertrag

3000 kg geliefert worden waren, schlossen die Parteien

am 28. Juni 1916 in Erledigung einer Klage auf Lieferung

und Schadenersatz wegen verspäteter Erfüllung einen

Vergleich ab.

1. Herr A. Pfister, Pfäffikon liefert an Herrn G. Hufschmisid, St. Immer:
3000 kg Stahlspähne anfangs Juli 1916, à conto des

Kontraktes von 20 bis 25,000 kg, mit Preisaufschlag

von 13 Fr. 50 Cts.per100kg. _

3000 kg per Ende Juli 1916 à conto restliche 7000 kg

zum vereinbarten Preise von 64 Fr. für Mittel und

67 Fr. für Fein . '

3000 kg per Anfang August, à conto Kontrakt 20

Obligationenrecht. N° 92. 511

bis 25,000 kg zu dannzumal, auf Grund des Draht preises festzustellendem
Preise. _

4000 kg: per Ende August 1916, à conto restliche 7000 kg (Saldo) zum
Preise von 64 Fr. und 67 Fr. _

Restlieierung des Kontraktes von 20" bis 25,000'kg bis Ende 1916 zu den
auf Grund des zur Zeit der Lieferung gültigen, jeweiligen Drahtpreises,
fest zustellenden Preisen.

2. Ist es Herr Pfister unmöglich, das benötigte Material, sowohl Draht
als'Papier erhältlich zu machen, so fällt der Vergleich dahin.

3. Herr Hukschmid behält sich vor, für den Fall, dass der Vergleich
widerrechtlich nicht gehalten Würde, Schadenersatz für verspätete
Lieferung der restlichen 7000 kg und der 20 bis 25,000 kg Stahlspahne,
gestützt auf die Kontrakte vom 11. und 22 . Dezember 1915, zu verlangen

In der Folge lieferte der Beklagte das Restquantum aus dem ersten
Vertrag, 7000 kg, und an den zweiten Vertrag 6000 kg. Weitere Sendungen
unterblieben. Am 1. Februar 1917 liess der Kläger dem Beklagten durch den
Einzelrichter des Bezirksgerichtes Pfäffikon eine einmonatliche Nachfrist
ansetzen. Hiegegen rekurrierte Pfister an das züi'cherische Obergericht,
dessen Rekurskammer jedoch am 7. März 1917 den Rekurs abwies. Dieser
Entscheid ging dem klägerischen Anwalt am 14. März 1917 zu, worauf er am
folgenden Tag namens seines Klienten den Verzicht auf die Vertragsleistung
des Beklagten erklärte und Ersatz Wegen Nichterfüllung verlangte. Sodann
erhob er Klage beim zürcherischen Handelsgericht, indem er um Zusprechung
von 13,172 Fr. Schadenersatz nachsuchte. '

Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage wegen
Leistungsunmöglichkeit. Eventuell machte er geltend, der Kläger habe laut
Vergleich nur mehr einen Schadenersatzanspruch wegen Verspätung. Weiter
eventuell bestritt er das Quantitativ des klägerischen Anspruches.

AS 4411 1918 34
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 44 II 500
Date : 06 juin 1918
Publié : 31 décembre 1919
Source : Tribunal fédéral
Statut : 44 II 500
Domaine : ATF - Droit civil
Objet : 500 Obligationenrecht. N° 91. Demnach erkennt das ,Bundesgericht : Die Berufung


Répertoire des lois
CO: 43 
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 43 - 1 Le juge détermine le mode ainsi que l'étendue de la réparation, d'après les circonstances et la gravité de la faute.
1    Le juge détermine le mode ainsi que l'étendue de la réparation, d'après les circonstances et la gravité de la faute.
1bis    Lorsqu'un animal qui vit en milieu domestique et n'est pas gardé dans un but patrimonial ou de gain, est blessé ou tué, le juge peut tenir compte dans une mesure appropriée de la valeur affective de l'animal pour son détenteur ou les proches de celui-ci.26
2    Des dommages-intérêts ne peuvent être alloués sous forme de rente que si le débiteur est en même temps astreint à fournir des sûretés.
99 
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 99 - 1 En général, le débiteur répond de toute faute.
1    En général, le débiteur répond de toute faute.
2    Cette responsabilité est plus ou moins étendue selon la nature particulière de l'affaire; elle s'apprécie notamment avec moins de rigueur lorsque l'affaire n'est pas destinée à procurer un avantage au débiteur.
3    Les règles relatives à la responsabilité dérivant d'actes illicites s'appliquent par analogie aux effets de la faute contractuelle.
107 
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 107 - 1 Lorsque, dans un contrat bilatéral, l'une des parties est en demeure, l'autre peut lui fixer ou lui faire fixer par l'autorité compétente un délai convenable pour s'exécuter.
1    Lorsque, dans un contrat bilatéral, l'une des parties est en demeure, l'autre peut lui fixer ou lui faire fixer par l'autorité compétente un délai convenable pour s'exécuter.
2    Si l'exécution n'est pas intervenue à l'expiration de ce délai, le droit de la demander et d'actionner en dommages-intérêts pour cause de retard peut toujours être exercé; cependant, le créancier qui en fait la déclaration immédiate peut renoncer à ce droit et réclamer des dommages-intérêts pour cause d'inexécution ou se départir du contrat.
109
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 109 - 1 Le créancier qui se départ du contrat peut refuser la prestation promise et répéter ce qu'il a déjà payé.
1    Le créancier qui se départ du contrat peut refuser la prestation promise et répéter ce qu'il a déjà payé.
2    Il peut en outre demander la réparation du dommage résultant de la caducité du contrat, si le débiteur ne prouve qu'aucune faute ne lui est imputable.
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
défendeur • livraison • maître • tribunal fédéral • intérêt négatif • délai • dommage • dommages-intérêts • exactitude • tribunal de commerce • rencontre • intérêt positif • la poste • nombre • exécution de l'obligation • autorisation ou approbation • variété • télégramme • mois • maintien du contrat
... Les montrer tous
AS
AS 4411/1918