72 Obligationenrecht. N° 10

Par ces motifs, --

le Tribunal federal prononce:

Le recours est écarté et l'arrét cantonal est confirmé.

10. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. März 1917 31. S. Eberle,
Beklagter, gegen Zammeru, Kläger.

Kündigung eines Schuldbriefes wegen unpiinktlicher Zinszahlung in
einem Falle, in welchem der Schuldner eine grössere, ebenfalls fällige
Gegenforderung besass, jedoch die Kompensationserklärung unterlassen
hat. Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB als nicht anwendbar erklärt.

A. Der Beklagte ist Inhaber eines auf den Kläger lautenden Schuldbriefes
von 10,000 Fr., der folgende, hier in Betracht kommende Bestimmung
enthält:

Die Schuldsumme ist vom 1. Juli 1914 an, alljährlich auf den ersten Juli
à 4% % (vier und einen halben Pro zent) zu verzinsen und auf eine, dem
Schuldner von jetzt an schon, dem Gläubiger dagegen erst vom 1. Juli
1919 (neunzehn) an, täglich freistehende, sechsmonat liche Kündigung
hin abzubezahlen. -

Bei unpünktlicher d. h. nicht innert Monatsfrist seit Verfall erfolgender
Zinsentrichtung erhöht sich der Zinsfuss auf 5% (fünf Prozent) für den
betreffenden Zins und es steht überdies dem Gläubiger das Recht zu,
das Kapital vom Verzuge an schon, täglich auf sechs Monate zur Abzahlung
zu kündigen.

Andrerseits schuldete der Beklagte dem Kläger aus Aktienkauf 16,000 Fr.,
die wie folgt abzuzahlen waren :

Ende Juli 1915 ........... Fr. 5000 Ende Oktober 1915 ......... 5000 Ende
Dezember 1915 ........ 6000

Am 1. August 1915 hatte weder der Beklagte die amObligationenrecht. N°
10. '?3

31. Juli verfallenen 5000 Fr., noch der Kläger die am 1. Juli
mit Zahlungsfrist bis 1. August verfallenen 450 Fr. bezahlt. Unter
Berufung auf die Nichtzahlung des letztem Betrags forderte am 2. August
der Rechtsagent Lüde namens des Beklagten den Kläger, ausser zur
Zahlung der 450 Fr., noch zur Zahlung des im Schuldbriei vorgesehenen
Strafzinses von 50 Fr. auf, und gleichzeitig kündigte er ihm das
Kapital auf den 2. Februar 1916. Nach Empfang dieser Kündigung und jener
Aufforderung begab sich der Kläger am 3. August sofort auf das Bureau der
Chem. Industrie Aktiengesellschaft Zürich, deren Direktor der Beklagte
war. Der Kläger behauptet, dass er den Beklagten an den Schalter habe
rufen lassen, und dass er ihm erklärt habe, einer Barzahlung der fälligen
450 Fr. hätte es doch gar nicht bedurft, da der Beklagte ihm, dem Kläger
ja einen viel grössern, ebenfalls fälligen Betrag schulde. Der Beklagte
bestreitet, dass damals von den 450 Fr. gesprochen worden sei ; wenigstens
habe ihm der ihm unterstellte Buchhalter, der mit dem Kläger gesprochen
habe, davon kein Wort gesagt. Persönlich habe er, der Beklagte, an jenem
Tage mit dem Kläger überhaupt nicht gesprochen. Der Buchhalter hat als
Zeuge erklärt, er habe den Beklagten an den Schalter gerufen, und der
Kläger habe darauf mit dem Beklagten persönlich gesprochen ; aber daran,
w a s gesprochen wurde, erinnere er (der Zeuge) sich nicht. Der Zeuge
habe sodann auf Befehl des Beklagten dem Kläger den Betrag von 5000 Fr.
teils in bar ausgerichtet, teils telegraphisch angewiesen, teils mit
einer Schuld des Klägers für eine Obstlieferung der Chem. Industrie
A.-G. verrechnet, worauf ihm der Kläger für die 5000 Fr. quittiert
habe. Von einer Verrechnung der 450 Fr. sei zwischen ihm (dem Zeugen)
und dem Kläger nicht die Rede gewesen. Nach der Auszahlung sei der Kläger
fortgegangen. Eine halbe Stunde darauf sei er aber Wiedergekommen und
habe gefragt, ob er (der Zeuge) einen Brief gesehen haben, den der Kläger
an den Beklagten gerichtet'habe. Der Zeuge habe dies verneint

74 Obligatiouenrecht. N ° 10.

und beigefügt, einen solchen Brief hätte er (der Zeuge) in die Hände
bekommen müssen .

Am gleichen Tage zahlte der Kläger auf, dem Bureau des Rechtsagenten
Lüde (das sich im gleichen Hause wie dasjenige der Chem. Industrie
AEG. befindet) die 450 Franken an eine Angestellte des Lüde. Diese wollte
Zuerst die 450 Fr. nicht entgegennehmen, weil der Kläger bereits zur
Zahlung von 500 Fr. aufgefordert worden sei. Auf Zureden des Klägers nahm
sie aber den Betrag schliesslich doch in Empfang. Der etwas aufgebrachte
Kläger sagte insbesondere, er habe vom Beklagten 5000 Fr. zugute gehabt ,
und zeigte dem Bureaufraulein den'bezüglichen Vertrag.

Mit Zuschrift vom 4. August an Lüde protestierte der Kläger sowohl gegen
die Kündigung als gegen den geforderten Strafzins, indem er sich auf ein
Schreiben berief, das er am 26. Juli an den Beklagten gerichtet und in
welchem er bezüglich des Betrags von 450 Fr. seinen Kompensationswillen
kundgegeben habe.

B. Durch Urteil vom 30. November 1916 hat das Obergericht des Kantons
Zürich über das Rechtsbegehren :

Ist gerichtlich festzustellen :dass die Kündigung des Sehuldbriefes
von 10,000 Fr_. d. d. 29. Juni 1914, hat' tend auf der Liegenschaft
des Klägers, Scheuchzer strasse 20 in Zürich, auf den 2. Februar 1916
unstatt halt und dieser aufzuheben sei ?

erkannt:

Die vom Beklagten auf den 2. Februar 1916 erlassene Kündigung des
Sehuldbriefes von 10,000 Fr. (1. d. } 29. Juni 1914, hattend auf der
Liegenschaft scheuch zerstrasse 20 in Zürich 6, Wird als unzulässig
erklärt.

Dieses Urteil beruht auf der Erwägung, dass zwar an sich eine verspätete
Zinszahlung im Sinne des Schuldhrieftenors vorliege, dass aber in der
Geltendmachung des dem Gläubiger unter dieser Voraussetzung eingeräumten
Kündigungsrechtes nach den Verhältnissen des Obligationenrecht. N° 10. 75

konkreten Falls eine missbräuchliche Rechtsauslihung im Sinne des Art. 2
Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB liege.

C. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung ergriffen, mit dem Antrag auf Abwe'isung der Klage.

Das Bundesgericht zieht i n E r W ä g u n g :

1. Nach dem unzweideutigen Wortlaute des verliegenden schuldbriefes
war der Beklagte zur Kündigung des Kapitals von 10,000 Fr. auf einen
Termin von 6 Monaten berechtigt, sobald ein JahreSzins nicht innerhalb
eines Monats seit Verfall beglichen wurde. Nun ist unbestritten, dass
"am 1. Juli 1915 ein Jahreszins von 450 Fr. verfallen war und dass der
Kläger diesen Betrag am 1. August, als die Monatsfrist ablief, nicht
bezahlt hatte. Die am 2. August im Namen des Beklagten vorgenommene
Kündigung war somit berechtigt, sofern nicht etwa der Kläger von einem
ihm schon am 1. August zugestandenen Kompensationsrechte Gebrauch gemacht
hat. Die Erklärung, verrechnen zu wollen, brauchte nach Art. 124 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 124 - 1 Eine Verrechnung tritt nur insofern ein, als der Schuldner dem Gläubiger zu erkennen gibt, dass er von seinem Rechte der Verrechnung Gebrauch machen wolle.
1    Eine Verrechnung tritt nur insofern ein, als der Schuldner dem Gläubiger zu erkennen gibt, dass er von seinem Rechte der Verrechnung Gebrauch machen wolle.
2    Ist dies geschehen, so wird angenommen, Forderung und Gegenforderung seien, soweit sie sich ausgleichen, schon im Zeitpunkte getilgt worden, in dem sie zur Verrechnung geeignet einander gegenüberstanden.
3    Vorbehalten bleiben die besonderen Übungen des kaufmännischen Kontokorrentverkehres.

OR nicht. innerhalb der Zahlungsfrist abgegeben zu werden, sondern es
genügte, dass die beiden kompensierbaren Forderungen einander am 1. August
gegenüberstanden und dass der Kompensationswille zum Ausdruck gebracht
wurde, bevor die eine der beiden Forderungen auk andere Weise erloschen
war. Obwohl also nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz der
Beweis für die Behauptungades Klägeis, dass er den Kompensationswillen
schon am 26. Juli 1914 brieflich erklärt habe, gescheitert ist, wäre
die Klage dennoch gutzsiuheissen, wenn der Kläger, Wie er behauptet,
am 3. August, nachdem er die Kündigung erhalten hatte, mündlich erklärt
hätte, dass er seine Zinsschuld mit-dem entsprechenden Teil der ihm
gegen den Beklagten zustehenden, schon am 31. Juli fällig gewordenen
GegenkorderungverrechneNicht nur hat aber der Kläger den Beweiseiner
solchen

Je Obligationenrecht. N° 10.

Erklärung nach der, wiederum. verbindlichen Feststellung der Verinstanz
nicht erbracht, sondern es muss in seinem Verhalten sogar ein V e r
z i c h t auf die Verrechnung erblickt werden. Wollte der Kläger sich
die Möglichkeit der Verrechnung wahren, so durfte er weder die ihm vom
Beklagten geschuldeten vollen 5000 Fr. entgegennehmen, noch dem Beklagten
oder dessen Stellvertreter Lüde die 450 Fr., die er dem Beklagten
schuldete, in bar auszahlen ; denn sobald er das eine oder das andere tat,
bewirkte er die Tilgung der einen der beiden kompensierbaren Forderungen,
so dass-die Verrechnung unmöglich wurde. Nun hat aber der Kläger
sowohl die ihm vom Beklagten geschuldeten 5000 Fr. entgegengenommen,
als auch die 450 Fr., die er dem Beklagten schuldete, dem Agenten Lüde
in bar ausbezahlt. Dadurch hat er nach dem Gesagten auf die Verrechnung
verzichtet und anerkannt, dass er am 2. August, also nach Ablauf

der im Schuldbrief festgesetzten Zahlungsfrist, den Jah-

reszins von 450 Fr. noch schuldig gewesen sei.

2. Darin, dass der Beklagte aus diesem Verhalten des Klägers die nach
den Bestimmungen des Schuldbriefes zulässigen Konsequenzen zieht, kann
unter den Umständen des vorliegenden Falls ein 0 f 'f e n b a r e r R
e c h t smissbrau ch im Sinne des Art. 2 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB nicht ge-funden
werden. Diese Gesetzesbestimmung bezweckt (vergl. Praxis II N° 40
i. f. und N° 99 i. f.) einen Schutz gegen die Urgierung des formellen
Rechts in Fällen, in denen dem Geschädigten ein anderes Schutzrnittel
versagt war; nicht aber kann sie von demjenigen angerufen werden, der
sich wie im vorliegenden Falle der Kläger durch sein eigenes nachlässiges
oder ungeschicktes Verhalten einen Rechtsnachteil zugezogen hat.

Anders würde es sich mit der Anwendbarkeit des Art. 2 A b s. 1 ZGB
verhalten, wenn nachgewiesenen massen der Kläger am 3. August 1915 die
5000 Fr. nur auf aneden des Beklagten entgegengenommen und der Beklagte
mit diesem Zureden gerade den Zweck verfolgt

,... ss ss. __.......:..Obligationenrecht. N° 11. 77

hätte, den Kläger um sein Kompensationsrecht zu bringen. Alsdann würde ein
ähnlicher Fall Wie in BGE 38 II N° 73 vorliegen, was nach den dortigen
Ausführungen zum Schutze der Klage führen könnte. Allein die Vorinstanz
hat ausdrücklich erklärt, dass nicht zu ermitteln sei, ob der Kläger
dem Beklagten am 3. August 1915, als er am Schalter einige Worte mit
ihm sprach, überhaupt eine Andeutung über eine von ihm beabsichtigte
Verrechnung machte, und ob der Kläger nur auf das Zureden des Beklagten
und dessen Ersuchen, den Zins nun an Rechtsagent Lüde zu zahlen, auf
der Kompensation nicht bestand. Nach dieser, für das Bundesgericht
verbindlichen negativen Feststellung des kantonalen Richters ist der
rechtsgenügliche Beweis für ein Verhalten des Beklagten, das im Sinne
des Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
Abs.. 1 ZGB gegen Treu und Glauben verstossen wiirde, nlcht er-

bracht. . Die Klage muss somit abgewiesen werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird gutgeheissen
und die Klage abgewiesen.

11. Arrèt de la Ire section civile da 2 mars 1917 dans la cause Pricam
contre Junocl.

Responsabilité à raison du fait d'autrui: celui qui confic un travail
à un entrepreneur mdependant

.

n'est pas responsable du dommage cause dans lexécutxon ,

de ce travail par l'entrepreneur ou son personnelr

Junod est locataire d'une arcade de l'immeuble quai de la Poste dans
lequel L. Pricarn occupe des locaux en sous sol. En' octobre 1915 Junod
a fait installer l'electricité par les soins d'un sieur Vigny. Celui-ci
a charge du travail un ouvrier qui par accident perca un tuyau
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 43 II 72
Datum : 01. März 1917
Publiziert : 31. Dezember 1918
Quelle : Bundesgericht
Status : 43 II 72
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 72 Obligationenrecht. N° 10 Par ces motifs, -- le Tribunal federal prononce: Le


Gesetzesregister
OR: 124
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 124 - 1 Eine Verrechnung tritt nur insofern ein, als der Schuldner dem Gläubiger zu erkennen gibt, dass er von seinem Rechte der Verrechnung Gebrauch machen wolle.
1    Eine Verrechnung tritt nur insofern ein, als der Schuldner dem Gläubiger zu erkennen gibt, dass er von seinem Rechte der Verrechnung Gebrauch machen wolle.
2    Ist dies geschehen, so wird angenommen, Forderung und Gegenforderung seien, soweit sie sich ausgleichen, schon im Zeitpunkte getilgt worden, in dem sie zur Verrechnung geeignet einander gegenüberstanden.
3    Vorbehalten bleiben die besonderen Übungen des kaufmännischen Kontokorrentverkehres.
ZGB: 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • zeuge • verhalten • monat • bundesgericht • schalter • zins • tag • vorinstanz • innerhalb • schuldner • brief • empfang • barzahlung • zahl • rechtsbegehren • richterliche behörde • angewiesener • fund • verzug • zinsfuss • weiler • sprache • formelles recht • 1919 • mass • richtigkeit • treu und glauben • aktiengesellschaft • termin
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