166 · Staatsrecht.

sachen als berechtigt anerkannt,_die einen bedeutsamen Eingriff in
die höchstpersönliche Rechtssphäre zum Gegenstande haben (wie z. B;
die administrative Versetzung einer Person in eine Zwangsarbeitsanstalt
: AS 30 I N° 48 Erw. 253. 280). Das trifft aber auch im vorliegenden
Falle zu. Denn für die Rechtsstellung des Rekurnenten ist die Frage der
Gültigkeit seiner Einbürgerung im Kanton Zürich und der dadurch bedingten
Erlangung des Schweizerbürgerrechts unzweifelhaft von

erheblicher Bedeutung. Dabei hängt die Beantwortung

dieser Frage wesentlich nur von der Würdigung des Verhaltens des
Rekurrenten ab, und mangels jeder gesetzlichen Ordnung der Materie hat
das Ermessen der entscheidenden Behörde freiesten Spielraum, wie der
Regierungsrat mit dem Hinweis in der Rekursantwort auf die in Anspruch
genommene freie Beweiswiirdigung wohl hervorheben Will. Unter diesen
Umständen drängt es sich geradezu auf, dem privaten Interessenten
wenigstens das Minimum der formellen Garantien eines unparteiischen und
gerechten Entscheides, das in der Gewährung des rechtlichen Gehörs liegt,
nicht zu versagen. Ein kontradiktorisches Verfahren zwischen dem 0 h e
rg e r i c h t und dem Rekurrenten kam natürich nicht in Frage; vielmehr
war diesem ,letztem Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber der vom G
e m e i n d e r a t W ü lf I i n g e n erstatteten,Vernehmlassung zu
geben. Dass dies nicht geschehen ist, begründet eine verfassungs-widrige
Verweigerung des rechtlichen Gehörs und damit einen formellen Mangel
des angefochtenen Beschlusses, der dessen Aufhebung ohne Rücksicht auf
die materielle Sachlage rechtfertigt.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt : Der Rekurs Wird gutgeheissen
und der Beschluss des

Regierungsrates des Kantons Zürich vom 16. März 1917 aufgehoben.Gleichheit
vor dem Gesetz. N° 23. 167

23. Urteil vom 29. Juni 1917 i. S. Solothmîscho Volkspartei Olten und
Zimmermann gegen Regierungsrat Solothurn.

Erfordernis eines persönlichen Interesses für die Legitimation zum
staatsrechtlichen Rekurs. Einführung der fakultativen unentgeltlichen
Kremation durch eine solothumische Gemeinde unter Heranziehung eines
privaten Feuerbestattungsvereins zum Bau und Betrieb des Krematoriums
: Nichtanfechtbarkeit aus dem Gesichtspunkte des Art. 4 BV; nicht
willkürliche Auslegung und Anwendung des einschlägigen kantonalen
(solothurnischen) Rechts (Gesetz über die öffentliche Gesundheitspflege
von 6. Mai 1882, Art. 1 u. 2 litt. l ; Verordnung über Aussetzung und
Beerdigung der Verstorbenen vom 10. August 1835). Verletzung des Art. 49
Abs. 6 BV '?

A. Am 19. August 1915 hatte die Einwohnergemeindeversammlung von
Olten eine Motion des Feuerbestattungsvereins Olten, auf dem neuen
Gemeindefriedhof im Meisenhard ein Krematorium zu errichten, erheblich
erklärt, und es hatte in der Folge der Einwohnergemeinderat'mit dem
Feuerbestattungsverein eine Vereinbarung über die Erstellung und den
Betrieb des Krematoriums Olten , folgenden Inhalts, getroffen :

1. Mit der Eröffnung des Krematoriums wird in Olten die Feuerbestattung
der Erdhestattung von gemeinde wegen gleichgestellt. Jedem Einwohner
wird die unent geltliehe Kremation gewährt, in gleicher Weise, wie jedem
die unentgeltliche Erdbestattung zusteht.

2. Zur Erleichterung der Gleichstellung beider Bestattungsarten leistet
der Feuerbestattungsverein Olten an die auf 40,000 Fr. veranschlagten
Gesamt kosten des Krematoriums einen Beitrag von 15,000 Fr., D zahlbar
auf 1. Februar 1917. .

3. Der .Feuerbestattungsverein Olten übernimmt den Betrieb und die Leitung
des Krematoriums auf die Dauer von 5 Jahren nach einem vom Gemeinderat zu

ASB 1 1917 is

168 ss Staatsrecht.

erlassenden Reglement. Der Gemeinde steht im Vorstand des,
Feuerbestattungsvereins Olten eine Vertretung zu.

4. Bei Auflösung des FeuerbestattungsvereinsOlten , geht dessen
Vermögen an die Einwohnergemeinde Olten über. Es muss zur Förderung
der Feuerbestattung verwendet werden.

Am 2 Juli 1916 sodann fasste die Einwohnergemeindeversammlung von
Olten nach demAntrage des Einwohnergemeinderates unter Opposition der
(katholischen) Volkspartei den Beschluss :

si Im Anschluss an die Abdankungshalle ist ein Kreme torium zu
erstellen, und es wird hiekür als Anteil der Gemeinde ein Kredit von
25,000 Fr. bewilligt. Der Einwohnergemeinderat wird mit dem Vollzug
dieses Beschlusses beauftragt.

Hierauf erhoben die heutigen Rekurrenten (die Solothurnische Volkspartei
Olten als solche und deren Angehöriger Alfred Zimmermann auch noch
persönlich) beim Regierungsrat des Kantons Solothurn BeschWerde mit dem
Begehren, der von der Einwohnergemeinde Olten, am 2. Juli 1916 gefasste
Beschluss betr. den Bau und Betrieb eines Krematoriums und die Bewilligung
der dazu nötigen Kredite sei als gesetzwidrig und ungültig aufzuheben. Sie
machten unter Vorlage eines Rechtsgutachtens von Prof. Dr. U. Lampert
in Freiburg kurzgefasst geltend:

Nach dem kantonalen solothurnischen Recht, in dessen Rahmen sich
die Verwaltung der Gemeinden gemäss Art. 54 KV und den Vorschriften
des Gemeindegesetzes vom 28. Oktober 1871 zu bewegen habe, sei die
Feuerbestattung nicht zulässig da die einschlägige Verordnung des kleinen
Rates der Republik Solothurn vom 10. August 1835 betr. Aussetzung und
Beerdigung der Verstorbenen als einzige Bestattungsart die Erdbestattung
vorschreibe. Ueber diese verfassungsund gesetzmässige Ordnung habe die
Einwohnergemeinde Olten sich mit dem ange-

fochtenen Beschluss hinweggesetzt. Zudem ginge es, wenn auch die
Feuerbestattung zu-Gleichheit vor dem Gesetz. N° 23. _ 169

lässig wäre, mit Rücksicht darauf, dass das Bestattungswesen eine
Aufgabe der öffentlichen Verwaltung bilde, nicht an, den Betrieb eines
Krematoriurns einem privaten

'. Verein, wie hier dem Feuerbestattungsverein Olten, zu .

übertragen.

vSoWeit die Kremation in Olten nach der Vereinbarung zwischen dem
Einwohnergemeinderat und dem Feuerbestattungsverein unentgeltlich gewährt
werden wolle, liege ein Finanzbeschluss vor, der bei der Finanzlage
der Gemeinde nach den steuerund finanzrechtlichen Bestimmungen des
Gemeindegesetzes nicht haltbar sei.

Endlich involviere der angefochtene Beschluss einen Missbrauch der
Majoritätsrechte gegenüber der Minderheit der römisch-katholischen
Einwohnerschaft, indem diese letztere dadurch genötigt werden wolle,
auf dem Steuerwege an eine Einrichtung Beiträge zu leisten, die sie aus
religiösen Gründen niemals billigen könne.

B. Mit Beschluss vom 9. März 19127 wies der Regierungsrat die
Beschwerde ab. Er bemerkt zur Begründung zunächst, dass jedenfalls
A. Zimmermann zur Beschwerdeführung legitimiert sei, und tritt sodann
den Beschwerdeargumenten mit wesentlich folgenden Erwägungen entgegen :

Die solothurnische Gesetzgebung beschäftige sich mit dem Bestattungswesen
neben der kleinrätliehen oder, nach heutigem Sprachgebrauch,
regierungsrätlichen Verordnung vom 10. August 1835 noch im Gesetz
vom 30. April 1882 betr. die öffentliche Gesundheitspilege und
Lebensmittelpolizei, das es als Recht und Pflicht des Staates und der
Gemeinden erkläre, die öffentlichen Gesundheitsinteressen zu fördern,
und zu diesem Zwecke u. a. der öffentlichen Kontrolle unterstehe
: Leichenbestattung und Begräbnisplätzc (gg 1 und 2 litt. 1). Die
Verordnung von 1835 stehe zweifellos auf dem Standpunkt der Erdbestattung,
die damals allein bekannt gewesen sei. Das Gesetz von 1882 aber spreche
schon nicht mehr

_ von Erdbestattung, sondern nur vo n Leiche nbestattung ,

170 Staatsrecht.

worunter sowohl die Feuerbestattung als die Erdbestattung verstanden
werden könne. Es sei, wenn auch nicht sicher, so doch keineswegs
ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber diesen Ausdruck im bewussten
Gegensatz zu Erdhestattung gewählt habe, weil im Jahre 1882 der
Gedanke der Feuerbestattung in der SchWeiz bereits in der Entwicklung
begriffen gewesen sei. Auf alle Fälle müsse gemäss dem Gesetz von
1882 die Feuerbestattung '. als durchaus zulässige Bestattungsform
anerkannt werden Zwar sei deren Verfahren noch nicht näher geregelt,
wie dasjenige der Erdbestattung in der Verordnung von 1835; doch werde
der Regierungsrat nunmehr in Abänderung oder Ergänzung dieser Verordnung
die nötigen Vorschriften erlassen. Hiezu sei er nach Art. 38 KV und
nach der speziellen Verordnungsdelegation im Gesundheitspilegegesetz
(gg 1 und 2litt. I, in Verbindung mit § ll) kompetent. Die gleiche
Ermächtigung zur Regelung des Bestattungswesens hätten aber kraft ihrer
Autonomie, soweit kantonale Vorschriften nicht entgegenständen, auch
die solothurnischen Gemeinden. Die Gemeinde Olten sei daher berechtigt,
die Feuerbestattung der Erdbestattung gleichzustellen.

Auch die Vereinbarung der Gemeinde mit dem Feuer-

bestattungsverein, wonach dieser den Betrieb des Kre-_

matoriurns für die Dauer von 5 Jahren übernehme, werde zu Unrecht
beanstandet. Diese Vereinbarung bilde zwar formell nicht Gegenstand des
angefochtenen Gemeindebeschlusses, doch sei sie zugestandenermassen
abgeschlossen worden, und'die Beschwerde richte sich nicht nur gegen
den Bau, sondern auch gegen den Betrieb des Krematoriums. Nun sei
allerdings die Delegation der Verwaltungsaufgabe des Bestattungswesens
an einen privaten Verein im solothurnischen Recht ausdrücklich
nicht vorgesehen. Allein für die Erdbestattung sei eine solche
Bestimmung niemals notwendig gewesen, da es zu keiner Zeit private
Erdbestattungs-vereine gegeben habe, und für die Feuerbestattung
Gleichheit vor dem Gesetz. N° 23. _ 171

sei die Frage bisher noch nicht aufgeworfen worden. Das solothurnische
Recht enthalte über die Feuerhestattung überhaupt noch keine Vorschriften,
sondern weise in dieser Hinsicht eine Lücke auf, welche durch einen
autonomen Gemeindebeschluss ausgefüllt werden könne. Es liege in der Natur
der Sache und sei vernunftge'mäss, dass eine Gemeinde eine öffentliche
Verwaltungsaufgabe durch einen gleichartige Zwecke vez-folgenden privaten
Verein ausführen lassen könne, wenn dies im Interesse der Gemeinde liege
und diese sich nach allen Richtungen hin das Aufsichtsrecht über die
Durchführung wahre, wie das hier geschehen sei. Analoge Erscheinungen
zeigten sich auf zahlreichen Gebieten der Oel'ientlichkeit. Wasserund
Lichtversorgung seien zweifellos auch öffentliche Verwaltungsaufgaben,
und trotzdem seien sie in vielen solothurnischen Gemeinden privaten
Vereinen übertragen. Ebenso werde der Eisenbahnverkehr heute wenigstens
zum Teil noch von privaten Erwerbsgesellschaften besorgt. Ferner habe der
solothurnische Gesetzgeber in § 39 des Armengesetzes vom 17. November
1912 den Einwohnergemeinden ausdrücklich das Recht eingeräumt, die
Besorgung ihrer Armengeschäfte an private Vereine zu delegieren.

Das Oberaufsichtsreoht des Regierungsrats in Bezug auf die Finazverwaltung
der Gemeinden beschränke sich gemäss § 92 des Gemeindegesetzes auf
die Anordnung zweckdienlicher Massregeln in Fällen, wo eine Gemeinde
durch fortdauernde Verschwendung oder ungesetzliche Verwaltung
ihr Vermögen gefährden würde. Es bedürfe jedoch keiner weitern
Ausführungen darüber, dass nach der Finanzlage der Stadt Olten der
angefochtene. Gemeindebeschluss weder als Verschwendung noch als
ungesetzliche Vermögensverwaltung bezeichnet werden könne. Ob der
steuer-weg zur-Deckung der für den Bau und Betrieb des Krematoriums
nötigen Ausgaben beschritten werden müsse, lasse sich dermalen noch
nicht sagen. Wäre es aber auch der Fall, so würde sich der Regierungs-

172 Staatsrecht.

rat nach seiner bisherigen Praxis nicht zum Einschreiten veranlasst
sehen. Wenn die Majorität einer Gemeinde finde, die Errichtung und der
Betrieb eines Krematoe riums sei notwendig und liege im Gemeindeinteresse,
so werde er auch dann nicht Veranlassung nehmen, dagegen einzuschreiten,
wenn die Notwendigkeit einer solchen Gemeindeobliegenheit bestritten
sei. Auch aus gemeindefinanziellen Gründen bestehe daher kein Grund zur
Nichtigkeitserklärung des angefochtenen Beschlusses.

Der Vorwurf des Missbrauchs der Majoritätsrechte wäre nur berechtigt,
wenn durch den angefochtenen Gemeindebeschluss veriassungsmässige
Individualrechte verletzt Würden, etwa in der Weise, dass jemand gezwungen
wäre, sich kremieren zu lassen. Das sei jedoch nicht der Fall. Ob bei
den der Einrichtung der Feuerbestattung in Olten zustimmenden Bürgern
kirchenoder religiousfeindliche Empfindungen mitbestimmend gewesen
seien, bleibe sich ganz gleichgültig, so gut es bedeutungslos wäre,
wenn aus religiösen Empfindungen und Motiven eine Gemeindeversammlung
die Einführung der Kremation ablehnen würde.

Zum Schlusse führt der Regierungsrat noch die Grundsätze auf, die er für
die in Aussicht gestellte Verordnung über die Feuerbestattung InitBezug
auf deren Voraussetzungen sanitärischer, sicherheitspolizeilicher
und kriminalistiseher -Tatu1-, sowie auf das Verfahren als wegleitend
betrachte.

C. Gegen den vorstehenden Beschluss des Regierungsrat-; haben die
Solothurnische Volkspartei Olten und Alfred Zimmermann rechtzeitig den
staatsrechtlichen Reknrs an das Bundesgericht ergriffen und beantragt:

]. Es sei in Annulierung des regiemngsrätlichen lintschcides der Beschluss
der rekursbeklagten Einwohnergemeinde Olten vom 2. Juni 1916 betr. den
Bau und Betrieb eines Krematoriums in Olten und die Bewilligung der dazu
notwendigen Kredite aufzuheben-

2... (Kosten.)Gleichheit vor dem Gesetz. N° 23. . 173

Sie rügen in erster Linie, dass das regieruugsrätliche Protokoll schon
vor der Beschlussfassung des Regierungsrates der Rekursbeklagten zur
Einsicht und Anbringung eventueller Wünsche für die Redaktion zugestellt
worden sei, und bemerken, ein derartig merkwürdiges Vorkommnis vertrage
sich kaum mit den Grundsätzen eines geordneten und objektiven Verfahrens
und berechtige sie wohl, die Unbefangenheit des Regierungsrates als
beurteilender Instanz in Zweifel zu ziehen.

Sodann erneuern sie die im kantonalen Beschwerdeverfahren vorgebrachten
Argumente und berufen sich

. dahei auf Art. 4BV in Verbindung mit Art. 54 sol. KV

und auf Art. 49 BV.

Der Regierungsrat nehme rein willkürlich an, dass das Sanitätsgesetz
vom 30. April 1882 als Grundlage für die Einführung der Kremation im
Kanton Solothurn gelten könne. Er behaupte ohne jeden Anhaltspunkt,
das Wort Leichenbestattung sei darin im Gegensatz zur Erdbestattung
der Verordnung von 1835 gewählt werden, und widerspreche sich insofern
selbst, als er später zugebe, dass das solothurnisehe Recht überhaupt
keine Bestimmungen über die Feuerbestattung enthalte. Das Sanitäts-gesetz
habe keine Erweiterung des kantonalen Beerdigungsrechts und Speziell keine
Aenderung des 1835 festgestellten Beerdigungsmodus gebracht, sondern es

'nmschreibe nur die Aufgabe der Gesundheitspolizei und

gehe dabei die Anweisung, auch Leichenbestattung und Beerdigungsplätze
unter diesem Gesichtspunkte ins Auge zu fassen. Die Zulässigkeit der
Feuerbestattung könne ferner auch nicht ohne Willkür durch authentische
Interpretation der Verordnung von 1835 begründet

_ werden, da diese Verordnung sich, wie der Regierungsrat

selbst zugebe, nur mit der Erdbestattung beiasse. Das Sanitätsgesetz
aber delegiere dem Regierungsrat kein selbständiges Verordnungsrecht
auf dem Gebiete des Begräbniswesens, wenigstens soweit nicht, als es
sich um die Einführung einer ganz neuen Bestattungsart handle.

174 Staatsreeht.

Denn das Gesetz enthalte keine Bestimmungen über den Bestattungsmodus;
folglich wäre eine Verordnung, die eine neue Bestattungsart einführen
würde, gesetzesergänzend und deshalb als V o l l z ie h u n g s
verordnung zu weitgehend. Uebrigens habe ja der Regierungsrat noch
gar keine Verordnung über die Feuerbestattung erlassen, sondern im
angefochtenen Besehlusse erst die aller-primitivsten Normen hierüber
in Aussicht gestellt. Dabei gehe er zu, dass die Leichenverbrennung
nicht bloss ein Gegenstand der Sanitätspolizei sei, sondern auch von
Voraussetzungen sieherheitspolizeilieher und kriminalistischer Natur
abhängig gemacht werden müsse. Eine gesetzmässige Verordnungskompetenz
des Regierungsrats in Materien kriminalistischen Charakters oder
sicherheitspolizeiiicher Natur aber sei nicht nachgewiesen.

Bezüglich des Beschwerdegrundes, dass eine öffentlichrechtliche
Verwaltungsaufgahe nicht an einen Privatverein, zum mindesten nicht ohne
gesetzliche Delegation, übertragen wei den könne, habe der Regierungsrat
der strikten und zwingenden Beweisführung des Gutachtens *Lampert
lediglich Behauptungen und Negationen entgegengesetzt und sich so auch in
diesem Punkte der Willkür und Rechtsverweigerung schuldig gemacht. Dass
im Armenwesen, das auf die Unterstützung durch freiwillige Verbände gar
nicht verzichten könne, der Gesetzgeber es für nötig gefunden habe, eine
Delegationsbefugnis für die Getreinde auszusprechen, beweise eben, dass
eine solche Befugnis sonst nicht bestehe. Und bei Wasserversorgung,
Lichtversorgung etc., handle es sich um in das Gebiet sowohl der
privaten Gewerbeireiheit, als auch der kommunalen Sozialpolitik fallende
Gegenstände, die -solange sie nicht durch Staatsoder Gemeindemouopoi
verstaatiicht oder kommunalisiert seien ehensowohl von Privatverbänden wie
von öffentlichen Korporationen an die Hand genommen werden könnten. Das
Beerdigungswesen dagegenysei der Privat-

Wu ann.

. . ._z rx Tffl rsi-si * -Gleichheit vor dem Gesetz. N° 23. 175

initiative gänzlich entzogen, durch das öfientliche Recht geordnet und
den Gemeinden zur Besorgung übergeben si als einfach durchaus öffentliche
Aufgabe .

Auch die , finanzrechtlichen Bestimmungen des Gemeindegesetzes habe
der Regierungsrat willkürlich ausgelegt. Seine Annahme, dass die Kosten
des Kremations-

_ betriebes nicht auf dem Steuerwege gedeckt werden müss-

ten, habe nichts als ungewisse und unhegründete Vermutungen zur
Grundlage. Falle sie aber dahin, so müsse nach § 81 des Gesetzes die
Notwendigkeit der Steuer nachgewiesen werden. Sie ergehe sich nicht schon
aus der zufälligen Stimmenmehrheit einer Gemeindeversarnrnlung, sondern
bedürie objektiver Gründe. Es sei aber schon in der Besehwerdesehriit
an den Regierungsrat sogar gestützt, auf Begutachtungen der hiezu
kompetenten Organe der Rekursbeklagten selbst nachgewiesen, dass Bau
und Betrieb eines Krematoriums in Olten Weder aus hygienischen, noch
aus sparpolitischen oder sonstigen Gründen geboten sei, dass es sich
dabei Vielmehr um einen unbegründeten Aufwand handle. Ueber alle diese
Argumente habe der Regierungsrat sich hinweggesetzt.

'Die Verletzung des Art. 49 BV endlich liege darin, dass die
Rekursheklagte durch Mehrheitsbeschluss die römischkathoiischen
Steuerzahler der Stadt Olten nötige, an eine Feuerbestattungsanlage mit
ihrem Steuergelde heizutragen, obwohl eine solche Handlung gegen ihre
Gewissensansicliten 'erstosse. Diese Zumutung der Rekursbelclaglen und
des Regierungsrates könne auch nicht durch irgend einen nur plausiblen
Grund gerechtfertigt werden-,d a nicht einmal die Notwendigkeit zur
Errichtung eines Krematoriums vorliege. Es bleibe sich gewiss nicht ganz
gleichgültig, wie dei Regeirungsr'it meine, ob eine Gemeindeeilnichtung,
die alle Steuerpflichtigen bezahlen sollten, mit riicksic htslosei
Maj01isierung.ei11e G1meinderninderheit in ihrem Gewissen brutalisiere. Es
werde jemand im Gewissen verletzt nicht bloss durch den Zwang, sich
einer von ihm aus Gewissensgründen ver--

176 Staatsrecht.

abscheutenEinriehtung zu bedienen, sondern auch schon dadurch, dass er
gezwungen werde, an eine solche Einrichtung zu bezahlen.

D. Die rekursbeklagte Einwohnergemeinde Olten hat sich zu der prozessualen
Rüge der Rekurrenten wie folgt vernehmen lassen: Das solothurnische
Justizdepartement habe einige Tage vor der Beschlussfassung des
Regierungsrates dem Zivilstandsamt Olten, das mit der Stadtkanzlei
vereinigt sei und bei den (immer zahlreicher werdenden) Kremationen von
Olten, wie auch bei den Erdbestattungen in der Gemeinde jeweilen die
erforderlichen Anordnungen treffe, seinen Beschlussesantrag vorgelegt,
damit es sich zu der im Rekursentscheid beabsichtigten allgemeinen
Regelung der Feuerbestattung auf Grund seiner praktischen Erfahrungen
äussere. Eine solche Aeusserung sei dann erfolgt, aber nur von Seiten
des Zivilstandsbeamten und nur zu den'Bestimmungen über die zukünftige
Ordnung der Kremation. Ueber die Motive des Rekursentscheides selber
sei mit der Gemeinde nicht verhandelt worden.

In materieller Hinsicht hat die Rekursbeklagte sich auf die Bemerkung
beschränkt, eine Verletzung des Art. 54 sol. KV könnte wohl nur in Frage
kommen, wenn der Regierungsrat dieser Bestimmung eine einschränkende
Interpretation gegeben hätte, während er die Gemeindeautonomie ja in
vollem Umfange anerkannt und geschützt habe.

beantragt. Er tritt der Argumentation der Rekurrenten mit einlässlichen
Ausführungen entgegen, die im wesentlichen auf der Begründung des
angefochtenen Entscheides ,basieren und diese in allen Teilen aufrecht
erhalten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Rekurrenten behaupten, dass der angefochtene, den Beschluss der
Einwohnergemeinde Olten

Der Regierungsrat hat Abweisung des Rekurses Gleichheit vor dem Gesetz. N°
23. 177

betr. die Erstellung eines Krematoriums schützende Entscheid
des Regierungsrats, wie jener Beschluss selbst, in vor Art. 4
BV nicht haltbarer Weise gegen das kantonale Recht verstosse und
ferner auch die durch Art. 49 BV gewährleistete Gewissensfreiheit der
römisch-katholischen Gemeindeeinwohner verletze. Danach ist jedenfalls der
private Rekurrent Zimmermann zum staatsrechtlichen Rekurs legitimiert Denn
ein hiezu erforderliches persönliches Interesse kann ihm insofern nicht
abgesprochen werden, als Bau und Betrieb des fraglichen Krematoriums den
Gemeindehaushalt belasten, an dem er als steuerpflichtiger Einwohner
interessiert ist. Auf den Rekurs muss somit eingetreten werden, auch
wenn die Legitimation des mitrekurrierenden politischen Verbandes als
solchen zu verneinen wäre, was deshalb dahingestellt bleiben kann.

2. Die einleitende prozessuale Rüge der Rekurrenten, zu der sich die
Rekursheklagte hat vernehmen lassen, bedarf keiner Erörterung, da die
Rekurrenten daraus keinen staatsrechtlichen Beschwerdegrund ge-macht
haben.

3. In materieller Hinsicht nehmen die Rekurrenten zunächst den
Standpunkt ein, die rekursbeklagte EinWohnergemeinde sei zur Einführung
der Feuerbestattung grundsätzlich nicht befugt, weil das kantonal
solo-thurnische Recht, in dessen Schranken sich die Selbstverwaltung der
Gemeinden gemäss Art. 54 KV zu bewegen habe, sie ausschliesse. Nun kann in
der gegenteiligen Annahme des Regierungsrats eine Verletzung des Art. 54
KV, den die Rekurrenten zusammen mit Art. 4 BV anrufen, von vorneherein
nicht gefunden werden. Denn dessen Garantie des Selbstverwaltungsrechts
der Gemeinden ( Die Gemeinden ordnen innerhalb der Schranken der
Verfassung und der Gesetze ihre Angelegenheiten selbständig ) könnte
nur dadurch verletzt werden, dass ein Gemeindebeschluss als über die
Schranken des Verfassungsoder Gesetzesrechts hinausgehend aufgehoben

178 Staatsrecht.

Würde, während der hier in Frage stehende Beschluss vom Regierungsrat
als jene Schranken nicht überschreitend geschützt werden ist. Der
Entscheid des Regierungsrats kann nur wegen Verletzung des einschlägigen
kantonalen Gesetzesund Verordnungsrechts angefochten werden, wobei
die bundesgerichtliche Kognition auf den durch Art. 4 BV gegebenen
Gesichtspunkt der Willkür beschränkt ist.. Auf diesem Boden aber erweist
sich der Rekurs als offenbar unbegründet.

Das Bestattungswesen gehört im Kanton Solothurn, wie-anderwärts
zum Bereich der öffentlichen Verwaltung. Das kantonale Gesetz über
öffentliche Gesundheitspflege und Lebensmittelpolizei vom 6. Mai 1882
(das im Rechtsgutachten Lampert nicht berücksichtigt ist) unterstellt
Leichenbestattung und Begräbnisplätze der gesundheitspolizeilichen
Kontrolle und betraut mit deren Handhabung unter der Oberauisicht des
Regierungsrats in erster Linie die zuständigen Ortsbehörden (gg 1,
2 litt. i und 3). Die Ordnung der Leichenhestattung bildet also eine
Aufgabe der Gemeinden, bei deren Erfüllung diese, wie überhaupt bei
ihrer Verwaltungstätigkeit, an die kantonalen Vorschriften und Weisungen
gebunden sind. Solche enthält nun die kleinrätliche (regierungsrätliche)
Verordnung vom 10. August 1835 über Aussetzung und Beerdigung der
Verstorbenen, indem sie bestimmt, dass die Leichen in der Regel nicht
früher als zweimal 24 Stunden nach dem Absterben zur Erde hestattet
werden sollen, und anschliessend das dabei zu beobachtende Verfahren,
sowie die Anlage der Friedhöfe und Gräber näher regelt. Der Inhalt dieser
Verordnung führt aber nicht, wie die Rekurrenten meinen, zwingend zu
dem Schlusse, dass im Kanton Solothurn nur die Erdbestattung zulässig
sei. Vielmehr erscheint die Auffassung des Regierungsrats, dass zwar
die Verordnung von 1835 lediglich die Erdhestattung im Auge habe, dass
jedoch der Ausdruck Leichenbestattung des Gesetzes von 1882 allgemeiner
gehalten sei und der Einführung auch der

___sisiss-ss ,A ___--

Gleichheit vor dem Gesetz. N° Ii. 179

Feuerhestattung nicht entgegenstehe, als durchaus sachgemäss und verdient
jedenfalls nicht den Vorwurf der Willkür. Denn in der Verordnung von 1835
wird die Erdbestattung nicht etwa als einzig zulässige Bestattungsart
erklärt, sondern einfach als damaiseinzig gegebene Bestattungsart
behandelt. Und der im Gesetz 1882 verwendete Ausdruck Leichenbestattung
bezeichnet allgemein die Beseitigung der Leichen, umfasst also in der Tat
nicht nur die Leichenbeerdigung (Erdhestattung), sondern insbesondere
auch die Leichenverbrennung (Feuerbestattung). Danach aber ist die
Annahme keineswegs ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber keine bestimmte

s Bestattungsart habe vorschreiben wollen, sondern der

Vollziehung des Gesetzes in dieser Hinsicht freie Hand gelassen habe. Da
nun die Feuerbestattung in ge sundheitspolizeilicher Hinsicht der
Erdbestattung unbestreitbar mindestens gleichwertig ist, so lässt sich
sehr wohl die Auffassung vertreten, dass ihre Einführung sich nicht
nur mit dem erwähnten Wortlaut des Gesetzes vertragesondern auch nicht
gegen dessen Sinn und Geist verstosse, dass sie Vielmehr als natürliche
Anpassung des Gesetzeswillens an die Entwicklung der einschlägigen
LebensVerhältnisse anzusprechen sei. Hat doch seit Erlass des Gesetzes
die Feuerhestattung als fakultative Bestattungsart neben der Erdhestattung
mehr und mehr Boden gefasst und heutzutage in städtischen Gemeinwesen, wo
nicht konfessionell-religiöse Beweggründe ihre Zulassung zu verhindern
vermocht haben, bereits erhebliche Verbreitung gefunden. Dass die
Feuerbestattung, wie die Erdbestattung, in Bezug auf die Bedingungen
ihrer Durchführung näherer behördlicher Regelung bedarf, ist für , die
Frage ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit ohne Belang. Uebrigens ist die
Kompetenz des Regierungsrates, eine solche Regelung in Vollziehung des
Gesundheitspilegegesetzes zu treffen, nach der erörterten Auslegung dieses
Gesetzes anzunehmen. Beim Bestattungswesen als Zweig der öffentlichen
Verwaltung steht aber der gesundheits--

180 Staatsrecht.

polizeiliche. Gesichtspunkt im Vordergrunde. Für die Feuerbestattung
daneben noch in Betracht fallende Rücksichten kriminalpolizeilicher Natur
(Vorkehren gegen die Möglichkeit der Beseitigung von Verbrechesspuren
durch die Leichenverbrennung), mit denen die

Rekurrenten speziell noch argumentieren, sind nur von

akzessorischer Bedeutung und werden deshalb 'von den
gesundheitspolizeilichen Kompetenzen zur Ordnung dieser Bestattungsart
naturgemäss mitumfasst. Danach konnte der Regierungsrat sehr
wohl dem formellen Erlass der in Ansicht genommenen Verordnung
über die Feuerbestattung vorgängig bei Behandlung der vorliegenden
Beschwerdeangelegenheit allgemeine Grundsätze über die Leichenverbrennung,
wie sein Entscheid sie enthält, aufstellen und den von der Rekursbeklagten
geplanten, an sich ohne weiteres zulässigen Bau und Betrieb eines
Krematoriurns nach Massgabe dieser Grundsätze gestatten. Von Willkür des
regierungsrätlichen Entscheides kann auch nach der bisherigen Praxis des
Bundesgerichts nicht die Rede sein. Denn in den zwei Urteilen Chappuis
und Péquignot gegen Bern vom 6. Oktober 1904 (AS 30 I N° 119 Erw. 3 S. 706
f. ) und Lurati und Mitbeteiligte gegen Tessin vom 24. November 1910 hat
der Staatsgerichtshof die Zulassung der Feuerbestattung selbst da als
nicht willkürlich erklärt, wo'das massgebende kantonale Gesetzesreeht
die Leichenbestattung mit dem

wörtlich engem Ausdruck Beerdigung oder Be-

gräbnis ( inhumation , inumazione ) bezeichnet hat. Und im Urteil
Stadtrat Luzern und Mitbeteiligte gegen Luzern vom 13. März 1914, durch
das zwar der Rekurs gegen den die Kremation nicht zulassenden Entscheid
. des Regierungsrates abgewiesen werden ist, hat er in der _ Begründung
ausgeführt, dass der Regierungsrat bei gutem Willen immerhin über die
allerdings positiv auf , ausschliesslicha Erdhestattung lautende kantonale
Verordnung hätte hinweg kommen können, wobei auch eine derart freie,
jedoch den veränderten Lebensverhält-Gleichheit vor dem Gesetz. Nezs. _
" 181

nissen angepasste ,Verordnungsauslegung nicht wegen Willkür anfechtbar
gewesen wäre (Erw. 2). ·

4 Wàs die m Olten vereinbarte vorläufige Betrauuug ss des
Feuerbestattungsvereins mit dem Betrieb des Krematoriums der
Einwohnergemeinde anbetrifit, ist die Auffassung des Regierungsrats,
dass eine solothurnische ' Gemeinde eine öffentliche Aufgabe durch
einen gleichartige Zwecke .verfolgenden privaten, Verein ausführen
lassen könne, wenn dies im Interesse der Gemeinde liege und diese sich
in gehöriger Weise das Aufsichtsrecht wahre, aus dem Gesichtspunkte
des Art. 4 BV wiederum nicht zu beanstanden. Von Willkür könnte nur
die Rede sein, falls diese Auffassung einem absolut feststehenden
allgemeinen Verwaltungsrechtsgrundsatze oder aber einer si positiven
Vorschrift des solothurnischen Rechts zuwiderlaufen würde. Eine Vorschrift
letzterer Art haben jedoch die Rekurrenten nicht namhaft gemacht. Aus
der Bestimmung im Gesetz betr. die Armenfürsorge vom 17. November 1912,
wonach die Gemeinden die Besorgung ihrer Armengeschäfte auf ihre Kosten
einer organisierten freiwilligen Armenpflege übertragen können (è 39),
ist nicht notwendig nach dem argumentum a contrario zu schliessen, dass,
soweit ein gesetzlicher Vorbehalt nicht besteht, die Heranziehung privater
Verbände zur Erfüllung von Gemeindeverwaltungsaufgaben unzulässig
sei. Man kann darin vielmehr ebensogut einfach die aus.drüekliche
Bestätigung der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens finden, die sich in
dem neueren Gesetz zwanglos daraus erklärt, dass die organisierte private
Armenfürsorge eine bei Erlass des Gesetzes bereits vielfach eingelebte
Erscheinung bildet. Und dass die Mitbeteiligung privater Organisationen
an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben keinem allgemeinenGrundsätze
der Staatsverwaltung widersprieht, wird durch die vom Regierungsrat
angeführten Beispiele solcher Privattätigkeit zur Genüge dargetan. Die
Rekurrenten vermögen denn auch keine sachlichen und praktischen Gründe
hiegegen namhaft zu

182 si .. Stagni-echt. -

machen. Es ist nicht erfindlich, warum speziell das Be? stattungswesen
eine einfach durchaus öffentliche (im Sinne einer notwendig
durch Staatsorgane selbst besorgten) Verwaltungsaufgabe bilden
sollte. Vielmehr drängt es sich auf diesem Gebiete geradezu auf,
die Feuerbestattungsvereine, welche lediglich den uneigennützigen und
dem allgemeinen Interesse dienenden Zweck der Förderung dieser neuen
Bestattungsart verfolgen, durch Heranziehung zu deren Durchführung in
den Dienst der Oeifentlichkeit zu stellen. '

5. Die Rekurrenten beschuldigen den Regierungsrat weiterhin ebenfalls ohne
Grund der willkürlichen Auslegung der _finanzrechtlichen Bestimmungen
des Gemeindegesetzes vom 28. Oktober 1871. Der § 81 dieses Gesetzes, auf
den sie sich dabei berufen, schreibt vor, dass jeder Gemeindebeschluss
für Bezug einer Steuer die Begründung der Massregel durch den
Nachweis über die Notwendigkeit und über die Verwendung der zu
erhebenden Steuer enthalten soll. Diese Vorschrift kommt vorliegend
jedenfalls direkt überhaupt nicht in Frage, da die Rekursbeklagte bisher
unbestrittenermassen die Erhebung einer Steuer zur Deckung von Auslagen
für das Krematoriurn nicht beschlo Ssenvhat. Zudem lässt sich nach dem
Zusammenhang des § 81 mit dem § 92 des Gesetzes (der den Regierungsrat
zum Einschreiten kraft seiner Oberaufsicht über die Gemeindeverwaltung
nur ermächtigt, falls eine Gemeinde durch fortgesetzte Verschwendung
oder ungesetzliche Verwaltung ihr Vermögen gefährden sollte) gewiss
sehr wohl die Auffassung vertreten, dass über die Notwendigkeit eines
Steuerbezuges, deren Nachweis § 81 fordert, und damit zugleich über
die Notwendigkeit der ihn bedingenden Massnahme, die Gemeinden an sich
selbständig zu befinden befugt seien und dass dem Regierungsrat die
Kontrolle ihres Entscheides nur aus dem Gesichtspunkte der Verschwendung,
sowie auf seine Gesetzm'a'ssigkeit zustehe. 'Die Gesetzmässigkeit des
hier streitigen GemeindebeschlussesGleichheit vor dem Gesetz. N° 23. 183

aber steht nach dem früher _Gesagten bereits fest. Und dass der
Regierungsrat gegen diesen Beschluss nach der finanziellen Situation der
Rekursbeklagten wegen fortgesetzter Verschwendung hätte einschreiten
sollen, ist weder nachgewiesen, noch auch nur ernstlich behauptet
werden. ·

6. Endlich ist auch die Beschwerde über Verletzung der Garantie
des Art. 49 BV offenbar unbegründet. Die Rekurrenten erklären, sich
dadurch in ihrem Gewissen beschwert zu fühlen, dass sie zufolge des
angefochtenen Beschlusses gezwungen seien, mit ihrem Steuergeld an die
Kosten einer Einrichtung beizutragen', die sie aus religiösen Gründen
verabscheuten und daher selbst nicht benutzten. Diese Argumentation
zielt ab auf Art. 49 Abs. 6, wonach niemand gehalten ist. Steuern zu
bezahlen, die speziell für eigentliche Kultur-Zwecke einer ihm fremden
Religionsgenossenschaft erhoben werden. Nun handelt es sich aber beim Bau
und Betrieb eines Krematorium.. auf Kosten einer staatlichen Körperschaft
überhaupt nicht um eine religiös-kirchliche Angelegenheit, sondern um
eine rein staatliche Verwaltungssache, die an sich in keiner Beziehung zu
einem bestimmten Kultus oder zu einer bestimmten Religionsgenossenschaft
steht. Vom Standpunkte der Staatsordnung aus ist ein solches Krematorium
eine gewöhnliche Verwaltungseinrichtung, der jeder religiös-konfessionelle
Charakter mangelt. Selbst eine besonders ausgeschiedene steuer zur Deckung
der Kosten der staatlich organisierten Leichenverbrennung könnte daher
nicht als eine solche zu Kultuszwecken angesprochen und gestützt auf
Art. 49 Abs. 6 BV verweigert werden. -

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der Rekurs wird abgewiesen.

AS 43 i 1917 ia
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 43 I 167
Data : 16. marzo 1917
Pubblicato : 31. dicembre 1918
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 43 I 167
Ramo giuridico : DTF - Diritto costituzionale
Oggetto : 166 · Staatsrecht. sachen als berechtigt anerkannt,_die einen bedeutsamen Eingriff


Registro di legislazione
Cost: 4  49
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
consiglio di stato • comune • olten • cremazione • quesito • tribunale federale • am • legge sui comuni • prodigalità • autorizzazione o approvazione • polizia sanitaria • funerale • direttiva • copertura • cadavere • durata • motivo di ricorso • assistenza sociale • autonomia • interesse personale
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