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ziehen möchte, bewusster Massen im ausgesprochenen Interesse des
Institutes der Landeskirchen, zu deren Wesen. die finanzielle
Unterstützung durch den Staat gehört,
abgelehnt hat.
5. Mit der Frage der Befreiung von den Gemeindesteuern hat sich das
Bundesgericht nicht zu befassen, da die Rekurrentin den darauf bezüglichen
Teil des Entscheides der Finanzdirektion, der auf Ablehnung des Eintretens
wegen Unzuständigkeit geht, nicht angefochten hat. "
Demnach hat das Bundesgericht e r k a n nt : Der Rekurs wird abgewiesen.
22. Urteil vom 29. Juni 1917 i. S. Pinchassow gegen Regierungsrat Zürich.
In der Ungültigerklärung eines kantonalen Einbürgerungsaktes ohne
vorgängige Anhörung des beteiligten Bürgers liegt eine Verweigerung des
durch Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
A. Der Rekurrent Meier_ Pinchassow von Bachara-
(Russisch Asien) erhielt am 20. August 1913, während er in Zürich
niedergelassen war, die bundesrätliche Bewilligung, sich in der Schweiz
einzubürgern. Kurz zuvor, am 16. August, hatte er sich in London mit
Leonie Levy, einer deutschen Staatsangehörigen, trauen lassen. Unter
Verschweigung dieses Eheheschlusses erwirkte er sodann, im März 1914,
die Aufnahme in das Bürgerrecht der zürcherischen Gemeinde Wülflingen
(Gemeindebeschluss vom 8. März) und die Erteilung des zürcherischen
Landrechts (Beschluss des Regierungsrats vom 28. März).
In der Folge kam es zwischen den Eheleuten Pinchassaw-Levy zu einem
eherechtlichen Prozess, in welchem die zürcherischen Gerichte. ihre in
London eingegangene
Gleichheit vor dem Gesetz. N° 22. 163
Ehe auf die Klage der Frau und entgegen dem Standpunkte des Mannes für
rechtsgültig erklärten.
Nach Beurteilung dieser Streitsache legte die LAppellatiönskammer'des
Obergerichts dem Regierungsrat mit Schreiben vom 27. Juli 1916
unter Uebermittlung der Akten die Prüfung der Frage nahe, oh
Pinchassow, der sich fälschlicherweise als ledig ausgegeben habe,
rechtmäSsig in das Gemeindebürgerrecht von Wülflingen aufgenommen
worden sei. DerRegierungsrat holte zunächst eine Vernehmlassung des
Gemeinderates Wülflingen ein und übersandte sodann unter Zustimmung zu
der darin vertretenen Auffassung, es sollte die Einbürgerung der Eheleute
Pinchassow Lévy auf Grund von Art. 12 des BG vom 25. Juni 1903 nichtig
erklärt werden die Akten dem schweiz. Politischen Departement. Dieses
antwortete jedoch mit Schreiben vom 5. März 1917, dass der Art. 12 des
Bürgerrechtsgesetzes auf den Fall nicht anwendbar, sei (weil nicht der
Mangel einer der in Art. 2 des Gesetzes statuierten Voraussetzungen der
Einbürgerungsbewilligung im Zeitpunkte ihrer Erteilung in Frage komme),
dass dadurch aber die Befugnis des Kantons Zürich, die
erfolgte Einbürgerung aus Gründen des kantonalen
Rechts rückgängig zu machen, in keiner Weise beein-
" trächtigt werde. Hierauf fasste der Regierungsrat am
16. März 1917 ohne weiteres folgenden Beschluss :
I. Die Erteilung des Landrechts an Meier Pinchassow, Kaufmann, wird als
ungültig erklärt und es fällt damit auch die Aufnahme in das Bürgerrecht
der Gemeinde Wülflingen dahin.
II. Der Gemeinderat Wülflingen wird angewiesen, die dem Pinchassow
ausgestellten Ausweispapiere (Heimat schein, Familienschein,'
Dienstbiichlein, Bürgerrechts urkunde etc.) einzufordern und zum Zwecke
der Annul lierung der Direktion des Innern einzureichen.
Die Begründung geht dahin : In Ausfüllung einer Lücke des Gesetzes
betr. das Gemeindewesen vom 27. Juni 1875, das keine Bestimmung darüber
enthalte, ob und unter --
154 . Staatsrecht.
welchen Voraussetzungen die Erteilung eines Landrechtes ausdrücklich
aufgehoben werden könne, habe sich die zürcherische Verwaltungspraxis
stets auf den Standpunkt gestellt, dass nach allgemein anerkannten
verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ein Verwaltungsakt dann rückgängig
gemacht werden könne, wenn er auf Grund falscher Angaben über die
tatsächlichen Verhältnisse zustande gekommen sei. Ein solcher Fall liege
hier vor ; denn die Täuschung der Behörden durch den Landrechtsbewerber
Pinchassow sei nachgewiesen, und es sei mit Sicherheit anzunehmen,
dass die Gemeinde Wülflingen Pinchassow bei Kenntnis der tatsächlichen
Verhältnisse nicht in ihr Gemeindebürgerrecht auf genommen hätte.
B. Nach Zustellung dieses Regierungsratsbeschlusses hat Pinchassow
rechtzeitig den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht ergriffen
und beantragt, der Beschluss sei aufzuhehen. Unter Berufung auf die
Garantie
des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Weigerung des rechtlichen Gehörs, weil ihm von dem Verfahren auf
Entzug des Bürgerrechts überhaupt keine Kenntnis und namentlich keine
Gelegenheit zur Vernehmlassung gegenüber dem Antrag des Gemeinderates
Wülflingen gegeben worden sei, während dies mit Rücksicht auf die eminente
Bedeutung des Schweizerbürgerrechts für seine subjektive Rechtsstellung
ebensosehr geboten gewesen wäre, wie die Anhörung des beteiligten
Privaten in Bevormundungsl oder Steuerstreitigkeiten, bei denen der
Anspruch hierauf bundesrechtlich anerkannt sei. Im weitern fichi; er
den regierungsrätlichen Entscheid auch noch als materiell willkürlich an.
C. Der Regierungsrat wendet mit dem Antrag auf Abweisung des Rekurses
gegenüber dem formellen Beschwerdegrund ein : Mangels irgend welcher
Vorschriften über das Verfahren könne grundsätzlich jeder Verwaltungsakt,
der auf Grund unrichtiger Angaben über die tatsächlichen Verhältnisse
erlassen werden sei, nach freier Beweiswürdigung aufgehoben
werden.Gleichheit vor dem Gesetz. N° 22. _ 165
ss Nun habe hier um so weniger Veranlassung vorge-
legen, eine nochmalige Vernehmlassung des Rekurrenten einzuholen, als der
Beweis der Täuschung der Behörden sich aus den vom Obergericht von Amtes
. wegen übermittelten Akten auf Grund der eigenen Prozessaussagen
des, Rekurrenten ergeben habe. Der Regierungsrat wisse nicht, ob sich
der Rekurrent vorstelle, dass nochmals ein kontradiktorisches Verfahren
mit dem Obergericht als Kläger und ihm als Beklagten hätte stattfinden
sollen. Tatsächlich habe ja auch sein Vertreterin der Rekursschrift nicht
das geringste verbringen können, was geeignet wäre, die Grundlagen des
angefochtenen Beschlusses zu entkräften_
Das Bundesgericht zieht _ i n E r w ä g u n g :
Der angefochtene Beschluss des Regierungsrates stützt sich nicht
auf die Befugnis der Kantone nach Art. 12 Abs. 4 des BG über das
Schweizerbürgenecht vom 25. Juni 1903, dessen Anwendung gemäss
Art. 189 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
untersteht, sondern ausschliesslich auf das durch die Praxis entwickelte
kantonale Verwaltungsrecht. Die Beanstandung dieses Beschlusses aus dem
Gesichtspunkte des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Staatsgerichtshof zu beurteilen.
Der Regierungsrat hat unbestrittenermassen den die Einbürgerung des
Reknrrenten als ungültig erklärenden Entscheid getroffen, ohne dem
Rekurrenten zuvor Gelegenheit zur Vernehmlassung zu geben. Eine positive
Vorschrift des kantonalen Rechts, die er dadurch verletzt hätte, ist
nicht namhaft gemacht. Dagegen leitet der Rekurrent seinen Anspruch auf
vorheriges Gehör unmittelbar aus der Garantie des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Nun hat das Bundesgericht einen derartigen Anspruch im
Verwaltungs-erfahren wenn auch nicht allgemein, wie im Zivilund
Strafprozess, so doch bei solchen Streit-
166 Staatsrecht.
sachen als berechtigt anerkannt, die einen bedeutsamen Eingriff in die
höchstpersönliche Reehtssphäre zum Gegenstande haben (wie z. B; die
administrative !Versetzung einer Person in eine Zwangsarbeitsanstalt
: AS 30 I N° 48 Erw. 235. 280). Das trifit aber auch im vorliegenden
Falle zu. Denn für die Rechtsstellung des Rekurrenten ist die Frage der
Gültigkeit seiner Einbürgerung im Kanton Zürich und der dadurch bedingten
Erlangung des Schweizerbürgerrechts unzweifelhaft von
erheblicher Bedeutung. Dabei hängt die Beantwortung
dieser Frage wesentlich nur von der Würdigung des Verhaltens des
Rekurrenten ab, und mangels jeder gesetzlichen Ordnung der Materie
hat das Ermessen der entscheidenden Behörde freiesten Spielraum,
wie der Regierungsrat mit dem Hinweis in der Rekursantwort auf die in
Anspruch genommene freie Beweiswürdigung wohl hervorheben will. Unter
diesen Umständen drängt es sich geradezu auf, dem privaten Interessenten
wenigstens das Minimum der formellen Garantien eines unparteiische-n und
gerechten Entscheides, das in der Gewährung des rechtlichen Gehörs liegt,
nicht zu versagen. Ein kontradiktorisches Verfahren zwischen dem 0 b e
rg e r i c h t und dem Rekunente'n kam natürieh nicht in Frage; vielmehr
war diesem .letztern Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber der vom G
e m e i n d e r a t W ir l f l i n g e n erstatteten_Vernehmlassung zu
gehen. Dass dies nicht geschehen ist, begründet eine verfassungswidrige
Verweigerung des rechtlichen Gehörs und damit einen formellen Mangel
des angefochtenen Beschlusses, der dessen Aufhebung ohne Rücksicht auf
die materielle Sachlage rechtfertigt.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt : Der Rekurs wird gutgeheissen
und der Beschluss des
Regierungsrates des Kantons Zürich vom 16. März 1917 aufgehoben.Gleichheit
vor dem Gesetz. N° 23. . 167
23. Urteil vom 29. Juni 1917 i. S. .Solothmlsche Volkspartei Olten und
Zimmermann gegen Regierungsrat Solothurn.
Erfordernis eines persönlichen Interesses für die Legitimation zum
staatsrechtlichen Reknrs. Einführung der fakultativen unentgeltlichen
Kremation durch eine solothurnische Gemeinde unter Heranziehung eines
privaten Feuerbestattungsvereins zum Bau und Betrieb des Krematoriums
: Nichtanfechtbarkeit aus dem Gesichtspunkte des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
willkürliche Auslegung und Anwendung des einSchläglgen kantonalen
(solothurnischen) Rechts (Gesetz über die öffentliche Gesundheitspflege
von 6. Mai 1882, Art. 1 u. 2 litt. Z;Verordnung über Aussetzung und
Beerdigung der Verstorbenen vom 10. August 1835). Verletzung des Art. 49
Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. |
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1 | Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. |
2 | Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone. |
A. Am 19. August 1915 hatte die Einwohnergemeindeversammlung von
Olten eine Motion des Feuerbestattungsvereins Olten, auf dem neuen
Gemeindefriedhoi im Meisenhard ein Krematorium zu errichten, erheblich
erklärt, und es hatte in der Folge der Einwohnergemeinderat'mit dem
Feuerbestattungsverein eine Vereinbarung über die Erstellung und den
Betrieb des . Krematoriums Olten , folgenden Inhalts, getroffen :
a ]. Mit der Eröffnung des Krematoriums wird in Olten die Feuerbestattung
der Erdbestattung von gemeinde= wegen gleichgestellt. Jedem Einwohner
wird die unent geltliehe Kremation gewährt, in gleicher Weise, wie
jedem die unentgeltliche Erdbestattung zusteht.
2. Zur Erleichterung der Gleichstellung beider Bestattungsarten leistet
der Fenerhestattungsverein Olten an die auf 40,000 Fr. veranschlagten
Gesamte kosten des Krematoriums einen Beitrag von 15,000 Fr., zahlbar
auf 1. Februar 1917. .
3. DerFeuerbestattungsverein Olten übernimmt den Betrîeb und die Leitung
des Krematoriums auf die Dauer von 5 Jahren nach einem vom Gemeinderat
zu -
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