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72 , Prozessreeht. N° 12.

schriften, deren wesentliche Stellen die Beklagte ili-ihren.
Prozesseingaben angegeben hat. Uebrigens geht aus den Dariegungen der
Klägerin hervor, dass inWirklichkeit der Umfang dessen, was sie als
patentfähig beansprucht, viel enger ist, als nach der Patentsehriit'
anzunehmen

wäre. Aber auch das Beanspruchte entbehrt zweifellos ss

wegen mangelnder Neuheit der Schutzfähigkeit und , zudem ist der in den
Vordergrund gestellten Behauptung,. die Klägerin wende die Prinzipien
der Zentralheizung 'zum ersten Mal auf Gährkeller an, entgegenzuhalten,
dass für einen solchen Hinweis auf ein neues Anwendungsgebiet einer
früheren Erfindung kein Erfinderschutz erhältlich ist (vergl. EB 41 II
S. 518 und dortiges Zitat)-

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil des
Bezirksgerichts Arbon vom 11. November 1915 bestätigt.

V. PROZESSRECHTPROCEDURE

12. Urteil der II. Zivileb'oeilung vom 26. Januar 1916
i. S. Schweizerische Bodenkrlditznltdt, Revisionsklàgerin, ' gegen Lenz
und Bruders Erben, Revisionsbeklagte.

A r t . 1 9 2B 2 P ; Revision von Nichteintretensentscheiden ;
Begriff der A k t e n im Sinne von Ziff. 1 c der genannten
Gesetzesbestimmung. Art. 59 A b s . 2 und 6 3 Ziff. 1 OG-

A. Laut Vereinbarung vom 8. Mai /12. Juni und. 23. Mai 112. Juni 1914
erhielt die Revisionsklägerin von den Revisionsbeklagten den Auftrag,
zur Deckung dersiProze-srecht. N° 12. 73-

Verbindlichkeiten der Revisionsbeklagte'n deren Liegenschaften zu
liquidieren. Nachdem die Revisionskügerin den grössten Teil, der
Liegenschaften der Revisionebeklagten liquidiert hatte, weigerte sie
sich, die Liquidation weiter zu führen und soweit die Erträgnisse aus den
Liegenschaften dafür nicht ausreichten, die sich aus der Verwaltung erge-

benden Zahlungen zu leisten. Hierauf leiteten die Revi-

sionsbeklagten Klage gegen die Revisionsklägerin ein, mit der sie
verlangten, die Revisionsklägerin sei pflichtig zu erklären, die
Vereinbarungen vom Mai und Juni 1914 in allen Teilen zu erfüllen,
speziell die Verwaltung und Liquidation der Liegenschaften fortzusetzen
; ausserdem sei festzustellen, dass die Revisionsklägerin alle mit den
Liegenschaften der Revisionsbeklagten zusammenhängenden Schulden, speziell
Hypothekarzinsen, Staatsund Gemeindesteuern, Abgaben und Unkosten gegen
Über ' lassung der Erträgnisse der Liegenschaften der Revisionsbeklagten
zu bezahlen habe und nur aus den drei in den Vereinbarungen genannten
Gründen vom Vertrag zurückzutreten berechtigt sei. In Bezug auf den
Streitwert enthielt der Weisungsschein den Vermerk Streitwert über 4000
Fr. , während im Protokoll über den Klagevortrag davon nicht mehr die
Rede ist. Die Revisionsklägerin schloss auf Abweisung der Klage.

B. Durch Urteil vom 25. September 1915 hiess das Obergericht des Kantons
Thurgau die Klage gut.

C. Gegen dieses Urteil erklärte die Revisionsklägerin, ohne dabei
gemäss Art. 67 Abs. 3 OG den Streitwert ann- geben, die Berufung an das
Bundesgericht, mit den Ali-· tragen, die Klage sei abzuweisen; eventuell
sei festzustellen, dass sich ihre Pflicht zur Verwaltung und Liqui-dation
nur auf die ihr verpfändeten Liegenschaften der Revisionsbeklagten
beziehe. Durch Entscheid vom 24. November 1915 ist das Bundesgericht
auf die Berufung nicht eingetreten, weil die Unterlassung der Angabe
des Streit: wert-es in der Berufungserklärung nach ständiger Praxis die
Unwirksamkeit der Berufung nach sich ziehe, es sei

74 _ Prozessrecht. N° 12.

denn, dass nach den Akten der gesetzliche Streitwert ganz offenbar
gegeben sei, was nicht zutreffe.

D. Gegen dieses Urteil hat die Revisionsklägerin am 16. Dezember 1915
formrichtig das Rechtsmittel der Revision ergriffen, mit den Begehren,
es sei in Aufhebung des ergangenen Nichteintretensentscheides die
Berufung zur materiellen Behandlung entgegenzunehmen und die Rück.
vergütung der von ihr bezahiten Kosten dieses Ent--

. sehejdes mit 55 Fr. 60 Cts. zu verfügen, unter Kostenfolge. Die
Revisionsklägerin macht in erster Linie geltend, das Bundesgericht habe
ein Schreiben der Revisionsbeklagten an das Bezirksgericht Frauenfeld vom
31. Mai 1915 nicht gewürdigt, in welchem die Revisionsbeklagten erklären,
dass sie den Streitwert auf über 4000 Fr. taxieren. Dieses Schreiben
lag den Berufungsakten anlässlich des Nichteintretensentscheides vom
24. November 1915 nicht bei ; laut einer Zuschrift der Kanzlei des
Obergerichts des Kantons Thurgau an das Bundesgericht vom 1. Dezember
1915 befand es sich damals bei den Akten eines vom Obergericht
behandelten andern Prozesses des Revisionsbeklagten Lenz allein gegen
die Revisionsklägerin. Aus den Beilagen zum Revisionsbegehren ergibt
sich sodann, dass das Bezirksgericht Frauenfeld auf das Schreiben
der Revisionsbeklagten vom 31. Mai 1915 hin die Revisionsklägerin
am 1. Juni 1915 aufforderte, sich darüber zu erklären, ob sie
,den Streitwert ebenfalls auf über 4000 Fr. taxiere. Eine gleiche
Aufforderung richteten am 2. Juni 1915 auch die Revisionsbeklagten
selbst an die Revisionsklägerin, worauf diese am 3. Juni 1915 den
Revisionsbeklagten antwortete, dass der Streitwert schon in der
Weisung als 4000 Fr. übersteigend vorgemerkt sei, dass sie aber auch
ohne dies mit dem Vorschlag der Revisionsbeklagten einverstanden
gewesen Wäre. Diese Korrespondenz lag den Berufungsakten anlässlich der
Beurteilung der Eintretensfrage durch das Bundesgericht ebenfalls nicht
bei; ob sie dagegen dem Obergericht vorgelegen habe, ist aus den Akten
nichtPromndht. N° 12. 75

ersichtlich. In zweiter Linie stützt die Revisionsklägerin
ihr Revisionsbegehren auf eine ebenfalls erst seit dem Erlass
des, Nichteintretensentscheides beigebrachte Bescheinigung des
Friedensrichteramtes Frauenfeld vom 6. Dezember 1915, wonach laut
Verstandsprotokoll die Parteien den Streitwert_(entsprechend § 70
der thurg. ZPO) vor Friedensrichter übereinstimmend auf über 4000
Frqgeschätzt haben.

E. Die Revisionsbeklagten haben auf Abweisung des Revisionsbegehrens
geschlossen. Sie machten geltend, dass es gegen Nichteintretensentscheide
keine Revision gebe, dass die Aktenstücke, auf die sich das
Revisionsbegehren stütze, dem Bundesgericht anlässlich des
Nichteintretensentscheides nicht vorgelegen hätten und dass es
nicht auf die Bewertung des Streitgegenstandes vor Friedensrichter
und Bezirksgericht, sondern auf den vor Obergericht noch streitig
gewesenen Streitwert ankomme, derinfolge Fortsetzung der Liquidation der
Liegenschaften durch die Revisionsklägerin nicht mehr so gross wie zu
Anfang des Prozesses gewesen sei. Jedenfalls sei aus den Akten für das
Bundesgericht nicht offenbar ersichtlich gewesen, dass der Streitwert 4000
Fr. übersteige und überdies zu bemerken, dass das Urteil des Obergerichts
des Kantons Thurgau vom 25. September 1915 insofern bereits vollzogen
sei, als die Revisionsklägerin die ihr durch dieses Urteil auferlegte
Prozesskostenentschädigung von 245 Fr. den Revisionsbeklagten am
30. November 1915 bezahlt habe.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Da das Revisionsgesuch in den Fällen des Art. 192 Ziff. 1 BZP gemäss
Art. 193 BZP innerhalb eines Monats vom Empfange der schriftlichen
Ausfertigung des Urteiles an beim Gerichte anhängig zu machen ist und
die Zustellung des Nichteintretensentscheides an die Revisionsklägerin
am 6. Dezember 1915 stattgefunden hat, ist *.

76 ' Prozess:-echt N° 12.

das Revisionsbegehren am 16. Dezember 1915 rechtzeitig eingereicht
worden. Die Revision erscheint auch nicht etwa dadurch verwirkt, dass die
Revisionsklägerin die ihr laut Urteil des Obergerichtes vom 25. September
1915 auferlegten Prozesskosten von 245 Fr. am'ZO. November

1915 den Revisionsbeklagten bezahlt hat ; wie aus dem'

Schreiben der Revisionsklàgerin vom 29. November 1915

an den Anwalt der Revisionsbeklagten hervorgeht, hat ss

die Revisionsklägerin diesen Betrag mit dem ausdrücklichen Beifügen
bezahlt, dass sie den Nichteintretens' entscheid des Bundesgerichts
einstweilen nicht anerkenne und die Zahlung nur leiste, um Betreibung
zu ver--

meiden. Ebenso ist nicht ersichtlich, warum gegen Nicht
eintretensentscheide das Rechtsmittel der Revision nicht ssss

zulässig sein sollte. Wenn auch das letztinstanzliche kantonale Urteil
trotz des Nichteintretensentscheides in Rechtskraft bleibt und den
Rechtsmitteln der kantonalen Prozessordnung unterliegt, so stellt sich
der Nichteintretensentscheid doch wenigstens insoweit als ein U r t e
il des Bundesgerichts im Sinne des Art. 192 BZP dar, als damit über das
an das Bundesgericht er griffene Rechtsmittel entschieden worden ist
(vgl. AS 28 S. 380 f. und 24 II S. 621 f.). --

2. In der Sache selbst fällt in Betracht, dass die Erklärung der
Revisionsheklagten vom 31. Mai 1915, deren Nichtberücksichtigung von der
Revisionsklägerin gerügt wird, dem Bundesgericht bei der Beurteilung der
Eintretensfrage am 24. November 1915 nicht verlag, sondern sich damals
bei den Akten des ,Obergerichts befand. Trotzdem ist die Erklärung der
Revisionsbeklagten als eine in den Akten liegende Tatsache im Sinne
des Art. 192 Zitî. 1 c BZP aufzufassen, weil dazu alle Akten gehören,
die nach Art. 68 OG dem Bunngerichte e i n z u s e n d e n waren. Diese
ausdehnenée Interpretation des Begriffes Akten im Sinne der genannten
Gesetzesbestimmung rechtfertigt sich deshalb, weil sonst die Parteien
gar kein Rechtsmittel hätten, um die unge--_Prozessrecht. N° 12. 77

setzliche Zurückbehaltung von Akten durch die kantonalen Gerichte zu
rügen und daher ohne ihr Verschulden durch das Verhalten der Vorinstanzen
mit schwerstem Nachteil bedroht wären. Dass die Revisionsklägerin die
Nichteinsendung des Streitigen Aktenstückes an das Bundesgericht dadurch
selber verschuldet habe, dass sie sich nicht darüber vergewisserte,
ob die Akten bei der obergerichtlichen Tagfahrt vollständig seien, ist
nicht zutreiiend ; denn nach der Mitteilung der Obergerichts-kanzlei vom
1. Dezember 1915 lag die Erklärung der Revisionsbeklagten dem Obergericht
vor. Es kann aber auch nicht gesagt werden, dass die Revisionslclägerin
sich bei Ergreifung der Berufung hätte davon überzeugen sollen, dass
die Erklärung der Revisionsbeklagten sich unter den dem Bundesgericht
einzusendenden Akten befinde, da ein Aktenschlussverfahren, bei welchem
die Parteien vor dem Übergang einer Streitsache von einer Instanz an die
andere eingeladen werden, die Vollständigkeit der Akten festzustellen, bei
der Weiterleitung von der letzten kantonalen Instanz an das Bunsdesgericht
nicht besteht. Das das Bundesgericht bei Beurteilung der Eintretensfrage
nicht in der "Lage war, das Fehlen der Erklärung der Revisionsbeklagten
zu erkennen, ist ebenfalls irreievant (vergl. AS 38 I S. 685 f., sowie
den bei WEISS, Berufung, S. 342 genannten Entscheid). si

3. Die nichtgewürdigte Tatsache der Erklärung der Revisionsbeklagten
vom 31. Mai 1915 ist aber auch als eineerheblicheim Sinnes-on Art. 192
Ziff. 1 c BZP zu bezeichnen. Nach der im N ichteintretensentscheid
vom 24. November 1915 zitierten konstanten Rechtssprechung des
Bundesgerichts wird von dem Erfordernis der Angabe des Streitwertes in der
Berufungserklärung Umgang genommen, wenn nach den Akten der Streitwert
ganz offenbar gegeben ist. Dies ist schon dann der Fall, wenn aus den
Akten hervorgeht, dass der Berufungsbeklagte den vom Berufungskläger
bei Ergreifung der Berufung vorausgesetzteri Streitwert anerkannt hat ;

78 Proz-sprecht N° iz.

denn das Organisationsgesetz stellt bei nicht ziffermàssigen Begehren
zur Feststellung des Streitwertes in erster Linie auf die Einigung der
Parteien ab, von der Erwägung ausgehend, dass diese am ehesten in der
Lage seien, das Streitinteresse zu bemessen. Nach Art. 59 Abs. 2 °OG
findet eine Streitwertfeststellnng durch das Gericht erst dann statt,
wenn die Parteien über den Streitwert . uneins sind; ebenso bezweckt
auch die Vorschrift des . Art. 63 Ziff. 1 OG, wonach bei nicht in
Ziffern ausge'drückten Ansprüchen in der Klage anzugeben ist, ob der
Höchstbetrag mindestens 2000 Fr. erreiche, nichts anderes, als dem
Beklagten Gelegenheit zu geben, in der Antwort entweder ausdrücklich
oder stillschweigend zur Vertangabe des Klägers Stellung zu nehmen, und
so eventuell (bei Einigung der Parteien über den Streitwert) dem Gerichte
die Feststellung zu ersparen (vergl. AS 39 II S. 436 f.). Wo schon aus den
Akten ersichtlich ist, dass die Parteien über die Grösse des Streitwertes
einig sind, hat es daher keinen Sinn mehr, eine nochmalige Wertangabe
in der Berufungserklärung zu verlangen. Unter diesen Umständen ist aber
das Revisionsbegehren ohne weiteres gutzuheissen ; denn aus der von
der Revisionsklägerin beigebrachten Erklärung der *Revisionsbeklagten
vom 31. Mai 1915 geht hervor, dass die Revisionsbeklagten schon
zu Anfang des Prozesses den Streitwert in Übereinstimmung mit der
Annahme der Revisionsklägerin bei Ergreifung der Berufung auf über
4000 Fr. beziflert hatten. Dass, wie die Revisionsbeklagten in ihrer
Antwort auf das Revisionsgesuch geltend machen, der Streitwert vor
der zweiten kantonalen Instanz infolge Fortsetzung der Liquidation
der Liegenschaften der Revisionsbeklagten durch die Revisionsklägerin
kleiner geworden sei, war aus den Akten, die dem Bundesgericht bei seinem
Nichteintretens-entscheide vorlagen, nicht ersichtlich, sodass dies für
die Frage, was damals als Streitwerthemessung aus den Akten erkennbar war,
ausser Betracht fällt.Prozessrecht. N° 12. 79

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

1. Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen, der Nichteintretensentscheid
des Bundesgerichts vom 24. November 1915 aufgehoben und die Berufung
zur materiellen Behandlung entgegengenommen.

2. Die gemäss Dispositiv 2 des hundesgerichtiichen Urteils vom
24. November 1915 erhobenen Gerichtskosten sind der Revisionsklägerin
zurückzuvergüten.

OFDAG Offset-, Formularund Fotodruck AG 3000 Bern
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 42 II 72
Date : 26. Januar 1916
Published : 31. Dezember 1916
Source : Bundesgericht
Status : 42 II 72
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 1 72 , Prozessreeht. N° 12. schriften, deren wesentliche Stellen die Beklagte


Legislation register
BZP: 192  193
OG: 59  63  67  68
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