III. POLITISCHES STIMMUND WAHLRECHT
DROIT ELECTORAL ET DROIT DE VOTE
7. Auszug aus dem Urteil vom 27. Januar 1916 i. S. Schneebeli und Genossen
gegen Zürich Stadtgemeinde und Regierungsrat.
Gemeindeabstimmung im Kanton Zürich. Anfechtung, weil keine Vorkehrungen
getrofien worden seien, um den im Militärdienst befindlichen
Stimmberechtigten die (durch Stellvertretung mögliche} Stimmabgabe zu
erleichtern. Keine Verletzung von kantonalem Veriassungsoder Bundesrecht.§
12 Abs. 1 der kantonalen Verordnung vom 22. Dezember 1888 betr. das
Verfahren bei Wahlen und Abstimmungen, welche durch die Urne vorgenommen
werden , auf den sich die Rekurrenten im kantonalen Verfahren b'erufen
haben, sieht die Anordnung von Abstimmungsoperationen am Standort der
Truppen nur für allgemeine Wahlen und Abstimmungen vor. In Bezug
auf partielle Wahlen erklärt er es als Sache der Wehrpflichtigen
dafür zu sorgen, dass der in ihrer bürgerlichen Wohnung abgegebene
Stimmzettel ihnen Von dort nachgeschickt werde. Die Gründe, aus denen
der Bezirksund ihm folgend der Regierungsrat angenommen haben, dass
unter allgemeinen Abstimmungen im Sinne der zitierten Verordnung nur
kantonale, nicht Gemeindeabstimmungen zu verstehen, letztere vielmehr
den partiellen Wahlen des § 12 Abs. 2 ebenda gleichzustellen seien,
sind wenn auch vielleicht nicht schlechthin zwingend, so doch durchaus
vertretbar. Da die Rekurrenten eine andere kantonale Vorschrift, durch
welche die Veran-Politisches Stimmund Wahlrecht N° 7. 51
staltung besonderer militärischer Abstimmungen allgemein vorgeschrieben
würde, anzuführen nicht in der Lage waren, kann demnach von einer
durch das eingeschlagene Abstimmungsverfahren begangenen Missachtung
positiven kantonalen Verfassungsoder Gesetzesrechts nicht gesprochen
werden. Vielmehr fragt es sich einzig, ob nicht auch ohne eine solche
spezielle Norm ein Anspruch darauf bestehe, dass den im Militärdienst
befindlichen Stimmberechtigten in der gedachten Weise Rechnung getragen
werde. Als verfassungsmässige Grundlage hiefür könnte nur Art. 4
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SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche. |
Betracht kommen. Nun erscheint aber die formelle Rechtsgleichheit hier
deshalb nicht als verletzt, weil die Wehrpfiichtigen dadurch, dass man
ihnen die Stimmzettel ins Haus zustellt und ihnen so die Möglichkeit ihrer
Abgabe durch einen Stellvertreter eröffnet, nicht anders behandelt werden
als alle anderen Stimmberechtigten, die aus irgend einem auf ihrem freien
Willen oder auf öffentlichem Zwange (Abhaltung durch Amtsgesehäl'te)
beruhenden Grunde an der persönlichen Stimmabgabe verhindert sind. Was
die Rekurrenten verlangen, ist denn auch nicht, dass die Wehrpflichtigen
jenen übrigen verhinderten Bürger gleichgestellt werden, sondern dass
mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Grundes, auf dem ihre
Verhinderung beruht, für sie besondere, von den gewöhnlichen abweichende
' Vorkehren getroffen werden. Ein derartiger Anspruch liesse sich aber
aus Art. 4
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SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche. |
Vorkehren unter den gegebenen Verhältnissen im Erfolge dem Ausschluss
einer numerisch erheblichen Kategorie von Personen von der Ausübung
des Stimmrechte gleichkäme, was angesichts der durch die Zulassung der
Stellvertretung auch den Abwesenden gegebenen Möglichkeit, sich an der
Abstimmung am 'Wohnorte zu beteiligen, nicht gesagt werden kann. Mit der
Frage, ob nicht Rücksichten der Billigkeit dafür sprechen würden, den
Wehrmannern die stimmabgabe in dem von den Rekurrenten postulierten Sinne
52 Staatsrecht.
noch weiter zu erleichtern, hat sich das Bundesgericht nicht zu
belassen. Es genügt, festzustellen, dass ein Vers stoss gegen Bundesoder
kantonales Verfassungsrecht, wie er im Falle Schlumpf gegen Baselland (AS
40 I N° 41) gegeben war und zur Gutheissung der Beschwerde nach Art. 180
Ziff. 5
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SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche. |
Erwägungen ist der Antrag auf Kassation der Abstimmung ahgewisen werden.)
8. Urteil vom 9. März 1916 i. S. Wiedemeier und Uitbeteiligts gegen
Aargau.
Die Durchführung eines offenbar gesetzwidrigen WahlVeriahrens verstösst
gegen die Garantie des Art; 4 BV.
A. Das Revidierte allgemeine Wahlgesetz des Kantons Aargau vom 22. März
1871 unterscheidet (§ ]) zwei Arten von Wahlverhandlungen; die Wahlen
werden ent-' Weder in Wahlversammlungen oder vermittelst der Wahlurnen
vorgenommen. Die Wahlversammlung besteht in der Einwohnergemeinde aus
den stimmberechtigten Ein'wohnern der Gemeinde ; sie nimmt nach erfolgter
Konstituierung die ihr obliegenden Wahlen mit gleichzeitiger Stimmabgahe
aller Teilnehmer geheim oder eilen vor. Bei den Wahlen vermittelst
der Wah'urnen dagegen übt jeder Stimmherechtigte einzeln innerhalb der
hiefilr angesetzten Zeit unter Aufsicht des Wahlbureaus durch Einlage
des Wahlzettels in die Urne sein Stimmrecht aus.
Das aarg. EG vom 1? . März 1891 zum SchKG bezeichnet die Einwohnergemeinde
als Betreibungskreis und bestimmt in § 2: Der Betreibungsbeamte und
sein stellvertreter werden durch die Einwohnergemeindevers amm lung in
geheimer Abstimmung gewählt.
B. Mit Verordnung vom 31. August 1915 hat der Regierungsrat des Kantons
Aargau die Gemeinden angewiesen, die Neuwahl der Betreibungsheamten
und ihrerl
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Stellvertreter für die Amtsdauer vom 1. Januar 1916 bis 31. Dezember
1919 bis längstens den 30. November 1915 vorzunehmen, und ,dabei unter
Verweisung auf SZ EG zum SchKG ausdrücklich bemerkt (Ziiî. 4): Die Wahl
hat in der Einwohnergemeindeversammlung mittelst geheimer Abstimmung zu
erfolgen, und es sind hiefür die Vorschriften des revidierten allgemeinen
aargauischen Wahlgesetzes vom 22. März 1871 . . . . massgebend.
Hierauf ist dieser Wahlakt in der Gemeinde Gehenstorf auf Sonntag den
26. September 1915 angesetzt, jedoch vermittelst der Wahlurne (die in
einem Teil der Gemeinde schon am Vortage aufgestellt wurde) vorgenommen
worden, gleichzeitig mit einer vom Bezirksamt angeordneten, gesetzesgemäss
durch Urnenabstimmung vorzunehmen-d'en Wahl in die Kirchenpflege der
reformierten Kirchgemeinde Gehenstorf-Birmenstorf-Turgi, und zwar mit
dem Ergebnis, dass als Betreihungsbeamter bei einem absoluten Mehr von
107 stimmen Blasius Buck mit 114 stimmen gegenüber 89 Stimmen, die auf
den bisherigen Amtsinhaber Adolf Palast entfielen gewählt wurde.
Wegen dieses W'ahlveriahrens haben sechs Stimmherechtigte
(Alb. Wiedemeier, a. Wagenwärter; Lukas Killer, a. Gemeinderat ;
Hermann Küng, Landwirt; Jos. Wiedemeier, Statthalter; Alh.Wiedemeier,
Schlosser, und Robert Wiedemeier, Sohn) beim Bezirksamt Baden zu Handen
der kantonalen Direktion des Innern Beschwerde erhoben und Aufhebung
des ungesetzlich durchgeführten Wahlaktes verlangt.
Die Direktion des Innern hat die Beschwerde, entgegen dem auf ihre
Gutheissung abzielenden Bericht des Bezirksamtes, mit der Begründung
abgewiesen, dass die allerdings zuzugebende Abweichung vom gesetzlich
vorgeschriebenen Wahlverfahren hier deswegen keinen genügenden
Kassationsgrund bilde, weil keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass
dadurch das Wahlresultat wirklich beeinflusst worden sei. Und mit B e
s c hl u s s v o m