888 Staatsrecht.

Bern und Solothurn sind daher pflichtig, ein vom Reknrrenten am Wohnsitze
seiner geschied e n e n E h e fr a u eingereichtes Begehren nach Art. '
157 ZGB trotz der abweichenden kantonalen Regelung des betreffenden
Gerichtsstandes zur Beurteilung entgegen zunehmen. In diesem Sinne ist
der Rekurs abzuweisen...

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

VIII. DEROGATORISCHE KRAFT DES BUNDESRECHTS'

FORCE DÉROGATOIRE DU DROIT FÉDÉRAL

45. Urteil vom 14. September 1916 i. S. Gontinental Caoutchouc &
Guttapercha Gompagnie Hannover, gegen Zürich (Dbergerichtf).

Art. 23 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 23 - Die Kantone bezeichnen die richterlichen Behörden, welche für die in diesem Gesetze dem Richter zugewiesenen Entscheidungen zuständig sind.
, 307
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 307 - 1 Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
1    Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
2    Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sofern die Rechtsmittelinstanz nichts anderes verfügt.
und 315
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 315 - 1 Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
1    Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
2    Der Schuldner hat auf Anordnung des Nachlassgerichts die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Depositenanstalt zu hinterlegen.
SchKG. Bundesrechtswidrigkeit kantonaler
Gesetzesvorschriften, durch die die Weiterziehung von Entscheiden über
Bestätigung oder Aufhebung eines Nachlassvertrages von einem bestimmten
Streitwert abhängig gemacht wird.

A. Die Continental Caoutchouc & Guttapercha Compagnie Hannover, Filiale
Zürich, war Gläubigerin des Moritz Reichner in Zürich für eine Summe
von 336 Fr. 80 Cts. oder 336 Mk. 80 Pfg., als diesem am 24. Februar
1915 ein Nachlassvertrag bewilligt wurde, wonach er an seine Gläubiger
insgesamt 40 % ihrer Forderungen, zahlbar 10 % dreissig Tage nach
Genehmigung des Vertrages, der Rest in drei gleichen Raten jeweilen zwei
MonateDerogatorische Kraft des Bundesrechis.

später, entrichten sollte. Da Reichner der Continental Caoutchouc &
Guttapercha-Compagnie die zweiteund dritte Rate nicht rechtzeitig
zukommen liess, verlangte diese am 28. Oktober 1915 beim Bezirksgericht
Zürich als erstinstanzlicher Nachlasshehörde gestützt auf Art. 315
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 315 - 1 Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
1    Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
2    Der Schuldner hat auf Anordnung des Nachlassgerichts die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Depositenanstalt zu hinterlegen.
SchKG
die Aufhebung des Nachlassvertrages in Bezug auf ihre Forderung. Das
Bezirksgericht wies indessen durch Beschluss vom 23. Februar 1916 das
Begehren ab, weil es für glaubhaft gemacht ansah, dass der Schuldner die
rechtzeitige Entrichtung der Raten an die Gesuchstellerin nur infolge
eines Versehens unterlassen habe und eine einfache Mahnung zu deren
Herbeiiührung genügt hätte, nach richtiger Auslegung des Art. 315 aber
der einfache Verzug des Schuldners zur Aufhebung des N achlassvertrages
nicht ausreiche, sondern dazu eine schuldhafte Säumnis erforderlich sei.

Auf einen gegen diesen Beschluss gerichteten Rekurs der Continental
Caoutchouc & Guttapercha-Compagnie trat die 'I. Appellationskammer des
zürcherischen Obergerichts am 15. März 1916 mit der Begründung nicht
ein, dass Rekurse gegen Erledigungsbeschlüsse der Bezirksgerichte nach §
334 Ziff. 6 der zürcherischen ZPO nur bei einem Streitwerte von über 600
Fr. zulässig seien und dieses Erfordernis hier, weil sich die verlangte
Aufhebung des Nachlassvertrages nur auf die Forderung der Rekurrentin
erstrecken könne, nicht erfüllt sei. Daran änderten die Vorschriften
der Art. 307
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 307 - 1 Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
1    Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
2    Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sofern die Rechtsmittelinstanz nichts anderes verfügt.
und 315 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 315 - 1 Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
1    Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
2    Der Schuldner hat auf Anordnung des Nachlassgerichts die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Depositenanstalt zu hinterlegen.
SchKG, wonach inden Kantonen, wo eine obere
Nachlassbehörde bestehe, der Entscheid über die Bestätigung oder Aufhebung
des Nachlassvertrages an diese wettet-gezogen werden könne, nichts. Da
von Bundeswegen keine Verpflichtung zur Errichtung einer zweiten Instanz
bestehe, stehe es den Kantonen auch frei, eine solche nur beschränkt,
d. h. bei Erreichung einer bestimmten Berufungssumme zuzulassen und
müssten daher die zitierten Artikel so ausgelegt werden, dass 5334 der
ZPO unverändert neben ihnen gelte. EUR 16 des kantonalen Aus-

340 staatsrecht-

führungsgesetzes zum SchKG vom 27. Mai 1913, lautend:

Die Bezirksgerichte sind die N achlassbehörden erster Instanz. Soweit
nach dem Bundesgesetze ein Weiterzug ihrer Beschlüsse zulässig ist,
geht derselbe an die Appellationskammer des 0bergerichts, gewähre die
Weiterziehung bloss in den Grenzen des Bundesgesetzes, also mit der
Rückweisung auf das kantonale Recht.

' Die darüber unter Berufung auf die Nichtigkeitsgründe des 5344
Ziff. 6 und 9 der züreherisehen ZPO (V erweigerung des rechtlichen
Gehörs und Verletzung einer klaren gesetzlichen Bestimmung) erh obene
Kassationsbeschwerde hat das kantonale Kassationsgericht am 16. Mai 1916
verworfen, indem es ausführte: Aus dem Bundesgesetze iolgt keineswegs,
dass die Kantene, wenn sie eine zweite Instanz einführen, verpflichtet
sind, die Weiterziehung an diese in allen Fällen, ohne Rücksicht
auf den Streitwert, zu gestatten. Weder der Wortlaut der von der
Nichtigkeitsklägerin zitierten Gesetzesbestimmungen noch

innere Gründe sprechen dafür, dass die allgemeinen Regeln über die
Kompetenzabgrenzung der verschiedener Instanzen bei Streitigkeiten über
die Aufhebung eines Sachlassvertrages keine Geltung haben sollen. Da
der Vorder-

richter sich demnach keiner Rechtsverweigerung schuldig gemacht hat,
braucht nicht untersucht zu werden, ob die

als verletzt bezeichneten eidgenössischen und kantonalen

Gesetzesvorschriften materielles Recht im Sinne von § 334 Ziiî. 9
ZPO enthalten.

B. Durch Eingahe vom 22. Mai 1916 hat darauf die Continental Caoutchouc
& Guttapercha-Compagnie gegen den ihr am 23. März 1916 zugestellten
Entscheid der I. Appellationskammer des Obergerichts die staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrage, er sei
aufzuheben und es sei die Appellationskammer zur materiellen Beurteilung
der Sache anzuhalten. Als Beschwerdegrund wird Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.


Derogatorische Kraft den Bundesrechts. N° 45. 341

BV (materielle Rechtsverweigerung) geltend gemacht. Die nähere Begründung
ist, soweit nötig, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

C. Die I. Appellationskammer des zürcherisehen Obergerichts hat
auf Gegenbemerkungen verzichtet. Der Rekursheklagte Reichner hat auf
Abweisung der Beschwerde angetragen und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt; dass die Auffassung des angefochtenen Entscheides wenn auch
vielleicht nicht einwandfrei, so doch mit sachlichen Gründen vertretbar
und keinesfalls willkürlich sei. Ob darin allenfalls eine Missachtung des
Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts gesehen werden
könnte, sei nicht zu untersuchen, weil dieser Beschwerdegrund von der
Rekurrentin nicht gemacht worden sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Der Entscheid der I. Appellationskammer wird von der Rekurrentin aus
drei verschiedenen Gesichtspunkten als willkürlich und mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV im
Widerspruch stehend angefochten: a) weil 5344 Ziff. 6 der zürcherischen
ZPO sich im Abschnitte des Gesetzes über die streitige Gerichtsbarkeit
befinde, Während das Nachlassvertragsverfahren unzweifelhaft zu den nicht
streitigen Rechtssachen gehöre, für die § 384 ebenda die Weiterziehung an
das Obergericht unbeschränkt, ohne Rücksicht auf den Streitwert, zulasse;
b) weil die vom Obergericht den Art. 307
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 307 - 1 Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
1    Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
2    Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sofern die Rechtsmittelinstanz nichts anderes verfügt.
und 315 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 315 - 1 Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
1    Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
2    Der Schuldner hat auf Anordnung des Nachlassgerichts die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Depositenanstalt zu hinterlegen.
SchKG gegebene
Auslegung, wonach es den Kantonen freistünde, die Weiterziehung von
Entscheidungen über Bestätigung oder Aufhebung eines N achlassvertrages
von einer Berufungssumme abhängig zu machen, offenbar unhaltbar sei; c)
weil auch § 16 des kantonalen Ausführungsgesetzes zum SchKG unmöglich
in dem vom Obergericht angenommenen Sinne, sondern nur dahin verstanden
werden könne, dass der Rekurs in allen denjenigen Fällen statthaft sei,
in welchen das Bundesgesetz

342 staatsrecht-

einen Weiterzug überhaupt zulasse. Die Rage, wie es sich mit der
Begründetbeit der ersten und letzten dieser Rügen verhält, braucht nicht
geprüft zu werden, weil jedenfalls der Rekurs aus dem zweitangeführten
Gesichtspunkt geschützt werden muss. Freilich kann davon, dass das
Obergericht sich durch die dem Art. 307
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 307 - 1 Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
1    Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
2    Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sofern die Rechtsmittelinstanz nichts anderes verfügt.
SchKG gegebene Deutung der Willkür
schuldig gemacht habe, nicht die Rede sein. Denn die von ihm vertretene
Auffassung .in dem Recht, überhaupt keinen Instanzenzug zu schaffen, sei
die weniger weit gehende Befugnis inbegriffen, ihn nur in beschränktern
Umfange zuzulassen lässt sich, wenn schon sie, wie zu zeigen sein wird,
nicht richtig ist, doch immerhin in guten Treuen vertreten und kann
keinesfalls als ein bloss vorgeschobenes Argument bezeichnet werden. Nun
ist aber, wie schon wiederholt entschieden wurde, in der Beschwerde wegen
Rechtsverweigerung, wenn damit geltend gemacht wird, dass kantonales
Recht in Missachtung eidgenössischen Rechtes angewendet werden sei, auch
die weitere Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen
Natur des Bundesrechtes (Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
Üb.-Best. 2. BV) mitenthalten und
von diesem Boden aus ist das Bundesgericht nicht darauf beschränkt zu
prüfen, ob der angefochtene Entscheid willkürlich sei, sondern hat frei
darüber zu befinden, ob die kantonale Behörde die Geltungsbereiche des
kantonalen und eidgenössischen Rechts richtig abgegrenzt habe (AS 291
S. 180 Erw. 1). Eine solche freie Nachprüfung muss aber notwendig dazu
führen, die vom Obergericht vertretene Lösung für unrichtig zu erklären.

Wenn Art. 23 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 23 - Die Kantone bezeichnen die richterlichen Behörden, welche für die in diesem Gesetze dem Richter zugewiesenen Entscheidungen zuständig sind.
SchKG, in Verbindung mit der Übertragung der Aufgabe,
die für das Nachlassverfahren zuständigen Behörden zu bezeichnen, es den
Kantonen freistellt, hiefür eine einzige oder zwei Instanzen vorzusehen,
und im Anschluss daran die Art. 307 und 315 Abs. 2 ebenda bestimmen,
dass da, wo eine obere kantonale Nachlassbehörde bestehe, der Entscheid
der ersten Instanz über die Bestätigung oder Aufhebung des Nach-

Derogatoriache Kraft desBundesreehts. N' 45. 343

lassvertrages binnen zehn Tagen an sie weitergezogen werden könne, so
hat damit nicht etwa die Abgrenzung des Geschäftskreises der oberen
Nachlassbehörde gänzlich den Kantonen anheimgegeben werden wollen,
Vielmehr ist ihnen dadurch nur die Organisation der in Nachlasssachen
tätigen Behörden im Allgemeinen und im Zusammenhang damit, soweit das
Bundesrecht keine Normen darüber enthält, die Ordnung des Verfahrens
übertragen werden, sei es dass darüber besondere Vorschriften erlassen,
sei es dass die für den Rechtsgang vor den als zuständig bezeichneten
Amtsstellen im allgemeinen geltenden Regeln anwendbar erklärt werden. Die
Funktionen, welche diese Behörden auszuüben, d. h. die Voraussetzungen,
unter denen sie tätig zu werden haben, dagegen werden durch das B u n
d e s r e c h t bestimmt. Da es sich bei der Veiterziehharkeit eines
Entscheides um. eine Frage der funktionellen Zuständigkeit und nicht um
eine solche des Verfahrens handelt, gibt daher jenes allein die Antwort
darauf, ob und inwieweit eine Weiter-ziehung der erstinstanzlichen
Entscheidungen statthaft ist. Danach muss aber eine Beschränkung des
Rekursrechtes nach dem Streitwert, wie sie das Obergericht unter Berufung
auf Bestimmungen des kantonalen Zivilprozessrechts vornehmen Will, mit
der Rekurrentin als unstatthaft erachtet werden. Wäre die Meinung bei
Erlass des Art. 307 die gewesen, dass von Bundeswegen nur die Frist für
einen allfälligen Veiterzug bestimmt werde, die Entscheidung darüber,
in welchem Umfangs ein solcher überhaupt zugelassen werden wolle,
dagegen der kantonalen Gesetzgebung überlassen bleibe, so Wäre die
Vorschrift offenbar anders, nämlich dahin gefasst worden,. dass, wenn
und soweit nach dem kantonalen Rechte ein Rekurs zulässig sei, er innert
zehn Tagen zu ergreifen seiWenn statt dessen die Gesetz gewordene, oben
erwähnte. Fassung gewählt worden ist, so muss daraus geschlossen werden,
dass den Parteien unter der darin bezeichneten Voraussetzung nämlich
sofern in dem betreffenden

344 Staatsrecht.

Kanton für Nachtasssachen zwei Instanzen bestehen unbeschränkt und
für alle Fälle das Recht gegeben werden wollte, die Entscheidung
der unteren an die obere Nachlassbehörde weiterzuziehen und dass die
Festsetzung der Frist nur die Bedeutung einer daran anschliessenden
Nebenbestimmung hat. Der den Kantonen durch Art. 23 Ziff. 3 eingeräumte
Spielraum erschöpft sich in der Freiheit, statt zwei Instanzen nur
deren eine zu schaffen und so durch die Art der Organisation der
Nachlassbehörden ,einen Weiterzug auszuschliessen. Haben sie sich
einmal für die Einrichtung zweier Instanzen entschieden, so ist damit
von Bundeswegen die Weiterziehbarkeit gegenüber allen Entscheiden über
die Bestätigung oder Aufhebung eines Nachlassvertrages gewährleistet
und steht es den Kantonen nicht zu, diese den Parteien gegebene Garantie
durch die Aufstellung des'Erfordernisses eines Streitwertes auf bestimmte
Fälle einzuschränken. Eine solche Einschränkung würde denn auch der
Natur der Sache nicht entsprechen. Abgesehen davon, dass es sich bei
der behördlichen Tätigkeit in Nachlasssachen richtig betrachtet nicht
um streitige, sondern um freiwillige Gerichtsbarkeit handelt, bei der
Schranken der behördlichen Kognition nach dem Streitwert nicht ,üblich
sind, wäre es auch schwer zu sagen, wie der Streitwert beim Entscheide
über die Bestätigung eines Nachlassvertrages berechnet werden soll,
ob nach dem Betrag der sämtlichen eingegebenen oder durch den N
achlasSvertrag betroffenen Forderungen und der angebotenen Dividende
oder dem den Gläubigern zugemuteten Verlust. Auch im Falle der Aufhebung
des Nachlassvertrages, wo die Sachlage insofern einfacher ist, als
dabei nicht die Gesamtheit der Gläubiger, sondern nur ein Gläubiger dem
Schuldner gegenübersteht, würden sich nach dieser Richtung Schwierigkeiten
ergeben, indem es sich fragen kann, ob das Interesse des Gläubigers oder
des Schuldners massgebend sei und wie dasselbe bestimmt werden soll,
ob nach der Höhe der ganzen oder der Restforderung u. s. w. Dazu kommt,

Demgatorische Kraft des Bundesrechts. N° 45. 345

dass legislatorisch der Fall der Aufhebung des Nachlassvertrag-es in Art
. 315 SchKG in Bezug auf die Weiterziehbarkeit demjenigen der Bestätigung
desselben gleichgestellt ist, sodass, wenn im letzteren eine Beschränkung
nach dem Streitwerte sich als untunlich erweist, sie sich auch im ersteren
nicht rechtfertigt. Dass das Bundesgericht in dem Urteile in Sachen Schwab
(AS 24 I S. 2 Erw. 2) hinsichtlich der Appellation gegen die Bewilligung
oder Verweigerung des Rechtsvorschlages in der Wechselbetreibung im Sinne
von Art. 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
SchKG anders entschieden hat, kann schon deshalb nicht in
Betracht fallen, weil die Frage damals nur vom Standpunkte der Willkür
und nicht von demj engen der Verletzung von Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
lich.-Best. zur BV
geprüft worden ist.

Der angefochtene Entscheid ist demnach in der Meinung aufzuheben, dass das
Obergericht das Eintreten auf den von der Rekurrentin gegen den Beschluss
des Bezirksgerichts vom 23. Februar 1916 ergriffenen Rekurs aus dem von
ihm angeführten Grunde des mangelnden Streitwerts nicht verweigern darf .

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der Rekurs wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid der
I. Appellationskammer des zürcherischen Obergerichts vom 16. März 1916
im Sinne der Erwägungen aufgehoben.

AS 42 l 19h} 9.3
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 42 I 338
Date : 13. September 1916
Published : 31. Dezember 1916
Source : Bundesgericht
Status : 42 I 338
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 888 Staatsrecht. Bern und Solothurn sind daher pflichtig, ein vom Reknrrenten am


Legislation register
BV: 2  4
SchKG: 23  174  307  315
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