274 Erhouungsund Merkenschutz. N° 34.

V. ERFINDUNGSUND MARKENSCHUTZBREVETS D'INVENTION ET MARQUES DE FABRIQUE

34. Urteil der I. Zivilabueilung vom 8. Mai 193.5 i. S. King, Bekiagter,
gegen Gebrüder Sulzer, Kläger.

E r fin d u n g s p a t e n t e. Zeitliche Rechtsanwendung. Neuheit der
Erfindung? Begriff und Erfordernisse der Ofienkundigkeit im Sinne von
Art. 2 des alten PatGes. Beurteilung der Frage der Identität.

A. Durch Urteil vom 9. Oktober 1914 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich erkannt :

Das schweizerische Patent N° 42,599 Klasse 107 a, das dem Beklagten am
22. November 1907 erteilt wor den ist, wird für nichtig erklärt.

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte rechtzeitig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrag auf Aufhebung und auf Abweisung
der Klage, eventuell auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz behufs
Anordnung einer neuen Expertise.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Der Berufungskläger Edward King erwirkte am 22. November 1907
das schweizerische Patent N° 42,599 für einen Flammrohrkessel. Die
Patentansprüche lauten:

1. Flammrohrkessel mit wenigstens einem das Flamm rohr durchziehenden
Wasserzirkulationsrohr, welches sich in der Längsrichtung des Flammrohres
erstreckt und einerends an dem oberen Teil und anderends an dem unteren
Teil des Flammrohres angeschlossen ist, dadurch gekennzeichnet, dass
das Zirkulationsrohr so am Flammrohr angeschlossen ist, dass eine
Zirkulation des Wassers im Zirkulationsrohr in entgegengesetzter

....--

Erfindungsund Markensehutz. N° 34. 275

Richtung zu der der Heizgase, also im Gegenstrom, erzielt werden kann.

2. Flammrohrkessel nach Anspruch 1 mit mehreren Zirkulationsrohren,
dadurch gekennzeichnet, dass die Zirkulationsrohre in der Längsrichtung
des Flamm rohres hintereinander liegen.

Im August 1912 erhoben Gebrüder Suizer in Winterthur, die
u. A. Dampfkessel herstellen, beim Handelsgericht. des Kantons Zürich
Klage gegen King mit dem Rechtsbegehren, es sei das schweizerische
Patent N°42,599 in allen Teilen als nichtig zu erklären. Zur Begründung
machten sie geltend, der Kingsche Flammrohrkessel stelle keine Erfindung
dar, denn es fehle darin an einem schöpferischen Gedanken und an einem
neuen technischen Nutzeffekt. Eventuell bestritten sie die Neuheit der
angefochtenen Erfindung. Die Anordnung von Wasserzirkulationsrohren im
Flammrohr sei zur Zeit der Patentanmeldung längst bekannt gewesen, ebenso
die Führung der Wasserzirkulationsrohre in der Längsrichtung. Auf diesem
Prinzip beruhe insbesondere das englische Patent H a r g r e a v e s vom
Jahre 1869 ; der Unterschied gegenüber der Kingschen Konstruktion sei
nur der, dass die Richtung der Heizgase die nämliche sei wie diejenige
des Wassers in .den Zirkulationsrohrcn (Gleichstromprinzip), während bei
King die Richtung der Heizgase derjenigen des Wassers entgegengesetzt sei
(Gegenstromprinzip). Allein die Patentschrift Hargreaves sage am Schlusse
ausdrücklich, es sei unter Umständen vorzuziehen, das Rohr von vorn oben
nach hinten unten zu führen, (1. h. das der Feuerbrücke zugewendete Ende
mit dem oberen Teile des Flammrohres zu verbinden, womit auch das Merkmal
der Erzielung der W'asserzirkulation im Gegenstrom zur Heizgaszirkulation
vorweggenommen sei. Die Patentschriit Hargreaves liegt in abgekürzter
Fassung, mit der Zeichnung, aber ohne jene Schlussbemerkung, in den
sogenannten Abridgments der englischen Dampferzeugungspatente seit
langem auf der

276 Erfindungsund Markenschutz. N° 34.

Bibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich
auf. Die Kläger verwiesen ferner auf das französische Patent C u r i
e 11 vom 21. November 1874, das einen Flammrohrkessel mit eingebautem
liegendem Sieder zum Gegenstand hat ; der Sieder ist mit seinen beiden
Enden so an den Kessel angeschlossen, dass die Wasserzirkulation der
Heizgaszirkulation entgegengesetzt ist. Eine Beschreibung dieser Erfindung
lieg seit Jahren beim Eidg. Amt für geistiges Eigentum in Bern, sowie
in der Bibliothek des Patentanwalts Ritter in Basel.

Der Beklagte schloss auf Abweisung der Klage. Er behauptete, seine
Konstruktion sei eine Erfindung und zwar eine n e ne Erfindung im Sinne
von Art. 2 des anwendbaren alten PatGes von 1888/1893. Das Handelsgericht
ordnete eine Expertise an über die Frage, inwieweit es sich bei dem
streitigen Patente gegenüber den von den Klägern angeführten Patenten
um neue Konstruktionen mit neuem technischem Nutzeffekt handle. Zum
Experten wurde im Einverständnis der Parteien Dr. Stodola, Professor
für Maschinenbau an der Eidg. Technischen Hochschule, bestellt. Gestützt
auf den Befund des Experten hat das Handelsgericht die Nichtigkeitsklage
geschützt.

2. Die zwischen den Parteien streitige und übrigens von Amtes wegen
zu prüfende Frage, ob für die Beurteilung der vorliegenden Klage das
alte oder das neue Patentgesetz massgebend sei, ist im ersteren Sinne
zu lösen. Entscheidend ist, dass das geltende Patentgesetz vom 21. Juni
1907 erst am 1. Dezember gl. J. in Kraft getreten ist, das Patent King
somit noch unter der Herrschaft des alten Gesetzes erteilt wurde. Kraft
des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass für die rechtlichen Wirkungen
von Tatsachen, die unter dem alten Gesetze eingetreten sind, dieses auch
nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes massgebend bleibt (Art. l Schl'l'
ZGB), und mangels einer gegenteiligen Sonderbestimmung beurteilt sich
daher die Nichtigkeit des Patentes nach dem

Erfindungsund Markenschutz. N° 34. 277

früheren Rechte. Vergl. BGE 37 II S. 574, 38 il S. 299. Die Frage der
zeitlichen Rechtsanwendung ist hier deshalb von Wichtigkeit, weil es
vornehmlich auf die Auslegung der Bestimmungen über die Neuheit der
Erfindung ankommt und das neue PatGes nach dieser Richtung das alte
nicht unwesentlich abgeändert hat.

3. In der Sache selber fragt sich nämlich in erster Linie, ob das Patent
wegen mangelnder Neuh eil: als nichtig zu erklären sei (Art. 10 Ziff. 1
aPatGe's). Denn wenn dem so ist, erübrigt die Prüfung der Frage, ob
abgesehen von der Neuheit eine patentfähige E r fi n d u n g im Sinne des
Gesetzes vorliege. Nach Art. 2 des alten Gesetzes gilt eine Erfindung dann
nicht als nen, wenn sie zur Zeit der Anmeldung in der Schweiz schon derart
bekannt geworden ist, dass die Ausführung durch Sachverständige möglich
ist. Ein solches Bekanntsein, eine solche Ofienkundigkeit nimmt die
Vorinstanz hinsichtlich des Patentes Hargreaves in der in den Abridgments
publizierten Fassung an, Während sie dahingestellt sein lässt, ob die
Auflage der das Patent Curien betreffenden Publikation in der Bibliothek
des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum genügt habe, um die Erfindung
im Sinne von Art. 2 in der Schweiz bekannt zu machen. Die Vorinstanz
stützt sich dabei auf ihren Entscheid vom 4. Dezember 1905 i. S. Stalder
(Bl. f. zürch. RSpr. N. F. 5 N° 171), wonach das Vorhandensein eines
literarischen Erzeugnisses in der Bibliothek der Eidg. Technischen
Hochschule eine ausreichende Möglichkeit der Kenntnisnahme jener
Druckschrift und damit der geschilderten Erfindung durch Interessenten
in sich schliesse.

Jener Entscheid des Handelsgerichts gründet sich seinerseits auf einen
früheren Entscheid des Bundesgerichts vom 16. Januar 1903 i. S. Tschumi
& Cle (BGE 29 II S. 162 ff.), in welchem ausgeführt worden war, es sei
nicht erforderlich und zu beweisen, dass Interessenten tatsächlich,
in entsprechender Weise, von

278 Erfindungsund Markensehutz. N° 54.

der Erfindung Kenntnis genommen hätten, sondern es genüge, wenn aus
den nähern Umständen der Bekanntgabe auf eine zureichende Möglichkeit
jener Kenntnisnahme geschlossen werden könne. Auf diesem Boden hat sich
die bundesgerichtliche Praxis weiter bewegt, indem das Bundesgericht
unterm 19. Mai 1906 den zitierten Entscheid des Zürcher Handelsgerichts
i. S. Stalder bestätigte, mit der Begründung, er beruhe auf einem
richtigen Rechtsbegriff der Erfordernisse der Offenkundigkeit: einerseits
sei erforderlich, dass die Ofienkundigkeit der Erfindung in der Schweiz
bestand, anderseits sei genügend, dass eine Ausführungsmöglichkeit für
Sachverständige auf irgend eine Weise geschailen werde; insbesondere
genüge eine Bekanntgabe in Zeitschriften, die den Fachleuten zugänglich
seien. In einem späteren Entscheid vom 8. Juli 1909 i. S. Gebr. Högger
(BGE 35 II s. 450) hat endlich das Bundesgericht neuerdings auf seine
Ausführungen im Fall Tschumi verwiesen, vom Nichtigkeitskläger aber den
weiteren Nachweis verlangt, dass die zufolge der Hinterlegung einer
ausländischen Patentschrift auf der Bibliothek der Eidg Technischen
Hochschule bestehende Möglichkeit des Bekanntwerdens der patentierten
Erfindung sich lm gegebenen Falle tatsächlich verwirklicht habe.

Allein dieses Erfordernis rechtfertigt sich nicht. Es käme einer
unzulässigen Einschränkung des dem Art. 2 aPatGes zu Grunde liegenden
allgemeinen Grundsatzes des Patentrechtes gleich der laut Gesetz
sowieso nur für die Bekanntgabe im Inland gilt dass nicht schutzfähig
ist, was bereits vorhanden, publik, offenkundig ist. Der Beweis, dass
die Patentsehrift oder sonstige Beschreibung der Erfindung nicht nur
öffentlich aufgelegt, sondern tatsächlich von Interessenten gelesen
und verwertet werden sei, wäre denn auch ausserordentlich schwer zu
führen. Er wird durch die Vermutung ersetzt, dass die beteiligten Kreise
von der Möglichkeit, die ihnen geboten wird, von den für sie bestimmten

Erfindungsund Markenschutz. N° 34. 279

Bekanntmachungen Einsicht zu nehmen, auch wirklich Gebrauch machen. Diese
Vermutung ist in der Natur der Sache und den modernen Lebensund
Verkehrsverhältnissen begründet. Vorzubehalten ist dabei nur, dass

. die Art und Weise der Bekanntgabe die Ausführung der

Erfindung durch Fachleute ermögliche. Aus diesen Erwägungen heraus ist
übrigens bei der Revision des Patentgesetzes die gedachte Bestimmung
dahin erweitert worden, dass eine Erfindung dann nicht als neu gilt,
wenn sie vor der Patentanmeldung im Inland schon derart offenkundig
geworden oder durch veröffentlichte, im Inland vorhandene Schriftoder
Bildwerke so dargelegt worden ist, dass die Ausführung durch Fachleute
möglich ist. Vergl. hiezu BBl 1906 ss IV S. 248, Stenogr. Bull. der
BVers. 1906 S. 1489 f, 1907 Nat.-Rat. S. 151.

4. . Ist sonach mit der Vorinstanz anzunehmen, dass die Erfindung
Hargreaves, wie sie in den Abridgments beschrieben ist, zur Zeit der
Anmeldung des Patents King in der Schweiz im Sinn von Art. 2 aPatGes
bekannt war, so muss das nämliche auch hinsichtlich der Erfin-dung Curien,
mit Rücksicht auf deren Publikation in der Bibliothek des Eidg. Amtes für
geistiges Eigentum, gelten. Denn auch die hier aufgelegten Patentschriften
können von Interessenten jederzeit eingesehen werden und es liegt für die
Beteiligten noch näher, auf dem P a t e n t a m t nach Patentschriften
Umschau zu halten als auf der Bibliothek der Eidg. Technischen Hochschule.

5. Nun enthält das Patent Curien nach den katego-

rischen und für das Bundesgericht verbindlichen Fest-

stellungen des Experten bereits alle we s entli che n Elemente der
Kingschen Konstruktion. Es genügt hier, auf folgende Stelle in der
Zusammenfassung des Hauptgutachtens zu verweisen : Das Patent Curien
ist in den wesentlichen Punkten gänzlich identisch mit der in der
Beschreibung des Kingschen Patentes enthaltenen Variante eines mittels
Stutzen mit dem Flammrohr zu

280 Erfindungsund Markenschutz. N° 34.

verbindenden Rohres. Ebenso bestimmt hat sich der Experte in einem
Nachtrag geäussert, auf die vom Gericht gestellte Frage, wie es sich
mit der Neuheit der Kingschen Konstruktion verhalte, wenn das Patent
Curien aus den als bekannt vorausgesetzten Konstruktionen ausscheide:
Das Curien'sche Patent besitzt für den Prozess sein besonderes Gewicht
durch den Um stand, das darin das Wesentliche des Kingschen Patentes:
Vermehrung der inneren Flammrohr Heiz fläche unter Einschaltung der
Gegenstromzirkulation augenfällig, d. h. durch eine Figur dargestellt
wird, was für den Konstrukteur, dessen Gedankenkreis auf das räumlich
Vorstellbare ausgeht, von grosser Bedeutung ist. Das Patent Curien
wirkte somit zweifellos n e uheitszerstören-d. Der Experte hat ferner
einlässlich und überzeugend dargetan, dass diese Wirkung auch dem Patent
Hargreaves zugekommen sei, weil auch dieses sich im wesentlichen mit
dem Patent King decke, selbst dann, wenn nur die abgekürzte, in den
Abridgments publizierte Fassung in Betracht gezogen werde. Es kann
nach dieser Richtung auf die erschöpfenden Ausführungen si im Urteil
der Vorinstanz verwiesen werden. Der Experte, der als Autorität gilt,
hat alle Einwendungen des Beklagten beantwortet und demgegenüber auf
seiner Auffassung beharrt. Das angefochtene Patent ist daher, ohne weitere
Beweismassnahmen, mit der Vorinstanz schon wegen mangelnder Neuheit als
nichtig zu erklären.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird abgewiesen und
das Urteil des

Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Oktober 1914 in allen Teilen
bestätigt.Erfindungsund Markenschutz.' N° 35. 281

35. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Mai 1915 i. S. Moro, Kläger,
gegen Gebrüder Säuberli, Beklagte.

Der für ein bestimmtes Absatzgebiet zum Alleinverkaut' Berechtigte
kann soweit im übrigen die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
OR
vorliegen kraft eigenen Rechts wegen unlautern Wettbewerbes klagen,
wenn zu seinem Nachteil ein Dritter die Marke seines Fabrikanten
nachahmt. Nicht-Eintragbarkeit beschränkter quasi dinglicher Rechte
an Marken. Art. Z' MSchG. Ein Staat kann sein Wappenbild und seine
Landesfarben im wirtschaftlichen Verkehr als Marken, verwenden. Eine
solche Verwendung liegt nicht vor, wenn das Wappen oder die Landesfarhen
lediglich als Elemente bei der Darstellung einer allegorischen
Idee benutzt werden. Schadensbemessung, amtliche Beschlagnahme und
Urteilsveröffentlichung bei unlauterem Wettbewerbe.

1. Die italienische Tabakregie Direzione Generale delle Privative
(Ministero delle Finanze) ist in Italien Trägerin des staatlichen
Tabakmonopols. Zur Kennzeichnung der von ihr hergestellten Zigaretten
(Spagnolette) bedient sie sich besonders auch des Wappenbildes und
der Landesfarben (rot-weiss-grün) Italiens. Dies gilt vor allem
für diein kleinen Schachteln von länglicher Vierecksform verpackten
Spagnolette Macedonia . Die Darstellungen auf den beiden Hauptflächen
dieser Verpackung sind in den Jahren 1908 und 1909 in Italien (unter
den Nr. 9307 u. 9308) und international (unter den Nr. 7661 u. 7663)
als Marken eingetragen worden. Die eine dieser Viereckflächen gibt
mit schwarz gedruckten Worten die Herkunft des Produktes an ( Regno
d'Italia -Monopolo dei Tabacchi Esportazione Ministero delle Finanze --
Direzione Generale delle Privative Roma) und enthält auf einer in der
Mitte angebrachten Kreisfiäche das schwarz gedruckte Bild eines Adlers
mit dem italienischen Wappenschild (Schildfläche mit Kreuz) auf der
Brust. Der Grund dieser Fläche ist grau. In der Mitte, der
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Document : 41 II 274
Date : 15. Mai 1915
Published : 31. Dezember 1915
Source : Bundesgericht
Status : 41 II 274
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 274 Erhouungsund Merkenschutz. N° 34. V. ERFINDUNGSUND MARKENSCHUTZBREVETS D'INVENTION


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