534 Obligationenrecbt. N° 89

89. Urteil der !. Zivilabteilung vom 2. Oktober 1914 i. S. Müller,
Kläger gegen Heim, Beklagter.

L i e g e n s c h a ft s k au f. Bedeutende Differenz zwischen dem
wirklichen und dem angegebenen Flächenmass. Anfechtung des Vertrages
wegen wesentlichen Irrtu ms und ab sicht] jeher Täuschun g. Der letztere
Anfechtungsgrund geht vor. Prüfung, ob der Täuschungswille vorgelegen
habe, ob der Käufer trotz vorheriger Besichtigung der Liegenschaft
in Irrtum versetzt und ob er trotz seines Verzichtcs, das Mass in den
Vertrag aufzunehmen, zum Vertragsabschluss verleitet worden sei. Begrifi
des Dritten nach Art. 28 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
1    Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
2    Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen.
OR. Ein solcher ist nicht, wer bei
den Vorverhandlungen als Bevollmächtigter einer Vertragspartei sich
beteiligte und wer vermöge eines besondern Rechtsverhältnisses am
Kaufabschluss Wirtschaftlich interessiert und rechtlich mittelbar
beteiligt war. Nichtbeurteilung'eines Teiles der die Anfechtung
betreffenden Rechtsbegehren: Rückweisung nach Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
1    Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
2    Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen.
OG oder sofortige
Beurteilung unter Vorbehalt späterer Erledigung jener Begehren '?

1 Alois Sigrist in Samen war seinerzeit Eigentümer des Heimwesens
Holzmait in Oberwil bei Samen. Im Mai 1910 lier er die Besitzung amtlich
schätzen; als Flächeninhalt wurden zirka 250 Area und als 'Wert des
Schätzungsohjekts 11,000 Fr. ermittelt. Sigrist schuldete dem Kläger
Josef Müller aus Darlehen 800 Fr. Am 16, August 1910 verkaufte er ihm sein
Heimwesen zum Preise von 8879 Fr. im Kaufakt wird die Darlehensschuld als
erst später zu entrichtende Anzahlung an den Kaufpreis(?) behandelt und
dem Verkäufer Sigrist das Recht vorbehalten, die Liegenschaft innerhalb
zwei Jahren zum Verkaufspreise zurückzuerwerben. Laut einem gleichzeitig
abgeschlossenen

Pachlvertrage behielt Sigrist das Heimwesen während-

der zwei Jahre als Pächter, wobei er als Pachlzinsleistungen die darauf
verschriebenen Kapitalien und jene Schuld an den Kläger von 800 Fr. zu
ver-Zinsen _ hatte. Von seinem Rückkaufsrecht machte, Sigrist

Obligationenrecht. N° 89. 535

keinen Gebrauch und der damals in Genua wohnende Kläger beauftragte
nun den Rechtsagenten Theodor Durrer in Kerns, die Holzmatt weiter zu
verkaufen, sobald Sigrist einen Käufer bringe, der eine Barzahlung in
der Höhe des ihm gemachten Darlehens leisten könne. Sigrist schrieb das
Heimwesen zum Verkaufe aus und es meldete sich bei ihm als Kauiliebhaber
der bisher im Kanton Solothurn wohnhaft gewesene Beklagte Heim. Dieser
liess sich die Liegenschaft durch Sigrist zeigen. Hiebei erklärte ihm
Sigrist, laut dessen Aussage in einer nachher gegen ihn wegen Betruges
angehobenen Strafuntersuchung , die Holzmatt möge nach ihrer Nutzung,
die er auf 40 50 Klafter an Heu und Weid berechne, l2 13,000 Klaftcr
messen. Am 17. / 27. Dezember 1912 schloss Sigrist mit dem Beklagten
vor dem Öffentlichen Schreiber Dr. F. Niederberger einen Vorvertrag ab,
wonach er als angeblicher Eigentümer dem Beklagten das Heimweseu mit
Inbegriff einer grösscrn Zahl von Inventarstücken zum Preise von 21,500
Fr. zum Kaufe übergab. Am 1. März 1913 wurde über die Liegenschaft und
das fragliche Inventar ein Kaufvertrag abgeschlossen und zwar zwischen
dem Kläger als nunmehrigen Verkäufer und dem Beklagten als Käufer. Der
Kaufpreis wurde ebenfalls auf 21,500 Fr. bestimmt und sollte teils
durch Übernahme des Verschriebenenz teils in bar entrichtet werden, die
letzte Barzahlung am l. Mai 1913.) Beim Kauiakte und der Unterzeichnung
des Vertrages waren ausser dem Fertigungsbeamten Dr. Niederhagenzugegen:
der Beklagte als Käufer, Agent Durrer als Bevollmächtigter des Verkäufers
und nunmehrigen Klagers und Sigrist. Laut den Zeugenaussagen Durrers im
genannten Strafprozesse, die die Vorinstanz als beweiskräftig ansieht,
hatte Sigrist am Tage vor dem Kauf im Babnhofrestaurant Sax-nen dem
Beklagten erklärt, die Holzmatt messe zwischen 12 und 13,000 Klafter. Im
gleichen Sinne lautet die Aussage Durrers im jetz:-

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gen Zivilprozesse. Der Zeuge berichtet ferner: Sigrist habe diese
Massangabe auch beim Kanfabschluss vor dem öffentlichen Schreiber
(Dr. Niederberger) gemacht; sicher sei er jedoch dessen nicht mehr. Dem
Beklagten habe der Zeuge das von Sigrist angegebene Mass in Arcu
umrechnen müssen. Er habe den Eindruck gehabt, dass der Beklagte, der
geistig nicht hoch zu stehen scheine, auch ohne die Zusicherung dieses
Masses gekauft hätte. Aus den Zeugenanssagen des Dr. Niederberger im
Zivilund Strafprozess ist hervorzuheben: Beim Kaufabschluss habe der Zeuge
infolge Anfrage erklärt, es sei nicht nötig, ein Mass in den Kaufvertrag
aufzunehmen, und man habe dann auf seinen Rat davon abgesehen. Sigrist
habe allerdings ein Mass, an das der Zeuge sich nicht mehr erinnere,
angegeben, aber bemerkt, er wisse es nicht genau, er habe nicht
gemessen. Durrer habe dann eine Umrechnung in Aren vorgenommen. Der
Beklagte habe schon beim Vorvertrag erklärt, die Grenzen seien ihm
bekannt. Der Zeuge habe den Eindruck gehabt., das Mass spiele beim Kaufe
keine Rolle.

Nach dem Bezuge des Heimwesens durch den Kläger kam es zwischen ihm und
Sigrist zu Zwistigkeiten, namentlich auch deshalb, weil'dieser die in den
Kauf gegebenen Inventarstücke nun nachträglich zu Eigentum beanspruchte.

2. Unter Berufung auf die Differenz zwischen dem wirklichen und dem
ihm angegebenen Flächeninhalte der Liegenschaft verweigerte Heim die
Bezahlung der am 1. Mai 1913 verfallenen schlussrate von 10,012 Fr.
des Kaufpreises. Mit der vorliegenden Klage hat Müller das Rechtsbegehren
gestellt, der Beklagte habe den Kauf vom 4. März 1913 in allen Teilen
anzuerkennen und daher dem Kläger als Kaufzahlung 10,012 Fr. nebst Zins
zu 5 % seit dem 1. Mai 1913 zu entrichten. Diesem Antrage hat der Beklagte
in seiner Antwort die Begehren entgegengestellt: 1. Das Klagebegehren sei

Obiigationenrecht. N° 89. 537

voilinhaltlich abzuweisen und der Kläger zu verhalten, den Beklagten unter
Rückerstattung des Geieisteten wegen seiner eriittenen Schädigung mit
einer vom Gerichte festzusetzenden Summe zu entschädigen. 2. Eventuell
sei die eingeklagte Forderung wegen Wegfalls des Inventars und
wegen Mindemasses als kompensiert zu betrachten. 3. Subeventuell
sei nach richterlichem Ermessen oder auf Grund einer Fachexpertise
die Ersatzforderung wegen Mindermasses oder wegen Wegfalls des
lnventars festzustellen und von der Klageforderung in Abzug zu
bringen. Zur Begründung dieser Begehren führte der Beklagte aus: Er
sei durch betrügerische Angaben Sigrist's über Grösse und Umfang des
Kaufgegenstandes getauscht worden und habe sich beim Kaufabschluss in
einem wesentlichen Irrtum befunden. Dieser Irrtum beziehe sich zudem auch
auf das im Kauf inbegriffene Mobiliar im Werte von 2000 Fr., das Sigrisi
nun nachträglich als Eigentum beanspruche. In rechtlicher Hinsicht werde
auf die Art. 216
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76
3    Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77
[f. 23, 24 und 28 OR und Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB abgestellt.

Die erste Instanz hat das Klagebegehren gutgeheissen, das kantonale
Obergericht dagegen hat mit Entscheid vom 16. Mai 1914 auf Abweisung
dieses Begehrens erkannt, ohne sich über die Gegenanträge des Beklagten
auszusprechen. Der Kläger ficht nunmehr diesen Entscheid vor Bundesgericht
durch Berufung an, indem er seinen Klageantrag erneuert.

3. Abgesehen von dem Antrag auf Anerkennung des streitigen Kaufvertrages,
der für die Erledigung des Falles nicht weiter in Betracht kommt, wird mit
dem Klagehegehren ein Erfüllungsanspruch aus diesem Vertrag, gerichtet
auf Bezahlung der noch ausständigen letzten Kaufpreisrate geltend
gemacht. Diesem Anspruch hält der Beklagte mit seinem Antwortbegehren
auf Abweisung des Klageantrages die Einrede entgegen, der Kaufvertrag
sei wegen Willensmängeln für ihn nicht verbindlich, welche Art der
Vertragsanfechtung nach

538 Obligationenrecht. N° 89.

feststehender Rechtsprechung zulässig ist. Auf die andern Antwort-begehren
wird zweckmässiger Weise erst nach Beurteilung des klägerischen
Erfüllungsanspruches eingetreten (s. unten Erwägung 8).

4. Als Willensmängel des streitigen Vertrages nennt der Beklagte die
des wesentlichen Irrtums und der absichtlichen Täuschung. Es fragt sich
zunächst, ob der letztere Anfechtungsgrund vorliege, denn bejahenden
Falles ist die Rechtsstellung des anfechtenden Beklagten eine bessere,
als sie es bei Niehtigerklärung des Ver-

trages wegen wesentlichen Irrtums unter Umständen .

sein könnte, in Hinsicht nämlich auf eine mögliche Schadenersatzpfllcht
nach Art. 26
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 26 - 1 Hat der Irrende, der den Vertrag nicht gegen sich gelten lässt, seinen Irrtum der eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben, so ist er zum Ersatze des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens verpflichtet, es sei denn, dass der andere den Irrtum gekannt habe oder hätte kennen sollen.
1    Hat der Irrende, der den Vertrag nicht gegen sich gelten lässt, seinen Irrtum der eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben, so ist er zum Ersatze des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens verpflichtet, es sei denn, dass der andere den Irrtum gekannt habe oder hätte kennen sollen.
2    Wo es der Billigkeit entspricht, kann der Richter auf Ersatz weiteren Schadens erkennen.
OR.

5. Nach den Akten hat Sigrist vor dem Abschluss des Kaufvertrages vom
4. März 1913 dem Beklagten als Flächeninhalt des Grundstückes wiederholt
12 bis 13,000 Klaster angegeben, während es in Wirklichkeit nur 8689
Klafter misst. Der Unrichtigkeit seiner Angabe und der grossen Diil'ercnz
zwischen dem angegebenen und dem wirklichen Masse musste sich Sigrist
nach der ganzen Sachlage bewusst sein: Auf sein eigenes Betreiben hatte er
seinerzeit, im Mai 1910, den Flächeninhalt mit annähernder Genauigkeit in
Erfahrung gebracht. Die Liegenschaft war ihm auch als früherm Eigentümer
und durch ihre Bewirtschaftung näher bekannt und als er sich dann in der
Folge mit ihrem Verkauf an den Kläger und später mit der Beibringung
eines Käufers für den Kläger beschäftigte, hatte er wiederum allen
Anlass, sich über ihre Grösse Rechenschaft zu gehen. Endlich deutet
auch der übermässige Preis, den er als Kaufvermitller vom Beklagten
erzielen wollte, auf die Absicht hin, den Flächeninhalt zu günstig
darzustellen. Hiernach und da anderseits kein Grund ersichtlich ist,
wegen dessen Sigrist dennoch dazu hätte kommen können, in guten Treuen ein
unrichtiges Mass anzugeben, steht sein Täuschungswille ausser Zweifel. Ei
wird auch nicht etwa dadurch ausgeschlos--

Obligatlonenrecht. N° 89 539

sen, dass Sigrist unmittelbar vor dem Kaufabschluss seine bisherige
Massangabe nicht mehr bestimmt aufrecht hieit, sondern ihr beifügte: er
wisse es nicht genau, er habe nicht gemessen. Mit dieser Erklärung konnte
es ihm nicht darum zu tun gewesen sein, die Unwahrheit der früheren
Angabe, wonach er mehr als 3000 Klatter zu viel nannte, deutlich zu
widerrufen. Den täuschenden Inhalt seiner Versicherung schränkte er
auf diese Weise nur unwesentlich ein und er musste sich zudem sagen,
dass seine Berichiigung in anderer Beziehung eher als eine Bestärkung
aufgefasst werden könne, sofern sich nämlich aus ihr entnehmen liess,
dass der Käufer jedenfails mit keinem so grossen Mindermass, wie es
tatsächlich bestand, zu rechnen habe.

Durch die unriehtige Erklärung Sigi-ist's hat sich der Beklagte auch
wirklich täuschen, also in den Irrtum versetzen lassen, das Grundstück
messe in der Tat, wenn nicht 12,000 Klafter, so doch annähernd so viel.
Mit Unrecht wendet der Kläger ein, der Beklagie habe die Liegenschaft
ja vorher besichtigt und sich so. über deren Umfang vergewissern
können. Damit allem ist noch nicht ausgewiesen, dass der Beklagte die
Unrichtigkeit der Versicherungen Sigrist's durchschaut habe oder auch
nur zu ernsten Zweifeln daran veranlasst werden sei. Nach allgemeiner
Lebenserfahrung lässt sich der Flächeninhait eines Grundstückes von
blossem Auge vielfach nur innerhalb bedeutender Fehlergrenzen abschätzen,
namentlich, wenn die Bodengestaltung eine Schätzung erschwert und wenn
der Schätzende unter der suggestiven Wirkung einer von ihm als glaubhaft
entgegengenommenen Massangabe steht. Sache des Klagers wäre es aber
gewesen, des nähern darzutun, dass nach den obwaltenden Verhältnissen
der Beklagte vermöge selbs'ständiger Beurteilung über den wirklichen
Flächeninhalt aufgeklärt gewesen sein müsse und dass das täuschende
Verhalten Sigrist's, obwohl an sich zur Erregung des beabsichtigten
Irrtums geeignet, doch

540 Obligationenrecht. N° 39.

die gewollte Wirkung nicht habe entfalten können. Dies gilt um so
mehr, als sich für den Fall, dass der Beklagte einer Täuschung nicht
unterlegen wäre, kaum erklären liesse, warum er alsdann zu den unwahren
Angaben Sigrist's jeweilen stillgeschwiegen und sogar auf Grund ihrer
die Umrechnung in das Metermass verlangt hätte, statt unter Berufung
auf den wahren Sachverhalt entweder von einem Kaufe abzustehen oder
günstigere Bedingungen zu verlangen.

Endlich ist auch anzunehmen, der Beklagte sei durch die Täuschung zum
Vertragsabschlusse v e r l ei t e t worden. Ein Irrtum von solcher
Bedeutung über die Grösse und damit über den Wert des Kaufgegenstandes
betrifft einen Umstand, der nach allgemeiner Verkehrsaullassung für
den vertraglichen Willensentschluss erheblich ist und er muss daher
als für die Eingebung des Vertrages kausal gelten, so lange nicht der
Vertragsgegner durch den Nachweis besonderer Gründe darzutun vermag, dass
der Getäuschte den Vertrag auch ohne die Täuschung abgeschlossen hätte
(vergl. BGE 31 II S. 379 Erw. 2 und dortige Zitate). In letzterer Hinsicht
beruft sich der Kläger mit Unrecht auf die Tatsache, dass die Parteien
von der Aufnahme einer Massangabe in den Vertrag abgesehen haben. Damit
hat der Beklagte lediglich auf eine vertragliche Gewährleistungspflicht
im Sinne von Art. 219
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 219 - 1 Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
1    Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
2    Besitzt ein Grundstück nicht das im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung angegebene Mass, so hat der Verkäufer dem Käufer nur dann Ersatz zu leisten, wenn er die Gewährleistung hiefür ausdrücklich übernommen hat.
3    Die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet.
OR verzichtet. Nicht aber folgt aus jener Tatsache
des weitem, dass es dem Beklagten in Betreff seines Entschlusses "zur
Eingehung des Vertrages gleichgültig gewesen sei, ob ein Mindermass
von solcher Grösse vorhanden sei oder nicht. Eine dahingehende
Willensmeinung darf angesichts des bedeutenden Wertnnterschiedes nicht
vermutet werden. Sie wird auch nicht durch die blosse Ansichtsäusserung
des Zeugen Durrer ausgewiesen, der Beklagte scheine geistig nicht

hoch zu stehen. Man muss demnach annehmen, die mündliche Massangabe
Sigrist's sei für den Beklagten ein den Abschluss des Vertrages
bestimmendes Moment

Obligationenrecht. N° 89. 541

gewesen und sie habe ihn nach Art. 28 OB zum Vertragsabschluss verleitet
. Dass endlich die Anfechtbarkeit auf Grund dieses Artikels auch dann
gegeben ist und gerade dann praktische Bedeutung besitzt, wenn der
Vertrag keine Massangabe enthält, hat bereits die Vorinstanz zutreffend
ausgeführt. Die gegenteihge Autfassung des Klägers, der Art. 219
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 219 - 1 Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
1    Der Verkäufer eines Grundstückes hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist.
2    Besitzt ein Grundstück nicht das im Grundbuch auf Grund amtlicher Vermessung angegebene Mass, so hat der Verkäufer dem Käufer nur dann Ersatz zu leisten, wenn er die Gewährleistung hiefür ausdrücklich übernommen hat.
3    Die Pflicht zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet.
OR
schliesse als Sonderbestimmung die Anwendung der allgemeinen Regeln über
die Vertragsanfechtung wegen Willensmängeln aus, lässt sich gesetzlich
und sachlich nicht rechtfertigen. .

6. Der Kläger bestreitet die Anfechtbarkeit des fraglichen Kaufvertrages
sodann noch unter Berufung auf Art. 28 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
1    Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
2    Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen.
OR, nämlich deswegen,
weil die Täuschung nicht von ihm, sondern, ohne dass er sie habe kennen
können, von Sigrlst verübt worden sei, dieser aber als Dritter im Sinne
der genannten Bestimmung gelten müsse. Der letzten Behauptung lässt sich
indessen nicht beiptlichten: Freilich war Rechtsagcnt Durrer und nicht
Sigrist der Stellvertreter des Klägers beim Vertragsabschluss. Dagegen
hat Sigrist bei den Vorverhandlungen als Bevollmachtigter des Klägers
gehandelt, indem er den Beklagten, den später-n Käufer, ausfindig machte
und den Kaut-abschluss vorbereitete. Seine Vertretungsmacht hierzu ergibt
sich aus dem Inhalte des dem Durrer erteilten Auftrages, die Liegenschaft
zu verkaufen, sobald Sigrist einen Käufer bringe, der eine Barzahlung m
der Höhe des ihm gemachten Darlehens leisten kenne. Darin liegt nämlich
zugleich ein vom Kläger erteilten von Durrer zu übermittelnder Auftrag
an Sigrrst, in der genannten Weise für die Beibringung eines Käufers zu
sorgen. Diesen Auftrag hat Sigrist angenommen und bei dessen Ausführung
die Täuschungshandlungverubt. Somit ist er beim Zustandekommen des
Gescheites als ein zur Mitwirkung Berufener beteiligt gewesen, wenn auch,
wenigstens formell, nur in der nebensachhchen

542 Obligationenrecht. N° 69.

Rolle eines Gehülfen des zum Abschluss bevollmächtigten Durrer. Kann er
aber nicht als ein dem Geschäfte fernstehender, von aussen einwirkender
Dritter im Sinne des Gesetzes angesehen werden, so muss der Kläger als
Geschäftsherr sein Handeln gleich dem eigenen gegen sich gelten lassen
(vergl. auch den genannten Bundesgerichlsentscheid in Erw. 4 a. E.;
STAUDINGER, Kommentar zum BGB 5./6. Aufl. § 123, IV, 3 b). Der Auffassung,
dass Sigrist Dritter sei, steht zudem das Darlehensverhältnis entgegen,
in dem er sich vor dem Abschluss des Vertrages zum Kläger befunden hat
und dessen Liquidation der beabsichtigte Kauf dienen sollte: Insofern
war Sigrist am Kaufahschluss wirtschaftlich ebenfalls interessiert und
rechtlich mittelbar beteiligt. _

7. Laut dem Gesagten gelangt man schon auf Grund von Art. 28
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
1    Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
2    Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen.
OR mit der
Vorinstanz zur Abweisung der eingeklagten Kaufrestanzforderung und es
braucht daher nicht mehr geprüft zu werden, wie es sieh mit der Einrede
des wesentlichen Irrtums verhalteEbenso wird die Berufung des Beklagten
auf die Art. 216 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76
3    Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77
. OR und 2 ZGB gegenstandslos,

8. In seinen Antwortbcgehren hat sich der Beklagte nicht darauf
beschränkt, die Abweisung der Klageforderung zu verlangen, sondern
im weitem auf Rückerstattung der schon geleistetenKaukpreisralen und
auf Ersatz des ihm durch den Kauf entstandenen Schadens eingetragen
(ohne freilich, was das notwendige Korrelat dieser Anträge oder doch des
ersten davon gewesen wäre. die Rückfertigung der gekauften Liegenschaft
anzubieten und zu fordern). Über diese Begehren hat die Vorinstanz nicht
geurteilt und da die Akten hier der Ergänzung bedürftig sind, so liesse
sich fragen, ob nicht eine Rückweisnng des Falles nach Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
1    Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
2    Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen.
OG Platz
zu greifen habe, wenn auch von keiner Partei ein dahingehender Antrag
gestellt wurde. Nun hat aber vor der Vorinstanz, soviel ersichtlich,
weder der Kläger

Obligationenrecht. N° 90. 543-

noch der Beklagte etwas dagegen eingewendet, dass jene weiteren Begehren
unbeurteilt blieben, und sodann hängt die Bedeutung und Wirkung ihrer
Nichtbeurteilung zunächst vom kantonalen Prozessrechte ab, wie denn
auch wohl die Parteien, wenn sie zu einer nachträglichen Erledigung
dieser Begehren im jetzigen Pro.zessverfahren gelangen wollten, den
Vorentscheid vor allem auf dem Wege des nach der kantonalen ZPO dazu
dienlichen Rechtsmittels, etwa der Kassationsbeschwerde hätten anfechten
müssen. Bei dieser Sachlage rechtfertigt es sich, einfach auf Bestätigung
des die Klagefordernng abweisenden vorinstanzlichen Urteils zu erkennen,
in der Meinung, dass damit die Parteien nicht gehindert sein sollen, ihre
übrigen Rechtsheziehungen aus dem Kaufgeschäfte in einem neuen Prozesse
der richterlichen Beurteilung zu unterstehen, falls sie nicht dazu kommen
sollten, sich auf Grund des gegenwärtigen Entscheides zu verständigen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Ohergerichtes des Kantons
Unterwalden ob dem Wald vom 16. Mai 1914 bestätigt.

90. Arrét de la. Ire section civile du 9 octobre 1914 dans la cause
Dupont contre Barber. Exception de jeu. Disproportion alléguée entre la
fortune du spéculateur et I'importance des ordres de bourse. Fardeau

de la preuve. Fortune suffisante pour se procurer le credit nécessaire
pour lever suecessivement les titres. Exception

écartée.

A. Au commencement de 1911, le defendeur Barber-Treves est entre en
relations avec Donat Dupont

AS 40 u _ 1915 37
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 40 II 534
Date : 02. Oktober 1914
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 40 II 534
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 534 Obligationenrecbt. N° 89 89. Urteil der !. Zivilabteilung vom 2. Oktober 1914


Legislation register
OG: 82
OR: 26  28  216  219
ZGB: 2
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31-II-376
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