I. FAMILIENRECHT DROIT DE FAMILLE

1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Februar 1914 i. S. L., Beklagter,
gegen P., Klägerin.

Tatsachen, die im Sinne des Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB geeignet sind,
erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten zu rechtfertigen
(Erw. 1). Begriff des unzüchtigen Lebenswandels im Sinne des
Art. 315. Inwieweit kann der Lebenswandel berücksichtigt werden, den
die Klägerin vor der kritischen Zeit geführt hat? (Erw. 2).

A. Die Klägerin war in den Jahren 19,11 und 1912 in A. in Stellung und
stand dort, wenigstens was die zweite Hälfte des Jahres 1911 betrifft,
im Rufe sittlicher Leichtiertigkeit. Am 23. Dezember 1912 gebar sie
in Kehrsatz ein uneheliches Kind, als dessen Vater sie den Beklagten
bezeichnet. Dieser gibt zu, der Klägerin am 14. April 1912 beigewohnt
zu haben, behauptet aber. die Klägerin habe um dieselbe Zeit auch noch
mit andern Männern geschlechtliehe Beziehungen unterhalten und überhaupt
einen unzüchtigen Lebenswandel geführt.

B. Durch Urteil vom 10. Dezember 1913 hat der Appellationshof des Kantons
Bern über die Rechtsbegehren der Klägerin:

1. Der Beklagte sei als Vater des von der Klägerin am 23. Dezember 1912
geborenen ausserehelichen Kin des zu erklären.

2. Der Beklagte sei gegenüber dem Kinde zur Leis-

_ AS 40 n 1914 1

2 Familienrecht. N' l.

tung eines vom Gerichte festzusetzenden Beitrages an die Kosten des
Unterhaltes und der Erziehung bis zum vollendeten 18. Altersjahre
zu verurteilen.

erkannt:

1. Von der Auferlegung eines Ergänzungs Reinigungs eides an die Klägerin
betreffend den Umgang vom o 21. März 1912 mit E. M. wird abgesehen.

2. Der Klägerschaft werden ihre Klagsbegehren zu gesprochen und demnach
der Beklagte

verurteilt: (folgt Spezifikation).

Dieses Urteil beruht auf folgenden Feststellungen und Erwägungen:

Da der Beklagte den fleischlichen Umgang mit der Klägerin in der
kritischen Zeit zugegeben habe, so sei gemäss Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB
seine Vaterschaft zu vermuten. Bezüglich der Einrede des unzüchtigen
Lebenswandels könne als durch die Zeugenaussagen erwiesen angenommen
werden, dass die Klägerin im September und Oktober 1911 in A. mit den
Zeugen M. und G. in intimem Verkehr gestanden habe. Es dürfe ebenso
unbedenklich angenommen werden, dass sie in einem gewissen Kreise von
Leuten in A. als ein sittlich leichtfertiges Mädchen galt, bei welchem
man nicht umsonst anklopfe. Nun frage es sich aber, ob der nachgewiesene
Geschlechtsverkehr mit mehreren Männern und der Ruf eines unsittlichen
Lebenswendels, welcher nach dem Gesagten für die Periode vom Spätjahr
1911 ausser Zweifel stehe, unter Art. 315 subsumiert werden könne,
da nach dieser gesetzlichen Bestimmung der unzüchtige Lebenswandel um
die Zeit der Empfängnis stattgefunden haben müsse, um die Abweisung der
Vaterschaftsklage zu rechtfertigen. Diese Frage sei zu verneinen. Für
die kritische Zeit sei aber nur festgestellt, dass die Klägerin am
21. März 1911 den Zeugen M. zur Nachtzeit auf ihrem Zimmer empfangen
und zu sich ins Bett genommen habe, ohne jedoch den Beischlaf mit ihm
zu vollziehen. Aus dieser Tatsache könne nun aber auf einen unzlich-,
Familienrecht. N° "1. 3

tigen Lebenswandel der Klägerin zu jener Zeit deshalb nicht geschlossen
werden, weil sie mit M. bereits im Herbst 1911 intim verkehrt hatte und
aus diesem Grunde die Annahme seines Besuches auf ihrem Zimmer allein
keine besondere Leichtfertigkeit bedeute. Was die Einrede aus Art. 314
Abs. 2 betreibe, so sei auch in dieser Beziehung zu Ungunsten der
Klägerin nur der nächtliche Besuch des M. nachgewiesen. Da der Nachweis
eines Geschlechtsverkehrs der Klägerin mit M. in der kritischen Zeit dem
Beklagten ohgelegen hätte und dieser Nachweis dem letztem somit nicht
gelungen sei (weil M. unter Angabe eines plausibeln Grundes Unwohlsein
der Klägerin eine Beiwohnung in der betreffenden Nacht in Abrede gestellt
habe), so erscheine ein die gesetzliche Präsumtion der Vaterschaft des
Beklagten zerstörender erheblicher Zweifel darüber des nachgewiesenen
nächtlichen Besuches wegen nicht als gerechtfertigt. Es sei allerdings
zuzugeben, dass für den Gerichtshof angesichts des von M. zugestandenen
frühern Verkehrs mit der Klägerin und angesichts des Umstandes, dass
er am 21. März 1912, eben vom Militärdienst zurückgekemmen, bei ihr im
Bette lag, die Richtigkeit der Zeugenaussage des M. nicht über jeden
Zweifel stehe. Anderseits sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihre
Konzeption bereits in ihrer Aussage gegenüber dem Gemeindepräsidenten
von Kehrsatz vom 31. Oktober 1912 auf den Umgang mit dem Beklagten vom
14. April 1912 zurückgeführt, und dass der Beklagte diesen Umgang auch
zugestanden habe. Dies spreche gegen die Annahme, dass sie infolge des
Verkehrs mit M. vom 21 März 1912 schwanger geworden sei. Zudem hätte M.,
der den Verkehr mit der Klägerin im Herbst 1911 ohne weiteres zugestanden
habe, kein Interesse daran gehabt, den geschlechtlichen Umgang vom
21. März 1912 abzuleugnen, falls derselbe tatsächlich stattgefunden
hätte. o Es könnte nun freilich der Gerichtshof, um jeden Zweifel
betreffend den Vorgang in der Nacht vom 21. März 1912 prozessualisch

4 Familienrecht. N" 1.

aus dem Wege zu räumen, diesbezüglich auf einen Ergänzungseid gemäss
§ 263 if. CP erkennen, welcher nach der Lage der Sache der Klägerin
aufzuerlegen Wäre. Jedoch nehme das Gericht davon Umgang, um nicht
für den Fall der Berufung der Parteien an das Bundesgericht den
Tatbestand in dieser Beziehung mehr als nötig einzuschränken und um
der Ueberprüfungsinstanz die freie Beweiswürdigung in jeder Hinsicht
zu wahren.

C. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
ergritfen, mit dem Antrag auf Abweisung'der Klage.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Da der Beklagte zugestandenermassen am 14. April 1912, also innerhalb
der kritischen Zeit (die vom 22. Februar bis zum 26. Juni 1912 reicht),
der Klägerin beigewohnt hat, ist die gesetzliche Vermutung des Art. 314
Abs. 1 begründet.

Hinsichtlich der Frage, ob der Beklagte den in Art. 314 Abs. 2
vorgesehenen Entkräftungsbeweis geleistet habe, fällt in Betracht,
dass die Klägerin ebenfalls in der kritischen Zeit, nämlich am 21. März
1912, einem gewissen M., mit dem sie feststehendermassen wenigstens im
Herbst 1911 geschlechtlichen Umgang gehabt hatte, den Zutritt zu ihrem
Schlafgemach und sogar zu ihrem Bett gestattet hat. Diese Tatsache ist
gewiss eine solche, welche im Sinne der angeführten Gesetzesbestimmung
erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten rechtfertigt. Die
Klage müsste daher schon aus diesem Grunde abgewiesen werden, wenn der
kantonale Richter nicht im Anschluss an die Feststellung des erwähnten
Vorkommnisses vom 21. März 1912 erklärt hätte, der Nachweis, dass die
Klägerin bei diesem Anlass mit M. den Beischlaf vollzogen habe, sei
trotzdem nicht erbracht, da nämlich M. unter Angabe eines plausiblen
Grundes Unwohlsein der Klägerin eine Beiwohnung in jener Nacht in Abrede
gestellt habe. Falls hierin die

runxilienrecht. N° i. 5

Feststellung liegen sollte, dass die Klägerin am 21. März 1912 den
Beischlaf mit M. nicht vollzogen habe, wäre das Bundesgericht daran
gebunden (vergl. BGE 39 II S. 506 11. Erw. 5).

Genau genommen liegt jedoch eine definitive tatsächliche Feststellung
dieses Inhaltes in Wirklichkeit nicht vor. Denn der Appellationshof
erklärt ausdrücklich, er nehme davon Umgang, die Klägerin zu dem in der
kantonalen Prozessordnung vorgesehenen Ergänzungseid zuzulassen, durch
dessen Leistung jeder Zweifel betreffend den Vorgang in der Nacht vom
21. März 1912 prozessualisch aus dem Wege geräumt würde. Darnach hätte
der kantonale Richter die Feststellung, dass es am 21. März 1912 zwischen
der Klägerin und M. nicht zum Beischlaf gekommen sei, selber wieder
aufgehoben, und es würde daher nur noch die Feststellung übrig bleiben,
dass die Klägerin dem M. damals Einlass in ihr Bett gewährt hat, was zur
Abweisung der Klage auf Grund des Art. 314 Abs. 2 gewiss genügen würde.

2. Wie es sich indessen auch hiemit verhalten mag, auf alle Fälle muss
die Klage auf Grund des Art. 315 abgewiesen werden. Nicht nur hat die
Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanz im Herbst 1911 ungefähr
gleichzeitig mit zwei Männern (G. und M.) und nach den Akten sogar noch
mit einem Dritten (E.) geschlechtlich verkehrt, wie sie denn überhaupt
als leichtes Mädchen galt, sondern sie hat auch speziell zur kritischen
Zeit zum mindesten mit zwei Männern (dem Beklagten und M.) in intimen
Beziehungen gestanden. Selbst wenn nämlich als festgestellt betrachtet
würde, dass es am 21. März zwischen der Klägerin und M. nicht zum
Beischlaf gekommen sei, so wäre diese negative Tatsache nach derselben
Zeugenaussage, aus der sie sich ergeben würde, doch nur auf einen Zufall
zurückzuführen, und es bliebe die positive Tatsache bestehen, dass die
Klägerin in der kritischen Zeit, ausser dem Beklagten, auch noch einem
andern in ihrem Bett Aufnahme gewährt hat. Darin

'

6 Familienrecht. No i.

aber muss das Kriterium eines unzüchtigen Lebenswandels im Sinne des
Art. 315
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
1    Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
2    Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält.
3    Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde.
ZGB erblickt werden, zumal wenn damit zusammengehalten wird, dass
die Klägerin schon im Herbst 1911 im Rufe einer sittlich leichtfertigen
Person stand und diesen Ruf nach den Akten vollauf verdiente.

Dass die Aufführung der Klägerin im Herbst 1911 deShalb nicht
berücksichtigt werden dürfe, weil Art. 315 einen unzüchtigen Lebenswandel
um die Zeit der Empfängnis voraussetzt, kann nicht als richtig anerkannt
werden. Allerdings dürfte es bei Art. 315 wohl in erster Linie auf den
Lebenswandel der Klägerin während der kritischen Zeit ankommen. Allein es
liegt in der Natur der Sache, dass eine sichere Beurteilung der Aufführung
einer Vaterschaftsklägerin während jener Zeitdauer in zahlreichen
Fällen nur unter Berücksichtigung aller aus den Akten ersichtlichen
Umstände, also n. a. auch des Vorlebens dieser Person, möglich ist. So
im vorliegenden Falle, wo die Gleichartigkeit des sittlichen Verhaltens
der Klägerin im Herbst 1911 und im Frühjahr 1912 deutlich zu Tage tritt.

Muss somit gesagt werden, dass die Klägerin um die Zeit der Empfängnis
einen unzüchtigen Lebenswandel führte, so ist die Klage nach Art. 315
ohne weiteres abzuweisen. '

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationshofes des
Kantons Bern vom 10. Dezember 1913 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Familienrecht. N° 2. 7

2. Sentenza. 25 febbraio 1914 della IP zazione civile nella cause Bomio,
attore, contro Bomio, convenuta.

Divorzio. Diritto intratemporale (consid. 1}. La diffida di ritorno
al coniuge assente è inefficace prima di due anni dopo l'abbandono
doloso (consid. 1). Divorzio per turbazione profonda delle relazioni
coniugali (consid. 2).Il divorzio è inammissibile non solamente ove la
continuazione dell' unione si appalesi impossibile, ma già quando essa
non puo ragionevolmente esigersi dal coniuge non preponderantemente in
colpa (consid. 3). Art.8 tit. fin.; 140, 142, 146

e 150 CCS.

Il Tribunale di Appello del Cantone Ticino ebbe a giudieare il 25
settemhre 1913 : .

La domanda di divorzio non è ammessa ed è parimenti respinta quella
subordinata di separazione personale.

Di questa sentenza, intimata alle parti il 13 gennaio 1914, si appella
nei modi e nei termini di rito l'attore il quale chiede si giudichi :

1° L'istanza di divorzio è accolta.

2° Subordinatamente : E pronunciata la separazione personale tra
i coniugi.

Ritenuto in linea di fatto:

A. L'attore, nato nel 1880, si univa in matrimonio con la convenuta,
nata nel 1886, il 14 luglio 1906. La moglie venne a convivere col marito
nella di lui casa paterna, dove abitavano il padre ed una sorella del
marito. Poco tempo dopo il matrimonio il marito dovette assentarsi per
un servizio militare e, ritornatone, si recava poi, senza la moglie, sul
campi di Cadenazzo per accudirvi alla pastorizia. Durante quest'assenza
e precisamente il 30 settembre 1906, Teresa Bomio lasciava il domicilio
coniugale ed andava a stare dai propri congiunti, adducendo che la
presenza sua in casa Bornio era sgradita al suocero ed alla cognata,
i quali, pretendeva essa, la consideravano come un'intrusa. Il giorno
susseguente lo zio della conve-
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 40 II 1
Date : 11. Februar 1914
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 40 II 1
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : I. FAMILIENRECHT DROIT DE FAMILLE 1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Februar


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