sich in Aarau nanvorübergehendaufgehalten habe, so lassen die aus
den Akten hervor-gehenden tatsächlichen Verhältnisse auch in dieser
Hinsicht keinen Schluss gegen die Ernsthaftigkeit des ausgesprochenen
gegen-teiligen Entschlusses der Rekursbeklagten zu. Die Reisen, die
sie nach ihrer Niederlassung in Aarau nach Prag gemacht hat, sind um
der Gesundheit ihrer dort lebenden Mutter willen veranstaltet worden;
sie schliessen also die Absicht dauernden Verbleibens in Aarau wiederum
nicht aus; denn kürzere Unterbrechungen eines Aufenthaltes stehen mit
der Absicht dauernden Verblei-
bens nicht in Widerspruch. Wenn der Rekurrent end '
lich darauf verwiesen hat, dass die Niederlassung in Aarau nur deshalb
stattgefunden habe, um für die Prozesszwecke der Rekursbeklagten einen
Wohnsitz zu simulieren, so ist ihm entgegenzuhalten, dass dem Wohnsitz
absoluter Charakter zukommt; ist er einmal begründet, so kommt es nicht
darauf an, zu welchen Zwecken er genommen wurde. Mit der Absicht dauernden
Verbleibens ist der Zweck, an einem bestimmten Orte zu verbleiben, um
einen die Lebensexistenz berührenden Prozess, der mehrere Jahre dauern
kann, durchzuführen, auch keineswegs unvereinbar; anerkannter-massen setzt
der Wohnsitz ja nicht etwa die Absicht imm e r dauernden Verbleibens
voraus (vgl. EGGER, Kommentar zum ZGB, N. 2 litt. cB zu Art. 23). Da
das Gesetz auch dem im Auslande wohnenden schweizerischen Ehegatten
den heimatlichen Gerichtsstand verheisst, durfte es in einem Falle,
da der Ehegatte seinen Wohnsitz vom Ausland in die Schweiz verlegt,
hinsichtlich der Zweckbestimmung der Niederlassung umsoweniger streng
genommen werden, wenn die Zweckbestimmung neben der Absicht des dauernden
Verbleibens rechtlich überhaupt von Bedeutung wäre. 'Uebrigens wäre der
Gerichtsstand von Aarau auch dann gegeben, wenn ein eigentlicher Wohnsitz
nicht begründet werden wäre, da nach Art. 24 Abs. 2 ZGBOrganisation der
Bundesrechtspfleg'e. N° 49. . 431
der blosse A u f e n t h alt der Rekursheklagten, die ihren
österreichischen Wohnsitz, aufgegeben hat, als Wohnsitz gilt. Die
Auffassung des Rekurrenten, nach welcher diese gesetzliche Fiktionnur
zu Lasten, nicht aber zu Gunsten des Aufenthalters gelten würde, findet
'im Gesetze, das einen derartigen Unterschied nicht
macht, keine Stütze.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt: ' Der Rekurs wird abgewiesen.
XI. ORGANISATION DER BUNDESRECHTSPFLEGEORGANISATION JUDICIAIRE FÉDÉRALE
49. Urteil vom 14. Juli 1914 i. s. LS:-sò]: gegen ,Christ und Genossen.
Art. 87 Zifî. 1 OG. Rechtsmittel zur Anfechtung kantonaler Entscheide
über Bestätigung oder Verwertung des Nachlassvertrages wegen Anwendung
kantonalen statt eidgenössischen Rechts.
A. Die Rekursbeklagten Witwe Obrist, R'Merker & Cie und Reinle &
Bolliger beschwerten sich beim 0herge1ichtdes Kantons Aargau als oberer
Nachlassbehörde über einen Entscheid des Bezirksgerichtes Laufenburg,
durch den der vom heutigen Rekurrenten Lörsch seinen Gläubigern
vorgeschlagene Nachlassvertrag zu 40 0/0 gerichtlich bestätigt worden
war. Nach den bei den Akten liegenden Empfangscheinen ist der fragliche
Entscheid der Rekursbekiagten Witwe Obrist am 23. und den beiden
andereanekursbeklagten am 24. De-
432 Slaatsrecht.
zember 1913 zugestellt worden. Die Einreichung der Beschwerden gegen
denselben beim Gerichtspräsidium Laufenburg zu Handen des Obergerichts
erfolgte am 5. Januar (Witwe Obrist) und 10. Januar 1914 (Merker &
Cie und Reinle & Bolliger).
Durch Urteil vom 25. Februar, zugestellt den 28 März 1914 hat das
Obergericht des Kantons Aargau, Abteilung für Zivilsachen, in Gutheissung
der Beschwerden erkannt:
1. Der vom Kläger angestrebte Nachlassvertrag ist als nicht
zustandegekommcn erklärt und ihm die Ge nehmigung versagt.
2. ..... (Kostenbesti-mmungen) .....
Aus den Motiven ergibt sich, dass die Verwerfung des Naehlassvertrages
deshalb erfolgte, weil die nach Art. 305
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 305 - 1 Der Nachlassvertrag ist angenommen, wenn ihm bis zum Bestätigungsentscheid zugestimmt hat: |
|
1 | Der Nachlassvertrag ist angenommen, wenn ihm bis zum Bestätigungsentscheid zugestimmt hat: |
a | die Mehrheit der Gläubiger, die zugleich mindestens zwei Drittel des Gesamtbetrages der Forderungen vertreten; oder |
b | ein Viertel der Gläubiger, die mindestens drei Viertel des Gesamtbetrages der Forderungen vertreten.548 |
2 | Die privilegierten Gläubiger, der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Schuldners werden weder für ihre Person noch für ihre Forderung mitgerechnet. Pfandgesicherte Forderungen zählen nur zu dem Betrag mit, der nach der Schätzung des Sachwalters ungedeckt ist.549 |
3 | Das Nachlassgericht entscheidet, ob und zu welchem Betrage bedingte Forderungen und solche mit ungewisser Verfallzeit sowie bestrittene Forderungen mitzuzählen sind. Dem gerichtlichen Entscheide über den Rechtsbestand der Forderungen wird dadurch nicht vorgegriffen.550 |
Gläubigermehrheit nicht erreicht sei und überdies der Fall des Art. 306
Zifî. 1 ebenda (unredliche bezw. leichtfertige Handlungen zum Nachteil
der Gläubiger) vorliege. Über die Gründe, welehe dazu führten, die
Beschwerdeführung als rechtzeitig zu betrachten, spricht sich das Urteil
nicht aus.
B. Gegen dieses Erkenntnis hat Lörsch den staaterechtlichen Rekurs
an das Bundesgericht ergriffen mit dem Anfrage, es aufzuheben. Zur
Begründung wird geitend gemacht, dass die Frist zur Anrufung der
oberen Nachlassbehörde gemäss Art. 307
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 307 - 1 Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden. |
|
1 | Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden. |
2 | Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sofern die Rechtsmittelinstanz nichts anderes verfügt. |
des erstinsta'nzlichen Entscheides betrage, mithin zur Zeit, als die
Rekursbeklagten ihre Beschwerden eingereicht hätten, bereits abgelaufen
gewesen sei und das Obergericht auf die letzteren daher überhaupt nicht
hätte eintreten dürfen, sondern sie wegen Verspätung von der Hand hätte
weisen müssen. Die entgegengesetzte Stellungnahme des Obergerichts lasse
sich nur aus der Annahme erklären, dass die Weiterziehungsfrist durch die
vom Vorabend der Weihnacht bis und mit dem 6. Januar dauernden kantonalen
Gerichtsferien (§ 108 der aargauisehen ZPO) unter--
am der Mskcehgtspilege N° 49. 433
brechen werden sei. Diese Auffassung sei aber offenbar ' falsch. Wie
das Bundesgericht schon wiederholt entschieden habe, bestimme sich
der Lauf der durch die Bundesgesetzgebung vorgesehenen Klageund
Rechtsmittelfristen ausschliesslich nach den einschlägigen Bestimmungen
des Bundesrechts, in casa den Art. 31
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 31 - Für die Berechnung, die Einhaltung und den Lauf der Fristen gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200848 (ZPO), sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 32 - 1 ...50 |
|
1 | ...50 |
2 | Eine Frist ist auch dann gewahrt, wenn vor ihrem Ablauf ein unzuständiges Betreibungs- oder Konkursamt angerufen wird; dieses überweist die Eingabe unverzüglich dem zuständigen Amt.51 |
3 | ...52 |
4 | Bei schriftlichen Eingaben, die an verbesserlichen Fehlern leiden, ist Gelegenheit zur Verbesserung zu geben. |
kantonale Prozessvorsehriften nicht berührt werden. Die Ausseraehtlassung
dieses Grundsatzes und die Anwendung kantonalen an Stelle des allein
massgebenden eidgenössischen Rechtes bedeute eine Rechtsverweigerung.
C. Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Vernehmlassung
verzichtet. Die Rekursbeklagten Witwe Ohrist und Mitbeteiligte haben
beantragt, auf den Rekurs nicht einzutreten, eventuell ihn als unbegründet
abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g :
Wie aus Art. 182
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 32 - 1 ...50 |
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1 | ...50 |
2 | Eine Frist ist auch dann gewahrt, wenn vor ihrem Ablauf ein unzuständiges Betreibungs- oder Konkursamt angerufen wird; dieses überweist die Eingabe unverzüglich dem zuständigen Amt.51 |
3 | ...52 |
4 | Bei schriftlichen Eingaben, die an verbesserlichen Fehlern leiden, ist Gelegenheit zur Verbesserung zu geben. |
festgehalten werden ist, kann ein staatsrechtlicher Rekurs in Bezug auf
solche Entscheide nicht erhoben werden, die auf dem Wege der Berufung
nach Art. 56 ff. oder der Kassationsbeschwerde nach Art. 160 H. an das
Bundesgericht weitergezogen werden können. Das nämliche muss folgerichtig
auch da gelten, wo dem Rekurrenten gegenüber dem angefochtenen Entscheide
das Rechtsmittel der zivilrechtlichen Beschwerde nach Art. 86 ff. ebenda
zu Gebote gestanden hätte, da die Gründe, welche in den beiden ersteren
Fällen zum Aussehlusse des staatsrechtlichen Rekurses geführt haben,
hierin ganz gleicher Weise zutreffen.
Nun können gemäss Art. 87 Zifî. .1. OG mit der zivrlrechtlichen
Beschwerde u. a. angefochten werden: letztinstanzliche, der Berufung
nicht unterliegende kantonale Entscheide in Zivilsaehen wegen Anwendung
kantonalen
434 Staatsrecht.
oder ausländischen statt eidgenössischen Rechtes. Die Zulässigkeit des
Rechtsmittels hängt demnach nicht mehr wie bei der zivilrechtlichen
Kassation des früheren Rechtes (Art. 89 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 32 - 1 ...50 |
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2 | Eine Frist ist auch dann gewahrt, wenn vor ihrem Ablauf ein unzuständiges Betreibungs- oder Konkursamt angerufen wird; dieses überweist die Eingabe unverzüglich dem zuständigen Amt.51 |
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4 | Bei schriftlichen Eingaben, die an verbesserlichen Fehlern leiden, ist Gelegenheit zur Verbesserung zu geben. |
dass der angefochtene Entscheid sich als Haupturteil im Sinne der
Bestimmungen über die zivilrechtliche Berufung darstelle: es genügt dass
er ein letztinstanzlicher sei, sich auf eine Zivilsache beziehe und dass
sich seine Anfechtung auf eine angeblich unzulässige Anwendung kantonalen
statt eidgenössischen Rechtes stützt. Da sowohl die erste als die letzte
Voraussetzung hier unzweifelhaft zutreflen, war die Möglichkeit einer
zivilrechtlichen Beschwerde somit gegeben, sofern der Streit, auf den
der Entscheid des Obergerichts sich bezieht, als Zivilsache im Sinne
von Art. 87 OG angesehen werden kann. Dies ist aber offenbar der Fall.
Die Entstehungsgeschichte des revidierten OG zeigt unzweideutig, dass
die Tendenz bei dessen Erlass dahin ging, den staatsrechtlichen Rekurs,
der bisher in allen nicht der Berufung unterliegenden Streitigkeiten,
auch soweit sie nicht staatsrechtlicher, sondern zivilrechtlicher
oder prozessualer Natur waren, das einzige Rechtsmittel zur Wahrung
des Grundsatzes der derogatorisehen Kraft des Bundesrechtes gegenüber
dem kantonalen Rechte bildete, auf dem letzteren Gebiete (d. h. in
Bezug auf nicht dem Staatsrecht angehörende Streitverhältnisse) soweit
möglich auszuschalten und auf sein eigentliches Anwendungsgebiet, die
Entscheidung staatsrechtlicher Streitsachen, zu beschränken, Es darf
daher unbedenklich angenomwerden, dass ·der Begrikk der Zivilsachen nach
Art. 87 OG ein weiterer ist als derjenige der (Zivilrechtsstreiiigkeitcn
nach Art. 56 ebenda und im Gegensatze zu letzterem nicht nur die
Entscheidungen über rein privntrechtliche Verhältnisse, sondern auch
diejenigen über Rechtsverhältnisse gemischter Natur, deren Inhalt nur
zum Teil ein materiell-privatrechtlicher ist, im übrigenOrganisation
ner Bundesrechtspflege. N° 49. 435
dagegen anderem Rechtsgebieten angehört, umfasst. Mit einem solchen
Institute hat man es aber beim Nachlassvertrage zu tun. Denn auch
wenn man mit der in der schweizerischen Literatur und Rechtssprechung
herrschenden Auffassung die Konstruktion des Nachlassvertrages als
eigentlichen Vertrages verwirft und ihn als besonders geartete Form der
Zwangsvollstrekkung, bezw. als Surrogat der letzteren definiert, kann doch
auf alle Fälle nicht geleugnet werden, dass sein Inhalt sich nicht darin
erschöpft, sondern ihm daneben zum mindesten in dem hier vorliegenden
Falle des sog. Prozentvergleiches in eminentem Masse auch zivilrechtliche
Bedeutung zukommt, indem durch ihn bezw. durch die Erfüllung seiner
Bedingungen seitens des Schuldners die ursprüngliche Forderung des
Gläubigers für den die Nachlassquote über-steigenden Betrag erlischt,
der Schuldner also insoweit von seiner Schuldpflicht befreit wird. Durch
die Bestätigung bezw. Verwerfung des Nachlassvertrages wird somit nicht
nur über eine zwangsvollstreckungsrechtliche Frage entschieden, sondern
auch der zivilrechtliche Bestand der Forderungen der Gläubiger, die im
Nachlassverfahren als Partei auftreten, berührt.
Ist dem so, so ergibt sich aber daraus ohne weiteres, dass Verletzungen
des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes gegenüber
dem kantonalen Rechte, die beim Entscheide über die Bestätigung bezw.
Verwertung des Nachlassvertrages durch die Nachlassbehörde begangen
werden, auf dem Wege der zivilrechtlichen Beschwerde und nicht des
staatsrechtlichen Rekurses zu rügen sind.
Demnach hat das Bundesgericht ' erkannt :
Auf den Rekurs wird nicht eingetreten.