418 Staatsrecht.

X. STAATSVERTRÄGETRA ITÉS IN TERN AT IONAUX

48. Urteil vom 9. Juli 1914 i. S. Wismeyer gegen Wismeyer-Märky.
Beschränkung des Geltungsbereichs der H a a g e r U e b e reinkuni't
betr. die Ehescheidung auf Konflikte,

bei denen die Gesetzgebung zweier Vertragsstaaten in Frage kommt Anwendung
des Art; 144 ZGB.

A. Frau Daniela Wismeyer geb. Märky hatte sich mit ihrem Manne,
einem Österreicher, im Jahre 1911 in Prag verheiratet. Sie war vorher
Schweizerin und erhielt infolge ihrer Verheiratung das österreichische
Bürgerrecht ; sie ist evangelischer, ihr Mann katholischer Konfession. Am
13. August 1912 wurden die Eheleute durch das Landesgericht Prag von
Tisch und Bett geschieden. Nachher bewarb sich Frau Wismeyer um die
Wiedereinbürgerung in der Schweiz und erlangte dieselbe durch Beschluss
des Bundesrates vom 6. Oktober 1913. Sie wurde dadurch wieder Bürgerin
ihrer ursprünglichen Heimatgemeinde Mönthal im Kanton Aargau. Nach einem
dem Obergericht vorgelegten Zeugnisse der Statthalterei in Wien, wo der
Mann heimaiberechtigt ist, ist Frau-"Vismeyer aus dem österreichischen
Staatsverbande ausgetreten.

Das erste ehehehe Domizil lag in Zizkow bei Prag. Nachdem Frau Wismeyer
von ihrem Manne gerichtlich getrennt war, meldete sie sich in Prag
(Zizkow) am 18. Juli 1913 ab und begab sich nach Aarau. Hier hinterlegte
sie, laut einem Zeugnis des Aarauer Fremdenbureaus vom 1. Dezember
1913, ihre Ausweisschriften und erhielt die amtliche Bewilligung zur
Niederlassung. Nachdem sie sich kurze Zeit bei einer dortigen Ver-

_wandten aufgehalten hatte, mietete sie bei Hans
Gerber--Staatsverträge. N° 48. 419

Weber in Aarau, dem Inhaber des Hotel Terminus, ein Wohnund ein
Schlafzimmer und zwar auf ein Jahr fest, mit nachheriger dreimonatlicher
Kündigung.

B. Am 15. Oktober 1913 leitete sie in Aarau Scheidungsklage gegen
ihren Mann ein, worauf der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit
des aargauischen und des schweizerischen Richters überhaupt erhob. Er
behauptete, die Schweiz könne sich die Kompetenz zur Auflösung einer
Ehe, die nie ihrer Jurisdiktion unterstanden habe, nicht beilegen. Nach
Art. 9 der Haager Konvention über Ehescheidung, sei diese Übereinkunft,
trotzdem Österreich, dem der Beklagte angehöre, ihr nicht hcigetreten sei,
auf den vorliegenden Fall art-. wendbar, weil die Klägerin Schweizerin
geworden sei und sich damit dem Rechte der Konvention unterworfen
habe. Nach Art. 8 der Konvention habe das letzte gemeinsame Gesetz als
dasjenige des Heimatstaates zu gelten, und darum könne kraft Art. 5 der
Konvention eine Scheidungsklage nur am heimatlichen Gerichtsstand oder
am Wohnsitz des Beklagten angebracht Werden. Wenn übrigens auch Art. 9
auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar Wäre, so müsste der in Art. 8
der Konvention aufgestellte Grundsatz als internes schweizerisches
Recht gelten.

Wenn aber die unter dem alten Rechte eingeführte Praxis aufrecht erhalten
werden sollte, wonach die Scheidung einer Ehe zwischen Schweizern
und Ausländern zugelassen worden sei, ohne dass die Erfüllung des
Requisites des Art. 56 ZEG verlangt worden wäre, so wäre die Kompetenz des
aargauischen Richters gleichwohl nicht gegeben. Denn die Niederlassung,
die die Klägerin in Aarau genommen habe, sei nicht ernstgemeint;
vielmehr diene ihr dortiger Aufenthalt nur dem vorübergehenden Zwecke des
Scheidungsprozesses. In Prag besitze sie immer noch eine Wohnung. Auch
ihr Aufenthalt in Aarau sei bloss vorübergehender Natur; die Klägerin
sei im Juli nach Aarau gekommen,

420 Staatsrecht.

am 1.2. August aber bereits wieder in Prag gewesen wo sie bis zum
5. September geblieben sei; nachdem, sie von da wieder abgereist, habe
sie sich anfangs Oktober wieder in Prag befunden. Sie könne sich also
auch nicht auf die Gerichtsstandsbestimmung des Art 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
.44 ZGB berufen,
da sie in Aarau keinen Rechtswohn si sitz habe.

Gegenüber der Unzustäudigkeitseinrede betonte die Klagerin, dass sie einen
wirklichen Wohnsitz in Aarau be51tze, was schon allein daraus hervorgehe
dass ihr vom Bundesrat die Wiedereinbürgerung bewilligt worden sei. Seit
ihrer Niederlassung in Aarau sei sie nur zweimal iur kurze Zeit nach
Prag gereist, das erste Mal um ihre kranke Mutter zurückzubegleiten, und
das zweite Mal, um ihr während ihrer"·sehweren Krankheit beizustehen.
Ihr Aufenthalt in Aarau sei durchaus nicht vornhergehend, sondern für
längere Zeit genommen. Ihre Mutter'werde, sobald die Villa in Prag
verkauft sein werde, ihr in die Schweiz nachfolgen. Unerheblich sei
dass Sie sich einstweilen noch nicht so häuslich ein e1 richtet habe,
wie es nachher geschehen werde, wenn äie

Scheidung ausgesprochen sei. Der Scheidungsgrund sei --

mit ein Grund ihrer Auswanderung gewesen, aber nicht der einzige;
der Hauptgrund liege für sie darin von der Stätte ihres dortigen
Geschicks fortzuziehean und mit dem Beklagten in keiner Weise mehr
zusammenzukommen.Die Zuständigkeit des Aargauer Richters sei nach Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.

ZGB gegeben, denn Aarau sei der wirkliche und wahre Wohnsitz sowohl
nach Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
als auch nach Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB. Für die Annahme eines
Wohnsitzes se1 nicht nötig, dass die Absicht immerwährenden Verbleibens
bestehe. Der Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB enthalte keine Lucke; er garantiere die Klage
auch dem Ausländer und ,es sei keine Rede davon, dass die Haager Kon:
vention bei uns auch jenen Parteien gegenüber gelte die ihr nicht
beigetreten seien. Die Klägerin sei Wieder

.-.i· ""-_--Staatsverträge. N° 48. 421

Schweizerbürgerin und einzig von der Gesetzgebung ihres Landes abhängig,
nicht von derjenigen eines fremden Landes. C. Sowohl das Bezirksgericht
Aarau als auch das aargauische Obergericht haben die Einrede der
Unzuständigkeit verworfen. Die zweite Instanz nahm an, dass die Klägerin
ihren Wohnsitz in Aarau habe, indem daraus, dass sie die beiden Zimmer
im Hotel Terminus nur für ein Jahr gemietet, nicht geschlossen werden
könne, sie habe bloss zu Prozesszwecken in Aarau Aufenthalt genemmen. Die
tatsächlichen Umstände liessen vielmehr darauf schliessen, dass sie
sich mit der Absicht niedergelassen habe, in Aarau dauernd und Wirklich
Wohnsitz zu nehmen. Übrigens schliesse der Wille, in bestimmter Zeit einen
Ort wieder zu verlassen, die Absicht dauernden Verbleibens nicht aus. Dazu
komme, dass die Klägerin gemäss Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB schon durch ihren
tatsächlichen Aufenthalt in Aarau den rechtlichen Wohnsitz habe; denn es
sei Tatsache, dass sie seit Juli 1913 ihren Wohnsitz in Prag aufgegeben,
sich dort abgemeldet und zudem aus dem österreichischen Staatsverbande
ausgeschieden sei. Der Klägerin stehe daher der Gerichtsstand des
Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB zu. Da Österreich der Haager Konvention nicht beigetreten
sei, so könne diese internationale Übereinkunft hier keine Anwendung
finden. Jedem Schweizerbiirger, der mit einem Ausländer verheiratet
sei, sei es unter den gleichen Bedingungen Wie jedem andern Schweizer
möglich, in der Schweiz einen Gerichtsstand für seine Ehescheidungsklage
zu finden; der Inländer solle des Schutzes der ihm durch die inländische
Gerichtsordnung zugesicherten Rechte teilhaftig sein. Eine Einschränkung
dieses Satzes sei in der Haager Konvention nirgends ausgesprochen. Auch
der Standpunkt, dass die Konvention als das bessere Recht zu betrachten
sei, halte nicht Stich ; solche Zugeständnisse habe die Schweiz bei der
Ratifikation des internationalen Eherechtes nicht gemacht.

422 Staatsrecht.

Endlich könne die Einrede, dass die definitive Scheidung in Österreich
nicht anerkannt werde, die Gerichtsstandsfrage nicht beeinflussen.

D. Gegen diese kantonalen Kompetenzbescheide hat der Ehemann Wismeyer
staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrage, sie seien aufzuheben
und es sei auszusprechen, dass der Gerichtsstand Aarau für die Klage
nicht begründet sei. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts begründet er
mit dem Hinweis darauf, dass er die Verletzung eines Staatsvertrages und
eventuell die Verletzung der bundesrechtliehen Garantie des Rechtes zur
Ehe geltend mache (Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV). Er bestreitet, dass die Klägerin in Aarau
einen Wohnsitz habe, und leugnet die Anwendbarkeit sowohl des Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.

als auch des Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB. Wenn aber ein Wohnsitz gegeben wäre,
so wären die aargauischen Gerichte unzuständig, weil es sich nicht
um eine schweizerische, sondern um eine ausländische Ehe handle. Das
Scheidungsurteil würde in Österreich nicht anerkannt. Es sei noch nie
vorgekommen, dass ein schweizerisches Gericht die Ehe eines Ausländers
geschieden hätte, der nicht in der Schweiz seinen Wohnsitz gehabt
habe. Einer solchen Kompetenz stehe die Haager Scheidungskon-vention
(Art. 9
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 9 - 1 Öffentliche Register und öffentliche Urkunden erbringen für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist.
1    Öffentliche Register und öffentliche Urkunden erbringen für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist.
2    Dieser Nachweis ist an keine besondere Form gebunden.
) entgegen, die eventuell wenigstens zur Interpretation des
Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB herangezogen werden müsste.

E. Die Rekursbeklagte beantragt die Abweisung der Beschwerde. Auch
sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, wonach einzig Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB in
Verbindung mit Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
und 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB zur Anwendung gelange, während
die Haager Ueber-einkauft nicht in Frage komme, da Oesterreich ihr nicht
beigetreten sei. Der Art. 9 dieser Konvention habe zur Voraussetzung,
dass beide Länder, deren Urteile oder Gerichte dabei in Frage kämen,
Vertragstaaten seien, (1. h. sowohl das Land, wo die Klage erhoben
werde, als auch das Land, wo der andere Teil wohne. Die Schweiz habe
keinenStaatsverträge. N° 48. 423

internationalen Rechtssatz anerkannt, durch den der Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB zu
Gunsten auswärtiger Staaten eingeschränkt werden solle. Im Gegenteil
sei diese Bestimmung nach dem Beitritt zur Haager Konvention zum Gesetz
erhoben werden, weil man denFrauen hinsichtlich des Gerichtsstandes
dieselben Rechte habe geben wollen wie sie bisher nur die Männer gehabt
hätten. Nur für die Vertragsstaaten habe man sich zu Konzessionen nach
anderer Richtung herbeigelassen; Oesterreich sei aber kein solcher.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Da eine Berufung ans Bundesgericht gegen den angefochtenen
Kompetenzentscheid, der kein Haupturteil, sondern ein blosser
Zwischenentscheid ist, nicht zulässig gewesen wäre, so ist auf Grund
der Art. 175 Ziff. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
und 189 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
OG und entsprechend der ständigen
Praxis des Bundesgerichtes ein staatsrechtlicher Rekurs, mit dem die
Verletzung einer internationalen oder einer internen schweizerischen
Gerichtsstandsregel geltend gemacht wird. für zulässig zu erklären;
vergl. BGEG S. 544E.2;l2 S. 541 E.1;23 II S. 983 E. 1; 27 I S. 181
E. 1; 33 I S. 342 E. 3. Es kann daher auch auf eine freie Ueberprüfung
der Anwendbarkeit des Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB und seines Verhältnisses zu der
Haager Konvention über Ehescheidung eingetreten werden, ohne dass es
notwendig wäre, den vom Rekurrenten angerufenen Art. ,54 BV, der das
Recht zur Ehe unter den Schutz des Bundes stellt, für die Begründung
der bundesgerichtiichen Zuständigkeit heranzuziehen.

2. Material] ist in erster Linie die Frage zu prüfen, ob die Anwendung des
in Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB aufgestellten Scheidungsgerichtsstandes des klägerischen
Wohnsitzes schon deshalb aufgeschlossen sei, weil die Haager Konven tion,
wie der Rekurrent geltend macht, für die Bestimmung des Gerichtsstandes
massgebend und nach

424 Staatsrecht.

dieser Uebereinkunft ein schweizerischer Gerichtsstand mit Rücksicht
auf die österreichische Staatsangehörigkeit des Beklagten Ehemannes
nicht gegeben sei. Diese Frage ist zu verneinen, denn das internationale
Scheidungsabkommen ist nur dazu bestimmt, diejenigen Scheidungskonflikte
zu regeln, bei denen die Gesetzgebung zweier Vertragsstaaten gleichzeitig
beteiligt ist. Konflikte, in denen das Gesetz nur ein e s Vertragsstaates
und daneben nur dasjenige eines der Konvention ni c h t angehörenden
Staates in Frage stehen, gehören nicht zum Geltungsbereich der
Uebereinkunft ; denn es lag nicht in der Absicht der Vertragsstaaten,
das intern geordnete zwischenstaatliche Scheidungsrecht dadurch völlig zu
beseitigen, dass jedesmal, wenn in einem Vertragsstaate von einem Inländer
gegen einen Ausländer auf Scheidung geklagt wird, das Gerichtsstandsrecht
der Uebereinkunft vorgeschrieben sein sollte, selbst wenn neben dem
inländischen Gesetze das Gesetz eines zweiten Vertragsstaates nicht
berührt wird. Darum hat es das nach dem Inkrafttreten der Haager
Konvention erlassene schweizerische Zivilgesetzhuch nicht unterlassen,
eigene internationalrechtliche Normen über das Ehescheidungsrecht zur
Ergänzung des Bundesgesetzes über die zivilrechtlichen Verhältnisse der
Niedergelassenen und Aufenthalter aufzustellen (Schlusstitel, Art. 59
Ziff. 7 litt. g i), um derart diejenigen internationalrechtlichen
Konflikte zu lösen, in denen das schweizerische Hecht mit dem Gesetze
eines nicht zur Haager Ueberemkunft gehörenden Staates zusammentrifft-Die
Gerichtsstandsbestimmung des Art. 5, der Uebereinknnft, welche dem
Scheidungskläger die Wahl zwischen dem Gesetz des Heimatsstaates und
demjenigen des Wohnsitzes der Ehegatten einränmt, setzt ihrerseits
einen Konflikt voraus, m dem entweder vermöge des Anknüpfungspunktes
der Staatsangehörigkeit oder auf Grund desjenigen des _Wohnsitzes eine
internationalrechtliche Beziehung existiert-, für deren Beurteilung die
Gesetze z w e i e rStaatsverträge. N° 48. 425--

-Vertragsstaaten in Frage stehen. Kommt hinsichtlich

der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes neben dem inländischen
Rechte nur das Gesetz einer der Konvention n i c h t angehörenden
fremden Staates in Betracht, so ist der Umstand, dass der Staat, wo
die Scheidungsklage erhoben wurde, der Haager Uebereinkunft beigetreten
ist, für die Rechtsanwendung unerheblich, da die Vertragsstaaten, wie
bereits ausgeführt wurde, ihr eigenes, internes zwischenstaatliches
Scheidungsreeht in Konflikten mit Gesetzen vertragsfremder Staaten nicht
haben opfern wollen. Wenn nun Art. 9 Abs. 1 der Uebereinkunft erklärt,
dass das Abkommen nur auf solche Scheidungsund Trennungsklagen Anwendung
finde, die in einem der Vertragsstaaten erhoben werden, und zwar nur dann,
wenn mindestens eine der Parteien einem dieser Staaten angehört, so wird
damit ein Minimaleriordernis aufgestellt, das keineswegs dazu führen kann,
das Anwendungsgebiet der Konvention auf Konflikte auszudehnen, die nach
dem Sinne und dem Zwecke der Uebereinkunft von ihr nicht haben getroffen
werden wollen. Wie sich aus den Verhandlungen der Haager Konferenz vom
Jahre 1900 (Actes de la Convention 1900 III S. 178 f.) ergibt, sollte
Art. 9 der Uebereinknnft nur denjenigen unliebsamen Dualismus verhüten,
der sich daraus ergäbe, dass für die eine Partei das Vertragsrecht,
für die andere das interne Kollisionsrecht eines nicht der Uebereinkunft
angehörenden Staates gleichzeitig zur Anwendung gebracht werden müsste. In
dem damals in der Konferenz angeführten Beispiele, das sich auf die
Eheschliessungsübereinkunft (Art. 8) bezog, war der Fall ins Auge gefasst
worden, in welchem ein Franzose eine Engländerin in Deutschland heiraten
will. Hier gehört nur ein Teil, der Franzose, dem Vertragsgebiete an,
gleichwohl rechtfertigt es sich, hier das Vertragsrecht für anwendbar
zu erklären, weil zufolge des deutschen Wohnsitzes des Franzosen die
Gesetzgebung z w ei e r Vertragsstaaten, F1 ankreichs und

Deutschlands, berührt wird. Wo aber sowohl hinsichtlich des Wohnsitzes
als auch mit Bezug auf die Staatsangehörigkeit der Scheidungsparteien
nur das Recht ein e s Vertragsstaates in Frage steht, da bleibt für
die Anwendung der Uebereinkunft schlechterdings kein Raum. Damit steht
denn auch Abs. 2 des Art. 9 in Uebereinstimmung. der ausdrücklich
erklärt, dass kein staat sich durch das Abkommen zur Anwendung eines
Gesetzes verpflichte, welches nicht dasjenige eines Vertragsstaates
sei. In einem Scheidungsprozesse, in dem eine in der Schweiz wohnende
Schweizerin vor einem schweizerischen Richter als Klägerin gegen einen
Oestersireicher auftritt, besteht daher für den schweizerischen Richter
jedenfalls auf Grund der Haager Uebereinkunft keine Verpflichtung,
auf das Gesetz Oesterreiehs, das der Uebereinkunft nicht heigetreten
ist, Rücksicht zu nehmen. Und es erscheint auch als ausgeschlossen,
dass einem schweizerischen Seheidungsurteile in solcher Sache von den
österreichischen Behörden auf Grund des Art. 7 der Uebereinkunft die
Anerkennung versagt werden könnte ; denn auf diese Uebereinkunft vermögen
sich nur die Behörden von Vertragsstaaten zu berufen.

3. Der vorliegende Gerichtsstandskonflikt ist danach ausschliesslich auf
Grund des internen schweizerischen Rechtes zu lösen. Das schweizerische
Zivilgesetzbuch hat zur Ergänzung des BG über die zivilrechtlichen
Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter das internationale
Scheidungsgerichtsstandsrecht nur in den beiden heute nicht in Betracht
kommenden Fällen des Art. 59 Ziff. 7 litt. g und h des Schlusstitels
geordnet, d. h. in den Fällen, in denen ein im Auslande wohnender
schweizerischer Ehegatte oder ein ausländischer Ehegatte, der in der
Schweiz wohnt, in der Schweiz auf Scheidung klagen will. Eine besondere
internationalreehtliche Regelung des Gerichtsstandes war dagegen für
den Fall nicht nötig, in dem eine in der Schweiz wohnende Schweizerin
gegen einen Ausländer vor schweizerischemStaatsverträge. N° '48. 427

Richter klagt; denn in Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB hat der Gesetzgeber eine Vorschrift
aufgestellt, kraft der jeder in der Schweiz wohnende schweizerische
Ehegatte die Scheidungsklage vor dem Richter seines eigenen Wohnsitzes
erheben kann. Mit dieser Neuerung ist nicht nur das im Zivilstands-und
Ehegesetze des Jahres 1874 aufgestellte Gerichtsstandsrecht zu Gunsten des
klagenden Ehegatten erweitert, sondern gleichzeitig auch die in Art. 56
jenes alten Gesetzes aufgestellte Beschränkung betreffend die Scheidung
ausländischer Ehe für den schweizerischen Ehegatten, der gegenüber einem
Ausländer als Kläger auftritt, aufgehoben werden. Die einzige Schranke,
die übrig geblieben ist, stellt Art. 7 litt.h des revidierten BG über die
zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter für
den auslän dischen, in der Schweiz wohnenden Teil der Ehegalten auf. Der
schweizerische Scheidungskläger kann gegen den ausländischen Ehegatten
in der Schweiz si auf Scheidung klagen, ohne an den Nachweis gebunden
zu sein, dass nach Gesetz oder Gerichtsgebrauch des Heimatstaates
des Beklagten der geltend gemachte Scheidungsgrund zugelassen und
der schweizerische Gerichtsstand anerkannt sei. Damit hat sich der
Gesetzgeber im wohlerstandenen Interesse der Schweizerbürger auf den
unter der Herrschaft des aufgehobenen Zivilstandund Ehegesetzes von
der Praxis ständig eingenommenen Standpunkt gestellt, dass eine Ehe,
bei welcher der auf Scheidung klagende Teil Schweizer, der Beklagte
Ausländer ist, nicht als Ehe zwischen Ausländern (im Sinne des Art. 56
jenes Gesetzes) angesehen werden dürfe (vergl. BGE 27 I S. 182 ff.;
33 II S. 11 H.). Das Bundesgericht hat denn auch seit dem Inkrafttreten
der Haager Übereinkunft die Zulässigkeit einer Scheidungsklage bejaht,
mit welcher eine Schweizerin gegen einen Österreicher aufgetreten war,
ohne dass es san-f diesen Fall die Haager Konvention zur Anwendung
gebracht hätte (AS 33 l S. 356 f.). Es AS 40 1 _ 1914 23

428 staatsrecht-

mag auch auf Mmm und MAMELOK, Systematische Darstellung des
internationalen Privatund Zivilprozessrechtes auf Grund der Haager
Konvention, S. 250 f., verwiesen werden, wo gleichfalls die Auffassung
vertreten wird, dass bei einer Ehe zwischen Schweizer und Ausländer die
Haager Übereinkunft nur dann anzuwenden sei, wenn der Ausländer einem
Konventionsstaat'e angehöre. Die vom Gesetzgeber verfolgte Tendenz,

en Schweizerbiirgern den Schutz der heimatlichen Gerichtsbarkeit in
möglichst ausgedehntem Umfange zuteil werden zu lassen, ergibt sich auch
aus der Vorschrift des Art. 7 litt. g des BG über die zivilrechtlichen
Verhältnisse der Niedergelassenen und Anfenthalter, wo in Übereinstimmung
mit dem früheren Rechte selbst dem im Auslande wohnenden schweizerischen
Ehegatten ein schweizerisches Seheidungsforum garantiert wird. Gegenüber
dieser berechtigten Tendenz vermag der Einwand des Rekurrenten nicht
durchzusehlagen, dass in Zukunft eine Ungleichheit unter den Angehörigen
verschiedener Nationen entstehen werde, wenn da, wo der ausländische
Teil einem Vertragsstaate angehört, der die Scheidung nicht zulässt, auf
Grund der Übereinkunft nicht geschieden werden könne, während die Ehe
gegenüber einem Ausländer, der einem nicht zur Übereinkunft gehörenden
Staate angehört, in welchem die Scheidung gleichfalls unzulässig ist,
auf Grund des internen schweizerischen Rechtes einer gänzlichen Lösung
fähig sei. Es entspricht nämlich jener gesetzgeberischen Absicht, wenn der
schweizerische Ehegatte des Schutzes des schweizerichen Scheidungsrechtes
nur da verlustig erklärt wird, wo es die Zugehörigkeit der Schweiz zu
einer internationalen Übereinkunft durchaus verlangt. Es ist darum nicht
angezeigt, diesen Schutz. um eines vorwiegend theoretischen Postulate-s
willen zu verkürzen. '

4. Ist nach dem Gesagten die Gerichtsstandshestimmung des Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB
auf den vorliegenden StreitStaatsverträge. N ° 48. 429

anwendbar, so ist weiter zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines
aargauischen Gerichtsstandes gegeben seien.

Zunächst ergibt sich aus Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB, worin die Ehefrau, die das
Recht hat, von ihrem Manne getrennt zn leben, für befugt erklärt wird,
einen selbständigen Wohnsitz zu haben, dass die Reknrsbeklagte, die durch
gerichtliches Urteil vom Rekurrenten zu Tisch und Bett getrennt werden
ist, im Kanton Aargau einen selbständigen, von ihrem Manne unabhängigen
Wohnsitz zu begründen vermochte.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des aargauischen Obergerichts
hat die Rekursbeklagte nicht nur unter Aufgabe der österreichischen
Staatsangehörigkeit das Schweizerbürgerrecht erworben, sondern zur
Zeit der Klageeinleitung auch in Aarau Niederlassung genommen und sich
tatsächlich hier aufgehalten. Wenn nun das Obergericht aus den von ihm
festgestellten Tatsachen den Schluss gezogen hat, dass die Rekursbeklagte
sich mit der Absicht in Aarau niedergelassen habe, hier dauernd und
wirklich Wohnsitz zu nehmen, so kann hierin ein Reclitsirrtum nicht
erblickt werden. Mit Recht hat die zweite Instanz den vom Rekurrenten
erhobenen Einwand, dass die Beklagte ihren Wohnsitz in Prag tatsächlich
nicht aufgegeben habe, obwohl sie dort noch immer eine möblierte Wohnung
in eigenem Hause besitze, als unstichhaltig verworfen; denn daraus,
dass eine von Tisch und Bett geschiedene Frau, die sich von ihrem Manne
endgültig trennen will, nicht sofort ihren gesamten Hausrat mit sich
führt, kann nicht wohl auf die Absicht des Verbleibens am alten Orte
geschlossen werden, zumal wenn es sich um eine Persönlichkeit handel,
die vermöge ihres Wohlstandes sehr wohl in der Lage ist, neben einer
Wohnung im eigenen Hause für einige Zeit eine andere möblierte Wohnung zu
mieten. Dieses Verhalten schliesst die Absicht des bleibenden Aufenthaltes
an dem neuen Orte keineswegs aus. Was sodann den Einwand betrifft,
dass die Reknrsbeklagte

siseh in Aarau nnrzvorübergehendau'fgehalten habe, so '

lassen die aus den Akten hervorgehenden tatsächlichen Verhältnisse
auch in dieser Hinsicht keinen Schluss gegen die Ernsthaftigkeit des
ausgesprochenen gegenteiligen Entschlusses der Rekursbeklagten zu. Die
Reisen, die sie-nach ihrer Niederlassung in Aarau nach Prag gemacht hat,
sind um der Gesundheit ihrer dort lebenden Mutter willen veranstaltet
worden ; sie schliessen also die Absicht dauernden Verbleibens in Aarau
Wiederum nicht aus; denn kürzere Unterbrechungen eines Aufenthaltes
stehen mit der Absicht dauernden Verbleibens nicht in Widerspruch. Wenn
der Rekurrent endlich darauf verwiesen hat, dass die Niederlassung
in Aarau nur deshalb stattgefunden habe, um für die Prozesszwecke der
Rekursbeklagten einen Wohnsitz zu simulieren, so ist ihm entgegenzuhalten,
dass dem Wohnsitz absoluter Charakter zukommt; ist er einmal begründet,
so kommt es nicht darauf an, zu welchen Zwecken er genommen wurde. Mit
der Absicht dauernden Verbleibens ist der Zweck, an einem bestimmten
Orte zu verbleiben, um einen die Lebensexistenz berührenden Prozess, der
mehrere Jahre dauern kann, durchzuführen, auch keineswegs unvereinbar;
anerkanntermassen setzt der Wohnsitz ja nicht etwa die Absicht imm
e r dauernden Verbleibens voraus (vgl. EGGER, Kommentar zum ZGB,
N. 2 litt. c, B zu Art. 23). Da das Gesetz auch dem im A u s l a n
de wohnenden schweizerischen Ehegatten den heimatlichen Gerichtsstand
verheisst, durfte es in einem Falle, da der Ehegatte seinen Wohnsitz
vom Ausland in die Schweiz verlegt, hinsichtlich der Zweckbestimmung
der Niederlassung'iumsoweniger streng genommen werden, wenn die
Zweckbestimmung neben der Absicht des dauernden Verbleibens rechtlich
überhaupt von Bedeutung wäre. 'Uebrigens wäre der Gerichtsstand von Aarau
auch dann gegeben, wenn ein eigentlicher Wohnsitz nicht begründet worden
wäre, da nach Art. 24 Abs. 2 ZGBOrganisation der Bundesrechtspfleg'e. N°
49. . 431

der blosse A u f e n t h a l t der Rekursbeklagten, die ihren
österreichischen Wohnsitz aufgegeben hat, als Wohnsitz gilt. Die
Auffassung des Rekurrenten, nach welcher diese gesetzliche Fiktion nur
zu Lasten, nicht aber zu Gunsten des Aufenthaltes gelten Würde, findet

"im Gesetze, das einen derartigen Unterschied nicht

macht, keine Stütze.

Demnach hat das Bundesgericht . erkannt: ' Der Rekurs wird abgewiesen.

XI. ORGANISATION DER BUNDESRECHTSPFLEGEORGANISATION J UDIC [AIRE FÉDÉRALE

' 49. Urteil vom 14. Juli 1914 i. S. Lörsch gegen_0hrist und Genossen,
Art. 87 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
OG. Rechtsmittel zur Anfechtung kantonaler Entscheide
über Bestätigung oder Verwertung des Nachlass--

vertrages wegen Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechts.

A, Die Rekursbeklagten Witwe Obrist, FfMerker

,& Cie und Reinle & Bolliger beschwerten sich beim

Obergericht des Kantons Aargau _als oberer Nachlasshehörde über einen
Entscheid des Bezirksgerichtes Laufenburg, durch den der vom heutigen
Rekurrenten Lörsch seinen Gläubigern vorgeschlagene Nachlassvertrag zu 40
0/0 gerichtlich bestätigt werden war. Nach den bei den Akten liegenden
Empfangscheinen ist der fragliche Entscheid der Rekursbeklagten Witwe
Ohrist am 23. und den beiden andereanekursbeklagten am 24. De-
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 40 I 418
Date : 09. Juli 1914
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 40 I 418
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 418 Staatsrecht. X. STAATSVERTRÄGETRA ITÉS IN TERN AT IONAUX 48. Urteil vom 9.


Legislation register
BV: 54
OG: 87  175  189
ZGB: 1  9  23  24  25  144
BGE-register
27-I-180
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aarau • spouse • aargau • marriage • defendant • man • question • intention • petition for divorce • federal court • hamlet • intention to stay • mother • swiss law • home country • duration • coming into effect • widow • painter • reason for divorce
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