3 70 _ staatsrecht-

hohen und die im Kanton Basel-Landschaft vorgenommenen Wahlen vom
27. September 1914 nebst den Nachwahlcn vom 4., 11. und 25. Oktober
1914 für ungültig erklärt werden, unter Einladung an den Regierungsrat,
neue Wahlverhandlungen anzuordnen, an denen den dannzumal allenfalls
im aktiven Militärdienst befindlichen Stimmherechtigten Gelegenheit
Zur-Ausübung ihres Stimmrechte zu geben ist.

IV. GLAUBENSUND GEWISSENSFREIHElTLIBERTÉ DE CONSCIENCE ET DE CROYANCE

12. Urteil vom 5. Juni 1914 i. S. Scherrer gegen St. Gallen.

Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
, Abs. 2 BV. Umfang des dadurch gewährleisteten Rechtes zur
Kritik der religiösen Ansichten anderer. Zulässigkeit der Bestrafung
von beschimpfenden und verhöhnenden Aeusserungen über religiöse Dinge,
die sich nicht als ernsthafte Rechtfertigung des eigenen Glaubens oder
Unglauhens darstellen, sondern Wesentlich auf die Verletzung fremden
religiösen Gefühles gerichtet sind.

A. Der Rekurrent August Scherrer wurde am 27. November 1913 vom
Bezirksgericht Rorschach der Beschimpfung einer staatlich anerkannten
Religionsgeseilschaft im Sinne von Art. 174 des st. gallischen
Strafgesetzbuchs schuldig erklärt und zu einem Monat Gefängnis und 100
Fr. Geldstrafe sowie zu den Untersuchungsund Gerichtskosten verurteilt,
weil er am 31. November 1913 in der Bleicherei Kopp in Rorschach eine
Hostie, die er sich tags zuvor bei der Kommunion in der katholischen
Kirche angeeignet, verschiedenen Nebenarbeitern vorgezeigt und dabei
sowie im Anschluss daran abfällige und beschimpfende Aeusserungen
wie : ob sie nun einen Tropfen Blut daran sehen, es seiGlaubensund
Gewissensfreiheit. N° 42. In si

ja nur gewöhnliches Brot und nichts anderes, es sei alles nur Schwindel,
die Pfarrer lügen einem nur an, da seht Ihr Katholiken, was Ihr für
einen Herrgott habt, getan habe.

Die zitierte Bestimmung des st. gallischcn StGB lautet:

Art. 174. Der Verletzung der Glaubensfreiheit,de1

Störung des konfessionellen Friedens und der Be schimpfung der vom
Staate anerkannten Religions gesellschaften macht sich schuldig,
wer vorsätzlich ss v a) Handlungen begeht, welche geeignet sind, den
i Frieden unter den vom Staate anerkannten Religionsgesellschaften zu
stören, oder Glaubenshass oder Verb kolgung wegen religiöser Ansichten
und Bekenntnisse zu stiften, oder durch welche jemand wegen seines
Glaubens beschimpft wird ;

b) in einer öffentliches Aergernis erregenden Weise die Gegenstände
der Verehrung einer solchen Religions gesellschaft lästert oder aushöhnt.

o In solchen Fällen ist Geldstrafe bis auf 500 Fr. oder Gefängnis bis
auf 6 Monate auszusprechen. Die Strafen können auch verbunden werden.

Auf Appellation Scherers änderte das Kantonsgericht am 23. Januar 1914
dieses Urteil in Bezug auf das Strafmass dahin ab, dass es den Angeklagten
lediglich zu einer Geldstrafe von 100 Fr. und den Kosten verurteilte. Im
übrigen, d. h. in Bezug auf die schuldfrage, wurde das erstinstanzliche
Erkenntnis bestätigt Arnd zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Hostie sei für die Bekenner der katholischen Religion infolge des
Dogmas der Transsubstantiation ein Gegenstand höchster Verehrung. Indem
der Angeklagte sie mit den Worten : das ist alles nur Schwindel, da seht
Ihr, was Ihr für einen Herrgott habt, vorgezeigt, habe er sich demnach
der Lästerung und Aushöhnung eines Gegenstandes religiöser Verehrung
im sinn von Art. 174 litt
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 174 - 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.233
3    Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Gericht als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Das Gericht stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.
. b StGB und des Tatbestandes von litt. (:
in fine372 Staat. ment.-

ebenda si Beschimpfung seiner Zuhörer, die alle Katholiken seien, wegen
ihres Glaubens schuldig gemacht. Da durch die Zeugenaussagen nachgewiesen
sei, dass die Anwesenden an seiner Handhmgsweise Aerger genommen hätten
und dass er nicht nur die Hostie jedem, der ihn darum etwaigen, gezeigt,
sondern auch die damit verbundenen höhnischen Bemerkungen in einer "Weise
gemacht habe, dass auch die andern Arbeiter, wenn sie aufgepasst hätten,
den Vorfall hätten wahrnehmen miissen, sei auch das zum ersteren Delikte

erforderliche weitere Tatbestandsmerkmal der Erregung

öffentlichen Aergernisses gegeben. Was die subjektive Voraussetzung
der Straiharkeit, den Vorsatz, betrefie, so sei dazu nicht nötig, dass
die Verhöhnung und Aergerniserregung der eigentliche Zweck der Handlung
gewesen sei; es genüge, dass dem Angeklagten der beschimpfende Charakter
seiner Aeusserungen und die Möglichkeit der Aergerniserregung bewusst
gewesen sei. Dies sei aber angesichts seines Geständnisses, gewusst zu
haben, dass er mit seinem Tun die Hostie aushöhne, unzweifelhaft der
Fall. Wenn er zu seiner Entschuldigung geltend mache, dass er die Bestie
nur dem Drädla habe zeigen wollen, von dem er habe annehmen müssen, dass
er selber ungläubig sei, so erweise sich diese Einrede schon deshalb als
unerheblich, weil er ja zugestandenermassen nachträglich entgegen jener
angeblichen Absicht die gegenüber Drädla getanen Aeusserungen doch auch
gegenüber andern Arbeitern wiederholt habe. Ebenso gehe die Berufung auf
die Glaubensund Gewissensfreiheit fehl, da man es bei dem Vorgehen des
Angeklagten nicht mehr mit einer erlaubten Verteidigung der. eigenen
religiösen Ansichten, sondern mit Aeusserungen zu tun habe, die nach
Form und Inhalt über den Rahmen einer sachlichen Kritik hinausgingen
und auf die Kränkung des religiösen Gefühls anderer gerichtet gewesen
seien. Immerhin rechtfertige es sich, die von der ersten Instanz verhängte
Strafe wesentlichGlaubensund Gewissensfreiheit. N° 42. 273 .

zu ermässigen und nur auf eine Geldstrafe zu. erkennen, da eine Reihe von
Umständen vorlägen, die die T at und das Verschulden des Angeklagten in
einem Entlderen Lichte erscheinen liessen (was näher ausgefuhrt Wllä)-_
Mit Eingabe vom 7. April 1914 hat darauf Scherer die ,staatsrechtlidie
Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen und dabei folgende Begehren
gestellt : , _ 1. Das Urteil des Kantensgerichts vom 23. Januar
(zugestellt 6. Februar) 1914 sei wegen ZOseirletzung der Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und
49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV aufzuheben und der Rekurrent von uld und Strafe freizusprechen;
sog die sämtlichen Untersuchungsund Gerichts-kosten seien dem Kanton
St. Gallen zu überhinden; 3. der Kanton St. Gallen sei pfiichtig
zu erklären, den Rekurrenten ausserrechtlich zu entschädigen; " _
4. es sei gemäss Art. 183
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
, Abs. 2 OG eine mundhche Schlussverhandlun
anzuordnen _ _ Die Verletzung ages Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV soll in einer Reihe beim
Untersuchungsund erstinstanzliehen Genehtsveriahren begangener lormeller
Verstösse bestehen, durch die der Rekurrent in seinen Verteidigungsrcchten
verkurzt und umdie Garantie eines geordneten Reehtsgangs gebracht worden
sei: sofortige Verhaftung auf die vom Pfarramt Rorschach erstattete
Anzeige ohne. vorherige nähere Prüfung der Sache, übereiite Durchfuhrung
der Untersuchung und Beeinflussung der Zeugen durch Suggestivfragen,
Aburteilung durch das Bemrksgericht am ersten der Ueberweisung folgenden
Tage, ohne dass dem Rekurrenten Gelegenheit geboten werden ware.
einen Verteidiger heizuziehen. In Bezug auf den Hauptabeschwerdegrund
der Verletzung der Glaubensnn Gewissensfreiheit wird ausgeführt: der
Rekurrent Scherrer sei ein religiöser Sucher, der sich von-früh auf lnut
religiösen Ideen beschäftigt habe. Ursnrunghch g anbiger Katholik sei
er später zum Spmtrsmus uberge-

374; Staatsreekt.

gangcn und nun seit einiger Zeit ernster Bibelforscher
geworden. Infolgedessen habe er mit seinen Nebenarheitern mit Vorliebe
und einer gewissen Leidenschaft über religiöse Fragen diskutiert,
so insbesondere auch über das Dogma der Transsubstantiation, das ihm
entsprechend den Lehren der Bibelforscher ein e Greuels sei. Speziell habe
er solche Gespräche mit seinem Kollegen Drädla geführt, der sich ebenfalls
als Ungläubigen bezeichnet, aber immerhin anscheinend noch die aber-

gläubisehe Vorstellung geteilt habe, dass, wer eine Hostie

in die Hand nehme, dem Tode "verfallen sei. Um ihn von der Unrichtigkeit
dieser Anschauung zu überzeugen, habe sich dann der Rekurrent am'
23. November bei der Kommunion eine Hostie angeeignet, und sie am
folgenden Tage, als er sich mit Drädla allein in einem Arbeitssaale
befunden, diesem vorgezeigt, ihm aber dabei ausdrücklich verboten,
den anderen Arbeitern etwas davon zu sagen. Trotzdem habe dann Drädla
einige derselben davon unterrichtet, worauf der Rekurrent ihnen auf ihr
ausdrückliches Begehren die Hostie ebenfalls vorgewiesen habe. Sein
Zweck sei mithin nicht der gewesen, die andern wegen ihrer Religion
zu verhöhnen, sondern sie von der Unrichtigkeit ihres Glaubens an
die geheiligte Natur der Hostie und die Folgen ihrer Berührung zu
überzeugen. Dass er dabei sich etwas starker Ausdrücke bedient habe, möge
zugegeben werden, könne aber seine Bestrafung noch nicht rechtfer-tigen.
Der gewöhnliche Arbeiter pflege eben nicht wie ein Theologe zwischen
objektiver und subjektive-r Täuschung zu unterscheiden ; " es könne ihm
daher auch nicht zum Verschulden angerechnet werden, wenn er Dinge, die
ihm unwahr erschienen, kurzhin als Lüge und Schwindel bezeichne. Wenn
Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV die Bestrafung wegen Glaubensansichten verbiete, sei damit
gesagt, dass die Kritik religiöser Lehren und Ansichten auf die Gefahr
der Kränkung Andersdenkender grundsätzlich jedem freistehe. Nur wo die
Kränkung andererGlaubensund Gewissensireiheit. Ne 42. 375

Selbstoder doch Hauptzweck der Handlung sei, erscheine eine Bestrafung
als zulässig. Es sei denn auch durchaus unrichtig, dass die Zeugen an
dem Vorfall Aergernis genommen hätten. Hätten sie doch selbst

si das Verweisen der Hostie provoziert! Die entgegen-

gesetzten Aussagen liessen sich nur dadurch erklären, dass
der Bezirksamtmann, ein strengglänbiger Katholik, an die Zeugen
Suggestivfragen gestellt habe. Der Rekurrent müsse daher eventuell
verlangen, dass die sämtlichen Zeugen, Wenn möglich unter Konfrontation
mit ihm, durch einen andern Untersuchungsbeamten, der nicht der
katholischen Konfession angehöre, nochmals einvernommen würden.

C. Die Staatsanwaltschaft und das Kantonsgericht von St. Gallen haben
auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g :

1. und 2. (Ablehnung des Begehrens um Anordnung einer mündlichen
Schlussverhandlung und um nochmalige Einvernehme der im kantonalen
Verfahren abgehörten Zeugen.) ,

3. (Ausführungen darüber, dass in den vom Rekurrenten gerügten' Verstössen
im kantonalen Verfahren keine Rechtsverweigerung erblickt werden könne.)

4. Bei Beurteilung des demnach allein noch verbleibenden Rekursgrundes
der Verletzung der Glaubensund Gewissensfreiheit ist davon auszugehen,
dass die Vorschrift des Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
, Abs. 2 BV, wonach niemand wegen
Glaubensansichten mit Strafen irgendwelcher Art belegt werden darf, zwar
grundsätzlich nicht nur die Freiheit der religiösen Ueberzeugungen als
solchen, im Sinne des Denkens und Fühlens in religiösen Dingen, sondern
auch der Aeusserung dieser Ueberzeugungen garantiert, dass aber das daraus
folgende Recht der Kritik in religiösen Dingen kein schrankenloses ist,
sondern nur soweit reicht, als es mit der rechtsord-

376 Staatsrecht.

nungsgemässen Beschränkung der Individualrechtssphäre im Interesse
des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der Achtung vor den rechtlich
gleichwertigen Ueberzeugungen anderer, verträglich ist. Als durch die
Bundesverfassung erlaubt erscheint die Kritik daher nur dann, wenn
sie sich nach Inhalt und Form, sowie auch nach den Begleitsumständen
auf eine sachliche Begründung und Verteidigung der eigenen religiösen
Ueberzeugungen beschränkt. Für Aeusserungen und Handlungen, welche
über diese Schranken hinausgehen und sich nicht mehr als ernsthafte
Rechkertigung des eigenen Glaubens oder Unglaubens darstellen, sondern
lediglich auf Verletzung der Ueberzeugungen der Gegner durch Beschimpfung
und Verhöhnung derselben gerichtet sind, kann der Schutz des Art. 49
nicht angerufen werden. Und zwar ist es dabei nicht nötig, dass die
verletzenden Aeusserungen. gerade den Gottesbegriff der kritisierten
Glanbensansicht betreffen; sie können vielmehr auf irgendwelche religiöse
Lehren oder Kultusgegenstände Bezug haben, die überhaupt Bestandteile
des fremden Glaubens oder Gegenstand der religiösen Verehrung des in
seinen Gefühlen Verletzten bilden (vgl. AS 39 I s. 356 ff. und die dort
angeführten Urteile).

Nun weist aber das ganze Verhalten des Rekurrenten die Art, wie er sich
die geweihte Hostie aneignete, ihre Vorweisung in einem profanen Lokal
und das Lachen, mit dem er diese begleitete unzweifelhaft darauf hin,
dass es ihm bei seiner Demonstration nicht sowohl um eine ernsthafte
Widerlegung der damit kritisierten Transsubstantiationslehre, welche einen
Glaubenssatz der katholischen Kirche bildet, als um eine Herabwürdigung
und Verhöhnung ihrer Anhänger und damit um eine Verletzung derselben in
ihren religiösen Gefühlen zu tun war. Der Rekurrent hat denn auch in der
Untersuchung im Gegensatz zu seinen heutigen Vorbringen ausdrücklich
zugegeben, dass seine Absicht gewesen sei., die katholische Religion
bezw. dieGlaubensund Gewissensfreiheit. N° 42. 377

Hostie auszuhöhnen . Wenn er dazu einschränkend einwendet, dass er es
nur gegenüber dem Drädla habe tun wollen, der gleichfalls ungläubig
sei, so kann darauf, wie dieVorinstanz zutreffend bemerkt, deshalb
nichts ankommen, weil er festgestelitennassen diesen Vorsatz, sofern er
ihn anfänglich gehabt haben sollte, nicht eingehalten, sondern seine
Demonstrationen nachher auch gegenüber anderen Arbeitern wiederholt
hat. Da anderseits auch die Aeusserungen, mit denen er sie begleitete,
es sei alla nur Schwindel und Lüge , zum mindesten der Form nach
nicht mehr in den Rahmen einer sachlichen Beurteilung fallen, sondern
beschimpfenden Charakter haben und nach den Zeugenaussagen als erwiesen
betrachtet werden mus, dass die Hörer daran Aer'ger genommen haben, also
dadurch in ihren religiösen Gefühlen verletzt worden sind, ist gegen
die erfolgte Bestrafung daher vom Standpunkte der Bundesverfassung aus
nichts einzuwenden.

Ob sie vom Standpunkte des kantonalen Strairechts aus gerechtfertigt
gewesen sei, hat das Bundesgericht nicht zu untersuchen. Ein Einschreiten
nach dieser Richtung wäre nur dann möglich, wenn das Kantonsgerieht die
Vorschriften des st. gallischen StGB willkürlich angewendet hätte. Das
hat aber der Rekurrent selbst nicht behauptet.

Demnach hat das Bundesgericht

® erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 40 I 370
Date : 27. September 1914
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 40 I 370
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 3 70 _ staatsrecht- hohen und die im Kanton Basel-Landschaft vorgenommenen Wahlen


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BV: 4  49
OG: 183
StGB: 174
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