216 staatsrecht-

ihrem Gesamteinkommen je 4/5 (80 %) im Kanton Thurgau und? je 1/5 (20 %)
im Kanton Basel-Stadt zu versteuern verpflichtet ist.

25. Urteil vom 25. Juni 1914 i. s. Schwerzmann gegen Solothurn.

Besteuerung einer Person, die den Kanton während der in Frage stehenden
Steuerperiode verlassen hat, für den als Einkommen aufgefassten
Gewinn aus einem zur Zeit ihres Wohnsitzes im Kanton vollzogenen
Liegenschaftenverkauf. Willkür ? Doppelbesteuerung ?

A. Der Rekurrent wohnte früher in Subingen im Kanton Solothurn. Am 29. Mai
1912 verkaufte er seine dort befindliche Liegenschaft mit einem Reingewinn
von 23,700 Fr. und zog dann weg nach Niederlenz im Kan-ton Aargau. Im März
1913 zeigte ihm die Kreissteuerkommission von Subingen an, dass er für
den Gewinn von 23,700 Fr. die solothurnische Einkommensteuer im Betrage
von 474 Fr. bezahlen müsse. Nach § 10 der Voflziehungsverordnungzum
solothurnischen Steuergesetz vom 17. März 1895 fallen nämlich zur
Bestimmung des steuerbaren Einkommens in Berechnung: "Bei Veräusserung
von Liegenschaften sich ergebendeReingewinne. Ueber die Auflegung von
Steuern bestimmt § 32 der genannten Verordnung : Die steuererhebung
geschieht immer für das Jahr, in welchem der Bezug ausgeführt wird; das
Einkommen des Vorjahres dient gegebenen Falls lediglich als Massstab für
das laufende (Absatz 1}. Der reine Liegenschaftengewinn (g 10 Zifl'. 3
der Verordnung) fällt in dem der Veräusserung folgen den Jahr unter die
Steuerpflicht. Einer zu teilenden Erbschaft oder einer Konkursmasse
gegenüber kann dagegen der Steueranspruch sofort nach der Veräusses
rung geltend gemacht werden (Absatz 2). Der Rekurrent beschwerte sich
beim solothurnischen Regierungs-Vai-hot der Doppelbesteuerung N° 25. 217

rat über die Besteuerung, indem er geltend machte, er

wohne zur Zeit im Kanton Aargau und unterstehe daher

der Steuerhoheit des Kantons Solothurn in Beziehung

auf die Einkommenssteuer nicht mehr. Der Regierungsrat entschied am
31. Oktober 1913:

si In die Staatssteuerbeschwerde des Herrn Peter Schwere-

mann wird nicht eingetreten. Aus der Begründung des

. Entscheides ist folgendes hervorzuheben: Da der Rekur-

rent zur Zeit des Verkaufes nochim Kanton Solothurn gewohnt habe, müsse
er den Gewinn aus dem Verkaufe dort versteuern. für die Steuerpflicht
sei der Zeitpunkt des Verkaufes massgebend.

B. Gegen diesen Entscheid hat der Rekurrent den staatsrechtlichen
Rekurs an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag, der Entscheid
sei aufzuheben Er macht geltend, dass eine Rechtsverweigerung
und eine Doppelbesteuerung vorliege und führt zur Begründung aus:
Die angefochtene Besteuerung verletze die klare Vorschrift des §
2 litt a des Staatssteuergesetzes, wonach nur die Kantonseinwohner
steuerpflichtig seien, soweit es sich nicht um die Besteuerung von
Liegenschaften handle. Man habe es mit einer Einkommens-steuer für
das Jahr 1913 zu tun. Da der Rekurrent in diesem Jahre nicht mehr im
Kanton Solothurn, sondern im Kanton Aargau gewohnt habe, liege zudem
eine Doppelbesteuerung vor.

C. Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat die Abweisung des
Rekurses beantragt. Seinen Ausführungen ist folgendes zu entnehmen:
Es komme darauf an, ob der Steueranspruch entstanden sei zur Zeit, als
der Rekurrent noch im Kanton Solothurn gewohnt habe. Diese Frage sei zu
bejahen ; denn es handle sich um die Besteuerung von Einkommen aus dem
Jahre 1912. Lediglich aus praktischen Gründen, um zu verhindern, dass
für Liegenschaftengewinne jeweilen während des Steuerjahres besondere
Taxationen stattfinden müssten, sei beschlossen worden, dass solche
Gewinne erst bei der

218 Staatsrecht.

Taxation des folgenden Jahres berücksichtigt werdenDabei sei aber trotzdem
nach einem Beschlusse des Re-

gierungsrates vom 24. Januar 1913 für die Besteuerung -

der Steuerfuss des Jahres masgebend, in dem die Gewinne erzielt worden
seien. Es könne auch nicht etwa eine Teilung des Steueranspruches zwischen
den Kantonen

, .Aargau und Solothurn in Frage kommen, wie es in Be--

Zi'ehung auf das Berufseinkommen geschehen müsste; denn dieses
Einkommen verteile sich gleichmässig auf das ganze Jahr, während der
Liegenschaftengewinn auf einmal in einem bestimmten Zeitpunkt entstehe und
daher ganz der Steuerhoheit des Landes unterliege, wo der Steuerpflichtige
im genannten Zeitpunkt gewohnt habe.

D. Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat zum Rekurse erklärt, er müsse
anerkennen, dass das Recht zur Besteuerung des Reingenn'nnes von 23,700
Fr. dem Kanton Solothurn zustehe.

Das Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g :

1. Der regierungkrätliche Entscheid lautet auf Nichteintreten ; es ergibt
sich indessen aus der Begründung, dass die Beschwerde des Rekurrenten
in Wirklichkeit materiell behandelt und abgewiesen worden ist.

Eine willkürliche Verletzung des § 2 litt, a des solothurnischen
Steuergesetzes kann nun in diesem Entscheide nicht gefunden werden. Nach
solothurnischem Steuerrechte handelt es sich um die Besteuerung von
Einkommen und zwar von Einkommen, das der Rekurrent erworben hat, als er
noch in Subingen wohnte. Dieses Einkommen durfte der Regierungsrat gewiss,
ohne sich einer Rechtsverweigernng schuldig zu machen, der Steuerhoheit
des Kantons Solothurn unterstellen. Der Grundsatz der Steuerpflicht der
Kantonseinwohner, wie er in § 2 litt. a des solothurnischen Steuergesetzes
enthalten ist, bedeutet, dass der Wohnsitz einer Person imVerbot der
Doppelbesteuerung. N° 25. , 219

Kanton Solothurn, so lange er dauert, deren Steuerpflicht für Vermögen
und Einkommen dem Kanton gegenüber begründet. Diesen Grundsatz fasste,
wie es scheint, der Rekurrent in dem Sinne auf, dass der Kanton nur
diejenigen Personen besteuern dürfe, die zur Zeit der Steueraufiage im
Kanton wohnen. Allein diese Auffassung ist offenbar unrichtig. Nicht
darauf kommt es an, ob die Person zur Zeit der Steuerauflage im Kanton
wohnt, sondern darauf, ob sie während der Steuerperiode ihren Wohnsitz
im Kanton gehabt hat. Der durch diesen Wohnsitz begründeten Steuerpflicht
kann sich die Person nicht mehr dadurch entziehen, dass sie den Wohnsitz
wechselt. Allerdings entsteht die Steuerforderung rechtswirksam erst
mit der sogenannten Steuerveranlagung; aber ihre Grundlage wird schon
durch das Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzung des Wohnsitzes
einer Person mit steuerpflichtigem Vermögen oder Einkommen geschaffen
(vgl. BGE 33 I S. 696) und zudem ist nicht einzusehen, wieso nicht auch
gegenüber ehemaligen Kantonseinwohnern in Beziehung auf die Zeit ihres
frihreren Wohnsitzes im Kanton rechtswirksam Steueransprüche sollten
entstehen können. Dass der Rekurrent während der in Frage fallenden
Steuerperiode seinen Wohnsitz im Kanton Solothurn gehabt hat, ist klar. Es
handelt sich, obwohl die Steuerauflage erst im Jahre 1913 stattgefunden
hat, um eine Besteuerung, die sich auf die erste Hälfte des Jahres
1912 bezieht. Daraus, dass § 32 der Verordnung zum solothurnischen
Steuergesetz sagt, der reine Liegenschaftengewinn falle in dem der
Veräusserung folgenden Jahre unter die Steuerpflicht, könnte allerdingsL
geschlossen werden, dass der vom Rekurrenten erzielte Liegenschaftengewinn
steuerrechtlich als Einkommen des Jahres 1913 behandelt werden müsse
und die in Frage kommende Steuerperiode daher das Jahr 1913 sei. Aber
es geht aus den in der Rekursbeantwortung enthaltenen Ausführungen des
Regierungsrates klar hervor, dass

220 staatsrecht-

§ 32 der Verordnung etwas ungenau abgefasst ist und-.
lediglich festsetzen will, dass von dem als Einkommen aufgefassten
Liegenschaftengewinn die Steuer erst im folgenden Jahre festgestellt
und erhoben werden solle.

Es liegt also nichts weiter vor, als die Verschiebung des,

Verfahrens zur Festsetzung des Steueranspruches.

2. Der Rekurs ist auch unbegründet, soweit eine verfassungswidrige
Doppelbesteuerung geltend gemacht wird. Für die Frage, ob eine solche
vorliege, ist es ganz gleichgültig, ob einer Person von einem Kanton
eine Ein-

kommensteuer auferlegt wird zu einer Zeit, da sie aus·

serhalb des Kantons wohnt. So ist z. B. im Urteil i. S. Kaufmann vom
4. März 1897 (BGE 23 S. 8 H.) dem Kanton Luzern eine Steuerforderung
teilweise zugesprochen worden, die erst festgestellt worden war, nachdem
die besteuerte Person den Kanton längst verlassen hatte. Von Bedeutung
ist einzig, ob sich die Einkommenssteuer auf die Zeit bezieht, als
die Person noch im Kanton wohnte. Nun ist bereits ausgeführt worden,
dass es sich im vorliegenden Falle um eine Einkommenssteuer für das
Jahr 1912 handelt, während dessen erster Hälfte der Rekurrent noch im
Kanton Solothurn seinen Wohnsitz gehabt hat. Nach den Grundsätzen über
das Verbot der Doppelbesteuerung unterliegt daher der als Einkommen
aufgefasste Liegenschaftengewinn' mindestens für einen bestimmten Teil
der Steuerhoheit des Kantons Solothurn. Fragen könnte es sich bloss,
ob dieser Kanton den Gewinn ganz oder nur teilweise besteuern dürfe.
Für die vollständige Besteuerung" durch den Kanton Solothurn liesse sich
der Umstand anführen, dass der Rekurrent den ganzen Gewinn erzielt hat,
als er noch im Kanton Solothurn wohnte. Die Verteilung des Einkommens
unter die Steuerhoheit zweier Kantone beim Wohnsitzwechsel während einer
Steuerperiode braucht

nicht notwendig in der Weise zu geschehen, dass das.

gesamte Einkommen zusammengerechnet und je nach der in jedem Kanton
zugebrachten Zeit verteilt wird..Verbot der Doppelbesteuerung N° 26. 221

Es lässt sich sehr wohl die Auffassung vertreten, dass
Einkommensbestandteile, die ihre Entstehung einem bestimmten, zeitlich
besonders abgegrenzten Vorgang verdanken, ganz von dem Kanton besteuert
werden dürfen, in dem der Steuerpflichtige zur Zeit. des erwähnten
Vorgangs wohnte. Indessen braucht das Bundesgericht im vorliegenden
Fall zu dieser Frage nicht endgültig Stellung zu nehmen. Da der Kanton
Aargau die Steuerhoheit des Kantons Solothurn vollständig anerkannt und
der Rekurrent nicht eine Verteilung des Betrages ss von 23,700 Fr. unter
die Steuerhoheit beider Kantone beantragt hat, so kann im vorliegenden
Falle eine solche Verteilung nicht in Frage kommen. Der Steueranspruch
des Kantons Solothurn muss daher unangefochten bleiben.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt i Der Rekurs wird abgewiesen.

26. Urteil vom 15. Juli 1914 i. S. Staudte gegen Waadt und Luzern.

Steuerdomizil eines unselbständig Erwerbenden, der das ganze Jahr am
Orte seiner Erwerbstätigkeit wohnt, während seine Familie dauernd in
einem andern Kanton niedergelassen ist. Teilung der Steuerhoheit in diesem

Ausnahmefall.

A. Paul Staudte, Hotelsekretär in Montreux, ist vom Kanton Waadt für
das Jahr 1913 mit einer Personaltaxe von 3 Fr. und von der Gemeinde Les
Planches mit einer solchen von 30 Fr. besteuert worden. Für das nämliche
Jahr hat er im Kanton und in der Stadt Luzern eine Einkommenssteuer von
zusammen 50 Fr. 40 Cts. bezahlt. Als er dann für das Jahr 1914 von der
waadtländischen Steuerkommission am 28. Mai dieses
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Document : 40 I 216
Date : 25. Juni 1914
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 40 I 216
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 216 staatsrecht- ihrem Gesamteinkommen je 4/5 (80 %) im Kanton Thurgau und? je 1/5


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33-I-689
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