78 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. ll]. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

des Wirtschaftsinhabers, sondern ebenso auch die nach Gesetz an den
Wirtschaftsbetrieb selbst gestellten Anforderungen gefundheitsund
sittenpolizeilicher Natur, und zwar mit Einschluss der auf die
Nichteinhaltung der betreffenden Vorschriften angedrohten Massregeln,
sofern diese bloss den für die ehehaften Tavernenrechte verfassungsmässig
garantierten Bestand des Rechtes nicht berühren. Dies ist aber beim
vorliegend in Frage stehenden § 10 des zürcherischen Wirtschaftsgesetzes,
entgegen der Auffassung des Rekur- renten, nicht der Fall. Denn die hier
vorgeschriebene Schliessung eines Wirtschaftslokals für die Dauer von
zwei Jahren wegen wiederholter, jeweilen mit persönlichem Patententzug
geahndeter sittenpolizeilicher Verfehlungen des Wirtschaftsinhabers
richtet sich in der Tat nicht gegen die Substanz des für das betreffende
Lokal bestehenden Wirtschaftsrechts, sondern in dem zeitlich begrenzten
Verbot des Wirtschaftsbetriebes liegt lediglich eine allerdings
weitgehende .Beschränkung der Ausübung dieses Rechts, die jedoch nach
der überzeugenden Ausführung des Regierungsrates in der Rekursantwort
ein unter den gegebenen Umständen unentbehrliches Mittel zur Wahrung der
gesetzmässigen Wirtschaftsführung bildet. Die grundsätzliche Zulässigkeit
dieser Massnahme gegenüber der verfassungsmässigen Eigentumsgarantie hat
übrigens das Bundesgericht bereits anerkannt (vergl. AS 8 Nr. 24 S. 134
ff., spez. Erw. 4 S. 140).

erkannt : Der Rekurs wird abgewiesen.

ll. Gewaltentrennung. N° 11. 79

II. Gewaisitentrennung. Séparation des pouvoirs.

11. guten vom 17. Januar 1913 in Sachen Dem gegen Yezirtiggetickjt Gohan
und Dantonggericht és. Gallen.

Inhalt (ler Garant ie des Art. 58 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV (Art. 29 st. galt. KI);
Mungel ihrer Verletzung. N ichtverletznng des Grundsatzes n u l l a
[wenn sine lege , sofern die ausgesprochene Strafe materiell auf
eine, wenn auch formell nicht zur Anwendung gebrachte gesetzlich
Strafbestimmung gestützt werden kann. Verordnungskompetenz des
st. galh'schen Regierungsrates gemäss Art. 65 KV: Kompetenz zum Erlass
gesetzesergdnzemlen Verordnungsrechts, speziell auf dem Gebiete der
Strasse npolizei, auf Grund des Art. 60 KV, in. Verbindung mit den
Art. 84 u,. 91 des Strassengesetzes com 29. Mai 1889 (Vorschriften
über den Verkehr mit Motorwagen und Fahrrädern, nebst Sirafundruhung
für deren Uebertretung und Bezeichnung ler zuständigen Strnfbehörden:
Art. 13 der regierungxMille-seen Voll:ugseerorclnung. vom 10, November
1903, zur einschlägigen interknnlmmlen Vereinbarung). Vers-[0.53
dieser Verordnungsbestimmung gegen bestehendes Gesetzesreeht? Es
liegt keine Verweigerung des rechtlichen Gehärs indem (durch die
Gerichtspruris festgestellten) Ausschluss der sonst zulässigen Appel-
lation gegenüber den Kentuni/(:iulnrteilen bei gegebener Möglichkeit der
Beseitigung (les'Kentnnmriutentsehenles auf dem Wege eines besonderen
Reinignngseerfuhrens .

Das Bundesgericht hat auf Grund folgender Aktenlage:

A. Das st. gallische Gesetz über das Strassenwesen vom 22. Mai 1889 hat
in Art. 84, am Schlusse seines Abschnittes über die Strassenpolizei,
den Regierungsrat angewiesen, über die Benutzung und den Schutz
der öffentlichen Strassen und Wege die weiter erforderlichen
Polizeivorschriftentt auf dem Verorduungswege zu erlassen. Ferner
enthält Art. 91 als Schlussbestimmung den allgemeinen Auftrag an
den Regierungsrat, alle zur Ausführng dieses Gesetzes notwendigen
Vollzugsverord-

80 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. .... Abschnitt. Kantonsverfassungen.

nungen, Reglemente und Dienstvorschriften zu erlassen und die
ersorderlichen Strafbestimmungen gegen Übertretungen des Gesetzes und
der Vollziehungsverordnungen festzusebens'

Diesen Gesetzesvorschriften ist der Regierungsrat durch Erlass
einer .Polizeiverordnung zum Gesetz über das Strassenwesen, vom
20. September 1889, nachgekommen und hat darin unter Art. 31 bestimmt:
Übertretungen oder Nichtbeachtung dieser Polizeiverordnnng werden von
den Gemeinderäten mit Geldbussen von 5 Fr. bis auf 100 Fr. bestraft,
sofern nicht gerichtliche Strafeinleitung stattfindet.

Das allgemeine Strafgesetz des Kantons St. Gallen vom Jahre 1886 enthält
folgende einschlägige Strafdrohung: Art. 144. Wer auch ohne rechtswidrigen
Vorsatz einer auf dem Gesetzesoder Verordnungswege erlassenen allgemein
verbindlichen Vorschrift, oder wer sonst einer allgemein verpflichtenden,
zu öffentlicher Kenntnis gebrachten Anordnung oder Verfügung einer dazu
befugten Behörde oder Amtsstelle nicht Folge leistet, unterliegt, wenn
in dem Erlasse nicht schon eine besondere "Strafe auf die Zuwiderhandlung
angedroht ist, einer Geldstrafe bis auf Fr. 400.

Gemäss Ermächtigng und Auftrag durch Beschluss des Grossen Rates
vom 13. März 1903, ist der Regierungsrat des Kantons St. Gallen der
interkantonalen Vereinbarung betr. den Motorwagenund Fahrradverkehr vom
19. Dezember 1902 beigetreten und hat deren Bestimmungen worunter die,
dass die zum Verkehr mit Automobilen erforderliche behördliche Bewilligung
bei wiederholter Übertretung dieser Verordnung- zurückgezogen werden kann
(Art. 3 Abs. 3) durch Verfügung vom 10. November 1903 in Anwendung von
Art. 84 des Gesetzes über das Strassenwesen als kantonale Vorschriften
in Kraft gesetzt. Unter dem gleichen Datum hat der Regierungsrat ferner
eine Vollzu gsv erordnung betr. den Motorwagenund Fahrradverkehr erlassen,
die in Art. 13 bestimmt:

Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen über den Verkehr mit Automobilen
werden im ersten Fall durch das Bezirksamt des Tatortes mit einer
Geldbusse bis auf Fr. 200, im

H. Gewaltentrennung. N° H. 81

Rückfall durch das betreffende Bezirksgericht mit einer Geldstrafe bis
auf Fr. 500 allein oder in Verbindung mit lkjefängnis bis auf einen Monat
bestraft. Daneben kann gegen Rücksällige an zeitiveisen oder gänzlichen
Entng der Fahrberechtigung erkannt werden."

B. Durch Urteil des Bezirksgerichts Gossau vom 11. Oktober 1912
wurde der Rekurrent Max Kern in Langgasse-Tablat wegen Übertretung der
Vereinbarung betr. den Motorwagenund Fahrradverkehr (durch zu schnelles
Fahren mit einem Automobil) im vierten Riickfalle gemäss Art. 13
der regierungsrätlichen Vollzugsverordnung vom 10._ November 1903 in
contumaciam mit Fr. 100 und 1/2 Jahr Entng der Fahrbewilligung bestraft.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 12. Oktober 1912 unter Ansetzung einer
Reinigungsfrist von 14 Tagen eröffnet wurde, liess Kern zunächst, am
22. Oktober, bei der Rekurskommission des st'. gallischen Kantonsgerichts
Kassationsbeschwerde erheben wegen klarer Verletzung von Art. 204 litt
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
. C
Ziff. 6 StGB, indem er geltend machte, dass gemäss dieser Kompetenznorm
nicht das Vezirksgericht, sondern die Gerichtskommission den Fall hätte
beurteilen sollen, und zwar in Anwendung der allgemeinen Strafdrohung des
Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
StGB, da die Vereinbarung über den Motorwagenund Fahrradverkehr
keine besondere Strafbestimmung enthalte. Mit Zuschrift seines Vertreters
an die Kantonsgerichtskanzlei vom 25. Oktober sodann erklärte er
gegen das Urteil die Appellation und bemerkte, dass infolgedessen
die Kassationsbeschwerde zurückgezogen werde. Hierauf konstatierte der
Kantonsgerichtsschreiber durch Amtsnotiz vom 26. Oktober: der vorwürfige
Straffall sei zwar an und für sich appellabel, nicht rekurrabel,
die Appellation sei jedoch deswegen ausgeschlossen, weil sie gegen ein
Kontumazialurteil laut Gerichtspraxis (Entscheidungen des Kantonsgerichts
pro 1905, Nr. 12) nicht ergriffen werden könne-

Anderseis reichte Kern durch seinen Vertreter am 26. Oktober 1912
beim Bezirksgericht Gossau ein Reinigungsgesuch ein, worin er den
Nachweis dafür in Aussicht stellte, dass er zur früheren Verhandlung zu
erscheinen wegen damaliger Landesab.wesenheit verhindert gewesen sei. Das
Bezirksgericht beschloss je-

' AS 39 1 _ 1913 6

82 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. IH. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

doch am 8. November 1912, auf eine Neubeurteilung der Sache nicht
einzutreten, weil der Ausweis der Unmöglichkeit des Erscheinens zur
früheren Verhandlung nicht innert der Reinigungssrist erbracht worden sei.

C. _Mit Eingabe seines Vertreters vom 16 November 1912 hat Kern hierauf
fden staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht ergriffen und die
Anträge gestellt:

I. Das Urteil des Bezirksgerichts Gossau vom 11. Oktober 1912 sei, weil
vom inkompetenten Richter und in Anwendung verfassungsmässig ungültiger
Bestimmungen erlassen, gänzlich aufznhebeu.

II. Eventuell falls das bezirksgerichtliche Urteil als zu Recht bestehend
anerkannt würde sei das Kantonsgericht anzuweisen, in Abgehung von seinem
Beschlusse Nr. 12 des Jahres 1905 die rechtzeitig erklärte Appellation
des Rekurrenten entgegenzunehmen und zu behandeln.

Zur Begründung des Hauptantrages führt die Reims: schrift wesentlich
aus, der Regierungsrat sei zum Erlasfe seiner Vollzugsverordnung
betr. den Motorwagenund Fahrradverkehr und speziell ihres Art. 13, auf
den die angefochtene Bestrafung sich stütze, nicht kompetent gewesen,
sondern habe damit die ihm durch Art 65 KV zugewiesene Stellung als
gesetzesvollziehende Behörde, deren Massregeln niemals veränderle
oder· neue Bestimmungen über die Hauptsache- enthalten dürften,
überschritten. Allerdings sei durch den Grossvatsbeschluss vom 13. März
1903 dem Regierungsrate, gemäss seinem Antrage, die Ergänzung der
Strassenpolizeiverordnung mit Bezug auf den Motorwagenund Fahrradverkehr
u. a. hinsichtlich der Strafen für die Verordnungsübertretungen und
der zuständigen Strafbehörden überlassen worden. Allein damit habe
er nicht bevollmächtigt werden können und dürfen, über den Strafund
Kompetenzrahmen des Art. 31
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
der bestehenden Polizeiverordnung zum Gesetz
über das Strassenwesen, der selbst sich in der Schranke des Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
StGB
halte, hinauszugehen. Tatsächlich aber habe er sich über die gesetzliche
Strafund Kompetenzordnung hinweggesetzt, indem er einerseits durch die
Androhung von Gefängnisstrafe neben der Geldstrafe und vollends durch
die Einführung der gänzlich neuen Strafe des-

H. Gewaltentrennung. N° . 83

Entzuges der Fahrbewilligung die Strafbestimmung des Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
StGB
verschärst, und anderseits durch Überweisung dieser Straffälle
an das Bezirksgericht den Art. 204 litt
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
. C Biff. 6 StGB, laut
welchem Straffälle wegen Ungehorsams gegen allgemeine Erlasse vor die
Gerichtskommission gehörten, abgeändert habe In dieser Normierung eines
Ausnahmegerichtsstandes liege eine Verletzung des Art. 29 st. gall. KV
(der dem Art. 58 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV entspricht) und in der Anwendung der nicht
auf dem verfassungsmässigen Wege zu Stande gekommenen Strasnorm ein
Verstoss gegen den Grundsatz nulla poena sine lege, der die Aushebung
des augefochtenen Strafurteils bedinge. Der Erlass jener Strafnorm durch
den Regierungsrat lasse sich auch nicht etwa mit ihrer Dringlichkeit
rechtfertigen, da ja zur Wahrung der Vorschriften über den Motorwagenund
Fahrradverkehr vorläufig die allgemeinen Strafdrohungen für den
Ungehorsam gegenüber amtlichen Anordnungen und Befehlen (Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
146
StGB) vollständig genügt hätten-

Zum Eventualbegehren wird bemerkt, der Ausschluss des Rekurrenten vom
Rechtsmittel der Appellation stelle eine Verweigerung des rechtlichen
Gehörs und Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV dar; denn der Rekurrent könne seines
gesetzlichen Rechts auf die Anrufung einer zweiten Instanz nicht dadurch
verlustig gehen, dass er sich vor erster Instanz nicht habe hören lassen;
eine solche Rechtsverwirkung könnte jedenfalls nur durch das Gesetz selbst
und nicht durch einen Gerichtsbeschluss, von dein der gewöhnliche Bürger
nichts wisse, angedroht werden.

D. Das Bezirksgericht Gossau hat beantragt, es sei der Rekurs als
unbegründet abzuweisen Auf die Argumentation feiner Vernehmlafsung ist
in den nachstehenden Erwägungen Bezug genommen.

Auch das Kantonsgericht des. Kantons St. Gallen hat auf Abweisung
speziell des Eventualbegehrens des Rekurrenten angetragen und dabei zur
Rechtfertigung seiner Stellungnahme auf Art 63 der Prozessordnung bei
Vergehen und Übertretungen, vom Jahre 1878, und auf das vom Rekurrenteu
selbst erwähnte Urteil aus dem Jahre 1905 verwiesen; --

84 A. titaaisrechtliche
Entscheidungen. "I. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

in Erwägung:

1. Die Beschwerden des Rekurrenten über Verletzung des Art. 29
st. gall. KV Art. 58 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV sowohl, als auch des Grundsatzes
nulla poena sine lege erweisen sich als unbegründet selbst unter der
Voraussetzung, dass das fundamentale Argument des Hauptrekurses die
Bestreitung der Rechtsgültigkeit des Art. 13 der regierungsrätlichen
Vollzugsverordnung betr. den Motorwagenund Fahrradverkehr vom 10. November
1903 zutrefsen sollte.

Das erstangerufene Verbot der Einführung von Ausnahmegerichten
gewährleistet, nach feststehender Auslegung des Art. 58 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV,
grundsätzlich nicht die kantonale Gerichtsstandsordnung als solche,
d. h. die gesetzesmässige Kompetenzabgrenzung unter den verschiedenen
Gerichtsbehörden. Es garantiert vielmehr nur die Beurteilung durch eine
der zur Ausübung von Gerichtsbarkeit kraft allgemeiner organisatorischer
Vorschrift eingesetzten und in diesem Sinne ordentlichen Gerichtsbehörden,
wobei allerdings die auf Willkür beruhende ausnahmsweise Behandlung
einer Streitsache durch ein unzuftändiges Gericht der Funktion eines
verfassungswidrigen Ausnahmegerichts gleichgestellt worden ist (übrigens
durchaus unnötigerweise,-da schon die allgemeine Garantie des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV,
wie die Praxis sie entwickelt hat, vor solcher Willkür schützt). Von
einem direkten Ausnahmegericht kann aber hier zum vornherein nicht
die Rede sein, da das Bezirksgericht Gossau, das den Rekurrenten
beurteilt hat, unbestreitbar ein ordentliches Organ der st. gallischen
Strafrechtspflege ist'. Und die Beurteilung des vorliegenden Strafsalles
durch dieses Ges amtgericht, statt durch die Gerichtskommisfion, kann
schon deswegen jedenfalls auch nicht als willkürlich beanstandet werden,
weil Art. 204
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
StGB, auf den sich der Rekurrent stützt, die Kompetenzen
zwischen Gerichtskommission und Bezirksgericht selbst nicht scharf
abgrenzt, sondern unter litt. D Biff. 1 die Möglichkeit vorsieht,
dass die gemäss litt; C der Gerichtskommission zugewiesenen Strafsachen
ausnahmsweise auch ans Bezirksgericht geleitet werden können. Zudem steht
eine ausnahmsweise Behandlung des Rekurrenten auch insofern nicht in
Frage, als seine Überweisung an das Bezirksgericht auf einer allgemeinen
(wenn auch als rechtsungültig

lI. Gewaltentrennung. N° H. 85

angefochtenen) Vorschrift, also keineswegs auf blosser Willkür, beruht. .

Eine Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege sodann erscheint
ohne weiteres als ausgeschlossen, indem der Rekurrent nicht etwa
behauptet, dass die ihm zur Last gelegte Handlung das zu schnelle, gegen
die Vorschriften der interkantonalen Vereinbarung verstossende Fahren mit
einem Automobil nach der st. gallischen Rechtsordnung überhaupt straflos
sei, sondern selbst zugibt, dass er deswegen auf Grund der allgemeinen
Strafdrohung des Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
StGB hätte verfolgt werden können. Unter
diesen Umständen könnte nämlich von einer ungesetzlichen Bestrafung
nur gesprochen werden, wenn die dem Rekurrenten tatsächlich auferlegte
Strafe den Rahmen jener Strafdrohung überschreiten würde. Dies ist
jedoch nicht der Fall. Der Rekurrent macht zu Unrecht geltend, dass der
neben der Geldstrafe von 100 Fr. (die sich im Strafrahmen des Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202

StGB hält) über ihn verhängte Entzug der Fahrbewilligung für 1/2 Jahr
eine vollständig neue und unstatthafte Strafe darstelle. Denn bei
dieser letzteren Verfügung handelt es sich, wie das Bezirksgericht
in seiner Vernehmlassung zutreffend bemerkt, überhaupt nicht um
eine Strafe im Rechtssinne, sondern vielmehr um eine polizeiliche
Verwaltungsmassnahme. Und zudem ist diese Massnahme schon in Art. 3 Abs. 3
der interkantonalen Vereinbarung betr. den Motorwagens und Fahrradverkehr
selbst ausdrücklich erwähnt, so dass sie vom Strafrichter auch abgesehen
von Art. 13 der zugehörigen regierungsrätlichen Vollzugsverordnung
rechtmässig verhängt werden konnte.

2. Neben den beiden erörterten Beschwerdegründen kommt aber dem Argument
der Ungültigkeit des Art. 13 der regierungsrätlichen Vollzugsverordnung
betr. den Motorwagenund Fahrradverkehr insofern selbständige Bedeutung zu,
als die kantonalen verfassungsrechtlichen Normen über die Kompetenzen
der Staatsbehörden, insbesondere über die Abgrenzung des Kompetenzbe-
reichs der einzelnen Staatsgewalten, nach feststehender Praxis dem
Schutze des Bundesstaatsgerichtshofes unterstehen und daher jeder Bürger
gegenüber einem ihn persönlich betreffenden Erlasse, den er als von
einer verfassungsmässig hiefür nicht zuständigen Be-

86 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

hörde ausgehend erachtet, auf dem Wege der staatsrechtlichen Beschwerde
gemäss Art. 178
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
OG aufzutreten berechtigt ist, sei es durch direkte
Anfechtung des Erlasses als solchen, anlässlich seiner Publikation, sei
es auch später noch, gegenüber einem den Erlass zur Anwendung bringenden
speziellen Entscheide. Der Rekurrent erscheint demnach als legitimiert,
das auf die streitige Verordnungsbestimmung gestützte Strafurteil des
Bezirksgerichts Gossau wegen der behaupteten Verfassungswidrigkeit jener
Bestimmung anzufechten und im Falle der Gutheissung seines Standpunktes
die Aufhebung der Bestrafung zu verlangen, obschon diese letztere, wie
oben festgestellt, auf Grund anderweitiger Kompetenzund Strafnormen in
staatsrechtlich einwandfreier Weise hätte ausgesprochen werden können.

Bei Prüfung dieses Standpunktes nun ist davon auszugehen, dass nach
dem st. gallischen Verfassungsrecht der Regierungsrat als Organ der
vollziehenden Gewalt im Sinne des Art. 65 KV unbestrittenermassen nicht
nur konkrete Verfügungen und Befehle, sondern auch allgemeine Verordnungen
zu erlassen befugt ist, sofern er dabei nur die ausdrückliche Weisung der
Verfassungsbestimmung beachtet, wonach seine Massregeln zur Vollziehung
der Gesetze nie veränderte oder neue Bestimmungen über die Hauptsache-
enthalten dürfen. Dieses Verordnungsrecht kommt ihm insbesondere auch
in seiner Stellung als oberster Verwaltungsund Polizeibehörde, gemäss
Art. 60 KV, zu. Die erwähnte Weisung aber will offenbar nichts anderes
zum Ausdrucke bringen, als den allgemeinen staatsrechtlichen Grundsatz,
dass das Verordnungsrecht nicht praeter legem sich bewegen, oder, wie
neulich (AS 38 I Nr. 19 Erw. 2 S. 125) das Bundesgericht in Anlehnung
an Rosin, Polizeiverordnungsrecht, S. 35 N. 5, sich ausgesprochen hat,
dass eine Vollziehungsverordnung als solche nicht über den aus dem Zweck
seiner Bestimmungen sich ergebenden allgemeinen Rahmen des Gesetzes
hinausgehen dürfe. Es soll also danach dem Regierungsrate unbenommen
sein, das Gesetz nicht nur zu erläutern, sondern seinem Sinne gemäss
auch zu ergänzen. Namentlich im Bereiche des Polizeirechts mit seinen
wechselnden und vielfach doch einer einlässlichen Regelung bedürfenden
Erscheinungen haben praktische Rücksichten in den meisten

ll.0ewaltenircnnung. N° 11. 87

Staaten dazu geführt, der Verordnungskompetenz der Verwaltungsbehörden
möglichst weiten Spielraum zu gewähren Im Kanten St. Gallen speziell
ist dem Regierungsrate gerade auf dem hier in Frage stehenden
Gebiete der Strassenpolizei von Gesetzes wegen eine weitreichende
Verordnungsbefugnis eingeräumt. Im Gesetze über das Strassenwesen
vom 22. Mai 1889 selbst sind nämlich dieser bedeutsamen Materie
nur 9 Artikel (76-84) gewidmet, welche lediglich Vorschriften über
den Abstand von Gebäulichkeiten und Pflanzungen von der Strasse,
über die Anlage der Dachrinnen und über die Inanspruchnahme der
Strassen für Strassenbahnen und Wasserleitungen enthalten und
deren letzter (siehe oben, Fakt. A) die weiter erforderlichen
Verordnungspolizeivorschriften des Regierungsrates vorbehält. Ferner
beauftragt das Gesetz in Art. 91 den Regierungsrat ausdrücklich auch
noch, die erforderlichen Strafbestimmungen gegen Übertretungen des
Gesetzes und der Vollziehungsverordnungen festzusetzen. Auf Grund
dieser gesetzlichen Kompetenzübertragung hat der Regierungsrat seine
Sirassenpolizeiverordnung vom 20. September 1889 erlassen, in der sich
neben Bestimmungen über den Schutz der Strassen hauptsächlich die im
Gesetze völlig übergangenen Verkehrspolizeivorschriften finden, sowie
auch eine zugehörige Strafbestimmung mit Strafdrohung und Bezeichnung
der zuständigen Strafbehörde (Art. 31, siehe oben, Fakt. A), deren
Verfassungsmässigkeit der Rekurrent nicht bestreitet. An diesen
Verordnungserlass aber schliesst die interkantonale Vereinbarung
betreffend den Motorwagen und Fahrradverkehr, die der Kanton St. Gallen
als internes Verordnungsrecht eingeführt hat, sachlich unmittelbar an;
denn ihre Regelung der Strassenbenutzung namentlich durch das vollständig
neue Verkehrsmittel des Automobils bildet, wie die regierungsrätliche
Botschaft an den Grossen Rat betreffend den Beitritt des Kantons zu jener
Vereinbarung mit Recht bemerkt hat, nichts anderes als eine Ergänzung
und teilweise Abänderung der Polizeiverordnung zum Gesetz über das
Strassenwesen. Der Regierungsrat konnte sich daher beim internen Erlasse
jener Vereinbarung nebst der zugehörigen Vollzugsverordnung gewiss
auf Art. 84 des Strassengesetzes stützen, und die hier angefochtene
Strafbestimmung des Art. 13 der Vollzugsverordnung hat über-

88 A. Siaatsrechtliche Entscheidungen. Ill. Abschnitt;
Kantonsverfassungen.

dies eine besondere gesetzmässige Grundlage noch in Art. 91 daselbst.
Übrigens ergäbe sich die Zuständigkeit des Regierungsrates zum
Erlass einer derartigen Strafbeftimmung ohne weiteres schon aus
seiner allgemeinen Verordnungskompetenz als oberster Verwaltungsund
Polizeibehörde (vergl. hierüber die Ausführungen des bundesgerichtlichen
Urteils in Sachen Bou vom 25. Januar 1906: AS 32 I Nr. 16 Erw. 3 S. 109
ff.) und ferner auch aus der Kompetenzdelegation laut Beschluss des
Grossen Rates vom 13. März 1913, durch den der Grosse Rat in seiner
Kompetenz als das Verkoinmnisse und Verträge mit andern Kantonen
und Staaten abschliessende Staatsorgan (Art. 55 Biff. 6 KV) der
interkantonalen Vereinbarung betreffend den Motorwagen: und Fahrradverkehr
seine Genehmigung erteilt und den Regierungsrat unter Ermächtigung
zur Beitrittserklärung mit dem Vollzuge dieses Beschlusses-, sowie mit
dem Erlass und eventueller späterer Ergänzung oder. Abänderung einer
bezüglichen Verordnung für das Gebiet des Kantons St. Gallen beauftragt
hat. Der Rekurrent bestreitet denn auch jene Zuständigkeit nicht
grundsätzlich, sondern beanstandet den Art. 13 der regierungsrätlichen
Vollzugsverordnung vom 10. November 1903 nur hinsichtlich

des Inhaltes seiner Strafdrohung und der beigefügten Gerichts-

standsbestiininung, indem er geltend macht, der Regierungsrat hätte sich
dabei einerseits an den Strafrahmen des Art. 31
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
der Polizeiverordnung
zum Strassengesetz oder doch des Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
StGB, und anderseits an die
Kompetenznorm des Art. 2041itt. C Biff. 6 StGB halten sollen. Diese
Einwendungen gehen jedoch fehl. Zunächst ist selbstverständlich,
dass der Regierungsrat nicht an die Strafbestimmung seiner eigenen
älteren Polizeiverordnung gebunden war, sondern, gleich wie er diese
Strafbestimmung selbst jederzeit hätte abändern können, auch befugt war,
in der neuen Spezialverordnung eine hievon abweichende Strafdrohung
aufzustellen. Und ebensowenig war er bei deren Bemessung auf den
Strafrahmen des Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
StGB beschränkt; denn diese Gesetzesbestimmung
enthält nicht etwa eine Blankett-Strafvorschrift, in deren Ausfüllung
sich die Strafverordnungsbefugnis des Regierungsrates erschöpfen würde,
sondern vielmehr eine allgemeine Strafdrohung subsidiärer Natur, die
Geltung beansprucht

ll. Gewaltenlrennung. N° 11. 89

nur, soweit keine auf ihren Tatbestand zutreffende speziellere
Strafdrohung vorhanden ist. Die Bestimmung kann insbesondere auch einer
abweichenden Verordnung-Z Strafnorm schlechterdings nicht entgegengehalten
werden, da sie ausdrücklich auch die besonderen Strafdrohungen auf
Zuwiderhandlungen gegen allgemein verbindliche Vorschriften, die auf
dem Verordnungswege erlassen worden sind, vorbehält. Es stand daher
dem Regierungsrare in dieser Hinsicht auch frei, den mit der Bestrafung
fakultativ verbundenen Entng der Fahrbewilligung anzuordnen, abgesehen
davon, dass diese Massnahme, wie schon an anderer Stelle hervorgehoben,
bereits in der voni Kanton St. Gallen unbestrittenen massen in
verfassungsrechtlich einwandfreier Weise eingeführten interkantonalen
Vereinbarung selbst vorgesehen ist, so dass die regierungsrätliche
Verordnungsbesiimmung mit Bezug hieraus als reine Vollziehungsnorm
erscheint. Endlich verstösst diese Bestimmung auch nicht gegen Art. 204
litt. C Ziffer 6 StGBz denn dessen Kompetenznorm bezieht sich nur
auf die Beurteilung von Ungehorsamsfällen, auf ivelche die Art. 143
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 143 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Die unbefugte Datenbeschaffung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.

145 StGB Anwendung finden, und es isi damit keineswegs gesagt, dass
auch die anderweitig mit Strafe bedrohten Ungehorsamssälle notwendig
in die Urteilskompetenz der Gerichtskommission fallen nennen. Gerade
die hier streitige Strafnorm übersteigt tatsächlich die im Eingang der
litt. C des Art. 204 angegebene Strafkompetenz der Gerichtskommisfion:
bis auf 300 Fr. Geldbusse und bis auf zwei Monate Gefängnis, die beiden
Strafen getrennt oder verbunden, nebst den gesetzlichen Zusatzstrafen,
indem sie eine Geldstrafe bis 500 Fr. vorsieht und insofern auch

nach Art. 204 litt. D Ziffer 1 in den Kompetenzbereich des

Bezirksgerichts gehört.

3. Die dem Eventualantrage des Rekurses zu Grunde gelegte Beschwerde
wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs gegenuber dein Obergericht
erweist sich ohne weiteres als unhaltbar, DenRekurrent hat es lediglich
seiner eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben, dass ihm die Anrufung der
obern Jnstanz versagt blieb, indem er durch gehörige Benutzung der ihm
gesetzten Reinigungsfrist das Kontumazialurteil zu Fall bringen und ein
neues Strafurteil hätte erwirken können, welchem gegenüber ihm dannX

90 A. Staatsrechuiche Entscheidungen. lll. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

die Appellation offen gestanden hätte. Wieso aber die Verweige.rung
der Appellation bei gegebener Möglichkeit der Beseitigung des
erstinstanzlichen Kontumazialurteils im Wege des Reinigungserfahrens
(Art. 63 der Prozessordnung bei Vergehen und Überxketungen vom
28. November 1878) eine Rechtsverweigerung bedeuten sollte, ist an
sich schlechterdings nicht einzusehen. Und auch der Umstand, dass
diese Stellungnahme des Kantonsgerichts wicht auf einer ausdrücklichen
Gesetzesbestimmung, sondern auf blosser Gerichtspraiis beruht, verschlägt
natürlich nichts; denn der Relurrent hat weder dargetan noch auch nur
behauptet, dass diese Praxis willkürlich, mit dem Sinn und Geiste des
Gesetzes nicht vereinbar sei. Tatsächlich entspricht sie vielmehr dem
im Zivilprozessverfahren nach dem Vorbild des gemeinen Rechts vielfach
geltenden Grundsatze: contumax non appellata, dessen Übertragung auf
den- Strafprozess mangels einer entgegenstehenden positiven Vorschrift
keineswegs als Willkür bezeichnet werden kann; -

erkannt : Der Rekurs wird abgewiesen.

12. gm; vom 24. Januar 1913 in Sachen Dädal-sahn gl.-@. gegen Ewpenzelî
gb.-gea.

:Kantonales Staatsrecht (Appenzell I.-Bh.). Befugnis des
Grossen Rates, Verordnungen, speziell Ausführungsverordnungen zu
erlassen. Ansführnngsbestimmnng' zum eidg. WasserbaupolG betreffend
Perimeter- pflicht. Wegen Verletzung des Ewpropriationsgesetzes durch
kantonale Behörden ist ein staatsrechtlicher Rekurs nicht zulässig.

A. Im Jahre 1910 wurde durch das Hochwasser der Sitter bei der Felsenegg,
oberhalb Appenzell, die Weissbadstrasse auf eine Strecke von zirka 50 m
weggespült und ein an der Strasse gelegenes, der Witwe Rain gehöriges
Haus bedroht. An jener Stelle wurde die Sitter in den Jahren 1911 und
1912 korrigiert. Die Kosten beliefen sich auf rund 39,500 Fr. Nach Abzug
der Bundesund Kantonssubventionen verblieb zu Lasten der interessierten
Grundeigentümer ein Betrag von 13,700 Fr.Il. Gewaltentrennung. N° 12. 91

Nach dem ursprünglichen Bauprojekt hätte die Säntisbahn beim Felsenegg
zwischen Fluss und Strasse geführt werden sollen. Sie wurde dann aber
jenseits der Strasse erstellt, wobei der erforderliche Platz durch
Absprengen einer Felsenrippe gewonnen wurde und das Haus Rain expropriiert
werden musste. Die Planauflage fand am 11. März 1911 statt. Die Witwe
Rain hatte durch Protokollvermerkung vom 29. Juli 1896 zu Handen der
Strassenverwaltung erklärt, dass sie die beim Kauf ihrer Liegenschaft als
Servitut übernommeneWuhrpflicht der Strasse entlang für sich und ihre
Rechtsnachfolger voll und ganz anerkenne. Die Expropriation der Witwe
Rain endigte mit einem in bundesgerichtlicher Jnstanz am 22. November
1912 abgeschlossenen Vergleich der Parteien, wobei die Säntisbahn sich
verpflichtete, der Expropriatin einen bestimmten Betrag nachzubezahlen,
falls es ihr gelingen sollte, sich durch einen staatsrechtlichen Rekurs
von einer Beitragspflicht an die Sitterkorrektion in Bezug auf die
Liegenschaft Rain zu befreien

B Die Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Wasserbaupolizei
vom 22 Juni 1877 für Appenzell J. -Rh, vom Grossen Rat erlassen am
31. März 1892 und vom Bundesrat genehmigt am 8. April 1892, bestimmt in
den Art. 5 und 7:

Art. 5. Die Erstellungsund Unterhaltungspflicht neuer oder bereits
bestehender Verbauungen haftet auf den bisher pflichtigen

' Grundstücken als Reallast; daherige Forderungen geniessen im

Rechtstriebe die Vorrechte einer obrigkeitlichen Schuld und müssen
bei Handänderungen in allen Fällen vom Käufer bezahlt werden. Der
Pflichtenkreis kann jedoch durch Schlussnahme der Standeskommission
auf allen jenen Grundbesitz ausgedehnt werden, der nach technischer
Ausmittlung bedroht ist oder in höherem oder geringerem Masse an den
Vorteilen der Verbauung teilnimmt. Den Besitzern der im betreffenden
Pflichtenkreis liegenden Grundstücke liegt gleichzeitig die zweckmässige
Bepflanznng und Aufforstung der Uferhalden und Quellengebiete ob."

Ari. 7. Die Beitragspflicht richtet sich jeweilen einerseits nach der
Grösse und dem Werte der betreffenden Liegenschafteu und Gebäulichkeiten,
anderseits nach den denselben voraussichtlich drohenden Gefahren. Auch
sind die bereits auf einzelnen Liegen-
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 39 I 79
Date : 17. Januar 1913
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 39 I 79
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 78 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. ll]. Abschnitt. Kantonsverfassungen. des


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BV: 4  58
OG: 178
StGB: 31  143  144  204
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