600 A. Staatsrechtliche Entlcheidungen. 11. Abschnitt. Bundesgesetze.

Recht vermag darauf direkt nicht einzuwirken Dagegen können diese
Voraussetzungen indirekt dadurch beeinflusst werden, dass das kantonale
Recht kantonale Rechtsmittel ausschaltet, deren Ergreisung bundesrechtlich
als Bedingung der staatsrechtlichen Be- schwerde gelten. Aber das
Prozessrecht des Kantons Luzern hat die Kassationsbeschwerde nicht
abgeschafft. Die beiden obgenannten Kassationsgründe bestehen nach wie
vor. Wenn die Rekurrentin die Bestimmung des § 258 Abs. 2 dahin deutet,
dass die Kassationsbeschwerde unzulässig sei, wenn die Beschwerdeführerin
die staatsrechtliche Beschwerde erheben wolle, so steht diese Auffassung
im Gegensatz zum Wortlaut der Bestimmung. So ausgelegt, wäre ubrigens die
Vorschrift des F258, Abs. 2, was den staatsrechtlichen Rekurs anbetrifst,
praktisch kaum verwertbar, da sie die Zulassigkeit eines kantonalen
Rechtsmittels, das innert zwanzig Tagen nach Zustellung des Urteils
erhoben werden muss (§ 260 SVO), von der vielleicht gar nicht vorhandenen,
jedenfalls aber in den seltensten Fällen zum Ausdruck gelangten Absicht
der Erareifung des staatsrechtlichen Rekurses abhängig macht, zu dessen
Erhebung eine sechztgtägige Frist offen steht. Vom Standpunkte des
eidg. Rechtes und der konstanten Bundesgerichtspraxis, die in Fällen wie
dem vorliegenden die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges verlangt,
genügt es, dass auch nach Massgabe der neuen Bestimmung die Rekurrentin
die kantonale Kassationsbeschwerde binnen 20 Tagen nach Zustellmcg des
Urteils ergreifen konnte. Wie sich die Sache verhalten würde, wenn die
Kasfationsbeschwerde ergriffen, aber vom Kasfationsgericht als unzulässig
erklärt worden ware, ist in diesem Falle nicht zu untersuchen. Ebenso
mag vorläufig dahingestellt bleiben, ob das kantonale Recht, wenn es ein
kantonales Rechtsmittel vorsieht, neben dem ein bundesrechtliches Mittel
ergriffen werden kann, überhaupt befugt sei, die Zulässigkeit des ersten
von der Nichtergreifung des letzten bezw. vom Verzichte darauf abhängig
zu machen; erkannt: Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

ll. Erbrecht. N° 106. 60]

II. Erbrecht. Des euecessions.

106. guten vom 28. Yes-einher 1913 in Sachen Bataan gegen Bern.

Staatsrechtliche Streitigkeit zwischen Kantonen (Art. 17 5 Abs. 1 Ziffer 2
OG): Interkantonaler Konflikt betr. die Kompetenz für die Massnahmen zur
Sicherung des Erbgangs (Art. 551
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
ZGB). Erfordernis der Erschöpfung des
kantonalen Instanzenz-u-gs? Bestimmung des Wohnsitzes einer bevormundeten
Person (Art. 25
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
und 377
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 377 - 1 Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
1    Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
2    Die Ärztin oder der Arzt informiert die vertretungsberechtigte Person über alle Umstände, die im Hinblick auf die vorgesehenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken, Nebenwirkungen und Kosten, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.
3    Soweit möglich wird auch die urteilsunfähige Person in die Entscheidfindung einbezogen.
4    Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.
ZGB) ; Bedeutung des Wohnsitzwechsels.

Das Bundesgericht hat

auf Grund folgender Aktenlaget

A. Am 1. September 1910 wurde über die gegen 70 Jahre alte ledige
E. J., die im Jahre 1906 von einem Bruder ein Vermögen von mehr
als einer Million geerbt hatte, an ihrem Wohnorte Wohlen (Aargau),
wo sie auch heimatberechtigt war, auf Begehren ihrer Verwandten und
des Gemeinderates Wohlen, welche sie als zufolge Geisteskrankheit
zur Besorgung ihrer Angelegenheiten unfähig bezeichneten, das
Bevormundungsverfahren eröffnet. Dieses führte dazu, dass die J. durch
Urteil des Bezirksgerichts Bremgarten, vom 13. Mai 1911, das mit der
obergerichtlichen Abweisung ihrer hiegegen ergriffenen Beschwerde am
22. September 1911 in Rechtskraft erwachs, wegen postapoplektischer
und seniler Demenz unter Vormundschaft gestellt wurde. Inzwischen, im
November 1910, war die J., die in Wohlen ein eigenes Haus bewohnt hatte,
von ihrer Pflegerin in eine für sie gemietete Wohnung nach Bern verbracht
worden. Die aargauischen Behörden hatten ihr jedoch die Ausstellung
eines Heimatscheines behufs dortiger Niederlassung verweigert, und
das Bundesgericht erklärte ihren staatsrechtlichen Rekurs in dieser
Angelegenheit, nachdem es den Ausgang des Bevormundungsversahrens
abgewartet hatte, durch Urteil vom 28. Dezember 1911 als gegenstandslos,
weil die Rekurrentin als bevormundete Person nicht mehr selber über ihre
Mederlassuxi disponieren könne.

602 A. Slaatsrechtliche Entscheidungen. ll. Abschnitt. Bundesgesetze.

Jn der Folge versuchte der Gemeinderat Wo len als schaftsbehörde
erfolglos die Heimschaffung der Bevormunketlxitinubkn Bern nach·Wohlen
zu erwirken. Auf seine Veranlassung wandte sich schliesslich der
Regierungsrat des Kantons Aargau zu diesem Zwecke an den Regierungsrat
des Kantons Bern; dieser aber lehnte es mit Antwortschreiben vom 19. Juni
1912 gestützt auf den Befund zweier hernischen Ärzte, die im Gegensatz zu
den Sachverständigen der aargauischen Behörden ben Transport der Kranken
als ohne Gefahr für ihre Gesundheit nicht durchführbar bezeichneten,
ab, hiezu Hand zu bieten, und bemerkte hiebei, dass übrigens eaus
einem Verbleiben der J. in Bern der Führung der Vormundschaft uber
sie durch ihre Heimatund rechtliche Wohnsitzgemeinde Wohlen keine
nennenswerten Nachteile erwachsen-A Daraufhin erklärte der Gemeinderat
Wohlen in einer Zuschrift vom 15. Juli 1912 an die aargauische
Justizdirektion zu Handen der bernischen Regierung er fasse deren
letzterwähnte Bemerkung als Zusicherung auf, dass er bei Ausübung der
Vormundschaft auf ihre Unterstützung rechnen könne,· und wolle deshalb das
Rückbringungsbegehren für einmal und bis auf weiteres nicht verfolgen,
dagegen lasse er es definitiv nicht fallen, sondern behalte sich vor,
es, wenn nötig, später zu erneuern. Die Angelegenheit ruhte dann, bis
die Vormundschaftskommission der Einwohnergemeinde Bern im März 1913
ben Gemeinderat Wohlen um Ubertragung der Vormundschaft über die J.,
gemass Art. 377
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 377 - 1 Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
1    Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
2    Die Ärztin oder der Arzt informiert die vertretungsberechtigte Person über alle Umstände, die im Hinblick auf die vorgesehenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken, Nebenwirkungen und Kosten, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.
3    Soweit möglich wird auch die urteilsunfähige Person in die Entscheidfindung einbezogen.
4    Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.
ZGB, ersuchte, da die Bevormundete nunmehr schon etwa
21/9. Jahre in Bern sich aushalte und offenbar dauernd-daselbst bleiben
wolle. Als der Gemeinderat dieses Gesuch unter Hinweis darauf, dass die
J. gegen den Willen der Vormundschaftsorgane nach Bern verbracht worden
sei, ablehnte, gelangte die bernische Behörde im Beschwerdewege an das
Bezirksamt Bremgarten, wobei sie geltend machte, der Gemeinderat Wohlen
habe ben Wohnsitzwechsel der Bevormundeten nachträglich stillschweigend
gebilligt Hiegegen verwahrte sich der Gemeinderat, indem er sein Schreiben
an die aargauische Justizdirektion vom 15. Juli 1912 anrief und ferner
bemerkte, er habe das Heimschafsungsbegehren nur deshalb nicht wieder
erneuert, weil die Ärzte in Bern wiederholte seitherige Anfragen über die
Transportfähigkeit der Bevormundeten noch immer verneinend beantwortet
hätten und diese wirklich seither

ll. Erbrecht. N° 108. M

wiedaholt von Herzbeschwerden befallen worden sei. Tatsächlich liess

die Vormundschaftshehörde von Wohlen ihr durch den Vormund

regelmässig ein Monatsgeld zukommen und auch den Mietzins ihrer

bernischen Wohnung bezahlen, letzteres jedoch mit ausdrücklichem

Vorbehalt gegenüber dem Vermieter (Brief des Vormundes vom

28. Juni 1912), dass der von einem bernischen Notar für FrL J.

abgeschlossene Mietvertrag nicht als rechtsgültig anerkannt und die

Miete nur solange bezahlt werde, als die Bevormundete tatsächlich in
der Wohnung bleibe. Ferner hatte im November 1912 eine

Abordnung der Vormundschaftsbehörde ein Inventar über ihre dortigen
Vermögensgegenstände aufgenommen und ihr in der Folge nach dem Wunsch
ihrer Umgebung einige weitere Gegenstände schicken lassen.

Mit Entscheid vom 14. Juli 1913 wies das Bezirksamt Bremgarten die
Beschwerde der bernischen Vormundschaftsbehörde ab. Diese zog die
Angelegenheit an den Regierungsrat des Kantons Aargau weiter; während
sie hier anhängig war, starb aber die J. am 1. September 1913 in ihrer
hernischen Wohnung.

Die Verstorbene, die in Wohlen begraben wurde, hinterliess mehrere
Testamente, in deren letztem, vom 15. September 1910, sie unter Aussetzung
grösserer Vermächtniss , teilweise zu wohltätigen Sweden, ihre Pflegerin
Lina Seiler als Universalerbin eingesetzt hat. Die Originalien dieser
Testamente fanden sich beim Bezirksgericht Bremgarten hinterlegt, doch
hatte die Erblasserin eine notariell beglaubigte Abschrift des letzten
derselben bei sich in Bern.

Mit Schreiben vom 6. September 1913 lud der Gemeinderat der Stadt Bern
den Neffen der Verstorbenen, B.-Z. in Wohlen (Aargau), als gesetzlichen
Erben zur Eröffnung der erwähnten Testamentsabschrift gemäss Art. 557
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 557 - 1 Die Verfügung des Erblassers muss binnen Monatsfrist nach der Einlieferung von der zuständigen Behörde eröffnet werden.
1    Die Verfügung des Erblassers muss binnen Monatsfrist nach der Einlieferung von der zuständigen Behörde eröffnet werden.
2    Zu der Eröffnung werden die Erben, soweit sie den Behörden bekannt sind, vorgeladen.
3    Hinterlässt der Erblasser mehr als eine Verfügung, so sind sie alle der Behörde einzuliefern und von ihr zu eröffnen.

ZGB auf den 10. September nach Bern vor.

Anderseits erliess auch das Bezirksgerichtspräsidium Bremgarten als
sachlich zuständige aargauische Behörde Vorladung zur Testamentseröffnung
und traf überdies, auf Veranlassung des gesetzlichen Erben IS.-Z.,
am 9. September 1913 folgende Verfügung:

1. Die Eröffnung der letzten Willensverordnung, die nach Mitteilung des
Gemeinderates der Stadt Bern an den gesetzlichen

(Erben von der am 1. September verstorbenen Fräulein E. J.

AS 39 i 1913 40

604 A. Staatsrechtlicbe Entscheidungen. [I. Abschnitt. Bundesgesetze.

von Wohlen (Aargau) hinterlassen worden ist, hat vor dem
Gerichtspräsidenten von Bremgarten (Aargau) stattzufinden, da Fräulein
J. bei ihrem Tode unter Vormundschaft des Gemeinderates von Wohlen
(Aargau) stand und gemäss Art. 25
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
und 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
1    Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
2    Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.
-77
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 77 - Die Auflösung erfolgt von Gesetzes wegen, wenn der Verein zahlungsunfähig ist, sowie wenn der Vorstand nicht mehr statutengemäss bestellt werden kann.
ZGB trotz ihres faktischen
Aufenthaltes in Bern, in Wohlen argau) ihren rechtlichen Wohnsitz
hatte und der Erbgang gemäss Art. 538
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 538 - 1 Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
1    Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
2    ...522
ZGB an diesem Wohnsitz eröffnet
werden muss·

772. Diese Verfügung wird dem Gemeinderat der Stadt Bern zur Kenntnis
gebracht und derselbe ersucht, die fragliche letzte

' Willensverordnung der Fräulein E. J., gemäss Art. 538 "BGB und 551
und 556 ff. ZGB dem unterzeichneten Gerichtspräsidenten von Bremgarten
(Aargau) zur Eröffnung einzuliefern und diese (Eröffnung nicht selber
vorzunehmen.

3. Sollte die Eröffnung bei der Zuftellung schon erfolgt sein, so wird
der Gemeinderat von Bern ersucht, die Urkunde zur neuen (Eröffnung hieher
zu übersenden. .

Allein der Gemeinderat der Stadt Bern nahm die Eröffnung der ihm
vorliegenden Testamentsurkunde gleichwohl vor, da die Frage des Wohnsitzes
der Verstorbenen nicht erledigt sei und die Vormundschaftsbehörde von
Bern entgegen derjenigen von Wohlen die Ansicht vertrete, dass die J. in
Vern Wohnsitz erworben habe.

Der Gerichtspräsident von Bremgarten hielt auch seinerseits an der
erlassenen Verfügung fest und eröffnete in der Folge sämtliche gerichtlich
hinterlegten Testamente. ·

B. Mit Eingabe an das Bundesgericht vom 23. September 1913 hat der
Regierungsrat des Kantons Aargau gegen den Regierungsrat des Kantons Bern
für sich und zu Handen des Gemeinderates der Stadt Bern staatsrechtliche
Beschwerde erhoben und gestützt auf Art. 175
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 538 - 1 Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
1    Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
2    ...522
Biff. 2 OG das Gesuch
gestellt:

Das Bundesgericht wolle festsetzen, dass der Erbgang in den Nachlass
der E. J. in Wohlen (Aargau), nicht in Bern, zu eröffnen sei und den
Behörden und Gerichten des Kantons Aargau, nicht denjenigen des Kantons
Bern, zustehe, und es wolle die Eröffnung der Testamentsabschrift durch
den Gemeinderat der Stadt Bern und die weiter daran sich knüpfenden
Erbgangshandlungen dieser Behörde als ungültig wieder aufheben.

Zur Begründung wird unter Hinweis auf den vorstehenden

Il. Erbrecht. N° 106. 605

Tatbestand ausgeführt, es liege ein interkantonaler Kompetenzkonflikt
vor, da sowohl die Behörde der Stadt Bern, als auch die entsprechende
aargauische Behörde die Zuständigkeit zur Eröffnung des Erbgangs in
den Nachlass der E. I. in Anspruch nehme. Nach richtiger Auffassung
sei der letzte Wohnsitz der Erblasserin in Wohlen gewesen und daher
gemäss Art. 538
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 538 - 1 Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
1    Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
2    ...522
ZGB die Zuständigkeit der dortigen Behörde gegeben. Da
weitere behördliche Massnahmen in der Angelegenheit dringlich seien,
habe sich der Regierungsrat nicht erst noch an die Regierung von Bern
wenden können. Diese werde ja nach erhaltener Kenntnis der Sachlage
die vom Gemeinderat Bern beanspruchte Kompetenz wohl selbst auch
verneinen. Es werde aber ein Entscheid des Bundesgerichts allgemeiner
Natur, d. h. nicht bloss über die Eröffnung der Testamente, sondern
über den Erbgang überhaupt, der weiteren Fragen (Gerichtsstand der
Testamentsanfechtung, Erbschaftssteuerhoheit) wegen, die nicht von den
Regierungen erledigt werden könnten, auf alle Fälle ergehen müssen.

C. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat zunächst den Antrag gestellt,
es sei auf den Rekurs wegen Jnkompetenz des Bundesgerichts nicht
einzutreten, da eine staatsrechtliche Streitigkeit zwischen Kantonen im
Sinne des Art. 175 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 538 - 1 Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
1    Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
2    ...522
OG nicht vorliege, solange bernischerseits
die Angelegenheit nicht von den privaten oder staatlichen Interessenten-
gemäss Art. 10 bern. EG z. ZGB an den Regierungsstatthalter und den
Regierungsrat weitergezogen worden sei und diese kantonalen Behörden dazu
nicht Stellung genommen hätten. Auch der Gemeinderat der Stadt Bern hat
in einer ersten Vernehmlassung diese Rechtsauffassung vertreten.

Auf Einladung des Jnstruktionsrichters hat der Regierungsrat sodann noch
eine materielle, auf Abweisung des Rekurses antragende Vernehmlassung des
Gemeinderates von Bern eingereicht und sich ihr eventuell, für den Fall,
dass das Bundesgericht entgegen seinem prinzipalen Standpunkte auf die
Sache eintreten sollte, ohne eigene Gegenbemerkungen angeschlossen. Die
Gemeindebehörde nimmt den Standpunkt ein, die J. habe ihren letzten
Wohnsitz in Bern gehabt und es sei daher die dortige Eröffnung des
Erbganges zu Wen; --

606 A. Stutsrechtliche Entscheidungen. Il. Abschnitt. Bundesgesetzes.

in Erwägung:

1. Es handelt sich vorliegend um einen interkantonalen Kompetenzkonflikt
hinsichtlich-der Massregeln, die von Gesetzes wegen (Art. 538
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 538 - 1 Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
1    Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
2    ...522
und 551
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
ZGB)
am letzten Wohnsitze des Erblassers zur Sicherung des daselbst einheitlich
eröffneten Erbgangs zu treffen sind. Der Konflikt besteht darin, dass mit
Bezug aus den Nachlass der E. I. je eine sachlich zuständige Behörde. der
beiden Kantone Aargau und Bern das Gerichtspräsidium von Brangarten gemäss
§ 77 aarg. EG z. ZGB einerseits, der Gemeinderat der Stadt Bern gemäss
Art. 6 beru. EG z. ZGB anderseits die örtliche Zuständigkeit für diese
Massregeln beansprucht und die dazu gehörige Eröffnung letztwilliger
Verfügungen bereits vorgenommen hat. Dagegen fallen die weitern Fragen,
ob der aargauische oder der bernische Richter zur Beurteilung einer
allfälligen Testamentsanfechtungsklage örtlich zuständig sei und welchem
der beiden Kantone der Erbschaftssteueranspruch gegenüber dem Nachlasse
zustehe, weil noch nicht praktisch aufgeworfen, zur Zeit an sich ausser
Betracht, wenn auch der Entscheid über die örtliche Zuständigkeit zur
Anwendung des Art. 551
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
ZGB für diese Fragen, deren Beantwortung ebenfalls
von der Bestimmung des letzten Wohnsitzes der Erblasserin abhängt,
von präjudizieller Bedeutung ist.

Die Voraussetzungen einer Streitigkeit staatsrechtlicher Natur
zwischen Kantonen im Sinne des am. 175·Abs. 1 Biff. 2 OG, auf den der
Regierungsrat des Kantons Aargau seinen Rekurs stützt, sind gegeben. Nach
Art. 177 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
OG gehören zu diesen Streitigkeiten insbesondere auch
Kompetenzfragen zwischen den Behörden verschiedener Kantone, und zwar
bezeichnet der allgemeine Ausdruck Behörden hier nicht nur die Organe der
zentralen Staatsorganisation, sondern umfasst auch die Gemeindebehörden
der Kantone. Denn auch ein Kompetenzkonflikt, der materiell zwischen
Gemeindebehörden verschiedener Kantone besteht, ist durch eine Abgrenzung
der beteiligten kantonalen Staatshoheiten zu beseitigen, die Art. 175
Abs. 2 QG dem Bundesgericht zuweist. Erforderlich ist in solchen Fällen
gemäss Art. 177 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
OG bloss, dass eine Kantonsregierung den Entscheid
des Gerichtes anrust, wie dies vorliegend von seiten des Kantons Aargau
geschehen ist (vergl. hier AS 23 Nr. 198 Erw. 2 S. 1467). Ferner war
die aar-

ll. Erbrecht. N° 106. 607

gauische Regierung, entgegen dem Einwande der Berner Behörden, nicht
verpflichtet, den Kompetenzftreit vor Anrufung des Bundesgerichts an die
beruischen Oberinstanzen weiterzuziehen, da die Erschöpfung des kantonalen
Jnstanzenzugs einer ausserkantonalen Behörde in derartigen Streitsachen
nicht zugemutet werden kann (vergl. die Entscheidungen zu Art. 180 Biff. 3
aOG, deren Begründung auch hier zutrifft: AS 33 I Nr. 17 Erw. 1 S. 119
und dortige Berweisungen). Aus den Rekurs ist somit einzutreten.

2. Für die Beantwortung der materiell entscheidenden Frage, ob die
Erblasserin J. ihren letzten Wohnsitz in Wohlen oder in Bern gehabt
hat, sind massgebend die Art. 25 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
und 377
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 377 - 1 Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
1    Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
2    Die Ärztin oder der Arzt informiert die vertretungsberechtigte Person über alle Umstände, die im Hinblick auf die vorgesehenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken, Nebenwirkungen und Kosten, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.
3    Soweit möglich wird auch die urteilsunfähige Person in die Entscheidfindung einbezogen.
4    Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.
ZGB, dem die über jene
verhängte Vormundschaft nach Art. 14 Abs. 1 seines Schlusstitels seit dem
1. Januar 1912 unterstand. Diese neuen Bestimmungen über den Wohnsitz der
bevormundeten Personen decken sich inhaltlich völlig mit den bis zu ihrem
Jnkrafttreten für interkantonale Verhältnisse geltenden Vorschriften
der Art. 4 Abs. 3 und 17_ BG betr. zivilr. Verh. d. N. u. A. Für ihre
Auslegung darf daher unbedenklich von der Praxis ausgegangen werden, die
sich an Hand der bisherigen Rechtsordnung entwickelt hat. Danach steht
fest, dass unter dem Ausdruck Wohnsitz in Art. 17 des erwähnten Gesetzes,
der die örtliche Übertragung der Vormundschaftsführung im Falle eines von
der Vormundschastsbehörde bewilligten Wohnsitzwechsels des Bevormundeten
vorschreibt, zu verstehen ist ein mit (ausdrücklicher oder auch nur
stillschweigender) Zustimmung der bisherigen Vormundschaftsbehörde
hergestelltes tatsächliches Verhältnis des Bevormundeten zu einem Orte im
Bereiche einer andern Vormundschaftsbehörde, das für eine nicht unter
Vormundschast stehende Person den Wohnsitz im Rechtssinn begründen
würde, und dass aus diesem tatsächlichen Verhältnis Recht und Pflicht
der Vormundschaftsübertragung sich ergeben, wobei jedoch mit deren Vollng
erst der Wohnsitz des Bevormundeten im Rechtssinn, wie ihn Art. 1 Abs. 3
des Gesetzes im Auge hat, übergeht (vergl. hierüber BGE 30 I Nr. 118 Erw·
2 S. 700 ff.; 311 I Nr. 49 Erw. 1 S. 297; 36 I Nr. 11 Crw. 3 S. 71). Die
Gründe, welche zu dieser Auslegung des früheren Gesetzesrechies geführt
haben, rechtfertigen beim heutigen, materiell unveränderten Stande der
Gesetzgebung ohne weiteres die

eos A. Shatsrechfliche Entwfmidungen. Il. Abschnitt. Bundesgesetze.

Ansrechterhalnnrg der bisherigen Praxis. Es ist insbesondere im Sinne der
grundlegenden Erörterung i. S Waldis (AS 30 a. a. O.) daran festzuhalten,
dass die Rechtswirkung des Wohnsitzübergangs erst mit der effektiven
Übertragung der Vormundschaft,

nicht schon mit der Erfüllung ihrer Voraussetzungen eintritt, dass

also auch nach Art. 25 Abs. 1 ZBG unter der Vormuudschaftsbehörde,
deren Sitz den Wohnsitz der bevormundeten Person bezeichnet, diejenige
Behörde zu verstehen ist, welche die Vormundschaft tatsächlich führt,
selbst wenn eine andere Behörde gemäss Art. 377
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 377 - 1 Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
1    Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
2    Die Ärztin oder der Arzt informiert die vertretungsberechtigte Person über alle Umstände, die im Hinblick auf die vorgesehenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken, Nebenwirkungen und Kosten, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.
3    Soweit möglich wird auch die urteilsunfähige Person in die Entscheidfindung einbezogen.
4    Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.
ZGB hiezu berechtigt
wäre (gl. M. Egger, Kommentar zu Art. 25
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB, Anmerkung 4 b Abs 2 S. 84)
Jm letzteren Falle ist auch der Zeitpunkt, in welchem die berechtigte
Behörde die Übertragung der Vormundschaft verlangt, grundsätzlich
ohne Bedeutung; denn wenn im Interesse der Rechtssicherheit das ohne
weiteres erkennbare Merkmal der tatsächlichen Vormundschaftsführung für
die Frage des Wohnsitzes im Rechtssinn massgebend sein muss, so kann
auf die Geltendmachung des Übertragungsbegehrens, mit der an sich ja
noch keine Änderung der Vomundschaftsverhältnisse verbunden ist, nicht
abgestellt werden. Eine Abweichung von diesem Grundsatze rechtfertigte
sich nur, falls die Erledigung eines begründeten Begehrens durch die
bisherige Vormundschaftsbehörde oder eine ihr vorgesetzte Justanz in
ungehöriger Weise zum Nachteil des zuständigen Gemeinwesens und Kautons
verzögert würde.

3. Aus dieser Rechtslage folgt für den vorwürsigen Fall, dass die
Erblasserin J. ihren letzten Wohnsitz in Wohlen gehabt hat, wo die
Führung der daselbst rechtmässig über sie verhängten Vormundschaft bis zu
ihrem Tode verblieben ist. Allerdings hat die Vormundschaftsbehörde der
Stadtgemeinde Bern, in der die Bevormundete seit Ende 1910 tatsächlich
wohnte, die Übertragung der Vormundschaft verlangt; allein ihrem Begehren
ist bis zum Todestage der Bevormundeten nicht entsprochen worden,
ohne dass von einer irgendwie ungewöhnlichen Verzögerung der Erledigung
desselben seitens der aargauischen Behörden (die auch gar nicht behauptet
ist) die Rede sein könnte.

Übrigens war dieses Begehren, wie noch bemerkt sein mag, ganz
unbegründet. Eine ausdrückliche Zustimmung der Vormundschaftss behörde
von Wohlen zur Wohnungsverlegung der Verstorbenen

n. Erbrecht. No 106. 609,

nach Bern liegt nicht vor, vielmehr ist diese Behörde hiegegen durch die
Weigerung, der ohne Erlaubnis Fortgezogenen für die Niederlassung in Bern
einen Heimatschein auszustellen, und durch die späteren Bemühungen,
ihre Heimschafsung zu erwirken, in aller Form aufgetreten. Aber
auch eine nachträgliche stillschweigende Billigung des tatsächlichen
Wohnortswechsels kann, entgegen dem Standpunkt der Berner Behörden,
nicht angenommen werden. Denn der Gemeinderat Wohlen hat gegenüber
dem die Heimschafsung der Bevormundeten mit Rücksicht auf ihren
Gesundheitszustand ablehnenden Entscheide des bernischen Regierungsrats
vom Juni 1912 aus sein diesbezügliches Begehren ausdrücklich nur
vorläufig und im Vertrauen auf die in Fakt. A oben angeführte Bemerkung
des regierungsrätlichen Schreibens, die er als loyale Anerkennung seines
Rechtsstandpunktes aufsassen durfte, verzichtet und sich, nach seiner
unbestritten gebliebenen Angabe, auch später nur durch die mehrfach
eingeholten, stets ungünstig lautenden Arztberichte von der Erneuerung
seines Begehreus abhalten lassen. Unter diesen Umständen kann auch den
die Tatsache des Aufenthalt der Bevormundeten in Bern berücksichtigenden
Massnahmen der Be örde bezüglich ihrer Unterbringung und Verpflegung
nicht die Bedeutung einer Anerkennung dieses tatsächlichen Zustandes im
Sinne des Art. 377 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 377 - 1 Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
1    Hat sich eine urteilsunfähige Person zur Behandlung nicht in einer Patientenverfügung geäussert, so plant die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigten Person die erforderliche Behandlung.
2    Die Ärztin oder der Arzt informiert die vertretungsberechtigte Person über alle Umstände, die im Hinblick auf die vorgesehenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken, Nebenwirkungen und Kosten, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.
3    Soweit möglich wird auch die urteilsunfähige Person in die Entscheidfindung einbezogen.
4    Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.
ZGB beigelegt werden; erkannt:

Das Rechtsbegehren des Regierung-states des Kantons Aargau wird dahin
gutgeheissen, dass zur Vornahme der Sicherungsmassregeln im Sinne der
Art. 551 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
. ZGB mit Bezug auf den Nachlass der am 1. September 1913 in
Bern verstorbenen Z. von Wohlen (Aargau) die aargauischen Behörden des
Bormundschaftssitzes der Verstorbenen (Wohlen) für zuständig erklärt
werden
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 39 I 601
Date : 28. Januar 1913
Published : 31. Dezember 1914
Source : Bundesgericht
Status : 39 I 601
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 600 A. Staatsrechtliche Entlcheidungen. 11. Abschnitt. Bundesgesetze. Recht vermag


Legislation register
OG: 17  175  177
ZGB: 3  25  77  377  538  551  557
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